Samstag, Januar 07, 2012

Unsere herunter gekommene Republik

Andere, die von Berufs wegen schreiben, schreiben schneller als ich. Trotzdem will ich notieren, was mir durch den Kopf geht.

Die Wulff-Affäre wird von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde, unerträglicher. So gut wie jeder hat sie inzwischen satt, was aber kein Grund ist, die Sache einfach so beiseite zu legen.

Das für mich wirklich Erschreckende ist die Forderung, unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel solle hier nun endlich reinen Tisch machen. Diese Forderung kommt von der Opposition, von SPD, den GRÜNEN, den LINKEN. Gleichzeitig schonen sie den Präsidenten, den sie gern davon jagen möchten. Er beschädige das Amt, sagen sie. Das stimmt zwar, aber sie beschädigen das Amt auch, indem sie von Frau Merkel verlangen, sie solle ein Machtwort sprechen.

Die Bundeskanzlerin soll den Bundespräsidenten absetzen? Darauf läuft doch dieser Vorschlag hinaus. Das zeigt, dass diese Parteien nicht besser sind als die UNION und die FDP. Das zeigt vor allem den desolaten Zustand unserer Republik.

Die erste Person unserer Republik, ob Präsident oder Präsidentin, soll über allen Parteien stehen, sie soll für Klarheit, Wahrheit und Gerechtigkeit stehen, ihre Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass unsere Republik sich anständig benimmt – unseren Mitvölkern gegenüber und jedem einzelnen von uns.

Und was machen unsere Parteien? Sie machen die Erste Person unserer Republik zum Spielball ihrer Interessen. So hat Frau Merkel zwei Kandidaten „durchgedrückt“, von denen der eine zu empfindlich war und der andere zu unempfindlich ist. Und nun soll sie es richten.

Das ist die wirkliche, die wahrhaftige Schande dieser Affäre: Unsere Bundeskanzlerin und ihre Partei machen sich das Bundespräsidentenamt, machen sich den Bundeprä-sidenten untertan. Dass sich Frau Merkel – ihre Partei inbegriffen – nicht anders verhält als ihre Vorgänger, macht die Sache nicht besser, eher schlimmer.

Wie gesagt: Andere schreiben schneller als ich. Vielleicht denken sie auch schneller als ich. Da meinte doch heute in Spiegel Online Kultur, Herr Diez, wir sollten uns an der französischen Republik ein Beispiel nehmen; die hätte sich schon mehrmals neu erfunden. Leider hat er nicht gesagt, zu welchen Verbesserungen die Wechsel von der ersten zur zweiten, zur dritten, zur vierten, zur fünften Republik geführt haben. Ich hatte noch keine Gelegenheit, den Autor danach zu fragen. Vielleicht weiß er es selbst nicht, was ich wiederum auch nicht weiß.

Langer Rede kurzer Sinn: Wir müssen nicht gleich die ganze Republik neu erfinden. Aber wir sollten uns auf die Suche nach einem Menschen begeben, der zumindest zeigt, wie wir gern sein möchten, der so irgendein Ideal ist, dem wir gern nacheifern würden. Und der anderen Völkern sagt: Seht mal, so sind wir Deutschen und egal, wie viele Fehler wir haben: Wir möchten, dass Ihr unsere Freunde seid. Schließlich
Seid Ihr ja auch nicht ganz astrein. Wer ist schon ohne Fehler?!