Sonntag, März 11, 2018

Von Lügen und Schokoriegel-Professoren


Nestlé behauptet, die Umweltbilanz des Kapselkaffees  Nespresso sei genauso gut oder besser als Kaffee aus Filtermaschinen und Vollautomaten. Beweis: Eine Studie von unabhängigen Experten. Die unabhängigen Experten: der TÜV Rheinland. Damit ist alles klar. Der TÜV ist durch und durch vertrauenswürdig, am Ergebnis seiner Prüfung ist nicht zu rütteln. Nespressotrinker dürfen sich beruhigt zurücklehnen und ihr Käffchen genießen.
Dumm nur, dass der TÜV die Umweltbilanz gar nicht geprüft hat. Zu prüfen war lediglich, ob die Studie rechnerisch und wissenschaftlich korrekt war. Das war sie. Nicht geprüft wurde der Inhalt. Genau das aber legt die Mitteilung von Nestlé nahe. Eine glatte Lüge also, aber nicht nur das. Gleichzeitig stellt Nestlé die Glaubwürdigkeit und damit den guten Ruf des TÜV infrage. Das ist zumindest versuchter Rufmord.
Auf ganz andere Art verlogen sind offenbar viele deutsche Universitäten (DIE ZEIT, 8. 3. 2018, „Mit freundlicher Unterstützung“). Die Unabhängigkeit, die die Universitäten so gern für sich in Anspruch nehmen, scheint es verdächtig oft nicht mehr zu geben. Stiftungsprofessuren sprechen dafür.
Unternehmen stiften eine Professur, die nach fünf Jahren mit Universitäts- mitteln fortgeführt wird, zum Beispiel „Lehrstuhl für Innovative Verstärkungs-methoden“ der Universität Stuttgart, gestiftet von der Firma Fischer-Dübel. Oder der Lehrstuhl für Lebensmittelverfahrenstechnik an der TU Berlin. An ihn wurde ein leitender Mitarbeiter des Unilever-Konzerns berufen, um universitär und mit staatlichen Mitteln  an Schokoriegeln zu forschen. An Schokoriegeln! Man stelle sich das mal vor. Damit erklärt sich auch, woran ich bisher gerätselt habe – an der Unzahl von Universitäten und Professuren, d. h. Professoren.
Dazu kommt noch die Verquickung von Professuren und Geschäft wie beispielsweise beim Lehrstuhl für Verbrennungskraftmaschinen (VKA) in Aachen, geleitet von Stefan Pischinger, Vorstandsvorsitzender der FEV Group GmbH und Mitinhaber des Unternehmens, das 2016 einen Umsatz von 480 Millionen Euro machte – Forschung und Geschäft in einer Hand. Wie praktisch! Von der Unabhängigkeit der Uni kann nicht die Rede sein. (Quelle auch hier DIE ZEIT, 8. 3. 2018, „Mit freundlicher Unterstützung“).