Samstag, September 29, 2012

Sprachimport und -export

Keine Frage: Wir importieren fast hemmungslos Wörter aus dem Englischen. Oft berechtigterweise, noch öfter aus Bequemlichkeit und Gedankenlosigkeit. Das Englische ist so griffig.

Aber wir exportieren auch – nicht gerade in großem Umfang, aber immerhin. So las ich heute, am 29. September 2012, in einem Beitrag von SPIEGEL ONLINE, dass in amerikanischen high browd Blättern wie dem New Yorker gern „die deutschen Lehnwörter benutzt werden, die Gemütszustände und Kulturphänomene beschrei-ben: leitmotif, zeitgeist, schadenfreude, fräuleinwunder, angst, wunderkind, wanderlust oder weltschmerz.“

Exportweltmeister in Sachen Sprache sind wir noch lange nicht. Aber ein Anfang ist gemacht.






















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„Hallo“ ersetzt heute „Guten Morgen“, „Guten Tag“, „Guten Abend“, „Grüß Dich“.
Alles wird eingeschmolzen in ein kurzes „Hallo“ und verliert so seine Besonderheit.

Die ursprüngliche Bedeutung von „Hallo“ ist verloren gegangen. „Hallo“ rief man, wenn man jemanden, den man nicht kannte, auf sich aufmerksam machen wollte:
„Hallo, Sie da…!“

„Hallo?“ fragte man am Telefon, wenn man nicht sicher war, ob der Gesprächspartner einen noch hörte.

Alles vorbei. Wir stenographieren nur noch, sprechen in Kürzeln, was konsequenterweise zum Simsen geführt hat. Wir verstümmeln unsere Sprache. Faulheit und falsch verstandene Eigenheiten des Englischen werden die Gründe sein.

„Hallo, Herr soundso“, „hallo, Frau soundso“ fangen viele e-mails an. Wieviel schöner wäre „Guten Morgen, Herr soundso“, „Guten Tag, Herr soundso“ usw.!
Selbst die steife Anrede „Sehr geehrter Herr…“ wäre charmanter als „Hallo“.

Oberflächlichkeit, Unverbindlichkeit scheint das zu sein, was uns verbindet.

Die Wörtchen „sensibel“ und „sensibilisieren“ zeigen es womöglich noch deutlicher.

„Sensibel“ meint empfindsam, feinfühlig. So schlicht, so gut. (Zugegeben: Mein „Wahrig Deutsches Wörterbuch“ ist nicht mehr das allerneueste, aber so ganz und gar hat es sich bisher nicht geirrt, nicht daneben benommen.)

Was, bitte schön, sind nun sensible Daten? Manager und Politiker sprechen gern von sensiblen Daten, wenn sie mit der Wahrheit nicht herausrücken wollen. Das ist es also!

Sensibel heißt geheim halten, vernebeln, nur andeutungsweise zur Sprache bringen, sich nur nicht festlegen.

Was ist daraus zu lernen? Frage immer, was mit „sensibel“ gemeint sein kann! Um Empfindsamkeit, um Feinfühligkeit geht es sicherlich nicht. Also: aufgepasst!

Nun wird’s ganz schwierig: Sensibilisieren.

Da werden Menschen für den Krieg sensibilisiert. Kinder werden für Fettleibigkeit sensibilisiert, Mitarbeiter für IT-Sicherheit, für interkulturelle Andersartigkéit wird sensibilisiert. Was heißt das alles?

Da soll auf etwas aufmerksam gemacht werden. Da soll ein Gefühl, ein Verständnis für etwas geweckt werden. Da sollen die Augen geöffnet werden, um ein Problem zu erkennen.

Was sehen wir? Wenn wir genau sagen wollen, was wir meinen, brauchen wir ein paar Wörter mehr. Aber weil wir denk- und sprachfaul sind, genügt uns „sensibilisieren

Der Urknall. Im Flur, der zu meinem Büro führt, hängt an einer Tafel mit allem möglichen Seltsamkeiten auch eine Seite der BILD-Zeitung.

Datum: 13. August 1983. Die Zeile, weshalb diese Seite dort seit 25 Jahren hängt: „Paul Dahlke lernt seinem Hund schwimmen.“

Spätestens an diesem Tag fiel mir die Sprachschluderei auf, die in Zeitungen und Zeitschriften, im Fernsehen, in Politikerreden und Manageräußerungen immer neue Blüten treibt. Was den Unsinn angeht, handelt es sich um eine erfolgreiche Entwicklung.

Fritz J. Raddatz notierte in der LITERARISCHEN WELT vom 24. Mai 2003 zwei, drei Hände voll Blödbeispiele unter dem Titel „Ick jewöhne mir an allem, ooch am Dativ“. Er beklagte, wie flüchtig, wie gedankenlos, wie fahrlässig Journalisten mit unserer Sprache umgehen. Seitdem scheint mir alles noch schlimmer geworden zu sein, aber Fritz J. Raddatz findet schon 2003, dass das PISA-Desaster ein Klacks gegenüber diesem Journalismus sei.

Einen der Gründe erwähnt Raddatz. „Schlussredaktionen und –korrektoren scheinen in Zeitungen so wegrationalisiert zu werden, wie seit längerem die Lektoren der Buchverlage.“ So weit ich weiß, haben Computerprogramme die Aufgabe übernommen. Das Ergebnis ist bekannt.

Das allein aber kann es nicht sein. Wir sind Journalisten, Redakteuren und Politikern ausgeliefert, die unsere Sprache nicht beherrschen, die des richtigen Wortes nicht mehr mächtig sind, die auch keinen Wert darauf zu legen scheinen.

Wie sehr diese Oberflächlichkeit, diese Gleichgültigkeit um sich gegriffen hat, zeigt auch der Missbrauch der englischen Sprache, die in unserem Denglisch zum Ausdruck kommt.

Auch hier ein Griff in die Vergangenheit: SPIEGEL 48/2006. „Leben auf prächtig“ heißt es da auf Seite 123. „Englische Reklamesprüche werden von nicht einmal der Hälfte der deutschen Konsumenten verstanden. Manchmal ist das vielleicht besser so.“ heißt es einleitend. So wurde der Sat.1-Spruch „Powered by emotion“ von manchen Befragten als „Kraft durch Freude“ verstanden.

Das Verblüffende: Selbst Sprüche, die sie nicht verstanden, fanden einige der Befragten gut. Der Hang zum Höheren scheint in jedem Menschen zu wohnen. Wenn es um Schein oder Sein geht, wird dem Schein offenbar gern der Vorzug gegeben.

Was das Verständnis des Englischen angeht, sollte ich nicht allzu kleinmütig sein. Schon Mark Twain notierte: „…weil der ganze Rest der deutschen Nation Englisch spricht.“ Das war vor ungefähr 150 Jahren. Warum also sollten wir das Denglische nicht verstehen? Und wenn nicht das, warum sollten wir es nicht lieben? Es ist zum Liebhaben blödsinnig.

Und nun noch einmal ganz platt Deutsch: Zeitfenster. Mal ist es größer, mal kleiner; geschlossen oder geöffnet ist es aber nicht.

