Sonntag, April 30, 2006

Sündenregister

Zwischendurch: Die jungen Schlußredakteurinnen des HAMBURGER ABENDBLATT kennen den Unterschied zwischen Referenz und Reverenz nicht. Sie lassen schreiben „Die Ernennung des bodenständigen Politikers ist offenbar eine Referenz an jene große Zahl der Wähler, die...“ Es geht hier aber nicht um Empfehlung (Referenz), sondern um Ehrerbietung (Reverenz).
Noch einmal zurück zur Sprache. Immer wieder wird geschrieben und auch gesprochen von „Standing Ovations“. Jeder ahnt, was damit gemeint ist, aber nicht jeder würde es so ausdrücken. Von Luthers Rat, dem Volk aufs Maul zu schauen, sind Schreiber und Sprecher inzwischen weit entfernt.

Ovation heißt Huldigung. Eine stehende Ovation ist demnach eine stehende Huldigung. Na ja, so geht es wohl nicht. Also dürfte eine „Standing Ovation“ eine Huldigung sein, bei der alle Huldigenden stehen. Ein bißchen komisch, nicht wahr?

„Früher“ war von rauschendem Beifall oder nicht enden wollendem Beifall oder überwältigendem Beifall die Rede, und es gab noch viele andere, feinere, genauere Formulierungen. Aber für das Feinere, für das Genauere braucht man mehr Zeit. Und die haben wir ja neuerdings nicht mehr. Wir verbrauchen sie ja schon im Übermaß für Fun, für Selbstverwirklichung, für alles mögliche Unmögliche.

Was hat Jörg Schönbohm kürzlich in einem Gespräch mit der WELT gesagt?
„...Aber schauen Sie, in unserem Land leben über sieben Millionen Ausländer. Doch nur zwei Millionen von ihnen haben Arbeit....“

Das ist Demagogie, das ist Irreführung, ist eine Gemeinheit sondergleichen, ist Aufruf zu Ausländerfeindlichkeit, zu Menschenverachtung. Wieso, warum? Die folgende Rechnung gibt die Antwort. In Deutschland leben etwa achtzig Millionen Menschen. Davon haben ungefähr dreißig Millionen Arbeit. Folglich sind fünfzig Millionen Deutsche arbeitslos.
Was unsere Sprache angeht, den Umgang mit ihr, wird es von Tag zu Tag schlimmer. So schreibt DIE WELT in ihrer Ausgabe vom 16. 03. 2002 auf Seite 13 im Beitrag „Marktplatz“:
„Pleiten und Betrugsfällen ... ist mit solchen Halbherzigkeiten nicht bei zu kommen.“
Nicht bei zu kommen. Du haben fertig? Ich auch.
Bevor ich mich heute, 10. April 2002, wieder in meinen Böll vertiefe, noch eine Anmerkung zum Mißbrauch des Wortes KULTUR. Das steht in DIE WELT, 10. April 2002, Seite 28: „Sprachlos in die Pleite. Kirch bringt es an den Tag: Die Deutschen müssen sich erst noch an eine Kultur der Insolvenz gewöhnen. Gemeint ist vom Autor Peter Gillies dies: Die Deutschen müssen sich erst noch an den Umgang mit dem Begriff Insolvenz gewöhnen; sie müssen lernen, wie man damit umgeht.

Weiter hinten im Text: „Zur Kultur tradierter und erfolgreicher Firmen gehörte es immer zuallererst, die Substanz zu sichern. Eine Brücke wurde erst dann vorangetrieben, wenn die bisherigen Pfeiler und Abschnitte gesichert waren.“ Was Autor Gillies mit Kultur bezeicnnet, sind Grundsätze. Herr Gillies war zu faul, den genauen Begriff zu suchen und zu benutzen. Damit ist er leider nicht allein.

