Freitag, September 26, 2014

Insel der Seligen

Es gibt ja immer etwas zu meckern, ganz besonders, wenn es um Politik geht. Viel zu vieles ist auch bei uns in Deutschland zu kritisieren, einfach, weil es nicht in Ordnung ist. Nicht nur unsere Politiker, auch wir Bürger mogeln uns an vielen Ungerechtigkeiten vorbei. Mal fühlen wir uns ungerecht behandelt, mal sind wir selbst ungerecht. Manchmal stellt sich das Gefühl ein, dass alles aus dem Ruder läuft, dass Ehrlichkeit und Anstand zu Seltenheitswerten werden. Und wenn wir über die Grenzen sehen, zu unseren Nachbarn? Da scheint es nicht anders zu sein. Verdammt! In welcher Welt leben wir eigentlich?

Nein, ich rede diese täglichen Sünden nicht klein. Und dann erfahre ich im Auslandsjournal des ZDF am 24. September, dass in den USA 80.000 Menschen über Jahre und Jahre, manchmal Jahrzehnte in Einzelhaft eingesperrt sind.

Eine kleine Zelle mit so gut wie nichts. Keine Aussicht. Kein Gespräch. Nichts, nichts, nichts. Niemand spricht mit dir, und du sprichst mit niemandem. Du ruhst, nein, die faulst in dir selbst. Du darfst nichts tun. Du löst dich auf. Du bist nicht mehr du selbst. Du bist nichts. Und genau das treibt dich in den Wahnsinn. Ich kann mir keine schlimmere Folter vorstellen.

Und nun? Die USA – der Inbegriff der Demokratie, der Freiheit, der Menschlichkeit?  Mit welchem Recht nehmen die USA das in Anspruch? Sie berufen sich auf die Verfassung. Die liest sich gut. Die Verfassung, in der sich die USA befinden, ist katastrophal.

Folter? Nicht nur in Guantanamo, sondern in zig Gefängnissen. Todestrafe? In vielen US-Staaten Gang und Gäbe – häufig auf unmenschliche Weise. Was wird China vorgeworfen? Das, was man selbst praktiziert: die Todesstrafe. In Russland gibt es die Todesstrafe nicht mehr, und Jahre im Gulag? Schrecklich genug, aber nicht so zynisch, so menschenverachtend wie die Isolationshaft in den USA-Gefängnissen.

Nein, ich will die USA nicht gegen Russland und China ausspielen. Ich möchte nur, dass die US-Verlogenheit nicht als vorbildliche Demokratie bezeichnet wird.

Es juckt mich – es wäre ja auch angebracht – etwas über die Expansionspolitik der USA und Russlands zu sagen. Wo ist der Unterschied? Beide mischen sich dort ein, wo es ihren vermeintlichen Interessen zu dienen scheint, Völkerrecht und Menschlichkeit hin und her. Es juckt, aber ich will nicht kratzen. Das macht alles noch viel schlimmer. Deshalb: Schluss für heute.

Schnell noch eine Nachbemerkung: Ich habe das Gefühl, dass wir in Deutschland, dass wir in Europa auf einer Insel der Seligen leben. Irre ich mich? Hoffentlich nicht.
25. 09. 2014

Montag, September 22, 2014

Zu viel verlangt


„Unionspolitiker verlangen von Paris radikale Reformen“, berichtet SPIEGEL ONLINE am 21. September 2014. Der neue französische Ministerpräsident, M. Valls, tingelt am 22. und 23. September durch Deutschland. Da muss man ihm natürlich schon vorher die Leviten lesen.

Deutschland geht es im Augenblick wirtschaftlich gut. Aber ein Augenblick ist eben nur ein Augenblick und nichts für die Ewigkeit, nicht mal etwas für die nächsten Jahre.

Das Geld, das bei uns anscheinend im Überfluss vorhanden ist, wird verprasst. Die unsinnigen Rentenregelungen allein drohen uns zu ruinieren. Straßen und Brücken sind so marode, dass bald gar nichts mehr geht. Schon jetzt fahren LKW Umwege, weil die Brücken auf dem direkten Weg nicht mehr befahren werden dürfen. Über die Wichtigkeit von Bildung als Investition in die Zukunft wird geredet, eingezahlt wird viel zu wenig.

