Dienstag, November 22, 2011

Experten

Experten gibt es wie Sand am Meer. Wir finden sie überall. Verständlich, dass es da auch Bonitätsexperten gibt. Das sind die führenden internationalen Rating-Agenturen Standard & Poors, Moody’s und Fitch.

Diese Bonitätsexperten stellen fest, ob ein Unternehmen oder ein Staat seinen finanziellen Verpflichtungen pünktlich nachkommen kann. Ist damit zu rechnen, dass die Kredite rechzeitig getilgt werden?

Da haben die Experten so eine Art Zeugnisnoten entwickelt. Die reichen von „ja, ja, ja“ über „ja, ja“, „ja“ und „vielleicht“ bis „nee“ – von „sehr gut“ bis „mangelhaft“ und „ungenügend“.

Gut und schön, wären da nicht ein paar Schönheitsfehler. Erstens: Die Rating-Agenturen haben sich selbst zu Experten ernannt. Zweitens: Nach welchen Regeln sie urteilen, bleibt im Dunkeln; es ist nicht einzusehen, weshalb die USA trotz ihrer Überschuldung immer noch die Bestnote erhalten, andere ähnlich schwache Kandidaten aber im Keller landen. Drittens: Die Bestechlichkeit. Die Rating-Agenturen lassen sich – was ihr Firmengeschäft angeht – von den Unternehmen bezahlen, die sie bewerten. Viertens: Auf ihre Urteile ist kein Verlass; die Junk-, sprich Schrott-Papiere des US-Immobilienmarkts wurden hervorragend bewertet, Lehman Brothers bekam noch am Tag vor der Pleite die Bestbenotung.

Fazit: Die Rating-Agenturen geben ihr Bestes, um uns alle noch tiefer in Schwierigkeiten zu bringen. Den Bettel zahlen zum Schluss sowieso wir, die sogenannten kleinen Leute. (Die reichen Griechen haben ihr Geld ins Ausland gebracht, die italienische „Casta“ bedient sich mit beiden Händen bei den wenigen Steuerzahlern, und woanders sieht es vermutlich nicht viel anderns aus.

Aber das ist nur die eine Hälfte der Wahrheit. Die andere Hälfte: So gut wie alle Staaten haben über ihre Verhältnisse gelebt. Sie haben Schuldenberge angehäuft, dass einem schwindlig wird. Die meisten Schulden wurden und werden für unnötige Sachen gemacht. Um was es sich handelt, kann hier jeder selbst auflisten, und jede Liste wird lang werden. Von der beherzten Selbstbedienung der Staatsdiener soll gar nicht erst die Rede sein.

In diesem Punkt haben die Rating-Agenturen recht: Nicht sie haben die schlechten Noten der verschiedenen Staaten verursacht. Die Schulden haben die Staaten selbst gemacht. Darüber reden die natürlich nicht, sondern zeigen mit den Fingern auf die Rating-Agenturen. Und die – nicht faul – erteilen schlechte Noten.

Ein Teufelskreis? Ein Irrenhaus! Vielleicht sollten wir die Sache selbst in die Hand nehmen, jeder für sich. Die Experten zum Teufel jagen und die eigenen Dinge selbst in Ordnung bringen: etwas weniger verschwenden, ein wenig mehr sparen, ein wenig mehr geben und etwas weniger verlangen. Das werden wir doch wohl noch schaffen.
Es müssen ja nicht gleich die Zehn Gebote sein. Es genügt, wenn wir uns im Zwei-felsfall an die Lebensregel einer Oma erinnern: „Das gehört sich nicht.“

Was sich nicht gehört, müssen wir allerdings selbst herausfinden. Vielleicht liegt darin das Problem. 21. 11. 2011