Montag, Januar 31, 2011

Die Sprache bringt es an den Tag

So wie wir sprechen, so leben wir auch. Weit entfernt von der Natur, ohne jeden Respekt. Außerhalb der Welt, die uns erhält und die wir erhalten sollen.

Der eilige Redakteur schreibt „Tierproduktion“. Die eilige Zeitung (Hamburger Abendblatt 29./30. 01. 2011) druckt „Tierproduktion“ und genau so gedankenlos wird „Tierproduktion“ dann gelesen. Über dieses schreckliche Wort wird gedankenlos hinweggelesen, hinweggedacht. Gedanken- und gefühllos.

Bevor jemand sagt „na, na, na, un mal nicht so zimperlich, was ist denn an „Tierproduktion“ so schlimm?“ will ich es übersetzen: „TIERHERSTELLUNG“. Wird es nun klar? Die Landwirtschaft stellt Tiere her. Sie macht das in großem Umfang, sonst würde es sich nicht lohnen – in Massentierhaltung.

Kälbern werden die Hörner weggeätzt, damit sie später enger in den Ställen stehen können. Den Puten werden die Schnäbel schmerzhaft gestutzt, damit sie sich in ihrer Massenhaft nicht gegenseitig umbringen – aus lauter Verzweiflung. Selbst unseren inhaftierten Schwerverbrechern billigen wir Appartments zu mit Fernseher und allen Schickanen. Für eine Henne ist uns ein DIN A4-Blatt noch zuviel. Würden wir unsere Schwerverbrecher so unterbringen, müssten wohl zwanzig oder noch mehr dicht an dicht in einem dieser modernen Gefängnis-Appartments stehen. Stehen, ohne sich rühren zu können. Sind die Hennen in unseren Tier-KZs Schwerverbrecher?

Vor einigen Tagen habe ich dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbands (DBV),
Herrn Gerd Sonnleitner geschrieben. Er sprach auf der „Grünen Woche“ in Berlin in beredten Worten von den Vorzügen und der Notwendigkeit der „konventionellen“ Landwirtschaft. Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass er korrekterweise von „industrieller“ Landwirtschaft sprechen müsste. Nur etwa 5,7 % der Landwirte in Deutschland arbeiten konventionell, nämlich ökologisch. Herr Sonnleitner hat mir bis heute nicht geantwortet. Ehrlich gesagt: Ich glaube nicht, dass er mir antworten wird.

(Aber spaßeshalber stelle ich mir mal vor, er hätte meinen Brief gelesen und will mir eine Antwort geben. Sonnleitern inmitten seiner Referenten: „Ich habe den Brief eines Wirrkopfs. Der hat von unserer Industrie überhaupt keine Ahnung. Dem müssen wir mal den Kopf zurecht rücken. Wer übernimmt das?“ Alle ducken sich, undankbare Aufgabe, muss man lange nachdenken um die passenden Wörter zu finden. Und kriegt nachher doch noch Ärger mit dem Boss. Sonnleitner pickt sich den jüngsten Referenten mit Fingerschnipsen heraus und sagt: „Sie machen das! Eine echte Herausforderung. Bewähren Sie sich! Entwurf morgen früh!“

„Immer ich“, denkt der Referent und macht sich an die Arbeit:

„Sehr geehrter Herr Gudelius, unser Präsident, Herr Sonnleitner, dankt Ihnen sehr für Ihre Nachricht vom…. Dass Sie die Äußerungen von Herrn Sonnleitner kritisie-ren, ist Ihr gutes Recht, das Ihnen unser Präsident auch nicht absprechen will. Dennoch ist er der Meinung, dass Sie in Ihrer Kritik zu weit gehen, dass Sie sich irren und die Bedürfnisse der modernen Gesellschaft nicht verstehen. Wir brauchen eine industrielle, Verzeihung, konventionelle Landwirtschaft, um alle satt zu machen. Da müssen wir notfalls über Leichen gehen. Das hat der Präsident zwar nicht gesagt, aber gemeint muss er es schon haben. Mit den Leichen sind natürlich nur Tiere gemeint, und die sind ja trotz Tierschutzgesetz Sachen. Damit kann man dann berechtigterweise sachlich umgehen…

Hier angekommen, packte den Referenten der Katzenjammer. „Warum immer ich?“
Soll das doch ein anderer schreiben. So war es dann auch. Das heißt: Es wurde gar nicht geantwortet. Damit war der Präsident des Deutschen Bauernverbands zufrieden. )