Sonntag, September 18, 2016

Leben im Viertelstundentakt

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SPIEGEL ONLINE wählt täglich einen Gewinner des Tages. Neulich waren es – pateiübergreifend – die Spitzenpolitiker.  Begründet wurde die Wahl mit unfassbarer Einsatzbereitschaft.  16-Stundentage und Termine im Viertelstundentakt – für die Kanzlerin normal. Nicht viel anders sieht es bei ihren Kabinettskollegen aus. Respekt!

Auf den ersten Blick ist dem nichts hinzuzufügen, auf den zweiten Blick aber doch. Etwas Entscheidendes wurde übersehen: Termin im Viertelstundentakt lassen nicht auf Gründlichkeit schließen. Die aber wäre notwendig. Schließlich geht es in der Spitzenpolitik um Dinge, die Millionen Menschen betreffen. Wer kann so etwas Wichtiges in 15 Minuten verantwortungsvoll entscheiden?

Nein, nein, der Einwand, die notwendigen Entscheidungen seien von Experten gründlich vorbereitet, sticht nicht. Zu viele Fehler wurden und werden gemacht. Churchill brachte es auf den Punkt: „Ein Experte ist ein Mann, der hinterher genau sagen kann, warum seine Prognose nicht gestimmt hat.“

Ist das Leben im Viertelstundentakt wirklich ein unlösbares Problem? Ist die Sache „alternativlos“? Wie wäre es mit einer halben Stunde anstelle einer viertel? Wie wäre es mit weniger Gesetzen, weniger Anordnungen und Vorschriften und – weniger Experten? Weniger ist mehr. Das hat sich oft genug gezeigt.

PS: Wie im Großen, so im Kleinen. Warum lassen wir uns täglich hetzen? Und wie weit bringt uns diese Hetze? „Je langsamer du gehst, desto weiter kommst du“, sagt ein russisches Sprichwort. Das müssen wir nicht wörtlich nehmen. Aber wir sollten es uns zu Herzen nehmen. Es wird uns und dem, was wir tun, gut tun.