Samstag, April 30, 2016

Alles Feinste bleibt privat


Alles Feinste bleibt privat. Das war vor langer, langer Zeit der Slogan für die Orientcigarette „Muratti Privat“. Die Erkenntnis gilt heute noch, und es wäre billig und falsch, sich darüber lustig zu machen. Ohne Geheimnisse, ohne Privates wäre ein Zusammenleben nicht möglich, nicht zu zweit, nicht in der Familie, nicht in der Gemeinde, nicht in Stadt und Land und auch nicht weltweit.

Wie für  alles und jedes gibt es aber auch für das Private Grenzen. Und die müssen manchmal überschritten werden. Das klingt furchtbar opportunistisch. Das ist es auch. Aber es ist genauso notwendig wie der Schutz des Privaten.

Worauf ich mit diesem Hin und Her hinaus will? Ich möchte klarmachen, dass nicht alles privat ist, also nicht an die Öffentlichkeit gelangen soll, was so genannt, so gehandhabt wird. Nehmen wir als aktuelles Beispiel Brüssel. Eine Stadt mit 19 Bürgermeistern, mit 19! Jeder hat da so sei privates Reich. Natürlich spricht man miteinander, aber nicht immer und schon gar nicht über alles.

Darüber könnten wir lachen, wenn die Sache nicht so ernst wäre. Und wie ernst sie ist, hat uns das Regime der Terroristen in Brüssel gezeigt. Die Terroristen haben miteinander gesprochen und – gehandelt. Die 19 Bürgermeister offensichtlich nicht. Die Folgen kennen wir alle: über 100 Tote, und ein Ende ist nicht abzusehen.

19 Bürgermeister hüten ihr Privatissimum mit entsetzlichen Folgen. Die 28 Staaten der Europäischen Union verhalten sich nicht anders. Sie reden nicht miteinander, wenn es darum geht, Land und Leute vor Irren zu schützen. Wenn sie etwas herausfinden, behalten sie es für sich, wenn sie Mord und Totschlag auf der Spur sind, reden sie nicht darüber. Im Chor singen sie nur bei den Trauerfeiern, die sie hätten verhindern können.

Wie kann das passieren? Das passiert, weil wir uns im Kleinen schon daran gewöhnt haben. Denken wir nur an unsere 16 Länder unserer Bundesrepublik: 16 Ministerpräsidenten. Alles bleibt privat. Darauf achten sie eifersüchtig. 16 Kultus- oder Kulturminister. Jeder hat sein privates Schulpro-gramm. Jedes muss anders sein als alle anderen, sonst wäre es ja nicht privat. Die Folgen sind verheerend und nicht privat.

Freitag, April 29, 2016

Von der Unmöglichkeit des vorurteilslosen Denkens


DIE ZEIT hatte der Ausgabe vom 18. April ein Heft „Kultursommer“ beigelegt. Für mich lauter abgehobene Themen. Christo baut wankende Stege übers Wasser, Hockney ist das Malergenie…“Die großen Festivals, Premieren, Auftritte dieses Sommers“ – alle nicht meine Welten.

Der Beitrag „Denken dürfen“  von Lars Weisbrod hat mich neugierig gemacht, weil da von einem Philosophie-Festival in Köln die Rede ist. Ich habe den Text überflogen. Was fiel mir auf? Egal, worüber man nachdenkt, darüber redet oder schreibt: Es scheint alles Philosophie zu. Also sind wir alle Philosophen. „Philosophieren in unruhiger Zeit“ soll in diesem Jahr das Überthema sein. Das sagt alles. Die Zeiten sind immer unruhig.

Eins scheint die Philosophen, die sich bei diesen Festivals treffen, auszuzeichnen. Sie debat-tieren ruhig, ohne Pöbeleien und Provokationen und verstehen nicht jedes Gegenargument als Agression – alles also ganz anders als in den sogenannten Sozialen Medien. „Was dort noch (bei den Philosophen) praktiziert wird, Genauigkeit, argumentative Schärfe, die ohne Empörung oder voreiliges Moralisieren auskommt, ist gefragt wie nie. Ein Gegengift zu den Scheindiskussionen, Erregungsschleifen und Moralschlachten.“ (Zitat)

Und dann die Stelle im Text, an die ich ein Fragezeichen setze, ein großes: „Für den Philosophen kann es eigentlich kein Gedankenexperiment, keine Argumentation geben, der er nicht erst einmal die Würde zuteil werden lässt, sie vorurteilsfrei zu durchdenken, bevor er sie verwirft.“ Wie geht das? Jeder kommt doch mit seinen Urteilen zum Festival der Denker. Und diese Urteile verwandeln sich bei diesem Festival doch in Vorurteile. Sie sind doch fix und fertig. Wie gehen die Philosophen damit um? Ich denke, die Suche nach Antworten wäre ein Philosophen-Festival wert. Auf die Ergebnisse dürften wir gespannt sein. Sie werden auf jeden Fall sehr philosophisch sein, nämlich unfassbar, wie alles Philosophische.

Philosophie ist eben nicht Physik oder Chemie, nicht berechenbar, aber ohne Frage umso spannender. Mein Vorschlag für das Thema des nächsten Philosophie-Festivals: „Von der Unmöglichkeit des vorurteilsfreien Denkens.“

Ein Wort an Deutschlands größte Schlafmützen


Zur Förderung des Elektroautos („Koalition  fördert den Kauf von Elektro-Autos mit 4.000,00 €“) ist den deutschen Auto-Managern Folgendes zu sagen:

 „Meine Herren, Sie haben die Zukunft verschlafen. Sie haben sich viel zu spät und viel zu lasch um die Entwicklung des Elektro- und Wasserstoff-Antriebs gekümmert. Sie haben auf Auslauftechnik gesetzt, statt in die Zukunft zu investieren. Und sie haben sich nicht geniert, diese Auslauftechnik mit Manipulationen und Lügen künstlich am Leben zu halten. Sie haben verantwortungslos gehandelt. Kommen Sie mir jetzt nicht mit der Sorge um Arbeitsplätze. Erzählen Sie mir nichts von der Fürsorge für Ihre Mitarbeiter, bitte auch nichts über die wirtschaftliche Bedeutung Ihrer Branche. To big to fall? Machen Sie sich nicht lächerlich! Meine Herren, Sie sollten sich über eins klar werden: Sie setzen den guten Ruf Deutschlands auf’s Spiel. Und das nehme ich nicht hin. Gehen Sie nach Hause und machen Sie Ihre Hausaufgaben. Wenn Sie die erledigt haben, will ich Sie gern wiedersehen, aber lassen Sie sich nicht zu viel Zeit.“

Schleifspuren


Wir gehen immer nachlässiger mit unserer Sprache um. Bitte jetzt nicht gleich an die Immigranten, die Einwanderer denken, die sich mühsam unser Deutsch aneignen. Auch nicht an die sogenannten Bildungsfernen Deutschen, die noch nie richtig Deutsch konnten. Nein, es geht um die Hochgebildeten wie Gertrud Höhler, Literaturwissenschaflerin und Politikerberaterin, die in einem CICERO-Beitrag etwas geschliffen hat, das geschleift werden sollte, so wie früher alte Stadtbefestigungen und Burgen.

