Dienstag, Oktober 24, 2006

"Belastbar" - ein Wort macht Karriere

Seit einiger Zeit taucht dieses Wort überall und immer häufiger auf – in Zeitungen, Zeitschriften, in Gesprächen, einfach überall. Da fehlen belastbare Informationen, belastbare Daten, die zur Verfügung gestellten Zahlen sind nicht belastbar usw. usw.

Das Wörtchen belastbar, so wie es heute so gut wie ausschließlich gebraucht wird, soll das, worum es geht, verschleiern. Die Informationen, Daten, Zahlen sind ungenau, unzuverlässig, fragwürdig, unglaubwürdig usw. usw. Das ist der Punkt, soll aber nicht so deutlich gesagt, soll verschleiert werden.

Wenn jemand wenig belastbar ist, dann geht er bei den ihm übertragenen Aufgaben zu schnell in die Knie. Ich kann ein Konto mit einer Geldforderung belasten und ein Haus mit einer Hypothek. Ich kann jemanden mit einer Aussage belasten, die gegen ihn gerichtet ist. Sorgen können mich belasten, und wenn ich unter ihnen zusammenbreche, dann bin ich nicht belastbar belastbar genug.

Dass Politiker diesen Wortmissbrauch lieben, verstehe ich, finde es aber nicht gut.
Dass die Medien „belastbar“ unbesehen und unbedacht weiterverbreiten, verstehe ich nicht, und ich finde das auch nicht gut.

So könnte ich stundenlang klagen. Die Politiker „ringen“ um alles und jedes. Dabei streiten sie nur. Wenn es hieße „die CDU ringt mit der SPD“ um eine Lösung, dann wäre das in Ordnung; denn in dieser Großen Koalition versucht der eine den anderen ständig auf den Rücken zu legen. Über alles das, was nach vorherrschendem Sprachgebrauch „fähig“ ist, bestenfalls aber nur „geeignet“, will ich mich hier nicht weiter auslassen. Es gibt kein atomwaffenfähiges Material, sondern nur ein dafür geeignetes. Überall suchen die Politiker nach einem Konsens und tun sich schwer, ein „konsensfähiges“ Ergebnis zu erzielen. Das werden sie auch nie erreichen, da ein Ergebnis über keine Fähigkeiten verfügen kann, sondern nur Folgen hat.

Wie manchmal wirklich teuflisch mit der Sprache umgegangen wird, beweist die Aussage eines der 1945/46 in Nürnberg angeklagten Nationalsozialisten, der einräumte, dass „450.000 jüdische Ungarn der Endlösung zugeführt worden sind“.
Sie sind ermordet worden!

Damit nicht alles heute im allzu Bösen endet: Ein kleiner, ehrenwerter, provinzieller Förderverein, der sich für eine gute Sache einsetzt, schreibt in seinem „Newsletter“, seinen „Neuesten Nachrichten“ von „fundrasing“, was die Vereinsmitglieder unter dem Wort Spendensammler / Spendensammlung sicherlich besser verstanden hätten.

Wenn Klaus-Christian Schlichte-Groll im Hamburger Abendblatt vom 17. Oktober schreibt, dass das Modeunternehmen Lucia im nächsten Jahr, nachdem es zwei Jahre rote Zahlen geschrieben hat, eine schwarze Null als Ergebnis anstrebt, dann frage ich mich: Was ist der Unterschied zwischen einer schwarzen und einer roten Null? In einem ordentlichen Geschäftsabschluss kommt so etwas nicht vor. Ob da Politiker der Großen Koalition gemeint sind, die schwarzen und die roten Nullen? Nein, das kann nicht gemeint sein. Klaus-Christian Schlichte-Groll hat gar nichts gemeint, er hat nur Vorgekautes nachgeplappert.