Da schreibt die FAZ in ihrer Ausgabe vom 14. März 2008 auf Seite 15 im Beitrag „Endgültig verspielt“: dass das Zeitfenster für die Reform der Pflegeversicherung von Jahr zu Jahr kleiner wird. Ist ein solches Fenster, das immer kleiner wird, überhaupt eine Zulassung? Darf es so etwas geben? Zum Schluss ist das Fenster vielleicht sogar ganz weg oder nur noch ein kleines Guckloch? Schrecklicher Gedanke!

Ja, so geht es, wenn man bildhaft sprechen möchte, ohne es zu können. Unter Zeitraum können wir uns noch etwas vorstellen. Das Wort Zeitspanne verstehen wir. Am schnellsten und besten verstehen wir, wenn man uns in einfachen Worten sagt, worum es geht. Wir haben nur noch wenig Zeit, um dieses Problem zu lösen, beispielsweise. Wir müssen uns beeilen. Wir sollten nicht lange fackeln. Wir sollten jetzt an das Problem herangehen.

Weil es so zieht und ich mir noch einen Sprachschnupfen holen werde, mache ich das Zeitfenster jetzt zu.

Gedruckt oder geflimmert - das ist hier die Frage.
(26. 02. 2008)
BILD, BILD am SONNTAG, WELT am SONNTAG, die Sonntagszeitung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, STERN, SPIEGEL, FOCUS usw. usw. - Millionen werden lesen, und doch gibt es den Verdacht, dass diese Millionen die Minderheit sind. Die Mehrheit - sitzt sie nicht vor dem Fernseher, gemeinhin Glotze genannt?

Ich gehe mal davon aus, dass mehr Menschen fernsehen als lesen. Und was sehen sie da fern? Einen Bruchteil dessen, was die Presse veröffentlicht.

Alles ist so flüchtig. Kaum gesehen, schon verschwunden. Nachlesen, pardon, nachsehen kann man nicht, anders als in der Zeitung. Zum Nachdenken bleibt keine Zeit. Wie will man da urteilen?

Natürlich gäbe es da eine Möglichkeit. Die beiden Öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten brauchten sich nur darum zu kümmern. Müssten nur alles Wichige zur Sprache bringen. Nicht "neutral", sondern kritisch. Auf Kritik haben wir Anspruch. Aber der wird uns verwehrt.

Die beiden Öffentlich-Rechtlichen" werden von einem Kuddelmuddel geführt, der vielleicht gut gedacht, aber inzwischen missbraucht und schlecht gemacht ist. Da treffen in den "Gremien" die unterschiedlichsten Interessen, Absichten und Meinungen aufeinander. Dann sucht man - wie sollte es anders sein? - den Kompromiss.

So sehen die ARD- und ZDF-Sendungen aus: Meinungslos, richtungslos, ohne Kritik - keine Hilfe, sich in der Politik zurecht zu finden.

Ach ja, die Quote? Die muss die "Öffentlich-Rechtlichen" doch gar nicht interessieren; ihr Geld bekommen sie durch die Gebühreneinzugszentrale doch ohnehin.

So bleibt nur eins zu wünschen. Lieber gedruckt als geflimmert. Leute, lest!

Deutsch geht im Fernsehen KO
Die beiden Öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten senden seit einiger Zeit recht häufig Übertragungen von Boxkämpfen. Eine davon schlägt die deutsche Sprache dabei regelmäßig KO.

Und das geht so:
Es wird berichtet, wie viele Kämpfe die Boxer schon bestritten haben, wie viele sie gewonnen, wie viele davon durch KO und wie viele sie verloren haben, alles das wird einem erzählt. Siege und Niederlagen werden gegenübergestellt, die unentschiedenen Kämpfe erwähnt, und so ergibt sich aus dem Gegenüber von Sieg und Niederlage eine Bilanz. Genau das sagt auch der eine Sender.

Der andere spricht von Kampfrekord. Dabei kann von Rekord nicht die Rede sein. Ist es auch nicht. Gemeint ist record. Dieses kleine englische Wörtchen wird aber korrekterweise nicht wie Rekord (Bestleistung) ausgesprochen, sondern - ja eben: wie record.

Das hat der eine Fernsehsender (ZDF) bis heute nicht begriffen und schickt unsere Sprache jedes Mal auf die Bretter.


19. 03. 2008

Mord und Totschlag, von Amerikanern empfohlen.

„Die“ Amerikaner gibt es ebenso wenig wie „die“ Engländer, „die“ Franzosen, „die“ Deutschen und so weiter. Diese Verallgemeinerungen, diese Pauschalurteile wären unredlich; sie sind allerdings im Sprachgebrauch weit verbreitet.

Es gibt aber in allen Nationen Menschen, die man beim Namen nennen kann. Dazu gehören nicht zuletzt Politiker. Je nach ihrer „Bedeutung“ sind sie oft weit über die Grenzen ihres Landes bekannt. Wer, beispielsweise, kennt nicht den derzeitigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Mr. George W. Bush?

Ihn zu kritisieren, in Frage zu stellen, ihn zu hassen möglicherweise – das alles ist erlaubt. Nur die Verallgemeinerung „die“ Bushs ist ebenso wenig in Ordnung wie „die“ Amerikaner. Ich denke, die Sache ist jetzt klar.

Was jetzt folgt, ist eine Auseinandersetzung mit den Äußerungen einiger Amerikaner, keine Auseinandersetzung mit Amerika.

Was wir gegen die Muslime haben.
Zitate US-amerikanischer Politiker und Journalisten

„Der Islam ist eine richtig bösartige und niederträchtige Religion“
(Frank Graham, geistlicher Berater von Präsident George W. Bush)

„Wir können nicht immer wieder in der muslimischen Welt intervenieren.
Was wir tun können, ist sie in Grund und Boden zu bomben.“
(Bill O’Reilly, Fernsehidol der amerikanischen Konservativen)

„Wir sollten in ihre Länder (die muslimischen) einmarschieren, ihre Führer
totschlagen und die Bevölkerung zum Christentum bekehren.“ „Wir sollten
unseren nationalen Speichelleckerwettbewerb beenden, Syrien ins Steinzeit-
alter zurückbomben und danach den Iran dauerhaft entwaffnen.“
(Ann Coulter, amerikanische Journalistin und Autorin.)

Hier setzen sich zwei Amerikaner und eine Amerikanerin für Mord und Totschlag ein. Was sie sagen, hat in Amerika sicherlich Gewicht und dürfte das Denken vieler Amerikaner vergiftet haben. Hier in Europa sind diese Äußerungen offenbar nicht zur Kenntnis genommen worden.

Jedenfalls wurde darüber nicht geschrieben und gesprochen, bis Dr. Jürgen Todenhöfer am 14. und 15. März zwei doppelseitige Anzeigen „10:1“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in der New York Times und in Al-Quds Al-Arabi veröffentlichte. Aus dem Todenhöfer-Text sind die Zitate Frank Graham, Bill 0’Reilly und Ann Coulter entnommen.

