Mittwoch, April 26, 2006

Sprachkunststücke

Sprachkunststücke.

Für Kunststücke sind Artisten zuständig. Das gilt natürlich auch für die Sprache. Merkwürdig ist, dass die Sprachartisten gern anonym bleiben, unerkannt sein wollen, und meist bleiben sie es auch.

Wir können nur feststellen, dass sie vor allem in der Politik, in der Verwaltung ihre Bleibe haben, als Minister und Ministeriale, als Beamte, Funktionäre und Juristen. In allen diesen Bereichen scheint man eine besondere Sprache zu sprechen, die im Allgemeinen auf wenig bis gar kein Verständnis trifft oder einfach lächerlich ist.

Zuerst zum Lächerlichen. „Im Sinne der Verpackungsverordnung sind Einwegverpackungen alle Verpackungen, die keine Mehrwertverpackung darstellen.“ Anders gesagt: Alle Schimmel sind Schimmel, die Schimmel sind. Was sich auch auf die Rappen anwenden ließe.

„Erstinverkehrbringer“ – das Wort müssen wir uns auf der Zunge zergehen lassen, das müssen wir genießen: „Erstinverkehrbringer“! Auf so ein Wortmonster kann nur ein Beamter, ein Funktinär, ein Sprachfeind kommen. Gemeint ist der Abfüllbetrieb. (Die Rede ist hier vom neuen Einwegpfandsystem für Getränkeverpackungen.

Und nun zu dem, was möglicherweise ernst genommen werden sollte. Der „Verband deutscher Mühlen“ (was ist das für ein Verband?) will erreichen, dass aus dem Müller ein ‚Verfahrenstechnologe in der Mühlen- und Futtermittelwirtschaft“ wird.

Da haben wir es wieder: Es geht nie hoch genug hinaus. Aus Technik wird mit Begeisterung und ohne hinzusehen Technologie gemacht. Was aus einem Lehrling, einem Hilfsarbeiter oder einem Hilfsschüler, einer Küchenhilfe, einer Zugehfrau, einer Hausfrau heute gemacht wird, soll hier gar nicht erst notiert werden. Die Neigung, sich am Unangenehmen vorbeizumogeln, scheint unwiderstehlich zu sein.
(Tröstlich ist nur, dass der derzeitige Wirtschaftsminister unserer Republik gelernter Müllermeister ist, der sich gegen die Verballhornung seines ehrenwerten Berufs wehrt.

Bevor wir uns so richtig auf das Wort „unaufgeregt“ gewöhnen konnten, kommt schon un-Wort: „Unaufreizend“. Wenn jemand „unaufgeregt“ ist, dann ist er ruhig, besonnen, hat die Sache im Griff, alles läuft ‚wie geschmiert’ – zig Möglichkeiten also, sich genau auszudrücken. „Unaufgeregt“ ist die billige, abgegriffene Wortmünze.

Und nun „Unaufreizend“. Müsste eine Sache sein, die einen kalt lässt, die keine Aufmerksamkeit verdient, die einen nicht reizt. Was ist wirklich gemeint? Und woher kommt dieses Wort?

Wahrscheinlich ist „unaufreizend“ genau so eine Sprachschablone wie „etwas in den Fokus zu nehmen“. Was heißt „in den Fokus zu nehmen“? Nichts anderes als „wenn man genau hinschaut“. Klingt einfach, ist einfach, und jeder versteht es. Macht aber nicht so viel her.