Samstag, April 15, 2006

Mental gut drauf

Heutzutage sind unheimlich viele Menschen "mental gut drauf". Zumindest sagen sie das, wenn man sie fragt, wie es ihnen geht, wie sie sich fühlen, in welcher Verfassung sie gerade sind.

Was mit "mental gut drauf" sein gemeint ist? Zum Beispiel: "Ich fühle mich gut." "Ich bin hellwach." "Ich weiß, worum es geht." "Ich habe alles im Griff." "Mir macht man nichts vor." Es gibt also eine ganze Reihe von Möglichkeiten, das "mental gut drauf sein" genauer auszudrücken. Aber da müsste man gegebenenfalls ein wenig nachdenken. Und da ist natürlich der Griff in das sprachliche Tiefkühlfach, in die Abteilung Fastfood-Deutsch bequemer.

Diese Bequemlichkeit, diese Faulheit führt zu den absonderlichsten Ergebnissen. So lobt beispielsweise Mechthild Runneborn, freie Fotografin und Mutter von vier Kindern, das Leben in Lohne bei Vechta über den Grünen Klee und sagt: "... und das mentale Gefüge ist offen."

Da haben wir wieder das Wörtchen mental, jetzt nur noch viel geheimnsivoller. Was ist ein mentales Gefüge? Und was ein offenes mentales Gefüge?

Wenn Mechthild Runneborn sagen würde: "Hier sind die Menschen aufgeschlossen", dann würde das jeder sofort verstehen. Aber das "offene mentale Gefüge" macht natürlich mehr Eindruck. Es scheint immer häufiger nicht zuerst ums Verstehen zu gehen, sondern um einen großartigen sprachlichen Auftritt, auch wenn niemand genau versteht, was gemeint ist.