In dem Augenblick, in dem wir die in den Zitaten angesprochene muslimische Welt gegen die jüdische Welt austauschen, liest sich alles ganz anders. Die Empörung weltweit kann man sich kaum ausmalen. Mal sehen, wie sich das liest.


Was wir gegen die Juden haben.
Zitate US-amerikanischer Politiker und Journalisten

„Der jüdische Glaube ist eine richtig bösartige und niederträchtige Religion“
(Frank Graham, geistlicher Berater von Präsident George W. Bush)

„Wir können nicht immer wieder in Israel intervenieren.
Was wir tun können, ist Israel in Grund und Boden zu bomben.“
(Bill O’Reilly, Fernsehidol der amerikanischen Konservativen)

„Wir sollten in Israel einmarschieren, seine Führer totschlagen und die
Bevölkerung zum Christentum bekehren.“ „Wir sollten
unseren nationalen Speichelleckerwettbewerb beenden, Israel ins Steinzeit-
alter zurückbomben und danach den Iran dauerhaft entwaffnen.“
(Ann Coulter, amerikanische Journalistin und Autorin.)

Vielleicht ist auch die folgende Variante interessant, in der weder Muslime noch Juden eine Rolle spielen, sondern wir selbst, hier in Europa. Das liest sich dann so:


Was wir gegen alle haben, die nicht unserer Meinung sind.
Zitate US-amerikanischer Politiker und Journalisten

„Alle, die nicht unsere Auffassung teilen, sind bösartig und niederträchtig.
(Frank Graham, geistlicher Berater von Präsident George W. Bush)

„Wir können nicht immer wieder im Rest der Welt intervenieren.
Was wir tun können, ist alles in Grund und Boden zu bomben.“
(Bill O’Reilly, Fernsehidol der amerikanischen Konservativen)

„Wir sollten in den unwilligen Ländern einmarschieren, ihre Führer
totschlagen und die Bevölkerung bekehren.“ „Wir sollten
unseren nationalen Speichelleckerwettbewerb beenden, die Unwilligen
ins Steinzeitalter zurückbomben und danach alle anderen dauerhaft
entwaffnen.“ (Ann Coulter, amerikanische Journalistin und Autorin.)

Alles Unsinn? Frank Graham, Bill O’Reilly und Ann Coulter haben sich doch „nur“ gegen die muslimische Welt gewendet, nicht gegen die jüdische und nicht gegen unsere.

Ja, wirklich? Würden sie uns nicht genau so in Grund und Boden bomben wollen, wenn wir ihnen so wenig gefielen wie die Muslims?
Unter www.warum-toetest-du-zaid.de gibt es weitere Informationen.


21. 03. 2008

Kriegsverbrecher – gestern und heute.

Nürnberg 1946 – ein Urteil ohne Gültigkeit. Das Nürnberger Kriegsverbrecher-tribunal begründete seine Urteile so: „Die Entfesselung eines Angriffskrieges ist das größte internationale Verbrechen.“

Dieses Urteil wurde vor 62 Jahre gesprochen. Es ist offenbar vollkommen in Vergessenheit geraten.

Ich weiß nicht, wie viele Angriffskriege seitdem geführt worden sind. Ich weiß nur, dass die USA und das Vereinigte Königreich einen Angriffskrieg gegen den Irak geführt haben – und immer noch führen.

So kann es keinen Zweifel geben, dass George W. Bush, der Präsident der Vereinigten Staatn von Amerika, und Tony Blair, Prime Minister des Vereinigten Königsreichs, Kriegsverbrecher sind.

Sie haben diesen unseligen Krieg angezettelt. Sie haben die Welt betrogen. Sie haben den Angriff in Verteidigung umgemünzt. Sie haben hunderttausende von Toten auf dem Gewissen. Sie haben Unglück über unzählige Menschen gebracht. Sie sind Verbrecher, Kriegsverbrecher. Und niemand klagt sie an!

22. 03, 2008

Gelogen, betrogen.

„Die Renten steigen um 1,1 Prozent.“ Das hat die deutsche Presse mehrheitlich als frohe Botschaft verkündet. Eine Änderung der Rentenformel hätte es möglich gemacht; ohne sie wären nur 0,46 Prozent möglich gewesen. Hurra, hurra!

Dass auch diese scheinbare Erhöhung sogleich den Widerspruch verschiedener Politiker hervorgerufen hat, sei nur am Rande vermerkt. Die Begründung dieser Politiker, selbst diese „Erhöhung“, die in Wirklichkeit keine ist, sei nicht bezahlbar.
Auch auf den Zynismus, nun erreiche der Aufschwung auch die Rentner, will ich hier nicht eingehen. Es war schon zynisch genug zu behaupten – Frau Merkel – jetzt erreiche der Aufschwung alle Schichten. Angekommen ist er nachweislich nur in den „upper classes“. Damit zurück zum eigentlichen Thema „Rentnerbetrug“.

Im Kleingedruckten, im Fließtext der Zeitungen ist schon zu lesen, dass die angekündigte „Erhöhung“ „immer noch deutlich unter der Preissteigerungsrate liegt, die laut der offiziellen Regierungsprognose im Jahresdurchschnitt 2,3 Prozent betragen wird.“ (Hamburger Abendblatt 15./16. März 2008) Die Rentenerhöhung ist also in Wirklichkeit eine Einkommensreduzierung, und sie ist viel schlimmer, als es
die 1,1Prozent / 2,3 Prozent annehmen lassen.

Die offizielle Regierungsprognose zur Inflationsrate trifft für Renter nämlich nicht zu.
Der sogenannte Warenkorb, dem die Berechnung der Inflationsrate zugrunde liegt, enthält beispielsweise auch die Anschaffung von Möbeln, Waschmaschinen, Computern und anderen teuren Gebrauchsgegenständen, die Rentner selten bis nie kaufen. Die für sie entscheidenden Kosten sind Essen und Trinken, Strom und Heizung, also alles das, worauf sie nicht verzichten können und das immer teurer geworden ist. Von dem Preisverfall der Computer beispielsweise haben Rentner nichts. So ergibt sich für Rentner eine Inflationsrate von 8 Prozent. Dagegen steht nun eine „Rentenerhöhung“ von 1,1 Prozent.

Nach Herrn Olaf Scholz, seit kurzem Arbeitsminister, soll „Mit dem Schritt erreicht werden, dass auch die Rentner vom wirtschaftlichen Aufschwung profitieren.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung 15. März 2008.)

In der WELT hat Herr Scholz die Sache noch viel griffiger formuliert (Zitat DER SPIEGEL 22. 3. 2008, Hohlspiegel: „Das Plus von 1,1 Prozent bedeute für einen ‚Eckrentner’ einen Aufschlag von 13,05 Euro im Monat. ‚Das ist nicht viel, aber mehr, als wenn es weniger wäre’ – so Herr Scholz.

In dieser Gemeinheit ist noch eine weitere Gemeinheit versteckt: Der „Eckrentner“.
Wer ist denn das? Ach so, das ist der Rentner, der 45 Jahre lang in die Rentenversi-cherung eingezahlt hat. Das dürfte eher die Minderheit sein. Und die anderen? Die bekommen weniger als 13,05 Euro im Monat. Das sagt Herr Scholz aber lieber nicht.
So viel zum aktuellen Stand der Dinge.