Ein Versehen? Ein Einzelfall? Anscheinend nicht. Ein Deutschlandfunk-Text deutet darauf hin. Im DFL-Newsletter von heute war von einem geschliffenen Lenin-Kopf zu lesen. Ich bin gespannt, was der Sender zu folgender E-Mail sagen wird, die ich der Redaktion heute schickte:  

„Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin nicht nur ein begeisterter Hörer Ihres Senders, sondern auch Empfänger Ihres täglichen Newsletters an meine E-Mail-Adresse. Dort war heute zu lesen: "Der Lenin-Kopf des nach der Wende geschliffenen Lenindenkmals in der Leninalle ist wieder ausgebuddelt worden." Den Schreibfehler Leninalle nehme ich hin. Sowas passiert im Eifer des Gefechts. Aber der geschliffene Lenin-Kopf? Der Deutschlandfunk sollte wissen, dass es hier geschleift heißen muss. Sie befinden sich zwar in guter Gesellschaft - auch Gertrud Höhler ist die korrekte Beugung von schleifen abhanden gekommen, wenn es sich um niederreißen, abreißen, dem Erdboden gleich machen handelt. Aber der Deutschlandfunk? Der sollte doch für geschliffenes Deutsch stehen. Viele Grüße - Peter Gudelius“

Dabei ist doch alles so einfach. Aber wie alles Einfache will auch das gelernt sein. Was mein Vater dem Werbetexter ans Herz legte, gilt für jeden, der schreibt:

„Die richtigen Worte zu finden, die klar und verständlich sind, die jedem einleuchten, das ist schon etwas, was der Werber können muss… Gewöhnen wir uns an, jeden Gedanken so einfach wie möglich zum Ausdruck zu bringen! Versuchen wir, jeden Satz so kurz wie möglich zu schreiben! Halten wir uns immer vor Augen, daß auch der einfachste Mensch uns verstehen soll! Dann werden wir schon die richtigen Worte finden… Anschaulich schreiben! Das muß der oberste Grundsatz eines Werbers sein. Wenn er einen Text nieder-geschrieben hat, dann überlege er sich immer erst, ob er dasselbe nicht noch verständlicher, noch einleuchtender sagen kann... Wir können einem angehenden Werber nicht dringend genug empfehlen, in seiner Freizeit immer wieder gute Bücher zu lesen. Die besten klassischen und zeitgenössischen Dichter sind gerade gut genug für ihn! ... Er soll aber auch die Mahnung Luthers beherzigen, den Leuten „auf’s Maul zu schauen“. Er soll die Sprache des Volkes belauschen und mit ihr umzugehen wissen. Er soll volkstümlich schreiben können, damit er vom Volk auch verstanden wird.“

Deutsch für Deutsche


Wie schön ist unsere Sprache, wenn wir sie nicht verhunzen, und so voller Überraschungen. So hat Hans Scholz seinem Roman „Am grünen Strand der Spree“ einen zumindest zweideutigen Untertitel gegeben: „So gut wie ein Roman.“ Was meinte er mit dieser Zeile?

Wollte er die Qualität seines Buches unterstreichen? Wollte er uns zu verstehen geben: Romane sind sowieso gut, folglich auch dieses Buch? Ein Selbstlob also?

Ich glaube nicht. Ich glaube, er meinte etwas ganz anderes, vielleicht: „Am grünen Strand der Spree“ ist beinahe ein Roman, aber nicht so ganz, kommt nicht ganz an einen Roman heran? Nein. Diese kleine Zeile sagt: Hinter diesem Roman steckt mehr. Dahinter verbirgt sich Wirklichkeit, die entdeckt werden will. Und so ist es auch.

Ist unsere Sprache nicht wundervoll? Eindeutig, mehrdeutig, vieldeutig. Sie bietet die überraschendsten Möglichkeiten. Wir sollten sie nutzen, auch wenn wir gelegentlich einen kleinen Augenblick über das nachdenken müssen, was wir sagen wollen. Das lohnt sich sowieso immer, beim Sprechen wie beim Schreiben.
Wie groß ist da der Unterschied! Wir können unsere Stimme senken bis zum Flüstern, wir können sie heben, wir können lautstark werden, bis unsere Zuhörer ganz kleinlaut werden. Wir können in Überschallgeschwindigkeit sprechen oder von Wort zu Wort schnecken.

Wenn wir unserem Geschriebenen Gehör verschaffen wollen, fehlen uns diese Möglichkeiten. Wir müssen nach anderen suchen. Wie das geht, hat uns Hans Scholz mit seiner Zeile „So gut wie ein Roman“ vor Augen geführt. Schade, dass er nur dieses eine Buch geschrieben hat.

"Keil"-schrift der besonderen Art


„Auf einen groben Klotz ein grober Keil…“ – an diesen Goethe sollten wir uns erinnern, wenn wir uns mit Böhmermanns „Schmähkritik“ an Herrn Erdogan befassen.

Böhmermann sagt, er hätte zeigen wollen, was sich Satire erlauben kann und was nicht. Ich glaube ihm, denn es heißt „Im Zweifel für den Angeklagten“, auch wenn es gelegentlich schwerfällt. Angeklagt ist er jetzt ja, jedenfalls so gut wie. Die Staatsanwaltschaft prüft.