Alles das und noch viel mehr hat seinen Ursprung in der CDU/CSU und in der Großen Koalition. Stillstand? Rückschritt!  Und da verlangen Unionspolitiker radikale Reformen von Frankreich. Die sollten wir uns selbst verordnen, und zwar sofort. Sonst wird es nicht lange dauern, bis Frankreich radikale Reformen von uns verlangt.
21. 09. 2014


Samstag, September 20, 2014

Eine taube Nuss

Im hamburger Hotel The George sitzen etwa 20 Familienunternehmer mit dem CDU-Generalsekretär Tauber zusammen. Es geht um die Frage „Wo steuert die Union hin?“ Die Gäste haben offenbar das Gefühl: in die falsche Richtung.

Abschaffung der Hauptschule und der Wehrpflicht, die Koalition mit der SPD im Bund, die Rente mit 63 und der flächendeckende Mindestlohn – alles das ist der Hintergrund der Frage: wohin? Die Familienunternehmer scheinen ihre CDU nicht wiederzuerkennen.
Von Herrn Tauber kommt zunächst einmal, was zu erwarten ist: Die Partei habe eine „klare Haltung“, die allerdings nur der Partei klar zu sein scheint, nicht aber der Unternehmerrunde. Das „Christliche“ der Partei sei für viele Mitglieder und Wähler das Wichtige, wonach gar nicht gefragt war. Zu fragen wäre, wo sich denn das Christliche in der Union versteckt hält.

In dieses Horn bläst dann verständlicherweise auch Marcus Weinberg, CDU-Landeschef in Hamburg: „Die CDU ist die Partei der Neuen Bürgerlichkeit: Menschen, denen der Naturschutz wichtig ist, aber auch die Elbvertiefung, Menschen, denen Werte wie Veranwortung und Freiheit viel bedeuten, die aber auch in einer Homo-Ehe leben können.“ Nichts von dem passt zusammen, aber es klingt gut. Die Familienunternehmer dürfte das kaum überzeugt haben.

Wenn dann Philipp Mißfelder, noch Vorsitzender der Jungen Union die „Armut an Ideen und Personal“ bedauert, könnte der Eine oder Andere schon wieder Mut schöpfen. Der verlässt einen aber sofort, wenn man liest „mit Ole von Beust, Roland Koch, Christian Wulff, Günther Oettinger und Jürgen Rüttgers habe es eine Füllle von CDU-Ministerpräsidenten der mittleren Generation gegeben, die jedes Wochenende starke Kritik geübt haben.“ Kann sich irgendjemand an deren Kritik erinnern?

So weit, so schlecht. Das zeigt aber noch nicht, wie weit die Politik wirklich verkommen ist. Zwei Beispiele:

Erstens: „Wo ist der Markenkern der CDU, Herr Tauber?“ fragen die Familienunternehmer. Eine harmlose Frage aus Sicht eines Unternehmers vielleicht, weil er in wirt-schaftlichen Dimensionen denkt.  Weniger harmlos aber, wenn wir uns darauf besinnen, dass Parteien keine Markenunternehmen sind, sondern politische Unternehmungen – nicht Unternehmen. Es dürfte keine gute Idee sein, Parteien im unternehmerischen Sinne zu kommerzialieren. 

Zweitens: Die Antwort von Herrn Tauber auf die Frage, wohin die CDU steuere: Es laufe doch gut für die Partei, sagt er. Seit der Bundestagswahl 2013 liegt die CDU in den Umfragen stabil bei 40 Prozent, während die SPD  nicht von 25 Prozent wegkommt.

Es läuft gut für die Partei. Läuft es aber auch gut für die Republik? Das darf bezweifelt werden.

Zum Schluss läuft alles darauf hinaus, dass wir bei der Suche nach dem Markenkern der CDU auf eine taube Nuss stoßen.