Betrogen und gelogen wird aber nicht erst seit gestern, sondern seit Jahrzehnten. So wird seit jeher behauptet, der Staat zahle die Renten. Weit gefehlt. Die Rentenkasse zahlt die Renten, und sie ist ein Selbstverwaltungsorgan der Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es stimmt zwar, dass der Staat der Rentenkasse einen Zuschuss zahlt, aber er zahlt damit nur zurück, was er sich vorher geliehen, sprich, was er gestohlen hat.




Gestohlen? Ja, gestohlen, wie folgende Beispiele zeigen:

Kriegsfolgelasten für arbeitsunfähige Kriegsbeschädigte aus dem Zweiten Weltkrieg wurden von Anfang an den Rentenkassen auferlegt, nicht allen Steuerzahlern, wie es richtig gewesen wäre.

1957 Umstellung vom Kapitalansparsystem mit Kapitalbestand von ca. 40 Mrd. DM auf umlagefinanziertes System. Der größte Teil des Kapitalstocks wurde entnommen, um den Aufbau der Bundeswehr zu finanzieren.

Ab 1960 zwangsweise Übernahme insolventer Rentenkassen anderer Versicherungsträger, z.B. Knappschaften. Grundsätzlich keine Erstattung eines Verlustausgleichs durch das Bundesfinanzministerium.

Übernahme sämtlicher Versorgungsleistungen für Aussiedler, Umsiedler und Ostflüchtlinge, die nichts eingezahlt hatten, statt diese Kosten auf alle Steuerzahler zu verteilen.

Übernahme aller Versorgungsleistungen aus sogenannten „Sozialverträg-lichen Kündigungen und Aufhebungen vorn Arbeitsverhältnissen“, statt dies allen Steuerzahlenden aufzuerlegen.

Übernahme aller durch die Wiedervereinigung bedingten Versorgungs-leistungen, die auf erworbene Ansprüche aus DDR-Zeiten zurückgehen, wie. z.B. Frühverrentungen wg. des zusammengebrochenen Arbeitsmarkts, Finanzierung der Renten von DDR-Bürgern, statt hierzu alle Steuerzahler heranzuziehen.

Verkauf von BfA-Anlagevermögen in Milliardenhöhe zur Finanzierung der Errichtung von Wohnungen für zurückkehrende sowjetische Militärangehörige.

Dazu kommen schließlich die Folgekosten der Hartzgesetze, und diese Aufzäh-lung dürfte nicht einmal vollständig sein.

Es gibt bis heute keine Aufschlüsselung der Rentenausgaben zwischen versicherungsfremden und versicherungseigenen Leistungen, obgleich Helmut Pickert in der FAZ vom 21. 02. 07 schreibt, dass eine solche Aufschlüsselung leicht möglich wäre. Sie ist nicht erwünscht! (Quelle: www.altersdiskriminierung.de)

Zusammengefasst: Der Staat, die Regierung, die Parlamentarier haben die Rentkassen schamlos geplündert – über Jahrzehnte hinweg. Und sie sind bereit, das auch weiterhin zu tun. Sie betrügen alle, die aus ihrem Arbeitserlös Geld für ihr Alter zurückgelegt haben.

Es ist so, als wenn ich auf ein Auto spare, und wenn es so weit ist, bekomme ich stattdessen eine Tüte Bonbons. Mehr ist die angekündigte „Rentenerhöhung“ von 1,1% nicht wert.

23. 03. 2008

Die Bildungsoffensive

Endlich haben unsere Politiker verstanden. Nichts ist wichtiger als Bildung einschließlich Ausbildung. Die Schulen müssen besser werden, die Universitäten natürlich auch, die Lehrer, die Professoren und im Ergebnis dann die Schüler und Studenten. Sie sind unsere Zukunft. In sie müssen wir investieren.

Nein, nicht nur die Kultusminester der Länder sagen das, auch die Bundesregierung und überhaupt alle, selbst venn sie als Hinterbänkler nichts zu sagen haben. Na dann!
In die Hände gespuckt, d.h. das notwendige Geld in die Hände genommen und unserer Zukunft eine Chance geben. Das Schöne daran ist, dass unsere Zukunft die Zukunft junger Menschen ist, die ehrlich ihren Lebensunterhalt verdienen möchten uns sich dafür anstrengen wollen. Sie möchten nichts geschenkt bekommen, sie wollen es sich erarbeiten.

Wenn sich alle so einig sind, kann ja nichts schief gehen. Leider ist das, was die Politiker sagen, nichts als Geschwafel. Sie wollen uns nur ruhig stellen. Das ist keine Unterstellung, denn das Hamburger Abendblatt schreibt in seiner Ausgabe von 15./16. März 2008 „Öffentliche Hand zahlt oft nur Niedriglöhne“.

Sas liest sich dann so: „…waren im Juli 2007 129 907 Beschäftigte in Schulen sowie in den Bereichen Gesundheit, Soziales und Entsorgung auf Harzt IV angewiesen, obwohl sie eine reguläre, aozialversicherungspflichtige Arbeit hatten. Darunter waren fast 33 000 Lehrer und Erzieher.“

33 000 Lehrer und Erzieher sind darauf angewiesen, ihr Einkommen durch Hartz-IV
aufzustocken, weil sie sonst zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel haben.

Eine Woche später veröffentlicht das Hamburger Abendblatt unter dem Titel „Hartz IV für Staatsdiener“ Einzelheiten aus dem Stadtstaat Hamburg: „2596 Beschäftigte in Hamburg – darunter auch Referendare – sind auf Sozialleistungen angewiesen“.

Nicht der Aufschwung hat inzwischen alle erreicht, wie Frau Merkel behauptet, sondern der Abschwung – das Management vor allem großer Unternehmen einmal abgesehen.



23. 03. 2008

Auch mit der Wahrheit lässt sich lügen.

Die Bundesregierung behauptet, das wirtschaftliche Aufschwung sei bei allen Menschen angekommen. Sie begründet dies mit dem Zuwachs an Arbeitsplätzen, niederigeren Beitragssätzen zu Arbeitslosenversicherung sowie dem Abbau von Staatsschulden. Zudem wird darauf verwiesen, dass das Durchschnittseinkommen eines Arbeitnehmers zwischen 1990 und 2007 von 21 479 auf 27 161 Euro gestiegen sei.

Diese Zahlen sagen gar nichts. Schlimmer noch: Sie führen uns an der Nase herum.
Nach 17 Jahren 5 682 Euro mehr im Portemonnaie. Wieviel weniger ist dieses Mehr? Jedes Jahr sind rund 334 Euro hinzugekommen. Und wie viel davon hat die Inflation weggenommen? Ich kann es nicht zuverlässig ausrechnen, Aber die 27 161
Euro in 2007 dürften weniger wert sein als die 21 479 in 1990.

Was zeigt uns das? Das steht schon in der Überschrift.