Ich habe mich eine kleine Ewigkeit darüber geärgert, dass sich alle Welt das Maul zerreißt über den Text, den ich nicht kenne. Jetzt kenne ich ihn, habe ihn im Internet aufgegabelt und kann darüber reden. Ich finde den Text säuisch, wirklich unter aller Sau. Ich muss mich da gar nicht auf meine Oma zurückziehen, die gesagt hätte: „Sowas tut man nicht.“

Aber Herr Böhmermann hat gesagt, warum er das getan hat. Und da gebe ich ihm recht. Meine Oma wird mir vergeben. Das „Gedicht“, die Schmähkritik kann sie nicht mehr lesen. Sie ist schon lange tot. Aber für den Fall, dass sie von ganz oben doch noch mitlesen kann, werde ich den Text jetzt notieren. Aber nochmal: Ich finde ihn scheiße.

„Sackdoof, feige und verklemmt, ist Ergoan, der Präsident.
Sein Gelöt stinkt schlimm nach Döner, selbst ein Schweinefurz riecht schöner.
Er ist der Mann, der Mädchen schlägt und dabei Gummimasken trägt.
Am liebsten mag er Ziegen ficken und Minderheiten unterdrücken.

Kurden treten, Christen hauen und dabei Kinderpornos schauen.
Und selbst abends heißts statt schlafen Fellatio mit hundert Schafen.
Ja, Erdogan ist voll und ganz ein Präsident mit kleinem Schwanz.

Jeden Türken hört man flöten, die dumme Sau hat Schrumpelklöten.
Von Ankara bis Istanbul weiß jeder, dieser Mann ist schwul, pervers,
verlaust und zoophil – Recep Fritzl Priklopil. Sein Kopf so leer wie
seine Eier, der Star auf jeder Gangbang-Feier. Bis der Schwanz beim
Pinkeln brennt, das ist Recep Erdogan, der türkische Präsident.“

Schnell noch mal nachdenken! Herr Böhmermann hat uns diese Schweinerei serviert, weil es uns zeigen wollte, was geht und was nicht, Satire betreffend. Ist das wirklich richtig? Das würde doch bedeuten: Ich misshandle jemanden in aller Öffentlichkeit um zu zeigen, was man darf und was nicht. Ich denke, das geht zu weit. Nun habe ich selbst übertrieben. Sowas machen nur die Irren vom IS, und zu denen gehört Herr Böhmermann nicht.

Langer Schreibe kurzer Sinn: Ich schlage mich auf die Seite von Herrn Böhmer-mann. Keine „Schmähkritik“ kann so schlimm sein wie Herr Erdogan selbst, ein Irrer, der ein ganzes Volk in die Irre führt und den Rest der Welt an der berühmten Nase herum. Kein Ziegenbock wird an dieser Ansicht etwas zu meckern finden. Oder?

Mittwoch, April 27, 2016

Welten und Parallelwelten


Allerweltsgeschichten. Am besten wird es sein, mit dem Naheliegenden zu beginnen, mit der Umwelt. Von da aus kann es dann weitergehen bis in die Unendlichkeit, ins Weltall.

Umwelt. Ein merkwürdiges Wort. Ich habe das Gefühl, ein typisch deutsches wie Kindergarten und Waldsterben. Die ganze Welt ist um uns herum. Um die müsste es uns eigentlich gehen. Aber vielleicht wäre das zu viel für uns. Wahrscheinlich rücken wir die Welt deshalb näher an uns heran, an unsere Umgebung, an die Dinge, auf die wir zugreifen können und machen so aus der großen Welt etwas vermeintlich Kleineres: die Umwelt, die Welt die uns umgibt – mit ihrem Reichtum und mit dem Leichtsinn, mit dem wir damit umgehen, bis zum Bankrott. Was wir vor unserer Haustür tun könnten, sollten, müssten, fällt uns schwer, der Protest gegen das Abholzen der Regenwälder dagegen leicht. So weiten wir den Begriff Umwelt auf den ganzen Globus aus. Irgendwie scheint das richtig zu sein – und zugleich verlogen.  Zumindest betrügen wir uns selbst. Und tatsächlich ist Selbstbetrug ein gutes Beruhigungsmittel, zugleich aber auch anregend. Eine schöne Doppelwirkung. Und dann auch noch so fassbar, so einleuchtend wie der Begriff Fußabdruck, der uns immer ins schlechte Gewissen funkt, ja, das schlechte Gewissen erst herbeiführt. Fliegen wir in den Urlaub, hinterlassen wir einen ziemlich großen Fußabdruck in unserer Umwelt. Wenn wir mit einem SUV durch die Gegend karriolen, einem unsinnig großen Auto, dann geht es auch da um eine enorme Schuhgröße. Müssen wir uns wirklich so plattfüßig durch unsere Welt bewegen und sie platt machen. Vielleicht ist das gar nicht so schlimm wie es sich anhört. Die Umwelt ist schließlich nur eine von vielen Welten.

Da hätten wir noch die Erste, die Zweite, die Dritte Welt, mit der Umwelt also schon vier Welten. Die Ein-, zwei- drei-Welten-Einteilung ist eine Erfindung der Politik, auch der Wirtschaft. Die Erste Welt wird durch die Industrienationen gebildet, Zweite Welt ist die Bezeichnung der staatskapitalistischen Länder und die Nr.  drei – das sind die Entwicklungsländer. So einfach ist das. Mir erscheint das alles ein bisschen fragwürdig, und von Dauer dürfte da nur der Wandel sein, die Grenzen zwischen den drei Welten ändern sich – mal ein wenig, mal ein wenig mehr. So richtig sind diese Welten nicht, weil sie Kunstwelten sind. Oder müssen wir sie gerade deshalb ernst nehmen? Es sieht ganz so aus, wie wir sehen werden.

Es gibt nämlich noch eine ganz andere Kategorie: die Parellelwelten. Das sind die Welten, die neben unserer realen Welt daherlaufen, immer im gleichen Abstand. Die Parallelwelten berühren die reale Welt nicht. Aber sie berühren trotzdem unser Leben und werden so auf geheimnisvoll erscheinende Art und Weise zum Schluss doch noch real.

Das alles hört sich ziemlich theoretisch und vor allem rätselhaft an. Um was es geht, zeigt am besten ein aktuelles Beispiel aus der Wirtschaft. Durch Betrügereien hat das VW-Management den Konzern in ernste Schwierigkeiten gebracht. Der Betrug wird Milliarden verschlingen, und schon jetzt macht der Konzern Verluste, dass es nur so kracht. Sparen ist angesagt, aber nicht „an allen Ecken und Enden“, wie gesagt wird, sondern bei den Mitarbeitern. Ihre Erfolgsprämien nach Abschluss eines Geschäftsjahres wird es nicht mehr geben, jedenfalls nicht in gewohnter Höhe. Die Vorstände dagegen sind entschlossen, ihre Boni in Millionenhöhe zu kassieren, Verluste hin, Verluste her. Und so ist der Vorwurf ohne Frage berechtigt, „sie hätten sich im Laufe der Zeit in einer Art Parellelwelt eingerichtet, einer eigenen Komfortzone, die mit der Lebenswirklichkeit der meisten Menschen nicht mehr viel zu tun habe“ (Süddeutsche Zeitung, 25. April 2016).