Bevor jetzt das Geschrei los geht und unerträglich laut wird: Es kann nicht verkehrt sein, auch auf die anderen Parteien einen Blick zu werfen.
19. 09. 2014

Freitag, September 19, 2014

Von Zeit zu Zeit

Bildhaft und damit lebendig zu schreiben, ist eine Fähigkeit, die nicht jedem gegeben ist. Jeder möchte es können, den wenigsten gelingt es. Zur Mehrheit der Unfähigen, oder sagen wir Unbegabten, scheinen vor allem Politiker und Manager zu gehören.

Vielleicht sind sie davon überzeugt, dass ein Bild mehr sagt als tausend Worte. Worüber man streiten kann; denn ein Wort kann auch tausend Bilder vor Augen führen. Wahrscheinlich stimmt beides.

Wie auch immer: Der Versuch, sich bildhaft auszudrücken, geht oft gründlich daneben. Das passiert natürlich nicht nur Politikern. „Deswegen stecken wir unser Herzblut in die Firma.“ hat eine Jungunternehmerin von sich gegeben. (Steckblut als neue Blutkonserve?) Und „Am 26. Mai fällt der erste Spatenstich…“ ist einem Hamburger Abendblatt-Redakteur  eingefallen. (Er kann sich nur freuen, dass die Spaten nicht vom Himmel fallen. Das wäre sehr gefährlich.)

Aber, wie schon angedeutet, Politiker lassen sich da nicht lumpen. Roland Koch, seinerzeit Ministerpräsident von Hessen, stellte fest: „Der Rettungsschirm ist noch nicht völlig ausgeschöpft.“ (Er muss den Schirm verkehrt herum getragen haben, und der ist voll Wasser gelaufen? Wie peinlich!

Was Roland Koch konnte, kann auch Manuela Schwesig, zurzeit Bundes-familienministerin. „Die gläserne Decke werde nicht von selbst aufweichen.“, sagte sie. Nein, natürlich nicht, man muss sie erst mal zum Schmelzen bringen. Überhaupt: eine gläserne Decke! Um Architektur ging es nicht. Wo sonst ist eine gläserne Decke vorstellbar? Vielleicht bei Schneewittchen?

Ein anderer Politiker – ich habe versäumt zu notieren, wer es war – stellte fest: „Das Zeitfenster droht sich zu schließen.“ Ich frage mich, warum das so schlimm sein soll. Ein bisschen frische Luft, die durch das offene Fenster hereinweht,  kann doch nicht schaden – wenigstens, wenn es um unsere Sprache geht.

Vielleicht wirbelt sie die vielen Zeit-Wörter mal tüchtig durcheinander, und wir ordnen sie dann versuchsweise nach Sinn und Unsinn. Damit kommen wir endlich zum Titel „Von Zeit zu Zeit.“

Zeitraum – das Wort ist uns vertraut. Es sagt uns, dass in einer bestimmten Zeit etwas gemacht, passieren muss. Zeitlinie – da fällt es schon schwerer, sich etwas darunter vorzustellen. Zeitstrahl – ist ähnlich wie die Zeitlinie? Zeitfenster – da fängt es an, komisch zu werden, weil es meist mit zu schmal, mit zu eng, mit zu klein bezeichnet wird. Mindestens genauso schlimm ist es mit dem Zeitkorridor. In der Regel wird er als zu eng bezeichnet. Über seine Länge hat sich anscheinend noch niemand Gedanken gemacht.

Zeitgefühl, Zeitgeist, Zeitgenosse sind eine ganz andere Zeitwortsorte. Damit können wir gut umgehen, obgleich viel Unfug damit getrieben wird.

Von hier zum Spintisieren ist nur ein kurzer Weg. Gibt es die Zeit auch in der Mehrzahl?  Gibt es Zeiten? Eigentlich, so nach dem Gefühl, hat die Zeit keinen Anfang und kein Ende.