23. 03. 2008

Um die Ecke gesagt

Kürzlich ist ein neues Wort aufgetaucht: Eckrentner. Arbeitsminister Olaf Scholz hat es nicht nur in den Mund genommen, er hat es auch ausgesprochen. Er sagte, dass ab Mitte des Jahres ein Eckrentner 13,05 Euro mehr erhalten wird. Nun ist das kein bedeutender Betrag, aber immerhin besser als gar nichts.

Aber was oder wer ist denn ein Eckrentner? An welcher Ecke steht er denn? An welcher der vielen Ecken der Rentenversicherung hat er sich gestoßen und heißt deshalb so? Oder wurde er in eine Ecke geschubst, aus der er nicht mehr heraus-kommt? Ist er etwas Besseres als der Rentner im Allgemeinen, vielleicht aber auch schlechter gestellt? Auf alle diese Fragen gibt das Wort Eckrentner keine Antwort.

Vielleicht kommen wir dem Geheimnis auf die Spur, wenn wir es mit anderen Wort-kombinationen versuchen. Eckmanager. Eckpolitiker, also beispielsweise Eckarbeits-minister, Eckbundeskanzlerin, Eckbundestagspräsident. Aber sind sie nicht alle viel zu glatt geschliffen, um noch irgendwo anzuecken. Ich fürchte, auch hier kommen wir nicht weiter.

Klarer Fall, das sollen wir auch gar nicht. Herr Scholz legt nicht den geringsten Wert darauf.

Was er gemeint hat, ist dies: Der Rentner, der 45 Jahre lang in die Rentenversiche-rung eingezahlt hat, erhält 13,05 Euro mehr. Alle, die nicht so lange eingezahlt haben, erhalten weniger. Aber das zu sagen, wäre ihm peinlich, weil zu ehrlich. Politisch korrekt hat sich Herr Scholz verhalten, menschlich korrekt nicht.

28. 03. 2008

Mir ist gerade aufgefallen, dass ich seit „Ewigkeiten“ nichts Persönliches notiert habe.
Im Augenblick kann ich das auch nur in Stichworten nachholen, nachzuholen versuchen.

Heute habe ich dafür gesorgt, dass der Grabstein meiner Mutter aus Ohlsdorf abgeholt wird und ich ihn dann in unserem Garten neben die Grabsäule meiner Oma Paula Tessmer legen kann. Vor 25 Jahren haben wir meine Mutter zu Grabe getragen, und nun erinnert in Ohlsdorf nichts mehr an sie. Aber sie ist nicht in Vergessenheit geraten, ebenso wenig wie mein Vater, dessen Grab wir bis heute nicht gefunden haben und wohl niemals finden werden. Der Krieg hat ihn verschlungen.

Gestern habe ich zwei alte Damen ausfindig gemacht und gesprochen (Waltraut Wiese und Renate Kanies), die eine kleine, aber doch wichtige Rolle im Thema „Quickborn zwischen Krieg und Frieden“ spielen.

Mein Gedanke, mit der Quickborner Geschichtswerkstatt Kontakt aufzunehmen, scheint gar nicht so verkehrt gewesen zu sein. Meine drei Geschichtswerkstatt-
besuche waren anstrengend, aber die Gespräche mit Irene Lühdorff, der Leiterin der GWS, scheinen verhärtete Fronten in Quickborn aufzulockern. Mal sehen.

Am 3. Mai werde ich um 15.00 Uhr im Getrudenhof „aus bisher nicht veröffentlichten Zeitzeugenberichten“ vorlesen. Inhalte und Vorgehen habe ich mit Frau Petersen (Gertrudenhof) und Gerhard Hoch abgestimmt. Meine Presseinformation ist vorbereitet, und ich darf gespannt sein, wie sich alles entwickelt und zu welchem Ergebnis die Lesung führen wird. Zur Zeit steht alles auf Schönwetter.

Morgen haben Muns und ich Lisa am Hals, hoffentlich im wahren Sinne des Wortes. Ich hoffe, dass Lisa mir um den Hals fällt, wenn ich sie nach langer Zeit endlich einmal wiedersehe.

Mums wird mit Lisa morgen Vormittag „shoppen“, um 13.00 Uhr treffen wir uns im Plât du Jour und werden anschließend dies und das unternehmen. Vielleicht den „Zug der Erinnerung“ im Altonaer Bahnhof ansehen. Vielleicht Christian und Sylvia im Büro besuchen. Vielleicht auch im Abendblatt-Foyer eine Fotoausstellung ansehen. Und wenn dann noch die Zeit reicht, kann ich Lisa unsere Familienfilme aus Berlin und Wien zeigen, oder Fotos aus dem Buch „Zwei Brüder erinnern sich“.
Dann sind da noch die ISQ-Aktivitäten. Für den 17. 04. 03 ist ein Treffen aller Projektgruppen vorgesehen; ich habe dazu eingeladen. Die Rotsteinhaus-Gruppe hat ihre Schularbeiten gemacht. Andere haben bisher wenig oder gar nichts gemacht.
Hauke Dieckmann, mit dem ich das Projekt „Der Zukunft eine Chance“ bearbeite, hat bisher noch so gut wie gar nichts gemacht. Wenn das so weitergeht, kann ich das auch allein machen. Ob das zu schaffen ist, steht auf enem anderen Blatt.

Schattenspringen

Hier haben wir es mit einer neuen Disziplin zu tun, die so bald wie möglich auch in die Olympiawettbewerbe eingeführt werden sollte.

Weitsprung, Hochsprung, Stabhochsprung (außerhalb des Sportlich-üblichen haben wir auch noch den Freudensprung, der aus Begeisterung zu einer Art Höhenflug führt – alles das haben wir ja schon. Fehlt noch der Schattensprung. (Von Seitensprüngen soll hier nicht die Rede sein. Sie berühren ein anderes Thema.)

Schattenspringen also. Hamburgs Erster Bürgermeister Ohle von Beust hat diese bisher unbekannte Disziplin ins Leben gerufen, und das gleich mit erschwerenden Bedingungen. Es geht darum „gesichtswahrend über den Schatten zu springen“ (Quelle: Quickborner Tageblatt, 27. März 2008).

Nun springen Sie mal über einen Schatten – möglicherweise über Ihren eigenen – und bewahren dabei Gesicht, wahrscheinlich Ihr eigenes. Gemeint ist wohl gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

Damit sind wir dann auf dem Punkt. Was Koalitionspoker genannt wird, ist Kungelei.
Elbvertiefung, Kohlekraftwerk Moorburg, dies vor allem, aber nicht nur das – mit uns nicht – sagten die GAL-Vorderen. Und nun? Das, was unvereinbar zu sein schien, passt nun zusammen.

Natürlich, so scheint es, hat die GAL ein überzeugendes Argument. Wenn wir es nicht machen, wird es nur noch viel schlimmer; stellt Euch mal eine Große Koalition vor! Nicht auszudenken. Also dann lieber Schwarz-Grün. Einleuchtend, nicht wahr?

Wie wäre es mit ein wenig mehr Mut, ein wenig mehr Mut zur Ehrlichkeit?