Ich ahne schon: Herr Gillies wird sagen, daß er unter Zeitdruck arbeitet; die Zeitung für morgen darf nicht erst übermorgen fertig werden, und da sind solche Bequemlichkeiten einfach notwendig. Aber – Gegenargument: die Tageszeitung war doch immer eine Tageszeitung, und die Zeit war immer zu kurz. Warum war die Zeitung „damals“ sorgfältiger geschrieben?
Etwas nebensächlich Wichtiges zum Thema Sprache: „Wie werthaltig diese Aussage ist, weiß der machtlose Turnierdirektor inzwischen einzuschätzen.“ Hamburger Abendblatt, Freitag, 26. April 2002 – „Kurnikowa kneift.“ Werthaltig – was für ein Wort! Du und ich, was würden wir sagen? Wahrscheinlich dies: „Wieviel Wert diese Aussage ist...“ oder „Welchen Wert diese Aussage hat...“ – Eine werthaltige Aussage? Natürlich, unsere Sprache lebt, sie verändert sich, wir verändern sie, weil wir uns ja auch verändern. Aber müssen wir jeden Unsinn mitmachen? Ich denke da an mein Paradebeispiel „gewunken“. Er hat gewunken. Nein, das hat er nicht. Er hat gewinkt; denn es heißt immer noch „winken, winkte, gewinkt“. So unterschiedlich winken und stinken sind, so unterschiedlich sind auch die grammatischen Formen.
„Stinken, stank, gestunken“ heißt es korrekt. Wenn wir winken dieser Form anpassen wollen, müßten wir sagen und schreiben „winken, wank, gewunken“. Aber wer hat schon gesagt oder geschrieben „er wank ihnen zu“? Noch niemand. Woher kommt „gewunken“?
05. 05. 2002:

Mir fällt gerade ein Zettelchen in die Hände, auf dem steht „Gewinnfalle“? „Gewinnwarnung“? Beide Wörter sind mit einem Fragezeichen versehen. Der Grund dafür ist leicht einzusehen: Beide Wörter sind so neu in unserer Sprache, daß die meisten von uns nicht wissen, was damit gemeint ist; jedenfalls wissen sie es nicht genau.

Was geht uns durch den Kopf, wenn wir die Wörter so nehmen, wie sie vor uns stehen? „Gewinnfalle“ – das könnte eine Falle sein, mit der wir ganz gehörige Gewinne für uns einfangen können. Könnte doch wirklich so sein, oder? So nach dem Motto „Honey is good for trapping“.

„Gewinnwarnung“ – was schießt uns da durch den Kopf? Klar, vor übermäßigen Gewinnen wird gewarnt, weil – zum Beispiel – zu viel Steuern zu zahlen sind, weil es vielleicht als unanständig angesehen wird, so viel Gewinn zu machen. Na, auf jeden Fall – auch wenn wir ihn nicht kennen – wird vor Gewinn gewarnt.

Irrtum! Irrtum in beiden Fällen: Mit „Gewinnfalle“ ist gemeint, daß ein Unternehmen den Mund zu voll genommen hat; es kann die vorausgesagten Gewinne nicht erreichen. Und nun sitzt es in der Falle. Wie soll es klarmachen, daß es sich und der Öffentlichkeit etwas vorgemacht hat? Vielleicht gibt es für diese Aufgabe Spezialisten. Vielleicht? Bestimmt gibt es sie!

„Gewinnwarnung“ ist mit dem Wort „Gewinnfalle“ verwandt. Auch hier ist gemeint, daß der hinausposaunte Gewinn nicht erreicht werden wird. Nicht selten kommt es vor, daß an die Stelle des Wörtchens Gewinn das Wort Verlust gesetzt werden muß. „Gewinnwarnung“ hat den Vorzug, nicht so dramatisch zu klingen. Die Tatsachen sind dann oft um so dramatischer.

So viel zu dem Zettelchen, das mir in die Hände fiel.
Zwischendurch: Die jungen Schlußredakteurinnen des HAMBURGER ABENDBLATT kennen den Unterschied zwischen Referenz und Reverenz nicht. Sie lassen schreiben „Die Ernennung des bodenständigen Politikers ist offenbar eine Referenz an jene große Zahl der Wähler, die...“ Es geht hier aber nicht um Empfehlung (Referenz), sondern um Ehrerbietung (Reverenz).
Heute abend haben Real Madrid und Bayer Leverkusen um den Champions League Pokal gespielt. Zugegeben: Das Spiel war spannend, spannender als die meisten Nationalmannschaftsspiele. Real hat gewonnen. Das war mir schon vor Spielende in dem Augenblick klar, als der Reporter sagte: „Ballack sucht den Strafraum.“ Mein Gott, dachte ich, wenn der nicht mal weiß, wo der Strafraum ist, dann kann das ja nichts werden. Und so wurde es dann auch nichts. Vielleicht hilft Aspirin, um über den Schmerz hinwegzukommen.