Weil das vielleicht ein wenig unheimlich ist, teilen wir die Zeit in kleine Zeiten ein – die Tageszeit, die Jahreszeit. Wenn wir von zeitlos sprechen, meinen wir Dinge, die sich über viele Zeiten erstrecken: Es gab sie schon lange und wird sie auch noch lange geben.  Zeitverlust – ein merkwürdiges Wort. Wie können wir Zeit verlieren? Wir haben sie doch gar nicht. Sie hat uns.

Zeitvertreib – das ist etwas, was wir – bei Licht besehen – gar nicht können. Die Zeit ist allgegenwärtig – immer und ewig. Wie wollen wir sie vertreiben?

Zeitalter, Zeitwende, Zeitverlauf, Gleitzeit, Teilzeit – wie viele Zeiten gibt es? So ganz genau wird es wohl niemand wissen. Dann kommen ja noch andere Zeitwörter hinzu wie Zeitnehmer (der hält fest, wie schnell jemand in welcher Zeit gelaufen ist, beispielsweise), Zeitlupe (das schöne deutsche Wort für slow motion). Zeitraffer (verwandt mit Zeitlupe) Zeitgeschehen, Uhrzeit und  Eiszeit.  Es nimmt kein Ende. Das allerdings ist zeitgemäß.

Und dann: Keine Zeit. Es gibt Menschen, die haben mehr Geld als Zeit, habe ich heute gelesen. Aber Zeit hat doch jeder von uns. Allerdings weiß niemand, wie viel Zeit er hat, bis er sich für alle Zeiten verabschieden muss.

Wie ist eigentlich das Verhältnis von Zeit zu Ewigkeit. Haben die etwas miteinander zu tun? Und wenn ja – was?

Ob  ich jemanden finde, der sich mit mir mal über Zeit unterhält? Ich glaube, wir könnten zusammen eine ganze Menge über die Zeit herausfinden.

19. 09. 2014


Zirkus bleibt Zirkus

Zu den Wagemutigsten im Zirkus gehören die Seiltänzer. In schwindelnder Höhe balancieren sie auf einem dünnen Seil von einer Seite der Manege zur anderen. Wie viel Mut gehört dazu!

Diese Akrobaten können es mit den Löwenbändigern und den Dompteuren, die Tiger durch Flammenreifen springen lassen, auf jeden Fall aufnehmen. Jeder ihrer Schritte lässt unser Herz schneller schlagen. Wir sehen sie jeden Augenblick stürzen und sind vor Glück fassungslos, wenn ihnen endlich der letzte Schritt gelungen ist.

Früher war das so. Ob das heute noch so ist, weiß ich nicht. Ich war lange nicht mehr in einem Zirkus. Es scheint aber heute anders zu sein. Jedenfalls glaube ich das, seit ich gelesen habe, dass Seiltänzer heute Slackliner genannt werden und dass das Seiltanzen Slacklining heißt und dass aus der Kunst ein Event gemacht wurde, das nicht mehr im Zirkuns zu bewundern ist, sondern in „freier Wildbahn“ stattfindet. Am 18. September 2014 berichtete das Hamburger Abendblatt: „Zurzeit treffen sich Slackliner aus aller Welt in Monte Piana in den italienischen Dolomiten beim ‚International Highline Meeting’“.

Slacklining gilt als Sport, ist aber nichts anderes als Zirkus, allerdings ohne den Zauber eines Zirkus, der Groß und Klein in seinen Bann zieht.

Dienstag, September 16, 2014

Lostreten

Lostreten ist eines der Lieblingswörter unserer Politiker. Vor allem treten sie Diskussionen los. Aber warum treten sie? Wohin treten sie? Und was passiert dann?

Bei einer Winterwanderung in den Alpen – beispielsweise – kann man ein Schnee-brett lostreten.  Dann saust eine gewaltige Schneemasse  zu Tal. Das kann furcht-bare Folgen haben.

Da haben wir es: die furchtbaren Folgen, die immer dann eintreten, wenn Politiker etwas losgetreten haben.

Na, wir wollen mal nicht übertreiben. Manchmal bleibt der Stiefel, mit dem Politiker etwas lostreten wollen, einfach im Thema stecken. Dann passiert nichts, außer dass sich der  Politik-Treter ärgert.

