Samstag, Juni 28, 2008

Triumph der deutschen Tugenden

Es geht um Fußball. Das mit "Ecke", "Elfmeter" und "Abseits" habe ich egriffen. So gut wie alles andere ist mir fremd geblieben. Macht aber nichts; denn ich finde Fußball unheimlich fesselnd. Ich staune immer wieder, wie zehn Mann sich den Ball so zuspielen, dass die gegnerische Mannschaft möglichst nicht an den Ball kommt, der dafür aber ins Tor der anderen Mannschaft befördert wird. Wie sich die Jungs da verständigen, bleibt mir ein Rätsel, aber ich finde das fabelhaft. Dass es auch viele Missverständnisse gibt, liegt in der Natur der Sache.: Zehn Mann können nicht immer und schon gar nicht 90 Minuten lang einer Meinung sein.

Jetzt wird jeder begriffen haben, dass ich der geborene Fußballfan bin, der keine Ahnung hat. Aber eine Meinung habe ich schon. So sehe ich mir trotz meiner Begeisterung grundsätzlich keine Bundesligaspiele an. Der Grund dafür ist einfach: Bayern München ist so wenig Bayern wie der HSV Hamburg ist. Die Vereinsnamen sind nichts als Verpackung. Was drauf steht, steckt nicht drin. Auf Legionärskämpfe habe ich keinen Bock.

Also kucke ich nicht Fußball? Doch, ich kucke. Gelegentlich. Da gibt es immer wieder mal Spiele zwischen den Riesen und den Zwergen, zwischen den Bundesligisten und den Dorfdeppen. Das finde ich spannend, und ich drücke immer den Deppen die Daumen. Und tatsächlich: Manchmal gewinnen die auch, die vom Dorf. Dann freue ich mich. (Ich komme doch nicht darauf, wie dieser Wettbewerb heißt.) Macht nichts. Die Profis wissen, worüber ich spreche.

Dann gibt es die große Ausnahme: die Länderspiele. Da spielen dann türkische Fußballer gegen englische, italienische gegen griechische usw. usw. Keine Legionäre! Das finde ich in Ordnung. Das gefällt mir. Deshalb sehe ich mir auch Fußball-Welt- oder auch Europa-Meisterschaften an.

In der Europameisterschaft stecken wir ja nun mitten drin. Deutschland im Finale gegen Spanien! Das ist natürlich Quatsch. Es sind ja nur die zwei mal elf Jungs, die wenigstens ein Tor mehr als die anderen schießen möchten. Aber gut. Das wird nun mal hochgejubelt, nicht nur bei uns.

Das liest sich dann so: "Triumph der deutschen Tugenden" (Hamburger Abendblatt, 20. Juni 2008). Es ging um das Spiel der deutschen Elf gegen Portugals Elf. Ich habe da schnell mal ein paar Leute angerufen und sie nach den "deutschen Tugenden" gefragt. Was da rausgekommen ist? "Dispziplin, Fleiß, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, Strebsamkeit, Sauberkeit, Zuverlässigkeit, Genauigkeit, Verlässlichkeit". Das ist ja eine ganze Menge. Aber war das das Geheimnis des Erfolgs?

Wenn ich mich richtig erinnere, hat das deutsche Team recht undeutsch gespielt: Spritzig, überraschend, mit leichten Füßen - die Mannschaft: ein Herz und eine Seele. Sie konnten nicht nur Fußball, sie konnten mit dem Ball spielen. Vom Triumph der deutschen Tugenden sollten wir trotzdem nicht länger reden. Wer alles noch einmal auf die Goldwage legen will, sollte sich an diese Spiele erinnern: Polen, Kroatien, Österreich, Türkei. Bei den Spielen gegen Kroatien und Österreich war von den deutschen Tugenden wenig zu sehen, aber die haben mit dem Fußballspielen ja auch wenig zu tun.

Zum Schluss: Was mich ärgert, ist Deutschland gegen Polen, Portugal, Türkei. Wir sind ja nicht im Krieg!

Was mich freut, sind die vielen Fähnchen an den Autos - nicht nur die deutschen, sondern auch die anderen. Was mich freut: Das 3:2 der deutschen gegen die türkische Elf hat nicht zum Krach geführt. Unsere Türken waren sehr fair. Ob wir das auch gewesen wären, wenn es 2:3 ausgeganen wäre? Die vielen Fähnchen an den Autos sprechen dafür.