Dies ist eine von unzähligen Parallelwelten. Denken wir nur daran, dass auch unsere Politiker sich in einer Parallelwelt eingerichtet haben, die mit der Lebenswirklichkeit von Hinz und Kunz, dem Mann von der Straße,  nichts zu tun haben. Sie berechnen mit Hartz IV, wie wenig ein Mensch zum Leben braucht, ein Leben, das Sie sich gar nicht vorstellen können, jedenfalls nicht für sich selbst. Pensionen von mehreren tausend € im Monat, oft schon nach wenigen Jahren „im Dienst“ und dort eine Altersrente, die fürs trockene Brot gerade reicht. Ja, das sind Welten, die sich nicht berühren, die nebeneinanderher laufen und sich nie treffen.

Montag, April 25, 2016

Lobgehudelt und traumgetanzt


Lobhudeleien, dick aufgetragen, anders lässt sich kaum bezeichnen, was Obama in Hannover zum beste gegeben hat: „Ich bin stolz auf die Bevölkerung Deutschlands.“ Über Merkel: „Sie steht auf der richtigen Seite der Geschichte.“ Obama lobt ihre „mutige Haltung“ in der Migrationsfrage – vielleicht weil „sie selbst einmal hinter einer Mauer gelebt hat.“ „Es ist die wichtigste Freundschaft, die ich in meiner Amtszeit hatte.“ Gut und schön: Dick aufgetragen, aber das kann man machen, auch wenn es ein bisschen peinlich wirkt. (Für mich ist Obama eine tragische Figur. Er wollte so viel, aber der Hass der Republikaner hat es unmöglich gemacht. Und gegen die Macht der Konzerne kommt offenbar kein US-Präsident an.)

Und dann die gemeinsame Traumtänzerei. Im Eiltempo, sodass den Zuhörern schwindlig wurde (sie SPIEGEL ONLINE), sausten die beiden durch die Krisen: Syrien – beide ratlos. Ukraine – Ratlosigkeit. Nordkorea – Obama: China soll mäßigend einwirken. TTIP – beide hätten es gern schnell unter Dach und Fach – unverantwortlich kritiklos. Nato-Gipfel – Obama: Die Bündnispartner sollen mehr Geld für ihre Verteidigungsausgaben aufwenden. Merkel: Deutschland nähere sich dem Nato-Ziel an. (Meine Frage: Wenn wir uns – gegen Russland? – verteidigen wollen, müssen wir das an den Grenzen Russlands tun? Geht es nicht auch anders? So, dass Russland sich nicht bedroht fühlt, sondern einfach erkennt, dass wir uns nicht schnappen lassen?) Libyen – ein einheitlicher Staat soll aufgebaut werden. Obama: „Es wäre besser gewesen, wenn wir vorher mehr darüber nachgedacht hätten, was danach folgt (nach dem Kriegseinsatz in Libyen). Das haben wir nicht ausreichend getan.“ Ein ehrliches Wort.

Gilt für jeden und alles: Erst nachdenken, dann handeln. Aber die einfachen Dinge im Leben sind so schwierig. Vielleicht liegt das auch daran, dass Nachdenken eigentlich ein Vordenken ist – sein sollte.

Die TTIP-Falle oder wo der Hund begraben ist


Die USA trommeln für TTIP, nicht nur Obama, auch Penny Pritzker, seit 2013 seine Handelsministerin. Klar, dass sie das macht. Dafür hat er sich engagiert. In SPIEGEL ONLINE von heute lässt sich ein ausführliches Gespräch mit ihr nachlesen. So viel Schönfärberei ist kaum zu ertragen.

Noch unerträglicher ist der blinde Gehorsam, den Frau Merkel und Herr Gabriel an den Tag legen. Klar, es gibt eine ganze Menge zu mäkeln an den Plänen der Abteilung Freihandel. Auch da geht es um geben und nehmen, aber wenn man fair miteinander umgeht, ist das vielleicht hinzubekommen.

Der Hund liegt woanders begraben, in der Abteilung Investitionen. (Ich vermeide die offizielle Bezeichnung Investitionspartnerschaft, da es um alles geht, nur nicht um Partnerschaft.) Nach allem, was so durchsickert, wird hier der Demokratie der Teppich unter den Füßen weggezogen. Alles soll sich auf dem blanken Parkett der globalen Wirtschaft bewegen. Dieses Parkett ist so glatt, dass sich die Parlamente, dass sich die demokratische Grundordnung schlicht auf den Hintern setzen und nicht wieder hochkommen wird.

Schiedsgerichte außerhalb aller ordentlichen Gerichtsbarkeit sollen entscheiden. Im Klartext: Wenn sich Coca Cola durch ein Gesetz irgendeines Landes benachteiligt fühlt, soll dieses Land den behaupteten entgehenden Gewinn ersetzen. Behaupten kann Coca Cola alles. Das Gegenteil beweisen kann das betroffene Land nicht.

Glücklicherweise regt sich Widerstand auf beiden Seiten, in den USA und in Europa.  In Europa? Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall in Deutschland. Zur SPIEGEL ONLINE Veröffentlichung heute hagelt es kritische Anmerkungen.

Zwei bringen die Kritik auf erfrischende Weise zur Sprache. Da heißt es – an die USA gerichtet, sinngemäß: Trennt euch erst mal von inch, foot, yard und mile. Dann können wir weiter sehen. Und, zweitens, ebenfalls sinngemäß: Hallo, USA, wundert euch nicht, wenn ihr von europäischen „Windmühlen“-Herstellern auf entgehende Gewinn verklagt werdet, weil die in eurem Markt nicht so viel verdienen, wie sie es sich vorgestellt hatten. Viel Vergnügen!

Zum Schluss ganz biblisch: Hört doch mal auf, ums Goldene Kalb zu tanzen. Macht mal Pause und besinnt euch. Geld ist nicht alles. Und Coca Cola auch nicht.

