Mittwoch, April 26, 2006

Kulturbeutelei, die zweite

Kulturbeutelei, die zweite.

Der Missbrauch, der mit dem Wort Kultur in allen seinen möglichen, hauptsächlich aber unmöglichen, Zusammensetzungen getrieben wird, ist wie eine schlechte TV-Novela: ohne Ende. Woran liegt das?

Offenbar gibt es mehrer Gründe. Da ist zum Beispiel der Hang zu Schlagwörtern, mit denen man kurz und kräftig auf ein Thema draufschlagen kann. Da weiß jeder sofort, was Sache ist.

Dazu kommt die Faulheit, nach den passenden Wörtern zu suchen; es ist eben bequemer, von Sprachkultur zu sprechen, als von vom Gefühl für Sprache, den Umgang mit der Sprache. Peng! Sprachkultur sagt alles. Und nichts! Das ist das Fabelhafte an solchen Wörtern. Jeder kann verstehen, was es will, und derjenige, der das Wort in den Mund genommen hat, kann immer sagen, dass er das so nicht gemeint hat, sondern etwas ganz anderes.

Ein weiterer Grund könnte eine gewisse Hochnäsigkeit sein: Man spricht nicht wie der Mann auf der Straße, sondern – besser, das heißt ein höheres Hochdeutsch. Im Mittelalter machte man vom Latein Gebrauch, um den Plebs zu beeindrucken.

Diese und vielleicht noch andere Gründe führen zu folgenden Kulturkatastrophenwörtern:

Rechtskultur, Toleranzkultur, Unterrichtskultur, Lernkultur, Sprachkultur, Sicherheitskultur, Betroffenheitskultur, Teilzeitkultur, Führungskultur, Kultur des Respekts, Kultur der Anstrengung, Kultur des Rücktritts, politische Kultur, Kooperationskultur usw. usw.

Eines machen diese Beispiele auf jeden Fall klar: Wir sind eine Nation, die in ihren fragwürdigen Kulturen noch einmal umkommen wird, zumindest, was die Sprache angeht.