Sonntag, April 23, 2006

Kulturbeutelei

Kulturbeutelei. Dem Wort Kulturbeutel begegnen wir nur noch in Wörterbüchern. Da wird erklärt, dass es sich um ein Täschchen für Toilettenartikel (für Reisen) handelt, also Zahnbürste, Zahnpasta, Seife, Waschlappen und ähnliches.

An die Stelle von Kulturbeutel trat dann Reisenecessaire. Inhalt siehe Kulturbeutel. Auch dieses Wort ist aus der Mode gekommen, obgleich noch niemals so viele Menschen so oft und so weit gereist sind wie heute.

Da sind also zwei Wörter so gut wie verschwunden, was uns nicht besonders beunruhigen sollte; denn um die Kultur steht es bestens.

Da haben wir erstens eine Leitkultur. Dann eine Streitkultur, eine Alltagskultur, Sprachkultur, Unternehmenskultur und noch viele, viele andere.

Warum wird mit dem Wort Kultur so ein Schindluder getrieben? Die Antwort ist einfach: Wir sind denk- und sprachfaul geworden. Uns geht alles nicht schnell genug – erst reden, dann denken, wenn überhaupt.

Fastfood-Deutsch ist angesagt. Man wird schon verstehen, was wir sagen wollen. Kurz und knackig, darauf kommt es an. Also los, Leute! Überholkultur (auf den Autobahnen, auf allen Straßen), Einkaufskultur (bei Aldi, Lidl und so weiter), Geizkultur (Saturn und Mediamarkt etc.), Kindergartenkultur, Politikkultur, Arbeitgeber- und Gewerkschaftskultur.

Ob das alles in unserern Kulturbeutel passt? Wollen wir wirklich alles mit auf die Reise nehmen?

Irgendwann hört der Spaß auf; denn in Wahrigs Wörterbuch steht, dass Kultur die Gesamtheit der geistigen und künstlerischen Ausdrucksformen eines Volkes ist (Kunst, Wissenschaft usw.) Da sind wir mal wieder weit über das Ziel hinausgeschossen.