Mittwoch, April 20, 2016

Sprachkinkerlitzchen?


Transparenz. Ich führe nicht Buch über meine Sprachkritiken. Es wird deshalb passieren, dass ich mich wiederhole, mir den einen oder anderen Begriff auch ein zweites Mal oder sogar noch öfter vorknöpfe. Mir macht das nichts aus. Ich fürchte, den Sprachbanausen auch nicht. Wie werden wohl weiter so sprechen und schreiben wie bisher. Aber sie sollen es nicht „ungestraft“ tun. Und so müssen sie damit leben, dass ich wieder einmal ihr Zauberwort „Transparenz“ aufspieße. Alle fordern Transparenz. Alles soll transparent sein, damit jeder weiß, woran er ist. Die am lautesten sich dafür einsetzen, sind meist die größten Geheimniskrämer. Was immer sie verheimlichen können – sie verheimlichen es. Transparenz ist nicht in, stattdessen aber Intransparenz.

Wirtschaftswachstum. Auch so ein Zauberwort. Wenn die Wirtschaft nicht wächst und wächst und wächst, dann geht die Welt unter, unter, unter. Komischerweise ist sie aber noch da. Sollte da irgendetwas nicht stimmen? Es sieht ganz so aus. Nehmen wir folgendes Beispiel: Ein Auto wird bei einem Unfall beschädigt. Das ist zunächst mal ein Verlust. Das Auto wird repariert. Alles ist wieder wie vorher. Und jetzt das Wunder: Die Kosten der Reparatur erhöhen das BIP, das Bruttoinlandsprodukt und tauchen als Wirtschaftswachstum in der Statistik auf.

Es gibt kein unendliches Wachstum. Selbst die größten Bäume wachsen nicht in den Himmel. Und die Wirtschaft erst recht nicht. In der Wirtschaft gibt es wie überall ein immer-währendes Auf  und Ab. Das eine geht zurück, verschwindet vielleicht sogar, wird abgelöst durch anderes, durch neues. Es wird Zeit, sich vom Popanz Wirtschaftswachstum zu verabschieden und den einfachen Gesetzen des Lebens zu folgen. Denen folgt auch die Wirtschaft, so schwer es auch fällt, das einzusehen.

Streng. Diesem unscheinbaren Wörtchen begegnen wir meist dann, wenn irgendwelche Unternehmen, Verbände und sonstwelche Institutionen sich hinter Gesetzen oder Vorschriften verstecken, die vor allem ihren Interessen dienen und nicht denen der Kunden oder der Allgemeinheit. Da wird dann gesagt, dass man selbstverständlich die strengen Vorschriften einhält. Nicht gesagt wird, dass diese Vorschriften alles andere als streng sind. Sie sind häufig von Lobbyisten formuliert, die ja schon ganze Gesetzestexte den „ahnungslosen“ Politikern untergejubelt haben. Wenn wir von strengen Vorschriften hören, dürfen wir in den meisten Fällen davon ausgehen, dass sie windelweich sein.

Transparenz, Wirtschaftswachstum, streng – das und vieles mehr sind keine Sprachkinkerlitzchen. Manches davon grenzt an Betrug, ist Selbstbetrug, soll unverdientes Vertrau-en schaffen. Nein, Sprachkinkerlitzchen sind das nicht!

Die Sprache bringt es an den Tag


Die Sprache bringt es an den Tag, nicht die Sonne. Wie erbärmlich benehmen sich unsere sogenannten demokratischen Volksparteien – die Union, die SPD und, glaube ich, auch die FDP. Sie sehen sich als Produkte, die man vermarkten muss. Sie sehen sich als Marketing-objekte. Sie haben sich auf das Niveau von Persil, Coca Cola und Maggi  runtergearbeitet. Sie vermarkten sich aufs Billigste wie Aldi, Lidl usw. Sie sprechen von ihrem Markenkern, nicht von ihrer Überzeugung, ihrem Standpunkt – so richtig oder falsch der auch sein mag. Nein, sie verstehen sich als Ware, die man beim Einkaufen aus dem Regal greift, oder auch nicht. Platziert werden möchten sie auf Blickhöhe, nicht als Bückware, die wenig geschätzt wird. Die immer geringere Wahlbeteiligung lässt allerdings auf Bückware- Parteien schließen. Immer weniger Menschen sind bereit, sich für die Parteien zu bücken.

Das Ganze ist einigermaßen unbegreiflich. Da wird mit Eifer von Authentizität gesprochen. Jede Partei nimmt sie für sich in Anspruch, so wie von jedem Menschen heute Authentizität verlangt wird. Was heißt das eigentlich? Eigentlich sollte damit Ehrlichkeit gemeint sein, das Bekenntnis zu seiner eigenen Person. Gilt das nicht auch für Parteien. Es sieht nicht so aus.

So ist das alles nicht? Doch. Genauso ist es. Wie anders erklärt sich die Sucht der Parteien, ständig nach Meinungen des Volkes zu fragen? Meinungsumfragen anstelle eigener Vorstellungen, eigener Ziele. War da nicht irgendetwas mit dem Hündchen von Pawlow?

Die Partei als wohlfeile Ware. Und den Gesetzen des Marktes gehorchend. Der Billigste macht das Geschäft.

Ein denkunwürdiger Tag


Vor 127 Jahren wurde Adolf Schicklgruber alias Adolf Hitler in Braunau am Inn (Österreich) geboren. Außer ein paar Verrückten denkt heute wohl noch kaum jemand daran. Mir fällt dieser Tag jedes Jahr auf die Füße. Ich habe ja als „Pimpf“ „Führers Geburtstag“ noch miterlebt. Wie bin ich froh, dass aus mir kein Nazi geworden ist. Glück gehabt, wie so oft im Leben! Für dieses Glück haben allerdings meine Eltern gesorgt. Dafür bin ich ihnen dankbar.

Montag, April 18, 2016

Hysteriker aller Länder, vereinigt euch!



Das EU-Parlament hat in diesen Tagen eine Ausweitung der Vorrats-datenspeicherung von Fluggastdaten genehmigt. Die Behörden dürfen pro Flug und Passagier etwa sechzig Einzeldaten wie Essenswünsche, Kreditkarten-nummer, Mitreisende, Wohnort oder E-Mailadresse für fünf Jahre speichern.  