Was mir neben dem Spielfeld auffiel, waren die Stewards. Nein, nicht eigentlich die Stewards, sondern diese Bezeichnung. Hießen die nicht noch vor kurzem Linienrichter? Vielleicht verwechsle ich da etwas. Aber ein bißchen ist es so mit der Technologie, die oft nur ganz einfache Technik ist. Oder wie in der Formel 1, bei der die Streckenwärter jetzt Marshals sind. Sind die Jungs an den Rennstrecken nun wirklich Zeremonienmeister, Vollstreckungsbeamte oder Gerichtsvollzieher, wie ein seriöses Wörterbuch notiert? Wenn sie Pech haben, werden sie von einem herumfliegenden Reifen erschlagen, wie vor nicht allzu langer Zeit in Monza.
Schon wieder: Die Wunder der neuen Rechtschreibung
(DIE WELT, 09. 10. 2002, Sportteil)

„Nachdem, was dieses Jahr passiert ist, müssen wir Ferrari bremsen...“

Nachdem?

Richtig wäre: „Nach dem, was dieses Jahr passiert ist...“

Nachdem ich diesen Unsinn gelesen habe, ärgerte ich mich erneut über die Rechtschreibreform, die bis auf Ausnahmen, nur zu Dummheiten geführt hat und zu Verwirrung.

Wahrscheinlich hätte ich jetzt schreiben müssen: „Nach dem ich diesen Unsinn gelesen habe,...
Ach, es geht weiter, schon am 10. Oktober in der WELT, im Wirtschaftsteil, Seite 11:
Die Kolumne „Der Kommentar“. Titel „Die italienische Tragödie“. Thema: Der Ausverkauf der Automobilmarke FIAT an General Motors. Da heißt es: „Die Streik erprobten italienischen Gewerkschaften....“

Was heißt denn das? Die den Streik erprobt habenden Gewerkschaften? Ich will nicht lange debattieren! Es heißt streikerprobte Gewerkschaften, so wie es hartgesottene Krieger heißt oder weichgekochte Kultusminister. Die sind nicht weich gekocht worden, sondern wurden so lange gekocht, bis sie weich waren. Da waren sie dann die weichgekochten Kultusminister. Leider sind sie hartgesottene Burschen, die uns weiter mit ihrem Unsinn quälen.
„kontraproduktiv“ – ein bei Politikern außerordentlich beliebtes Wort, um Vorschläge, Anregungen, Äußerungen der Gegenseite schlecht zu machen. Auch Industrie- und Gewerkschaftsfunktionäre benutzen dieses Wort gern. Nur in Disputen zwischen Eheleuten oder Freunden, unter ganz „normalen“ Menschen, kommt dieses Wort nicht vor. Warum nicht? Was sagt es? Und was sagt es nicht?

Ich fange mal mit „produktiv“ an, vielleicht bringt das Licht ins Dunkel.

Produktiv erklärt Wahrig’s Wörterbuch wie folgt: „Produkte hervorbringend, schöpferisch, fruchtbar;...“ Na gut, manchmal sind Wörterbücher etwas altmodisch; man kann sie ja auch nicht jeden Tag neu drucken, das Mundwerk ist da allemal schneller.

Bevor ich den Sprung zu „kontraproduktiv“ mache, noch eine kleine Überlegung dazwischen: Nicht alles ist produktiv, ist schöpferisch; manches bewirkt gar nichts, bringt nichts von der Stelle.

Aber „kontraproduktiv“? Das klingt wie Unkrautvernichtungsmittel. Damit wird nicht etwa gesagt, daß die Sache nichts nützt, damit wird behauptet, daß alles ins noch viel Schlimmere verkehrt wird.

Na ja, so viele Gedanken werden sich die Anwender des Wörtchens „kontraproduktiv“ nicht machen. Hauptsache, dieser verbale Faustschlag trifft den Gegner mit voller Wucht am Kinn.

Wenn wir die Aufgabe hätten, „kontraproduktiv“ aus unserem Wortschatz zu streichen und statt dessen andere, einfachere, genauere Wörter zu benutzen, was würde uns da einfallen? Vielleicht dieses:

Das ist Unsinn. Das führt zu nichts. Das bringt uns zurück, aber nicht weiter. Das ist der vollkommene Blödsinn. Dümmer geht es wohl nicht. Damit wird alles nur noch viel schlimmer. Das ist ein vollkommen ungeeigneter Vorschlag. Das macht alles kaputt.

Ach, es gibt viele Möglichkeiten zu sagen, daß man von diesem oder jenem Vorschlag nichts hält. „Kontraproduktiv“ dürfte die allerdümmste sein; aber sie ist so griffig, weil so unverbindlich. Politik läßt grüßen.
Nun liegt das alte Jahr schon einige Tage hinter uns (heute ist Samstag, der 4. Januar 2003.) Ganz offensichtlich hat das neue Jahr einige Späße des alten übernommen. Die folgenden Beispiele sprechen dafür – sie knüpfen an die voll tankenden Autofahrer vom 27. Dezember an.

