Sonntag, August 05, 2007

Vom Spiel mit den Genen

Gene entscheiden mit darüber, ob ein Lebewesen überlebt oder untergeht, ob es gedeiht oder verkümmert. Man muss nicht wie Prinz Charles mit Pflanzen sprechen, aber als etwas Lebendiges sollten wir sie schon anerkennen. Damit nicht alles noch verwickelter wird, als es ohnehin schon ist, soll hier von Pflanzen die Rede sein, nicht von Menschen und Tieren.

Gene sind nichts anderes als Erbanlagen. Sie bestimmen Charakter und Fähigkeiten –meine ebenso wie die einer Fledermaus oder einer Sonnenblume.

Die Natur spielt seit jeher mit den Genen. Sie probiert ständig, ob etwas anders gemacht werden kann, möglichst besser. Dabei lässt sich die Natur viel Zeit. Sie geht sozusagen schrittweise vor, damit die mögliche Umordnung nicht zur Unordnung wird und Schaden anrichtet.

Herr Mendel ist dieser natürlichen Genmanipulation auf die Schliche gekommen. Seine „Regeln der Vererbung“, die mendelschen Regeln, sind Grundlage der Genetik; sie gelten auch heute noch.

Gibt es einen Unterschied zwischen dem, was Herr Mendel tat und was heute „Gentechniker“ machen? Ja, und der Unterschied ist groß. Herr Mendel folgte der Natur, beobachtete sie, verstand und erklärte sie. „Gentechniker“ verändern die Natur, und wer der Ansicht ist, sie vergewaltigten die Natur, dürfte nicht im Unrecht sein.

Wer die richtigen Fragen stellt, bekommt auch die richtigen Antworten. Eine der richtigen Fragen ist sicherlich: Wem nützt es? Wer hat welche Vorteile von der Genmanipulation? Das liest sich am zuverlässigsten zwischen den Zeilen, zum Beispiel im Hamburger Abendblatt, Wirtschaftsteil, vom 17. Juli:

„Genkartoffel soll unter Auflagen angebaut werden dürfen. Brüssel. Der Weg für die Zulassung der umstrittenen Gen-Kartoffel „Amflora“ in der EU für rein industrielle Zwecke ist frei. Die EU-Agrarminister stimmten bei ihrem Treffen in Brüssel gestern zwar weder mehrheitlich für noch gegen eine Genehmigung. Die EU-Kommission wird die Pflanze jedoch wegen der Pattsituation zulassen. Bei der vom deutschen Chemiekonzern BASF entwickelten „Amflora“ handelt es sich um eine Industriekartoffel zur Herstellung von Kleidung oder Papier.

Bundesagrarminister Horst Seehofer warb bei seinen Kollegen für eine Genehmigung. Schließlich könnten aus der Kartoffel große Mengen industriell nutzbarer Kartoffelstärke erzeugt werden. Der CSU-Politiker knüpfte die Zustimmung jedoch an Vorsichtsmaßnahmen. So müsse sichergestellt sein, dass es nicht zu einer Vermischung mit Lebens- oder Futtermitteln komme. Zudem dürfe der Anbau nicht die Bodenqualität mindern. In Deutschland werde auch darauf geachtet, dass eine ‚Koexistenz’ – also das Nebeneinander normaler Kartoffeln und er genveränderten – ohne Gefahr möglich sei. Dazu werde der Anbau wissenschaftlich begleitet… Die Pflanze enthält nach den Angaben ein Resistenz-Gen gegen das medizinsche Antibiotikum Kanamycin. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hatt nach Untersuchungen aber erklärt, dass die Kartoffel für Mensch und Umwelt unbedenklich sei.“ (Beim Wein will sich Herr Seehofer dafür einsetzen, dass die traditionellen Herstellungsmethoden beibehalten werden.)

Was steht zwischen den Zeilen? Erstens: Herr Seehofer hat sich für die BASF eingesetzt, einen deutschen Chemiekonzern. Ein anderes Mal wird es sein französischer Kollege für seine Klientel tun, ein italienischer, ein polnischer, alle, alle werden es tun wie Herr Seehofer.

Zweiten: Was hält sich weiter zwischen den Zeilen verborgen? Das Profitstreben der BASF und der anderen Chemiekonzerne. Auch aus den „normalen“ Kartoffeln lässt sich Stärke für die Herstellung von Kleidung und Papier erzeugen. Möglicherweise nicht so profitträchtig, dafür aber ohne Nebenwirkungen.

Drittens: Die „Vorsichtsmaßnahmen, die Herr Seehofer an seine Zustimmung knüpfte, sind keinen Pfifferling wert. Alles das, was er sichergestellt sehen möchte, lässt sich nicht verwirklichen, nicht kontrollieren. Das ist Augenwischerei.

Im Beitrag der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung von heute, „Seehofers Kartoffelpolitik“, wird es deutlich: „Di EU-Kommision wird bei der Genehmigung entsprechende Vorgaben machen, die sicherstellen, dass die Amflora weder als Lebens- noch als Futtermittel verwendet werden darf“, sagt Seehofer.

Die Pläne der BASF dagegen: „Das, was nach der Stärkegewinnung von der Amflora übrig bleibt, die sogenannte Pulpe, solle als Futtermittel genutzt werden dürfen, in Brüssel laufe schon ein entsprechender Antrag.“

Ob Seehofer Wort hält und das verhindert? „Bei ihm weiß man nie genau, was er will: Gegenüber den Bauern äußert er immer Vorbehalte gegen Gentechnik. Aber wenn es konkret wird, stimmt er dann doch zu. Wie jetzt in Brüssel“, sagt Grünen-Fraktionschefin Renate Künast, seine Vorgängerin im Amt. So weit die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung.

Die Politik läuft wie geschmiert, könnte man sagen. Manus manum lavat – so die Römer: eine Hand wäscht die andere. Das haben die Römer gesagt, aber keineswegs erfunden. Das war wohl schon immer so.

Trotzdem muss uns das nicht gefallen. Und den „Waschlappen“ mal so tüchtig was auf die Finger zu geben, kann nicht schaden.

Ja, ja, ja, ich höre es schon: Was wollen Sie? Lobby-Arbeit ist doch völlig normal, gehört zur Demokratie. Volksvertreter können nicht alles wissen. Deshalb brauchen sie den Rat von Fachleuten.

Klar, das verstehe ich. Aber Lobbyisten geben – wir sehen es immer wieder – keine Ratschläge, sondern arbeiten für die Klientel, die sie bezahlt. Das hat mit Demokratie wenig zu tun.

Wie heißt es doch? Der dümmste Bauer hat die dicksten Kartoffeln. Sollten da die Kartoffelgene nicht so manipuliert werden, dass die Kartoffeln so klein wie Erbsen werden? Dann hätten wir die klügsten Bauern, Herrn Seehofer eingeschlossen.