Dienstag, Dezember 13, 2016
Jemandem eine Standpaukte halten
– das klingt so lutherisch kräftig und zeigt, wie schön unsere Sprache ist. Wir
sagen jemandem unüberhörbar, was wir von seinem Tun halten, so unüberhörbar wie
die Standpauke eben ist. Sie ist die größte und lauteste aller Pauken und man
muss sie kräftig schlagen. Das tun wir, wenn wir eine Standpauke halten.
Natürlich ist nicht die
Lautstärke allein entscheidend. Es kommt auch auf die Form am. Uns so sollte es
nicht überraschen, wenn eine Standpauke auch wie eine Bitte, fast wie ein Gebet
daherkommen kann:
„Bittgespräch eines Protestanten
Verehrter Dr. Martin
Luther,
der du bist im
Himmel, und
Meister des
einfachen Wortes,
erbarme dich unser!
Fahre wie ein Blitz
aus dem
Reich des
verständlichen Wortes
und tilge die Übel,
die überhand
nehmen.
Stopfe den
Möchtegernen gründlich
das Maul:
Denjenigen, die aus der
einfachsten Technik
eine Technologie
machen. Denen, die
keinen Anstand
verlangen, sondern
eine Anstands-
kultur und alle
möglichen Kulturen
darüber hinaus.
Treibe ihnen die
Vergötterung des
Englischen aus; denn
es schreit wirklich
zum Himmel.
Mit Public Viewing –
der öffentlichen
Aufbahrung eines
Toten, so weit das
Englische –
bezeichnen sie hier eine
Fernsehübertragung
auf Riesenbild-
schirmen im Freien.
(Ich weiß, das
gab es damals auf
der Wartburg und
in Worms noch
nicht.)
Ob du es auch
fertigbringst, den Wort-
verdrehern, den
kleinen und großen
Schwindlern, das
Mundwerk zu verbieten?
Sie machen aus der
Rüstungsindustrie eine
Verteidigungsindustrie,
sie sprechen von
vorläufiger
Endlagerung, und sagen nicht,
was sie meinen: die
endliche Vorläufigkeit
oder die vorläufige
Endlichkeit?
Bitte verbinde denen
die Augen, die in
Bildern sprechen
möchten und es nicht
können. So ersparst
du uns, dass „Droh-
kulissen erhöht“
werden, niemand mehr
„die Summen nach
oben deckelt“ (wie
deckelt man sie nach
unten?), und dann
müssten wir auch
nicht mehr lesen, dass
„Der Schutzschirm
bei weitem noch nicht
ausgeschöpft ist“.
Und schließlich:
Rufe die zur Ordnung, die
jeder Mode hinterher
rennen. Bis vor drei
Jahren konzentrierte
man sich auf irgendetwas,
heute fokussiert man
sich. Überhaupt wird
alles und jedes in
den Focus gestellt.
Wenn du ein Zauberer
wärst, würde ich dich
bitten, das Wort
Focus jedes Mal in Lokus zu
verwandeln. Das
würde helfen.
Aber du bist Dr.
Martin Luther, und du bist
weit weg. Trotzdem
bitte ich dich um Hilfe.
Vielleicht nützt es.“
Dieses Bittgespräch wurde schon
2010 notiert. Es ist so aktuell wie vor 6 Jahren. Nein, es ist noch aktueller:
In wenigen Wochen beginnt das Luther-Jahr 2017. Luther hat uns gutes Deutsch
beigebracht. Es wird Zeit, dass wir uns daran erinnern.
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