Die Mosel ließ (DIE WELT 4./5. Januar 2003) die Innenstadt von Zell innerhalb einer halben Stunde voll laufen. Weder unsere Kultusminister noch unsere Redakteure haben begriffen, daß das Wort voll eine ganz neue Bedeutung bekommen hat, jedenfalls bei jungen Leuten. Voll heißt „ganz und gar“, „Spitze“ (voll cool sein, voll drauf sein usw.). Wenn eine Sache „voll gelaufen“ ist, dann ist sie großartig gelaufen, so wie geplant, einfach bestens.

Wer glaubt, der sprachliche Unsinn hätte damit seinen Höhepunkt erreicht, irrt. nach einem Bericht der WELT, ebenfalls von heute, 04. 01. 2003, ist die Hauptaufgabe der NMC, der Telefonschaltzentrale der Telekom, „die Leistungsfähigkeit im gesamten Netz sicher zu stellen.“ Sicher stellen bedeutet, etwas mit sicherer Hand zu placieren, es so hinzu tellen, daß es sicher steht. Sicherstellen dagegen heißt dafür sorgen, daß etwas funktioniert, arbeitet, wie man es beabsichtigt. Ist der Unterschied klar? Den Kultusministern nicht. Und die Redakteure machen den Unsinn mit. Heiliger Strohsack!

Noch beeindruckender ist das Beispiel, das DIE WELT schon gestern (03. 01. 2003) druckte: „Händler... warnten davor, den erfreulichen Auftakt (des Börsengeschäfts) über zu bewerten.“ Da bleibt einem wirklich die Spucke weg. Mir fällt im Augenblick als Illustration dieses Unsinns nur „unter zu minieren“ ein. Ja, so wird die deutsche Sprache unterminiert – oder doch unter miniert?
(Hamburger Abendblatt, 20. 12. 2002. „Schwer wiegend“, wo „schwerwiegend“ angebracht gewesen wäre.) Schwer wiegende Vorwürfe – leicht fertige Jungens. Tief greifende Veränderungen – hoch fliegende Pläne. Hier wurde getrennt, was zusammen gehört. Hoffentlich wächst es auch wieder zusammen, sonst verwahrlost unsere Sprache zu undeutlichem Gestammel.
Hoch fliegende Pläne sind Papiere, die der Wind aus dem Fenster und in die Lüfte gewirbelt hat. Hochfliegende Pläne dagegen sind Ideen, die anspruchsvollen Zielen zustreben. Ist das ein Unterschied? Ja oder nein?!
Bis auf drei Schnipsel ist der Papierberg auf meinem Schreibtisch abgearbeitet. Da kann ich mich schnell noch einmal den Wunderlichkeiten unserer Sprache, genauer, dem Umgang mit unserer Sprache, widmen:

An ein und demselben Tag lese ich einmal „Alpträume“ und ein anderes mal „Albträume“. Ich schließe mich da Wahrig’s Wörterbuch an und schreibe Alpträume.

Im HAMBURGER ABENDBLATT, vor einiger Zeit: „Die Aufruhr“. Ich glaube, ich habe mich darüber schon verbreitet. Im selben Blatt wird „enduring Freedom“ mit „dauerhaftem Frieden“ übersetzt. Gemeint aber ist Freiheit. Das können die unmündigen Schlußredakteurinnen der Zeitung allerdings nicht wissen. So jedenfalls würde der Chef vom Dienst Meyer-Schmachtagen argumentieren.

Fernsehen und Presse sprechen und schreiben immer häufiger von „Formaten“ und „Staffeln“. Sie meinen damit Sendeformen und Serien. Es wird ja auch nicht nur moderiert, sondern – vor allem – anmoderiert. Der Sprachwahnsinn kennt kaum noch eine Grenze. Moderation; Anmoderation.

Moderation heißt laut Wahrig „einführende und verbindende, erklärende Worte während einer Sendung.

Was, bitte, ist dann eine Anmoderation? Die Antwort wird schwerfallen; denn einen Moderator gibt es ja im Fernsehen, einen Anmoderator noch nicht.