Noch hysterischer geht es nicht. Bin Laden lässt grüßen. Er ist ohne Zweifel einer der Größten der sogenannten Weltgeschichte. Er hat nicht nur die TwinTowers in die Luft gesprengt. Er hat nicht nur die USA auseinandergenommen. Bin Laden hat die ganze Welt auf den Kopf gestellt.

Freitag, April 15, 2016

Ein kleiner Abstecher ins Feld der Sprache


Da wäre zum Beispiel das Thermofenster. Darunter kann man sich durchaus etwas vorstellen. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Ausführung, die Kälte oder Hitze von außen nicht in die Zimmer gelangen lässt, bzw. dafür sorgt, dass die Wärme der geheizten Zimmer sich nicht durch die Fenster davonmacht. Alles falsch.

Unter Thermofenster versteht die Automobilindustrie eine elektronische Vorrichtung, die ab  bestimmten Temperaturen (Mercedes: 10º, Opel 17º) die Stickoxydreinigung abschaltet. Das sei natürlich kein Betrug, das sei legal, diese Maßnahme diene nur dem Schutz der Motoren. Der Schutz der Menschen vor Stickoxyden zählt also nicht. Toll, was man mit geschickter Wortwahl alles machen kann!

Ertappt? Kein Problem. Mit den richtigen Worten lässt sich alles richten. Eine der besonders beliebten Floskeln liest sich so: „Selbstverständlich gehen wir auf die Staatsanwaltschaft zu und arbeiten eng mit der Behörde zusammen.“ Eigentlich sollten sich Unternehmen solche dummen Äußerungen verkneifen. Aber in der Not fängt der Teufel Fliegen und schluckt jede Kröte. Bekömmlich ist unbedachter Umgang mit der Sprache nicht, jedenfalls nicht auf Dauer. Von Glaubwürdigkeit kann nicht die Rede sein.

Aus diesen Niederungen nun zum Höchstdeutsch, bevorzugt nicht nur von Juristen, aber sie lieben es, wie die Äußerungen eines Gerichtsººº zeigen. Die Richter mussten sich mit Herrn Böhmermanns Satire (Text oder Gedicht?) befassen. Und was zeichnet Böhmermanns Satire nach Auffasung der Richter aus? Durch „distanzierende Einbettung in einen quasi-edukatorischen Gesamtkontext, um so die Grenzen der Meinungsfreiheit zu verdeutlichen.“ Verstanden? Nee? Dann versuchen wir mal eine Übersetzung.

„Herr Böhmermann wollte die Grenzen der Meinungsfreiheit verdeutlichen. Er hat das sozusagen erzieherisch gemeint.“ Vielleicht geht’s noch besser. Aber verständlich ist es jetzt schon, nicht wahr?

Vergaloppiert. Das passiert offensichtlich auch bildungsnahen, bildungsaffinen, also hochge-bildeten Menschen wie dem Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann. Er sagt, dass die Groko, die Große Koalition, zwar handlungsfähig sei, aber sich selbst blockiere. Wie soll das gehen? Wenn ich blockiert bin, dann bin ich nicht handlungsfähig.

Und zum Schluss ein paar Albereien. Wenn ich nicht handlungsfähig bin, dann bin ich unhandlungsfähig – oder? Ach ja, schnell noch die Eckpunktpapiere. Vermutlich sind das Papiere, die vier Ecken haben. Jeder ordentlich geschnittene DIN-Bogen hat sie. Ich habe allerdings den Verdacht, dass sich Eckpunktpapiere vor allem durch Eselsohren auszeichnen. Der häufige und hastige Umgang mit Eckpunktpapieren spricht für diese Vermutung. 

Kunstbanausen, Schönfärber, Flüchtlinge


In einer Anzeige des ZEIT-Magazins zum 70. ZEIT-Geburtstag wurde eine Skulptur von Markus Lüpertz als Meisterwerk angepriesen, Einführungspreis bis zum 15. April:11.000,00 €. Ich habe augenblicklich neben diese Anzeige geschrieben: „Kleisterwerk“. Und so oft ich auch auf die Abbildung blicke: Es bleibt für mich ein Kleisterwerk.

Nun muss ich zugeben, dass mir Herr Lüpertz vollkommen unbekannt war. Das verrät mich natürlich als Kunstbanausen. Ein kurzer Blick ins Internet hat mir allerdings gezeigt, dass ich mit meiner kritischen Ansicht nicht allein bin. Banausen aller Richtungen: Vereinigt euch! Eins aber ist nicht zu leugnen: Alles und Jedes lässt sich als Kunstwerk bezeichnen. Man muss nur den Mut, besser die Chuzpke, dazu haben.

Ralf Stegner, SPD-Vorsitzender in Schleswig-Holstein und Vize im Parteivorstand, hat sich heute in ein Deutschlandfunk-Gespräch mit Kathrin Büüsker verwickeln lassen. Es ging verständlicherweise um den Niedergang der so verdienstvollen und einst zu recht stolzen SPD. Herr Stegner gibt Märchen zum Besten, erzählt von Erfolgen, die seine Partei in der aktuellen Großen Koalition erreicht habe. Unfug. Diese Erfolge, sofern man die Ergebnisse Erfolge nennen will, sind Regierungserfolge und keine der SPD. Schlimmer noch: Herr Stegner mogelt sich an der Wahrheit vorbei. Die SPD ist nicht mehr die Partei, die sich für Gerechtigkeit einsetzt. Sie ist eine Partei, die die Demokratie untergräbt. Die hemmungslose Parteinahme des SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel für TTIP und das undemokratische Vorgehen dahin sind ein unmissverständliches Signal für „Wirtschaft, Wirtschaft über alles“, über jedes demokratische Gesetz hinweg. Die SPD hat nicht nur den Verstand verloren, sondern ihre Seele.

Ich weiß nicht, wie viele (prominente) Kinder mit ihren Familien aus einer Diktatur geflüchtet sind. Ich lese das überall und immer wieder. Dabei ist es so falsch wie etwas nur falsch sein kann. Nicht die Kinder sind mit ihrer Familie geflüchtet, sondern die Familie ist mit ihren Kindern geflüchtet. Und das ist etwas ganz anderes. Schmückt aber nicht so.

