Sonntag, Juli 19, 2009

Zur Entwicklung unserer Sprache

Viele alte zutreffende Wörter sind durch neue, aber nicht bessere ersetzt worden; man hat sie verdrängt, und wer sich politisch korrekt ausdrücken will, benutzt die neuen.

Sicherlich ist dieses und jenes zumindest richtig.

So wird der Auszubildende ausgebildet, der Lehrling lernte. Was war so schlimm am Wort „Lehrling“? Den Gesellen gibt es ja immer noch und den Meister sowieso. Aus der Lehrzeit wurde die Ausbildungszeit. Gut, das ist hinzunehmen, auch wenn es nicht jedem gefällt.

Aus der Putzfrau wurde die Raumpflegerin. Das klingt irgendwie vornehmer. Aber abwertend, verachtend, war das Wort Putzfrau doch eigentlich nicht. Schließlich machen viele Hausfrauen auch heute noch ihren Frühjahrsputz, nicht aber eine Frühjahrspflege. Verächtlich allerdings ist es, wenn Damen der besseren Gesellschaft von ihrer Putze sprechen. Das ist wirklich herabsetzend. Aber in der Gefahr, vom hohen Roß zu fallen, leben hier die Damen der besseren Gesellschaft. Die Putze ist ja schon unten. Die Damen allerdings fallen noch tiefer.

Unsere Arbeitswelt ändert sich ständig. Berufe verschwinden, neue tauchen auf. Das ist ganz normal. Da kann es notwendig werden, neue Berufsbezeichnungen zu finden. Das ist richtig. Welchen Grund aber gibt es, alte Berufsbezeichnungen durch neue zu ersetzen, wenn sich an den Tätigkeiten nicht geändert hat?

Der Grund ist die sich immer weiter verbreitende Großmannssucht, die ihren Ausdruck in immer pompöseren Wörten sucht – und auch findet. Besonders anfällig dafür scheinen Politiker und ihre Gehilfen, die Funktionäre in Wirtschaft und Verwaltung zu sein.

Daß Politiker sich politisch korrekt verhalten wollen, wenigstens in dem, was sie sagen, ist verständlich. Dieses Bemühen führt zu den lächerlichsten Ergebnissen. So machten die Politiker, beziehungsweise ihre Gehilfen, aus dem Schiffbauer den Konstruktionsmechaniker. Welch ein Irrsinn! Unter einem Schiffbauer kann sich jedes Kind etwas vorstellen, der Konstruktionsmechaniker läßt wahrscheinlich sogar Helmut Schmidt, nach einer Umfrage der weiseste deutsche Mann, einigermaßen ratlos; auf die Tätigkeit eines Schiffbauer wird er vermutlich kaum kommen.

Irgendwelche Leute müssen die Berufsbezeichnung Schiffbauer als abwertend empfunden haben, so ähnlich wie die Bezeichnung Putzfrau. Woran mag das nur liegen? Vielleicht denken die Unworterfinder, daß sich der Weg vom Tellerwäscher zum Millionär verkürzen läßt, wenn sie aus dem Tellerwäscher einen Gedeckpfleger machen.

Offensichtlich kann alles nicht groß und gut und schön genug sein. Wie sonst wird heutzutage aus jeder popligen Technik eine Technologie gemacht? uawg.

14. April 2002