Donnerstag, März 16, 2006

Schleierwörter, Dummwörter, Unwörter

Schleierwörter - Wörter, die nicht sagen sollen, was sie meinen. Dummwörter - Wörter so dumm wie die, die sie benutzen. Umwörter - Wörter hinter denen Menschenverachtung steht.

Ich biete heute eine erste, kleine Auswahl aus allen drei Kategorien an. Ich mache das erstens, um den Blick für die vielen sprachlichen Untaten zu schärfen, mit denen wir täglich in den Medien bombardiert werden und zweitens in der Hoffnung, von möglichst vielen Lesern möglichst viele Schleier-, Dumm- und Unwörter mitgeteilt werden.

(Die Einteilung und "S", "D" und "U" ist sicherlich klar: Schleier, Dumm, Un)

Intensivhaltung (S)= Batteriehaltung von Hühnern, Massentierhaltung
Konventionelle Landwirtschaft (S) = industrielle Landwirtschaft, (als konventionell wäre nur die ökologische Landwirtschaft zu bezeichnen)
Molkereirestprodukt (S) = Molke? Abwasser?

Therapeutische Behandlung (D) = eine behandelnde Behandlung?`Weißer Schimmel.
Auf den Prüfstand stellen (D) = sorgfältig prüfen
Öffentliche Gesundheit (D) = was ist die nicht öffentliche Gesundheit?
Unverzichtbar (D) = richtige wäre in vielen Fällen "unentbehrlich". Der Unterschied zwischen verzichten (können) und entbehren (müssen)? Es lohnt sich, darüber nachzudenken. Wir wollen auf etwas nicht verzichten zeigt, dass wir etwas unbedingt haben wollen. Unentbehrlich sagt, dass wir etwas dringend benötigen. Der Unterschied ist klar?
Konsensual (D) = übereinstimmend, einvernehmlich
Nachvollziehbar (D) = verständlich, begreiflich

Seit längerem werden wir von Kulturen überschwemmt, die bestimmt keine sind. Hier einige Beispiele. Sie gehören gleichzeitig in die Kategorien (D) und (S).

Unternehmenskultur (D/S) = Charakter, Geist, Selbstverständnis eines Unternehmens, Umgang mit den Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten usw. Das wird alles in en Wort gepresst, das dann alles und nichts sagt.
Rechtskultur (D/S) = unser Umgang mit den Recht, mit der Rechsprechung
Toleranzkultur (D/S) = wie wir es mit dem Verständnis für andere halten
Unterrichtskultur (D/S) = Auffassung vom Unterrichten, Art und Weise des Unterrichts
Lernkultur (D/S) = Wunsch und Fähigkeit, zu lernen

Hier noch ein paar andere "Kulturen": Streitkultur, Sprachkultur, Sicherheitskultur, Kultur des Respekts, Betroffenheitkultur, Kultur der Anstrengung, Kultur des Rücktritts... Alle diese "Kultur"wörter haben eins gemeinsam: Sie sind undeutlich, also recht dumm und lassen mehrer Bedeutungen zu, sind also auch Schleierwörter, die etwas verbergen sollen, nämlich die Eindeutigkeit. Damit kommen sie der Absicht entgegen, immer etwas zu sagen, sich aber niemals klar auszudrücken und festzulegen. Natürlich spielt auch eine gute Portion Denkfaulheit eine Rolle, die sich in Sprachfaulheit ausdrückt.

Nächstes Kapitel: die Unwörter
Wohlstandsmüll (U) = Arbeitslose (Urheber: Maucher, seinerZeit Chef von Nestlé)
Menschenmaterial (U) = Der Mensch als Ware
Ethischer Abfall (U) = Frühchen, die in Kranknehäusern in den Abfall geworfen werden
Ethnische Säuberung (U) = Vertreibung, Tötung, Massenmord
Humankapital ((U)= Mitarbeiter

So könnte es stundenlang weitergehen. Aber das kommt vielleicht noch. Hier nur noch ein paar Zitate:

"Initiativen in dieser Richtung sind schon angeschoben". Besser wäre. "Erste Schritte in dieser Richtung sind schon gemacht worden."

"Die Aktie macht schon Gewinne und verfügt über Kursphantasie". Nanu, eine Aktie mit Phantasie? Da ist wohl dem Redakteur die Phantasie durchgegangen, wie so oft auch "Aktienmarktexperten".

"Die für die Auslandseinsätze notwendige Aufklärungsarbeit ist zwar auf dem Weg, aber noch nicht vorhanden." Da hat sich etwas auf den Weg gemacht, das es noch gar nicht gibt. Science Fiction in Vollendung! Abgesehen davon macht sich keine Arbeit auf den Weg, sie wird gemacht oder auch nicht.

"Man muss ja auch die Emotionen der Zuschauer abholen." Das heißt doch wohl nichts anderes als "Man muss sich nach den Wünschen der Zuschauer richten." (Aber wollen die immer nur Musikantenstadl?)=

Folgendes wird klar: Immer mehr Menschen schlampen immer mehr mit unserer Sprache herum. Das ist nicht nur eine Formfrage, es ist eine Frage der Inhalte. Die werden immer weniger ernst genommen, und so kommt es zu den Bergen von Wortmüll, die wir kaum noch sortieren können.