Ein anderes Mal fegt das „Schneebrett“ alles zur Seite, vor allem den Verstand. Das ist das Gefährliche. Guter Rat: Treten Sie vorsichtig auf, ganz besonders, wenn Sie sich auf unsicherem Gelände  bewegen.

Zurück auf den Boden der Tatsachen, zurück zur Sprache:

Warum wird etwas losgetreten, was wir auch anzetteln können? Warum treten wir etwas los, was wir auch einfach anfangen könnten? Warum spielen wir den Elefanten in Porzellanladen? Warum trampeln wir auf unserer Sprache herum? Wollen wir sie wirklich platt machen?

Wenn wir das nicht wollen – und wer will das schon?  - dann wird es höchste Zeit, unsere Sprache in Schutz zu nehmen. Sie hat das verdient, und sie braucht das auch.
10. 09. 2014

Wahlkampf? Wahlkrampf!

Die ganze Seite 3 widmet das Hamburger Abendblatt heute, am 16. September 2014, den Landtagswahlen vom vergangenen Sonntag in Brandenburg und Thüringen.  Es ist ein Vergnügen, allerdings ein zweifelhaftes, zu lesen, wie sich die Politiker – gleich welcher Einfärbung – schon wieder in ihre Welt zurückgezogen und damit die Wähler verlassen haben. Die letzte Zuwendung, die die Wähler nach der Wahl erhalten haben, war das Dankeschön für ihre Entscheidung für die und die und die Partei. Vorbei und vorbei. Jetzt wird nicht mehr Wahlkampf gemacht, auch keine Politik, sondern – Partei. Das liest sich dann so:

„Im SPD-Präsidium in Berlin herrschte am Montag Ratlosigkeit.“ Aber dann  kam man doch noch zu einer ‚klaren Erkenntnis’: „Der SPD-Wahlkampf verblasste im Duell zwischen Lieberknecht und Ramelow.’“ – Na so was! Das kommt davon, wenn man vier, fünf Jahre lang nicht wirklich Politik macht, sondern zum Schluss nur Wahlkampf.

Rührend sind die Überlegungen von Frau Fahimi (SPD-Generalsekretärin), wie sich die Wahlbeteiligung steigern ließe. Sie war mit 52,7 Prozent in Thüringen und 47,9 Prozent in Brandenburg erbärmlich. „Schweden zeigt, wie es besser geht.“ – so die Generalsekretärin. Wenn es da jemand nicht bis zum Wahllokal schafft, dann hat er 18 Tage vorher die Gelegenheit, woanders seinen Wahlschein abzugeben. Könnten wir das nicht auch hier machen? Wahlurnen auch in den Supermärkten und Postämtern?

Geht es wirklich darum? Oder ist bei uns die Entfernung zwischen Politikern und  Wählern inzwischen zu groß geworden?

Auf der Abendblattseite sind aber noch weitere Kuriositäten zu entdecken. So bietet Herr Ramelow, Spitzenkandidat der Linken, SPD und GRÜNEN eine „ganz neue Koalitionskultur auf Augenhöhe“ an. Als wenn es nicht schon von Kulturen so wimmelte!

Das Lustigste allerdings kommt von FDP-Chef Lindner. „Wir sind voll im Geschäft“, sagt er. Herr Lindner braucht sich in seinem Laden doch nur mal umzusehen. Dann sieht er doch: Die Regale sind leer. Da ist nichts, was er noch anbieten könnte außer einem merkwürdigen Restposten.

„Die FDP wolle sich mit ‚unpopulären Botschaften’ und einem lauten Ja zur Marktwirtschaft und zum Handelsabkommen TTIP mit den USA von Union, SPD, Grünen und AfD abgrenzen.“ Wer wird ihm diesen Krempel abkaufen?

Dienstag, September 09, 2014

Anders oder besser?

