Montag, Januar 25, 2016

Abstrakte Gefährdung

Dieser Tage behauptete ein Politiker – leider habe ich mir den Namen nicht gemerkt – „in Deutschland herrscht eine hohe abstrakte Gefährdung.“ Du liebe Güte, war ich erschrocken. Diese Gefährdung muss besonders gefährlich sein, fürchtete ich im ersten Augenblick. Aber dann riss ich mich zusammen und sagte mir: hoppla, da stimmt doch etwas nicht. Eine abstrakte Gefährdung kann doch gar nicht gefährlich sein. Und siehe da, der Duden gab mir recht: Diese Gefährdung hat keinen unmittelbar feststellbaren Bezug zur Wirklichkeit. Was lernen wir? Wir lernen, dass besagter Politiker keinen unmittelbar feststellbaren Bezug zur Wirklichkeit hat.

Ganz pragmatisch gesehen

Die türkische Regierung nimmt es mit den Menschenrechten nicht so schrecklich genau, wenn ihre Bürger nicht so parieren, wie es der Herr Präsident möchte. Unter anderem deshalb hat die Deutsche Regierung – und nicht nur sie – die Verhandlungen zum Eintritt der Türkei in die EU immer wieder verzögert. Auf einmal aber werden alle Vorbehalte über Bord geworfen, weil die Türkei – möglicherweise – für die Lösung der europäischen Flüchtlingskrise gebraucht wird. Das heißt dann pragmatisch, ist es auf den ersten Blick auch; den pragmatisch heißt sachbezogen, geleitet von den Gegebenheiten, nicht von Prinzipien. Pragmatisches Verhalten ist also prinzipienloses Verhal-ten. Menschenwürde, Asylrecht, Schutz von Flüchtlingen – vorbei, vorbei! Da springen ein paar hässliche Wörter aus der Kiste: Feigheit, Bestechlichkeit, Korruption zum Beispiel. So sieht die Sache aus, ganz pragmatisch gesehen.
25. 01. 2016

Immer auf die Pauke hauen

Ordentlich laut auftreten ist vor allem in der Politik und in der Wirtschaft außerordentlich beliebt. Keine Ahnung, warum das so ist? Wahrscheinlich soll Unwichtiges wichtig gemacht werden und Unrichtiges richtig. Wer das erst einmal erkannt hat, kann damit einigermaßen umgehen. Ärgerlich bleibt die Sache trotzdem, vor allem wenn es um Schriftliches geht. Wenn jemand dummes Zeug redet, kann man sich die Ohren zuhalten. Wenn jemand Dummheiten schriftlich von sich gibt, ist man ihm ausgeliefert; denn wenn wir die Augen zumachen, können wir nicht lesen.

In einem bunten Prospekt lobt EDEKA ihre Bioprodukte über den grünen Klee, schreibt, dass die Produkte die strengen Richtlinien der EG-Öko-Verordnung erfüllen. Dabei ist diese Verordnung alles andere als streng. Sie ist von den Ideen, die Frau Künast, seinerzeit Umweltministerin, hatte, meilenweit entfernt und von jedem Hersteller lässig einzuhalten. Genau so ist es bei den Abgaswerten der Autos. Die großzügigen herstellerfreundlichen Vorgaben werden als streng bezeichnet. Das alles und noch einiges mehr wäre zum Lachen, wenn es nicht so ernst wäre. So bleibt nur eins: das Wörtchen „streng“ mit allergrößem Misstrauen betrachten. Wenn nicht immer, so doch meistens ist es schlicht gelogen – übertrieben wäre Schönfärberei.

Die SPD-Politikerin Eva Högl fordert, dass bei der Aufklärung der Übergriffe in Köln (Silvesternacht) keine Tabus geben darf. Eine Selbstverständlichkeit – oder vielleicht doch nicht? Und gegen die Täter müsse mit der „ganzen Härte des Rechtsstaats“ vorgegangen werden. Wenn das kein politischer Paukenschlag ist! Nein, das ist nichts anderes als eine lächerliche Drohung. 25. 01. 2016

Sonntag, Januar 24, 2016

On dit

„Sie ziehen einen mit Blicken aus“. Dies ist die Titelzeile eines Beitrags im Hamburger Abendblatt, Wochenendausgabe 23./24.l Januar 2016. Die Unterzeile: „Schülerinnen an Wilhelmsburger Berufsschule fühlen sich seit Monaten durch Männergruppen belästigt. Schon acht Anzeigen.“

Zwei Probleme treten in diesem Beitrag zutage. Wir sollten ihnen auf den Grund gehen, bevor die Diskussion um sexuelle Übergriffe im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsthema noch weiter eskaliert.

Erstens: Ihr selbst, so sagt eine junge Frau, sei bislang nichts passiert. Fälle kenne sie aber genug. Was ist von solchen Aussagen zu halten? Wenig bis gar nichts; denn „ich habe zwar nichts gesehen, aber gehört“ – „ich war nicht dabei, aber man sagt“ – das hat bestenfalls einen geringen Wahrheitsgehalt. Überprüfbar ist es nicht.

Zweitens: Sexuelle Belästigung. Dieser Begriff ist so ungenau, dass man darunter alles und nichts verstehen kann; das macht ihn so gefährlich. Von Vergewaltigung über angrapschen, den Weg versperren, bedrängen, anpöbeln kann alles gemeint sein. Auch Blicke?

Der Klarheit wegen eine provozierende Frage: Haben sich unsere „weißen, blonden Frauen und Mädchen“ von den Blicken der heißblütigen Italian Lovers, von den nicht weniger temperamentvollen spanischen Jungs sexuell belästigt gefühlt? In der Mehrzahl wahrscheinlich eher belustigt, nicht selten womöglich geschmeichelt.

Wir sollten die Dinge beim Namen nennen, so genau wie möglich. Dazu gehört der Begriff sexuelle Belästigung nicht. Er ist zu beliebig und hilft uns nicht aus der unseligen, feindseligen Konfrontation zwischen „Gutmenschen“ und „Nazis“.
24. 01. 2016