Dienstag, Februar 26, 2008

Ich muss ganz deutlich sagen

„Ich muss ganz deutlich sagen…“

Es ist nicht schwierig zu erraten, wer da etwas ganz deutlich sagen will. Es ist entweder ein Politiker, ein Manager oder ein Funktionär. Denen genügt es nicht, etwas zu sagen, sie müssen es ganz deutlich sagen. Und so wie sie sich selbst aufblasen, blasen sie auch unsere Sprache auf. Selbst das Bedeutungslose klingt da sehr bedeutend. Das ist Absicht, aber die, die etwas ganz deutlich sagen, merken es gar nicht mehr, so eingeübt ist diese Unsitte.

Schlimm genug. Aber es kommt noch schlimmer. Alle möglichen Begriffe werden ständig missbraucht, falsch oder missverständlich angewendet. Mal geschieht es Dummheit, mal aus Bequemlichkeit, mal aus Berechnung.

Qualität zum Beispiel. Auch wenn unter Qualität Beschaffenheit zu verstehen ist, im alltäglichen Sprachgebrauch meint man etwas Besonderes, etwas besonders Gutes. Alles und jedes hat heute nicht nur eine Qualität, sondern eine neue Qualität – die islamistische Propaganda ebenso wie die Großstadtkriminalität, die Steuerhinterziehung, die Verschwendungssucht – einfach alles.

Vor allem dürfte die Bequemlichkeit der Grund sein für diese Schludrigkeit. Man greift ins Sprachregal, holt sich eine Sprachkonserve heraus und muss selbst keine eigenen Worte finden.

Zu sensibel wird besonders gern und oft gegriffen. Da gibt es sensible Waren, gelegentlich gesteigert zu hochsensiblen Waren. Da ist von sensiblen Themen die Rede und auch von Sensibilisieren. Alles, was heikel ist, worüber lieber nicht gesprochen werden sollte, alles, was peinlich werden könnte, käme es ans Tageslicht, alles das ist sensibel – nein, wird sensibel genannt. Gemeint ist immer: Darüber sollten wir nicht reden. Das muss unter der Decke bleiben. Bloß keine Einzelheiten nennen. Nichts zugeben, alles verschweigen.

Und was das Sensibilisieren angeht: Worum geht es da? Eigentlich nur darum, Gefühl und Verständnis für ein Thema zu vermitteln. Oft steckt dahinter der Gedanke, andere Menschen für unsere Ideen zu gewinnen. Das ist ja nicht falsch und nicht verwerflich. Warum wird es nicht gesagt? Warum diese gedankenlose Fast-Food-Sprache? Ist es so schwierig, eigene Worte zu finden?

(Sensibilität = Feinfühligkeit – sensibel = feinfühlig, empfindsam – sensibililsieren = für etwas empfänglich machen, Verständnis wecken.)

Pragmatisch. Da wird einem Politiker zugestanden, er sei pragmatisch. Verstehe, wer das will. Nicht mal Abiturienten kommen damit so ohne Weiteres zurecht. Ins Alltagsdeutsch übersetzt heißt das nicht anderes als: Er ist sachlich, er hat Erfahrung, er weiß, wovon er redet, und eine pragmatische Lösung ist eine, die auf Erfahrung beruht, eine Lösung, auf die man sich verlassen kann. Wenn das nicht pragmatisch ist!

Belastbar, ein unscheinbares, in letzter Zeit immer häufiger – absichtsvoll? – verwendetes Wort.

Es ist noch gar nicht so lange her, da sagte man beispielsweise: „der So-und-so“ ist belastbar. Gemeint war: Den schmeißt so leicht nichts um. Der steht das durch.

Heute ist etwas anderes gemeint. Da ist von nicht belastbaren Zahlen, von nicht belastbaren Informationen die Rede, was nichts anderes bedeutet: Auf die Zahlen kann man sich nicht verlassen, die Informationen sind nicht verlässlich. Aber das wäre ja die „brutalstmögliche“ Deutlichkeit. Das wollen wir doch lieber nicht. Da benehmen wir uns doch lieber „politically correct“.

Was hätten wir da noch? Da wäre das Rating. Nach der Frankfurter Allgemeinen Zeitung dieser Tage bekommen „Zertifikate ein Rating“. Das halte ich für einen schlechten Witz; denn die Ratings, sprich Bewertungen der Rating-Gurus, haben – wohl nicht nur in letzter Zeit – deutlich daneben gelegen. Die Sub-Prime-Katastrophe haben die Gurus nicht gesehen oder – schlimmer noch – verschwiegen.

Nun kommen wir zu den leichteren Übungen. Was bisher eine Vorschau war, ist heute eine Preview. Aus einer Spielemesse wird jetzt eine Games Con (Games Convention). Gut, das ist Europas größte Messe für Video- und Computerspiele – aber spricht Europa Englisch? Da sei Sarco davor.

Wenn man ins Hamburger Abendblatt schaut, hat man durchaus das Gefühl. Unter dem Titel „Was macht eigentlich ein Shiftleader?“ wird erklärt, dass es sich hier um einen Schichtleiter handelt, um den Vormann also oder die Vorfrau. Erinnert das nicht an den Viewpoint im Hamburger Hafen oder die Hamburger Port Authority, die Hafenverwaltung? Ach ja, der Viewpoint ist nichts weiter als ein Aussichtspunkt.

Schlimmer als das, weil an Betrug grenzend, ist das Wort Fahrrinnenanpassung, das für Elbvertiefung ins Gefecht geführt wird. Fahrrinnenanpassung kann alles Mögliche sein, klingt auf jeden Fall harmlos. Und darum geht es.

Ganz schnell noch zu eínem hoffnungslos erscheinenden Fall: Nordgate. Da haben sich ein paar Bürgermeister einiger Städtchen nördlich von Hamburg zusammen- getan, um etwas Bedeutendes in die Welt zu setzen.

Sie wollten das Tor zum Norden zimmern und brachten nichts anderes zuwege als das Nordgate. Auf Northtor ist niemand gekommen, hätte doch aber genau so gut gepasst. Oder vielleicht Northgate? Aber heute werden Kinder genannt wie man lustig ist, manchmal sogar nach einer Stadt: Paris (Hilton).