Die Versuchung ist groß zu sagen, dass früher (früher, wann war das?) alles besser war. Vorsicht! Nicht alles war besser, aber vieles war anders. „Früher“ haben wir länger arbeiten müssen für unseren Lebensunterhalt. Heute jammern Funktionäre, dass schon 38 Arbeitsstunden in der Woche krank machen. „Früher“ hatten wir den Kaufmann um die Ecke. Heute brauchen wir für den Einkauf im Supermarkt ein Auto. „Früher“ waren wir bescheidener, weil wir bescheidener sein mussten. Haben wir darunter gelitten? Wir wollten nur, dass es uns besser geht. Das Ergebnis: „Es geht uns anders.“ (Das ist sprachlich ziemlich schräg, trifft aber zu.)

Warum ich das schreibe? Weil ich vor ein paar Minuten in einer Zeitschrift blätterte und mich die Frage überfiel, ob Blättern noch „in“ ist oder chancenlos. Werde ich morgen noch blättern können – in Zeitungen, Zeitschriften, Büchern? Oder muss ich scrollen?

Blättern oder scrollen – das ist hier die Frage. Scrollen im E-Book ist klinisch rein. Da färbt keine Druckerschwärze ab wie bei der Zeitung. Da kleben die Seiten nicht zusammen. Und ein E-Book passt notfalls auch in die Hosentasche. Das schafft nicht mal ein Taschenbuch. Das E-Book vergilbt auch nicht. Leben im Reinraum, so wie in einem Operationssaal. Will ich das?

Ich lese meist nicht nur mit den Augen, sondern auch mit einem Bleistift. Genauer: Ich streiche mir Wichtiges an, kritzle Bemerkungen auf die Seitenränder. Ich benehme mich beim Lesen ziemlich unmöglich. Ich fürchte, das alles kann ich beim E-Book nicht machen. Und wenn, dann dürfte es nicht dasselbe sein.

Ich will mich aber nach E-Book-Maßstäben unmöglich benehmen. Ich will blättern und nicht scrollen. 09. 09. 2014

Die fleißigen Deutschen

Wie bin ich stolz auf uns! Wir sind die Fleißigsten im Euro-Raum. So jedenfalls berichtet das Hamburger Abendblatt in seiner heutigen Ausgabe (9. September 2014) auf Seite 19.

37,7 Stunden war 2012 die vereinbarte Wochenarbeitszeit. Tatsächlich wurde 40,5 Stunden gearbeitet, 2,8 Stunden mehr!

Ich habe zunächst einmal versucht, dern Korinthenkackern auf die Schliche zu kommen, die mit 0,7 und 0,5 Stunden rechnen. 0,5, eine halbe Stunde, ist verständlich. Aber 0,7 Stunden? Wie viele Minuten sind das?

Wenn ich richtig gerechnet habe, sieht das so aus: Vereinbart waren 37 Stunden und 42 Minuten, gearbeitet wurde an 40 Stunden und 30 Minuten.

Wie so oft, komme ich meinem Thema nur langsam näher, ich Umstandskrämer. Aber jetzt ist es so weit.

Mir geht es um etwas anderes. Grüne und Linke kritisieren … die Mehrarbeit. „Eine große Zahl von Überstunden führt unvermeidlich zu Stress und zur Überforderung der Beschäftigten.“ So die Grünen-Sprecherin  für Arbeitnehmerrechte, Beate Müller-Gemmeke. „Das ist nicht akzeptabel, denn es macht die Menschen krank.“

Da kann ich nur sagen: Na so was! Wer mehr als 37,7 Stunden in der Woche arbeitet ist gestresst und überfordert und wird krank?

Wenn das so wäre, dann wäre ich  schon in den 1950-er-Jahren todkrank gewesen. 48 Arbeitsstunden in der Woche waren das Übliche.

Nein, natürlich will ich nicht zurück in die Vergangenheit, obgleich ich mit „so viel“ Arbeit keine Schwierigkeiten hatte. Aber warum eine wöchentliche Arbeitszeit, die über 37,7 Stunden hinausgeht, krank machen soll, will mir nicht einleuchten. Das halte ich für Funktionärsdenke. Die billige ich jedem Funktionär zu. Aber ich bin damit nicht einverstanden; ich halte sie für falsch. 09. 09. 2014

Samstag, September 06, 2014

Humanität hat Hochkonjunktur

Mord und Totschlag überall. In Syrien, im Libanon, im Irak, in Libyen, in Israel/Gaza, in der Ukraine und ich weiß nicht, wo sonst noch. Das alles erscheint uns schrecklich. Aber es ist doch nur die eine Seite der Medaille, von der in solchen Fällen die Rede ist. Die andere Seite ist geprägt durch Humanität, durch Menschlichkeit. Das sollten wir doch, bitte schön, nicht vergessen.

