Sonntag, Oktober 24, 2010

Man kann auch übertreiben

Die Kultur-Redakteurin Verena Fischer-Zernin widmet dem italienischen Tenor Vittorio Grigolo fast eine ganze Seite im Hamburger Abendblatt vom 20. Oktober. Frau Fischer-Zernin teilt das Schicksal aller Kritiker. Die können nämlich weder singen noch schreiben, aber sie können alles beurteilen und sind der Überzeugung, alles besser zu können. Zu welch wenig schmackhafter Sprachsoße das führt, zeigen die folgenden Sätze:

„Dass Grigolo Sinn für die Dramen hat, die er auf der Bühne verhandelt, hört man seinem Singen an. Er artikuliert klar, sein Timbre ist strahlend und seine Stimme voluminös. Allerdings verengen sich sein Farbspektrum und seine Ausdrucksnuancen in der Höhe. Dann klingt das Vibrato nach Hochspannung und auf die delikaten piani der Mittellage wartet man vergeblich. Das gefürchtete hohe C erreicht er oft und sicher – aber nicht mit allerletzteer Leichtigkeit. Aber das kann ja noch kommen.“

Appolon möge Verena Fischer-Zernin verzeihen!

Natürlich haben auch andere ein Anrecht auf Nachsicht. So zum Beispiel Herr von Guttenberg, der Verteidigungsminister. Er ´spricht in Hamburg in einem Forum der ZEIT von „Aufholraum“, von „glühenden Wangen der Euphorie“ und erwähnt „den nackten Finger der Schuldzuweisung“ – ein begnadeter Wortmaler. Seine bunten Bilder sollten ganz schnell abgehängt werden. Das gilt auch für die Wortmalereien von Manfrred Braasch. Da soll der ehemalige Wirtschaftssenator Hamburgs, Herr Ulldall, 25 Millionen Standardcontainer (TEU) an den Wachstumshorizont gemalt haben. Was ein Wachstumshorizont sein soll, wurde leider nicht erklärt. Auch was ein Perspektivpapier ist, wurde nicht verraten.

Unsere Sprache ist wie der unberührte Regenwald. Verführerisch leuchtende und lockende Blüten, wohin das Auge blick. Nur: Viele sind giftig- führen in die Irre.