Das ist es für heute, den 4. Januar 2003.
Nur ein paar Kleinigkeiten heute, am 19. Januar:

„Sozialhilfe kommt auf den Prüfstand“ (Hamburger Abendblatt, 18./19. 01. 2003). Der „Prüfstand“ ist eine Vokabel, die Politiker seit längerem liebendgern benutzen und den die Presse mit Begeisterung aufnimmt.

Warum muß alles auf „den Prüfstand“? Warum wird nicht einfach geprüft? Warum wird nicht untersucht, warum wird den Dingen nicht auf den Grund gegangen. Sicherlich gibt es noch andere Wörter, die besser sind als „Prüfstand“. Wenn es um eine möglichst kurze Formulierung geht, für Zeitungen und Nachrichtensendungen sicherlich ein wichtiger Gesichtspunkt, dann, bitte schön: Es wird geprüft.

„Der Prüfstand“, den die Politiker meinen, ist ein augeblasener Begriff, der vorgaukeln soll, daß da ein zuverlässiges Instrument zur Verfügung steht, so wie in einer Werkstatt, um Autos zu untersuchen. Schwindel, Schwindel, Schwindel mit Wörtern!

Ebenfalls aus dieser Abendblatt-Ausgabe: „Sie ist zurzeit ein Star der Literatuerszene:
Siri Hustvedt...“ – zurzeit? Die Rechthabeschreibreformer machen mich noch völlig verrückt. Was auseinander gehört, schreiben sie zusammen, was zusammen gehört, trennen sie. Ich schreibe weiter zur Zeit.

Und noch einmal, ebenfalls aktuelle Wochenendausgabe des Hamburger Abendblatts: „... vor allem die polnisch stämmigen Deutschen...“ („Polen – Traumland für Auswanderer“, Seite 2)

Wer ist denn nun stämmig? Die Polen? Die Deutschen? Ich denke, stämmige Jungen und Mädels gibt es überall. Also: Wenn schon, dann polnischstämmig. Aber warum nicht ganz einfach: „Die aus Polen stammenden Deutschen“?
Hier noch ein paar „Sprachlichkeiten“:

Herr Koch, Ministerpräsident unseres Bundeslandes Hessen: „Die Welt in der Drohkulisse halten...“ – Was soll man dazu sagen? Kulissen sind Theaterstaffagen., nichts von Bestand, sie täuschen nur etwas vor, befördern Illusionen. Im Theater richtig, im Zusammenleben falsch.

Mal abgesehen davon: „... in der Drohkulisse halten...“ Was heißt denn das? Vollkommener sprachlicher Unsinn, sprachlicher, geistiger Müll. Wer fährt ihn ab?

Ein Wort macht Karriere, ein Wort mit seiner ganzen Familie: lateral, unilateral, multilateral.

Mal ehrlich: Auch Abiturienten, jedenfalls die heutigen, verstehen nicht, worum es geht, bestimmt nicht genau.

Lateral heißt seitlich (Wahrigs Wörterbuch). Unilateral bedeutet einseitig. Multilateral also vielseitig. Wenn wir so einfache und deutliche Wörter haben, warum sprechen wir sie dann nicht aus? Wir sprechen sie ja nicht aus, wir hören und lesen sie nur, und kein Mensch weiß genau, was gemeint ist.

Prima! Wieder das alte Lied: Rede die Menschen noch dümmer als sie es schon sind.

Kampf Rekord, oder Kampf record?
Dann reden diese Jungs dauernd vom Kampf Rekord, nein, nicht vom Kampf record, nicht vom fight record. Sie sprechen Rekord ganz deutlich, ganz eindeutig deutsch aus: REKORD!
Es geht aber nicht um einen Rekord, um eine Höchstleistung. Es geht einfach darum, wieviele Kämpfe der Boxer gemacht hat, wieviele er gewonnen, wie viele er verloren hat und wie die Kämpfe ausgegangen sind (k.o. oder nach Punkten oder, oder, oder).

Was könnte man anstelle von „Das ist sein Kampf Rekord“ sagen? Vielleicht: „So hat er bisher geboxt.“ Oder. „Seine Kampfbilanz.“

Container ist beinahe schon ein deutsches Wort. Container Terminal auch. Wie erfreut war ich – vor Monaten – als ich im Hamburger Abendblatt in einem Interview mit einem bedeutenden Hamburger Reeder das Wort Frachtkiste fand.

Der Terminal, den es damals, vor dem Weltkrieg II nicht gab, war – und ist ein Sammelpunkt.

Einverstanden: Wir müssen die deutschen Wörter nicht anwenden, aber vielleicht sollten wir sie kennen. Verkehrt wäre das gewiß nicht.