Ukrainische Soldaten seien durch einen humanitären Korridor geflohen, schreibt das Hamburger Abendblatt am 3. September 2014. Kurden haben einen humanitären Korridor eingerichtet, um die vom IS-Kalifat verfolgten Jesiden zu retten, war überall in diesen Tagen zu lesen. Das sind nur zwei Beispiele von vielen.

All diese Menschlichkeit würde es doch gar nicht geben ohne die Unmenschlichkeit, die ihr vorausgegangen ist. Sie wäre nicht nötig.

Wir schlachten uns gegenseitig ab, und dann kommen ein paar Unbeteiligte und versuchen den wenigen übrig gebliebenen humanitäre Hilfe zu leisten, humanitäre Korridore zu schaffen? Ist das nicht irre?!

Unsere humanitäre Hilfe sollte dort anfangen, wo die Unmenschlichkeit beginnt, und das sofort. Fragt sich nur, wo der Anfang ist und wie wir ihn erkennen. Der Versuch, das herauszufinden, dürfte sich lohnen. Probieren wir es mal.

Fremdem und Fremden begegnen wir mit Misstrauen. Das ist verständlich. Unverständlich ist, dass wir nur selten bereit sind zu prüfen, ob unser Misstrauen gerechtfertigt ist. So entstehen Vorurteile, und  die sind hartnäckig.

Sinti, Roma, Juden, Russen, Polen – gegen alle ist etwas zu sagen. Jeder weiß doch, wie die sind. Sie sind nicht so wie wir. In vielen Dingen vielleicht nicht. Aber leben sie nicht genau so gern wie wir? Wollen sie nicht glücklich sein, genau so wie wir? Sie beten anders als wir oder vielleicht gar nicht? Sie leben anders? Und das gilt nicht nur für die „Zigeuner“, die heute Sinti und Roma genannt werden, obgleich nicht alle Sinti und Roma das gut finden. Unser Vorurteil gilt für alle, die uns fremd sind.

Einigen wir uns darauf, dass jeder nach seiner Fasson leben darf – unter einer Bedingung: Keiner darf den andere kujonieren. Niemand darf dem anderen seinen Willen aufzwingen. „Meine Freiheit hört da auf, wo deine anfängt.“ Das ist nicht immer von vornherein klar, lässt sich aber herausfinden – ohne Mord und Totschlag und ohne humanitäre Korridore und sonst welchen Unfug. 04. 09. 2014

Mittwoch, September 03, 2014

Parteien leben in einer anderen Welt

Parteien lebenn offenkundig nicht in unserer Welt, nicht in der Welt der Bürger, für die sich so sehr einsetzen. Das jüngste Beispiel gibt Frau Suding, Fraktionschefin der FDP im Hamburger Senat, zum Besten (Hamburger Abendblatt, 03. 09. 2014)

Gefragt, ob sie für den Parteivorsitz kandidieren werde, antwortete sie: „Darüber beraten wir in den nächsten Tagen. Mir geht es darum, wie wir den bestmöglichen Wahlkampf machen können.“

Aha, das Wichtige ist der Wahlkampf. Wichtiger wäre es ohne Zweifel, wenn das Wichtigste gute Politik wäre. Aber das ist ein Gedanke, der in die Parteienwelt wohl nicht hinein passt. Und dann wird gejammert, wenn – wie am letzten Wochenende in Sachsen – nicht einmal die Hälfte der Wahlberechtigten zur Wahl gehen. Die mit Abstand größte Fraktion des Sächsischen Landtags sind die Nichtwähler.
03. 09. 2014