Mittwoch, April 13, 2016

Im Zweifel für den Angeklagten


„Im Zweifel für den Angeklagten“. Das Europäische Parlament hat diese sinnvolle Regel missbraucht. Missbraucht mit seiner Empfehlung, Glyphosat für weitere 7 Jahre zuzulassen. Es gibt ernst zu nehmende Wissenschaftler, die befürchten, dass dieser Unkrautvernichter krebserregend sei, sein könnte. Ihre Untersuchungen lassen darauf schließen. Deshalb sollten wir Vorsorge treffen und den Einsatz von Glyphosat umgehend verbieten. Zulassung erst dann wieder, wenn die Unschädlichkeit erwiesen ist. Klingt alles ein wenig nach gesundem Menschenverstand, nicht wahr?

Frau Susanne Melior, SPD-Abgeordnete im Europaparlament und Umwelt-schutzexpertin, sieht das anders. Zitat aus SPIEGEL ONLINE, 13. April: „… Susanne Melior verteidigte den jetzt vom Parlament verabschiedeten Kompromiss. Ein sofortiges Verbot von Glyphosat wäre unrealistisch, betonte sie. Die europäische Landwirtschaft sei von Futtermittelimporten etwa aus den USA und Brasilien abhängig, die mit Glyphosat behandelt worden seien.“ Na sowas!

Dann machen wir uns doch mal unabhängig davon. 1974 wurden in Deutschland 3.200 Tonnen Glyphosat eingesetzt, 2014 825.000 Tonnen. Das ging doch 1974. Und was heißt hier Unkrautvernichtungsmittel? Von einer Round-up-Chemikalie müssen wir sprechen, von einem Totschläger. Die Auswirkungen auf die Artenvielfalt sind noch gar nicht erwähnt worden! Wir greifen rücksichtslos in natürliche Zusammenhänge, Abhängigkeiten von Pflanzen und Tieren ein, stören, zerstören Welten, auf die wir angewiesen sind. Sind wir von Sinnen? Es ist zu befürchten. Die Melior-Ansicht „Sofortiges Verbot ‚unrealistisch‘ legt diesen Gedanken nahe.  Da schleicht sich noch ein anderer Gedanke heran: TTIP!  Empfiehlt das Europäische Parlament weitere 7 Jahre Glyphosat, damit – TTIP vorausgesetzt – Unternehmen „entgehende Gewinne“ einklagen können?

Geschleiftes Deutsch


Früher versuchten Städte sich durch Stadtmauern, Wälle und Gräben vor Feinden zu schützen. Als das vor geraumer Zeit keinen Sinn mehr machte, schleifte man die Befestigungen, machte sie dem Erdboden gleich und verwandelte sie in prachtvolle Straßen wie die Ringstraße in Wien oder  in Parks, also in allerhand Sinnvolles. Wohlgemerkt: Man schleifte die Befestigungen. Man schliff sie nicht.

Nun ist unsere Sprache alles andere als eine Festung, und doch wird sie behandelt wie etwas, das man nicht mehr braucht. Sie wird sozusagen dem Erdboden gleich gemacht. Selbst eine Literaturwissenschaftlerin wie Gertrud Höhler beteiligt sich daran und verwechselt geschleift und geschliffen. Von geschliffenem Deutsch kann da nicht die Rede sein, von geschleiftem Deutsch aber wohl.

Was wollen wir da einem namenlosen Journalisten vorwerfen, der in seinem Unfallbericht schreibt, der Porsche habe mehrere Bäume gestriffen? Gestriffen! Er befindet sich in bester Gesellschaft, siehe Frau Höhler.

Soll ich mich aufregen? Bevor ich weiter gegen den Missbrauch unserer Sprache stänkere, will ich doch schnell mal in meinem Kleiderschrank nachsehen. Ich glaube, da liegt noch ein gestriffenes Hemd, das ich lange nicht mehr getragen habe.

Sonntag, April 10, 2016

Auf der Flucht


Ich weiß nicht, wie viele (prominente) Kinder mit ihren Familien aus einer Diktatur geflüchtet sind. Ich lese das überall und immer wieder. Dabei ist es so falsch wie etwas nur falsch sein kann. Nicht die Kinder sind mit ihrer Familie geflüchtet, sondern die Familie ist mit ihren Kindern geflüchtet. Und das ist etwas ganz anderes. Aber es schmückt die heute Prominenten nicht so. Vielleicht ist es aber auch nur Gedankenlosigkeit der Schreiber.

Samstag, April 09, 2016

"Das Beste oder nichts"


 
Vor die Wahl gestellt, entscheide ich mich für „nichts“ und freue mich darüber wie Janoschs Panamaischer Präsident sich über das Geschenk freute, das ihm Wondrak mitgebracht hatte, nämlich nichts. „So ein Zufall, gerade heute Morgen fiel mir ein, dass ich nichts brauche“, sagte der Präsident hocherfreut, als Wondrak den Geschenkkarton öffnete, in dem nichts war.

Was mich angeht, also nichts. Kein „Masterpiece of Intelligence“, wie Mercedes-Benz seine neue E-Klasse nennt. Ein Auto, das weiß, was in der Welt passiert, bevor ich es weiß? Ein Auto, das die Welt ein wenig sicherer macht? Großmäulige Hochstapelei. Einfach schrecklich.

Und dann diese „Technologie“-Fortschritte! Wenn von der Seite ein Rammstoß zu befürchten ist, eine Seitenkollision, dann rückt mich das Auto ein bisschen in die Mitte. Und wenn es nicht zur Kollision kommt? Werde ich dann wieder auf meinen Platz zurückgerückt?

Als wirklich einzigartig und zum ersten Mal serienmäßig eingesetzt wird der „PRE-SAFE® Sound“, ein Vorsicherheitsgeräusch. Was Mercedes-Benz mir da um die Ohren haut, muss ich Wort für Wort zitieren. „Bei einem Unfall entstehen Geräusche, auf die der Mensch empfindlich reagiert. Bei erkannter Kollisionsgefahr lässt dieses System über die Sound-Anlage ein kurzes Rauschsignal ertönen. Die Ohrmuskulatur wird so aufgefordert, sich reflexartig zusammenzuziehen. Ein natürlicher Effekt, der die Belastung des Gehörs reduziert.“ Donnerwetter! Ach bitte, nicht so laut!

Merkwürdig nur, dass die „Masterpiece“-Entwickler an eine viel wichtigere Innovation nicht gedacht haben. Wie jedes andere Auto kommt auch das „Masterpiece“ in einem Stau zum Stillstand. Und der kann dauern. Dumm, wenn sich da ein menschliches Bedürfnis meldet, eines, das unabwendbar ist.

