Dienstag, April 04, 2006

Erfindergeist

Ob wir Deutschen nun erfinderischer sind als die Amerikaner (die im Norden) oder die Japaner oder wer weiß wer noch, sei dahingestellt. Wenn man gelegentlichten Meldungen zu diesem Thema trauen darf, befindet sich Deutschland in der Spitzengruppe der Erfindernationen. Das ist beruhigend, gibt Zuversicht für die Zukunft.

Beunruhigend ist dagegen eine Erfindung, die gar keine ist: die Selbsterfindung.

Neuerdings ist die Rede und Schreibe davon, dass sich jemand neu erfunden hat, oder vor der Notwendigkeit stand, sich selbst neu zu erfinden. Das klingt unheimlich aufregend, und das soll es wohl auch.

Was steckt dahinter? Wenn man sich neu erfinden will, dann muss man sich ja wohl schon einmal erfunden haben. Das hat bisher aber noch niemand fertiggebracht. Wir kommen auf die Welt, aber wir erfinden uns nicht.

Ich habe das Gefühl, dass sich hier Soziologen, Psychologen und andere einschlägig Beschäftige etwas ausgedacht haben, das sie reizvoll finden: die Selbsterfindung.

Wenn man einen Augenblick hinter die neue Selbsterfindung blickt, entdeckt man etwas ganz Einfaches. Es geht um Neuorientierung, um den Wunsch, etwas Neues anzufangen und den Versuch neue Wege zu neuen Zielen zu entdecken. So einfach ist das. Zu einfach, um reizvoll zu sein?

Nur einen Katzensprung entfernt vom "sich selbst neu erfinden" begegnet uns das Wort Lebensentwurf. Man ist geneigt, sich vor diesem großen Wort tief zu verneigen und wagt es kaum, sich wieder aufzurichten.

Aber wenn wir dann wieder aufrecht stehen, sollten wir uns fragen, was es denn mit diesem Lebensentwurf wirklich auf sich hat.

Wer von uns hat denn einen Lebensentwurf, einen Plan, wie er sein ganzes Leben gestalten will? Schließlich lässt das Wörtchen Entwurf an etwas Künstlerisches denken. Sicherlich haben wir alle unsere Pläne - was wir beruflich erreichen möchten, wie wir leben wollen und was weiß ich noch - aber ist das ein Lebensentwurf?

Was für ein Gedöns! Viel Lärm um nichts. Und wenn um nichts, dann um wenig.