Ach, alles ist ja noch viel schlimmer. Hier ein Beispiel aus dem Hamburger Abendblatt vom 27. März. Da heißt es zum Thema „Unterbelegung der Hamburger Haftanstalten“:

„Hier wäre es allerdings denkbar, sich zunächst einmal auf einen Prüfauftrag zu einigen, um die Lage zu ermitteln, ehe man sich auf konkrete Maßnahmen einigt.“

Das ist ein Stück aus dem Tollhaus. Worüber man sprechen will, stellt man vor dem Gespräch fest. Und davor „ermittelt man die Lage“. Herr von Beust und Frau Goetsch stellen die Welt auf den Kopf, damit sie ihre Köpfe oben behalten.

Gemein wie ich bin, kann ich es mir nicht verkneifen, auf das Gebabbel des Ersten Bürgermeisters der Frohen und Hanselstadt Hamburg hinzuweisen. „Die Einigung ist machbar, möglich und gewollt“ hat er gesagt. Wenn etwas machbar ist, dann ist es auch möglich. Wenn etwas möglich ist, dann ist es auch machbar. Und dann ist das alles auch noch gewollt? Ach. lieber Herr von Beust! Wie wäre es, wenn Sie sich ins
Privatleben zurück ziehen würden? Wahrscheinlich würde das Ihnen und uns gut tun.

28. 03. 2008

Lügen, schwindeln, mogeln, schummeln – was ist daran so schlimm?

Mit „der Wahrheit, der Wahrheit und nichts als der Wahrkeit“ kämen wir nicht weit, jedenfalls nicht in dem Alltag, der unser Leben ausmacht.

Folglich greifen wir zur Lüge, die wir manchmal auch Notlüge nennen, oder – noch milder: schwindeln oder mogeln. Bestimmt gibt es noch andere Umschreibungen, die Unwahrheit zu sagen.

Mit diesem Hang, die Unwahrheit zu sagen, werden wir nicht geboren, das wird uns anerzogen. Kleine Kinder sagen, was sie sehen. Eine dicke Frau nennen sie eine dicke Frau. Wenn jemand stinkt, dann sagen sie, dass er stinkt. Wenn sie jemanden nicht mögen, dann sagen sie das auch.

Weil das zu peinlichen Situationen führt, bringen wir unseren Kindern bei: „das sagt man nicht“. Meist dauert es eine Weile, bis unsere Kinder diese Spielregel begriffen haben, aber dann funktioniert die Sache. So sichern wir uns ein einigermaßen erträgliches Zusammenleben. Ohne diesen Schwindel wäre das Leben eine enzige Katastrophe. Mord und Totschlag wären an der Tagesordnung.

Nun ist es nicht abwegig zu sagen, dass sich Staaten in dieser Beziehung sehr menschlich verhalten – nicht wie noch unerzogene kleine Kinder, sondern wie Kinder, die schon bescheid wissen, die sich „political correct“ verhalten. So wird auch das Zusammenleben selbst der Staaten erträglich, die sich gegenseitig unerträglich finden.

Aber da gibt es noch eine andere Art der Lüge: die Verleumdung. Das ist die bösartigste Form, die Unwahrheit zu sagen. Hier geht es nicht ums Auseinander-leben, nicht um Gegnerschaft, hier geht es um die Vernichtung des Gegners. Aus dem Gegner wird ein Feind gemacht.

Hillary Clinton hat da einiges zu bieten, wie das Hamburger Abendblatt unter „Die Geschichten der Hillary von Münchhausen“ berichtet (Cornel Faltin, Washington).

Die Dame hat faustdicke Lügen aufgetischt und hat ihre Lügen dann gezwungener-maßen in kleinen Häppchen zugegeben. „Auf einem Roten Teppich flaniert mitsamt Tochter“ – das wurde zu einer Flucht vor dem Tod durch schießwütige Hecken-schützen in der bosnischen Stadt Tusla.

Ich gebe zu, dass unser Gedächtnis nicht das wiedergibt, was geschehen ist, sondern nur das, was wir glauben, es sei geschehen. Nein, mit Schönfärberei lässt sich das nicht abtun. Unser Gedächtnis ist wählerisch. Es merkt sich nicht alles. Für das, was uns in vorteilhaftem Licht erscheinen lässt, hat es ein besonders feines Gespür. Aber so plump wie Hillary glaubt, ist unser Gedächtnis auch nicht und das Gedächtnis der anderen schon gar nicht. Lügen haben eben doch kurze Beine, auch wenn es manchmal etwas länger dauert, bis wir ihnen auf die Schliche kommen.


Schattenspringen

Hier haben wir es mit einer neuen Disziplin zu tun, die so bald wie möglich auch in die Olympiawettbewerbe eingeführt werden sollte.

Weitsprung, Hochsprung, Stabhochsprung (außerhalb des Sportlich-üblichen haben wir auch noch den Freudensprung, der aus Begeisterung zu einer Art Höhenflug führt – alles das haben wir ja schon. Fehlt noch der Schattensprung. (Von Seitensprüngen soll hier nicht die Rede sein. Sie berühren ein anderes Thema.)

Schattenspringen also. Hamburgs Erster Bürgermeister Ohle von Beust hat diese bisher unbekannte Disziplin ins Leben gerufen, und das gleich mit erschwerenden Bedingungen. Es geht darum „gesichtswahrend über den Schatten zu springen“ (Quelle: Quickborner Tageblatt, 27. März 2008).

Nun springen Sie mal über einen Schatten – möglicherweise über Ihren eigenen – und bewahren dabei Gesicht, wahrscheinlich Ihr eigenes. Gemeint ist wohl gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

Damit sind wir dann auf dem Punkt. Was Koalitionspoker genannt wird, ist Kungelei.
Elbvertiefung, Kohlekraftwerk Moorburg, dies vor allem, aber nicht nur das – mit uns nicht – sagten die GAL-Vorderen. Und nun? Das, was unvereinbar zu sein schien, passt nun zusammen.

Natürlich, so scheint es, hat die GAL ein überzeugendes Argument. Wenn wir es nicht machen, wird es nur noch viel schlimmer; stellt Euch mal eine Große Koalition vor! Nicht auszudenken. Also dann lieber Schwarz-Grün. Einleuchtend, nicht wahr?

Wie wäre es mit ein wenig mehr Mut, ein wenig mehr Mut zur Ehrlichkeit?

Ach, alles ist ja noch viel schlimmer. Hier ein Beispiel aus dem Hamburger Abendblatt vom 27. März. Da heißt es zum Thema „Unterbelegung der Hamburger Haftanstalten“:

„Hier wäre es allerdings denkbar, sich zunächst einmal auf einen Prüfauftrag zu einigen, um die Lage zu ermitteln, ehe man sich auf konkrete Maßnahmen einigt.“

Das ist ein Stück aus dem Tollhaus. Worüber man sprechen will, stellt man vor dem Gespräch fest. Und davor „ermittelt man die Lage“. Herr von Beust und Frau Goetsch stellen die Welt auf den Kopf, damit sie ihre Köpfe oben behalten.