Ich möchte nicht wissen, wie viele Autofahrer, auch die der Marke Mercedes-Benz, sich da schon in die Hose gemacht haben. Wo bleibt das Autoklo, die vollautomatische Autotoilette, mit „Masterpiece“-Feuchttücherautomatik? Wo bleibt der notdurftnotwendige Fortschritt? In der Liste der Optionen (extra zu honorieren) ist nichts davon zu lesen. So hat das Ganze zwar kein Geschmäckle, aber doch ein Gerüchle.

Unsere Sprache, ihre Wörter



Unsere Sprache, ihre Wörter – immer wieder ein Vergnügen, aber oft zum Verzweifeln. Entgegen der Regel „erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ fange ich mit dem Vergnügen an, mit der Freude an selten gewordenen Wörtern: Jachtern, ein anderes Wort für dahinjagen, hetzen. Abrackern: Arbeiten bis man fast nicht mehr kann. Flunkern: schwindeln und Fatzke gleich Angeber, jemand, den man nicht ernstnimmt.

Schrecklich dagegen: ADHS = AufmerksamkeitsDefizitHyperaktivitätsstörung. Welch ein Wortungetüm für Menschen, die zappelig sind, sich nicht konzentrieren können, sich selbst und allen anderen auf die Nerven gehen. Früher hat man sie ertragen, heute „sediert“ man sie, stellt sie ruhig mit Medikamenten. Das macht man vor allem mit Kindern. Die stören ja durch die Unruhe, die sie verbreiten.

Wissenschaftszeitvertragsgesetz – ein Wort mit mehr Buchstaben als das Alphabet hat. Da sind vier Begriffe zusammengeklebt worden, die nichts miteinander zu tun haben: Wissenschaft, Zeit, Vertrag und Gesetz. Wer will daraus schlau werden? Soll ich versuchen, das zu erklären? Vielleicht. Aber nicht jetzt.

Zielführend. Wahrscheinlich hat jeder von uns schon einen Blinden gesehen, der von einem Blindenhund geführt wird. Jemandem, der ein Ziel führt, ist noch niemand begegnet. Mit dem schwurbeligen Modewort zielführend ist nichts anderes gemeint als erfolgversprechend.

Asymmetrische Demobilisierung – das ist, wie Stoiber meint – die merkelsche Methode. Ob Herr Stoiber uns das mal erklärt. Lieber nicht. Es kommt bestimmt nur Unsinn dabei heraus.

Was Herr Stoiber meint, ist dies: Frau Merkel hat nach seiner Auffassung den Auffassungen der Unionsparteien die der SPD hinzugefügt, hat alles so zusammengerührt, das jedem politisch interessierten Menschen der Appetit vergangen ist.

Unerklärt bleibt das „Asymmetrische“. Hinter diesem Modewort verstecken sich alle, die beleidigt sind, weil man ihre Spielregeln nicht anerkennt. So ist immer wieder von asymmetrischen Kriegen die Rede, immer dann, wenn einer hochgerüsteten Macht kleine, kaum fassbare Einheiten gegenüberstehen. Die Großen kommen mit den Kleinen nicht zurecht. Sie wollen nicht begreifen, dass schon David Goliath besiegt hat.

Zum Schluss noch für heute: Hotspot. Ein Brennpunkt? Vielleicht. Ist wahrscheinlich nicht ganz verkehrt. Ursprünglich war etwas anderes gemeint, etwas aus der digitalen Welt: die Möglichkeit, sich an öffentlich zugänglichen Orten ins Internet einzu-schalten, einzu-loggen („öffentliche drahtlose Zugriffspunkte“).

Inzwischen hat das Wort eine ganz andere Bedeutung bekommen. Es ist die oifemistische = euphemistische = schönfärberische Bezeichnung von Lagern, in denen Flüchtlinge für einige Zeit untergebracht werden – ob sie wollen oder nicht. Also doch ein Brennpunkt, im Politikersprech ein sozialer Brennpunkt. Ein Thema, das uns auf den Nägeln brennt?

Sonntag, April 03, 2016

Es ist zum Verzweifeln


Die 3SAT-Sendung heute Abend um 20:15 Uhr „Terror von rechts – Die neue Bedrohung“ lässt nur eine Folgerung zu: Unsere Justiz ist nicht nur unfähig, Straftaten der rechten Szene aufzuklären, sie will es offensichtlich auch nicht. Da beschafft sich ein Rechtsextremer, einschlägig vorbestraft, 1,5 kg TNT und 1,5 kg Schwarz-pulver und Zünder, und die Staatsanwaltschaft erhebt keine Anklage, weil sie nicht beweisen kann, dass damit ein Anschlag ausgeübt werden soll.

Es gibt keinen vernünftigen Grund, so viel Sprengstoff und dazu Zünder zu beschaffen außer dem Plan, irgendetwas in die Luft zu sprengen. Das sagt einem der gesunde Menschenverstand, den die Staatsanwälte anscheinend nicht besitzen. Aber so dumm können sie doch eigentlich nicht sein.

Ich sehe hier nur zwei Möglichkeiten: Entweder ist die Staatsanwaltschaft selbst Teil der rechtsextremen gewaltbereiten Szene oder unser Gesetz ist nicht in Ordnung. Die erste Möglichkeit möchte ich noch ausschließen, obwohl es mir schwerfällt.  Also stimmt etwas mit dem Gesetz nicht.

Warum muss der Staatsanwalt beweisen, dass der Angeklagte eine Bombe bauen und einen Sprengstoffanschlag verüben wollte? Warum? Der Angeklagte soll bitteschön beweisen, dass er das nicht tun wollte. Diesen Beweis möchte ich gern sehen. Jeder Staatsanwaltschaft würde ihn in der Luft zerreißen. Sollte das so sein, dann bitte umgehend das Gesetz ändern.

PS: Wahrscheinlich ist die zweite Möglichkeit doch nicht so gut. Sie würde zu US-amerikanischen Verhältnissen führen. In den USA muss der Gefährdete die Gefährlichkeit beweisen. Das Kind muss also erst in den Brunnen gefallen sein. Das ist keine vernünftige Lösung. Deshalb: Hände weg davon!

Wenn ein erwiesener und mehrfach vorbestrafter Extremist sich mit Sprengstoff und Zündern bewaffnet, dann ist das kein Kinderspiel, kein harmloses Hobby. Das ist Vorbereitung zu Mord und Totschlag. Das zu erkennen, sollte jedem Staatsanwalt leicht fallen.