Gemein wie ich bin, kann ich es mir nicht verkneifen, auf das Gebabbel des Ersten Bürgermeisters der Frohen und Hanselstadt Hamburg hinzuweisen. „Die Einigung ist machbar, möglich und gewollt“ hat er gesagt. Wenn etwas machbar ist, dann ist es auch möglich. Wenn etwas möglich ist, dann ist es auch machbar. Und dann ist das alles auch noch gewollt? Ach. lieber Herr von Beust! Wie wäre es, wenn Sie sich ins
Privatleben zurück ziehen würden? Wahrscheinlich würde das Ihnen und uns gut tun.


31. 03. 2008

Schuldig, verantwortlich, oder was?

Nein, mit dem Unglaublichen, dem Ungeheuerlichen, das seit Anfang 1933 in Deutschland geschehen ist, haben wir nichts zu tun. Wir, das sind die, die damals noch Kinder waren.

Übrigens: So einfach geschehen war das nicht; es wurde getan. Es gab Täter. Und Zuschauer.

Kann man uns, die damals Kleinen und Unschuldigen, verantwortlich machen für die Taten und Untaten unserer Eltern und Großeltern, für ihr Wegsehen, wo sie hätten hinsehen müssen?

So lange, wie wir sagen „die“ Franzosen, „die“ Engländer, „die“ Russen – so lange, wie wir „die“ in Sippenhaft nehmen, so lange sind wir „die“ Deutschen und sind für das Geschehene, das Getane, verantwortlich.

Aber damit ist das Problem „deine Schuld, meine Schuld“ nicht gelöst. Ob es hilft, Fremde eher als Freunde zu sehen und nicht als Feinde – ab das hilft? Ich weiß es nicht.


06. 04. 2008

Von Dummheiten, Mogeleien und anderem Unsinn
















08. 04. 2008

Für eine Macht voller Seligkeit gebe ich alles hin.

„A street car named desire / Endstation Sehnsucht“ Ein bemerkenswertes Remake. Hamburg, im Frühjahr 2008.

Verzeihung, lieber Tennessee Williams, dass ich Dein geniales Stück für ein aktuelles Thema der “frohen und Hanselstadt Hamburg” heranziehe. Aber es geht nicht anders.

Schwarz und Grün, CDU und GAL, versuchen nach einer unentschiedenen Wahl sich so nahe zu kommen, dass sie die Regierung, sprich den Senat, bilden können. Für die CDU hatte der Erste Bürgermeister, Ole von Beust, diese Möglichkeit schon angedeutet. Die Grünen, (in Hamburg firmieren sie unter GAL) stellten Forderungen, die für die CDU unannehmbar sind. Und dann haben sie sich doch auf Koalitionsverhandlungen mit der CDU eingelassen. Endstation Sehnsucht eben, unstillbare Sehnsucht nach Regierungsbeteiligung.

Und so kommt es, wozu es kommen muss: „GAL stimmt gegen die Abschaffung der Studiengebühren“ (Hamburger Abendblatt, 3. April 2008). Erst war man gegen jeden Cent der 500,00 € Studiengebühr je Semester, jetzt ist man mit 375,00 € einverstanden. Kompromiss? Kuhhandel und mehr noch, Verrat an sich selbst.

Dies ist die eigentliche Geschichte. Die Gemeinheit steckt allerdings ganz woanders: in der Sprache.

Da sagt die GAL-Dame Eva Gümbel, dass ihre Fraktion „inhaltlich voll überein- stimme“ mit der Forderung, dass …nicht der Geldbeutel der Eltern darüber entscheiden dürfe, ob junge Menschen ein Hochschulstudium aufnehmen.

Dann aber wird Frau Gümbel „staatstragend“ und sagt, das Projekt müsse erst in einen Priorisierungsprozess einbezogen werden. Was sie meint, versteht natürlich jeder – vom früheren Volks- und Mittelschul-Schüler, über den Grundschul-, Hauptschul- und sonst-noch-was Schüler von heute. Alle wissen, dass sie das nicht verstehen und fragen sich, warum Frau Gümbel sie für dumm verkauft.

Frau Gümbel, übersetzt, liest sich etwa so: Wir müssen prüfen, ob dieses Projekt wichtiger ist als andere, ob es wirklich wichtig ist. Das, allerdings, hätte vorher geprüft werden müssen.

Weiter Frau Gümbel: „Die Abschaffung der Campus-Maut sei schließlich ein Desiderat von vielen mit haushaltsrelevanten Auswirkungen.“ (Zitat Hamburger Abendblatt, 03. 04. 08).

Frau Gümbel, wieder übersetzt: Die Abschaffung der Studiengebühren ist ein Wunsch, der sich nicht selbst erfüllt, sondern bezahlt werden muss.

Das allerdings wussten auch die Grünen (GAL) schon vorher. Haben sie es gesagt? Frau Gümbel hat es jetzt in wolkigen und unverständlichen Worten zum besten gegeben.

Natürlich unterhalten sich Professoren untereinander anders als Hafenarbeiter. Aber wenn sie sich mit Hafenarbeitern verständigen wollen, dann müssen sie für alle und jeden verständlich sprechen.

Früher gab es das noch, gab es die noch: Kurt Schumacher, Thomas Dehler, Carlo Schmidt, Willi Brandt, Franz-Josef Strauß, Rainer Barzel, Helmut Schmidt und vielleicht noch der eine oder andere, der mir im Augenblick nicht einfällt – auch Frauen darunter, wenige, aber verehrenswerte, wie Annemarie Renger.

Am aktuellen Hamburger Beispiel zeigen sich die Gier zur Macht und die Unverfrorenheit, das Stimmvieh namens Souverän an der Nase herumzuführen.
Im Zweifelsfall führt das zu einem Verführer, wie wir ihn in Adolf Hitler schon einmal hatten. Noch ist er nicht in Sicht. Aber so sicher sollten wir nicht sein. Er könnte noch kommen.



09. 04. 08

Im System angekommen – endlich! Alles, was über die Hamburger Koalitions-verhandlungen zwischen CDU und GAL, zwischen Schwarz und Grün, in der Presse berichtet wird, lässt darauf schließen, dass man sich auf ein Zusammengehen, auf’s zusammen regieren verständigen wird.

Die Not des Herrn von Beust ist groß genug, und der Machthunger der tonangeben-den GAL-Damen ist offenbar noch größer. So ist man anscheinend bereit zusam-menzufügen, was nicht zusammenpasst.

Elbvertiefung, Kohlekraftwerk Moorburg, dies vor allem, aber auch noch ein bisschen mehr – das hat man sich um die Ohren geschlagen. Es war fast schon eine Schulhofrüpelei. Keiner wollte klein beigeben. Das sieht jetzt ganz anders aus.

Die CDU wird sich die Hände reiben. Der Katzenjammer der GRÜNEN wird unüberhörbar sein. Sie werden sich im finsteren Keller der Bedeutungslosigkeit wiederfinden. Wer sich aus Machthunger auf alles stürzt, was ihm vor die Schnauze kommt, sollte sich nicht wundern, wenn er für seine Gier Prügel bezieht.

Schade eigentlich, das Ganze. GRÜN ist eine so schöne Farbe. Und war eine so vernünftige Denke.



12. 04. 2008

„Sie machen ja doch, was sie wollen.“ So gut wie jeden Tag ist von Politikver-drossenheit die Rede. Die Politiker beklagen sich darüber.

Was haben die Leute gegen uns? fragen die Politiker. Warum lieben sie uns nicht? Wir tun für sie doch alles, was wir können. Das ist offenbar zu wenig.

Wenn wir, die wir alle vier, fünf Jahre als Souverän angesprochen werden, auf unsere Untergebenen, die Politiker, hinabschauen – ohne hochmütig zu sein –, dann stellt sich Vertrauen nur selten ein, wenn überhaupt.

Die Gründe für unsere Verdrossenheit, für unser Misstrauen, für unsere Ablehnung sind ganz einfach, wie die aktuellen Beispiele aus Hessen und Hamburg zeigen.

In Hessen wird die SPD sich niemals mit den Stimmen der LINKEN… na, was denn?!

16. 04. 2008

Du laxt dich kaputt. Im Quickborner Tageblatt von heute ist vom „lachsen Umgang“ mit irgendetwas die Rede. Statt lachs war lax gemeint, aber das hat der Schreiber nicht gewusst.

Wahrscheinlich kann er gar nichts dafür, weil ihm in der Schule gesagt wurde, dass nicht die Form, nicht die Rechtschreibung, nicht die Grammatik, entscheidend sei, sondern der Inhalt. Man konnte also schreiben wie Sau, wenn nur der Inhalt gefiel. Aber wem sollte der Inhalt gefallen? Natürlich denen, die auf die Form keinen Wert legten.

So kam es zum lachsen Umgang mit was auch immer.

Sollten wir uns da nicht alle für eine wirklich gründliche Rechtschreib- und Rechtdenk-Reform stark machen? Wenn schon Lachs oder Lax, dann doch bitte ganz treudeutsch: LAKS! Das aber ist sicherlich zu viel verlangt.

Werden oder bleiben wir bescheiden: Lernen wir wieder Deutsch!

16.04. 2008

Hans guck in die Luft. Den Blick oben nach gerichteit, ist Hans guck in die Luft ins Wasser gefallen. Was damals, als Herr Hoffmann diese Geschichte schrieb, eine Ausnahme war, scheint heute die Regel zu sein. Oder war es damals schon wie heute?

Auf jeden Fall hilft der Blick in den Himmel nicht, die Probleme auf der Erde zu lösen. Das wollen uns die Politiker und alle anderen, die sich über uns glauben, weiß machen, aber es gelingt ihnen nicht immer, leider aber viel zu oft….

18. 04. 2008

Schön verkohlt

„Kohle von Beust“ – so plakatierte die GAL im Wahlkampf. Kein Kohlekraftwerk Moorburg und keine Elbvertiefung! Beides auf keinen Fall.

Na ja. Nun wird einen Meter tiefer gebaggert und Moorburg dürfte in einer Form kommen, gegen die die GAL war: mit uns nicht! Nun doch alles mit der GAL. Gelogen also und die grünäugigen Wähler betrogen, mit einem Wort: verkohlt.

Man hätte ja so viel Neues erreicht, hätte Schlimmeres verhindert und, und, und. Da wird viel schön geredet werden. Aber „gelogen und betrogen“ lässt sich nicht wegwischen wie die Kreide auf der Schultafel.

Erst denken, dann reden! Das haben auch die GRÜNEN nicht gelernt. Sie sind eben wie so viele Politiker: Erst mal die Wahl gewinnen, und dann werden wir weiter sehen. Die Menschen sind ja so vergesslich. Und sie sind ja als Souverän (Bezeichnung des wahlberechtigten Bürgers vor der Wahl) genau so machtlos wie die englische Königin.

So geht der Krug zu Wasser bis er bricht.


20. 04. 2008

Kuddelmudel. Das ist das große Durcheinander, das Tohuwabohu, das Chaos. Alles klar? Nein, natürlich nicht.

So ein Durcheinander entsteht nicht von allein. Ob wir etwas so schreiben oder anders, war einmal in Regeln festgelegt. Diese Regeln mögen nicht immer richtig gewesen sein, aber sie gaben die notwendige Hilfe, sich in unserer Sprache zurecht zu finden.

Irgendwann kamen dann einige Leute auf den Gedanken, dass nur der Inhalt wichtig und die Form keine Rolle spielt. Fater statt Vater? Wiktori anstelle von Victory? Egal, egal, egal!

Heute haben wir den Salat. Hornveilchen, so kleine fröhlich blühende Blumen, werden Hornfeilchen genannt. Klar, auch Hornfeilchen gibt es. Aber die sind dazu da, Fingernägel in Form zu bringen oder woanders Hornhaut abzuraspeln. (QT, 19. 04. 08).

Im Hamburger Abendblatt vom 19./20. April 2008 geht es anders zu. Da schreibt Günter Stiller in „Das Geheimnis der ‚Sidney’ ist gelüftet“ - „sie hätten den den weit überlegenen australischen Kreuzer mittels einer weißen Flagge „ in Sicherheit gewogen.“

Gewogen haben die deutschen Matrosen den australischen Kreuer sicherlich nicht.
Sie haben den Feind in Sicherheit gewiegt.

Sprachkritiker, Leute wie ich, die sich über Alles und Jedes aufregen, sollten vorsichtig sein und sich zurück halten. Das ist mir beim Lesen der heutigen Abendblatt-Ausgabe klar geworden.

„Kuttel Daddeldu lässt schön grüßen“ stand da als Überschrift auf der Reise & Touristik-Seite.

Kuttel? Da dachte ich an Herrn Siebeck der gerade ein Reptbuch zu den „unmöglichlichen“ Innereien heraus gebracht hat und darin liebevoll und ausführlich über „verpönte“ Köstlichkeiten geschrieben hat.

Es waren aber keine Kutteln gemeint (siehe Siebeck), gemeint war der olle Ringelnatz. Und tatsächlich: In einer Ausgabe von 1920 steht auf dem Titel
„Kuttel Daddeldu“. Ich hätte geschworen: „Kuttel“ ist falsch. Wäre wohl an die Grenze des Meineids gegangen. Da habe ich jan noch mal Glück gehabt.

13. 05. 2008

„Die Kultur des politischen Mordes hat in der Region (Balkan) eine gewisse Tradition“, hat der slowenische Außenminister und derzeitige EU-Ratspräsident Dimitrij Rupel gesagt. (Hamburger Abendblatt 10. – 12. Mai 2008). Er hätte es einfacher sagen können und damit deutlicher:

„Der politische Mord hat in der Region eine gewisse Tradition.“

Aber neuerdings wird das Wörtchen Kultur alle naselang dazu benutzt, etwas zu umschreiben, zu beschönigen, erträglicher zu machen. Als wenn wir die Wahrheit nicht mehr ertragen könnten. So war neulich von einer Kultur des Wegschauens die Rede. Das Wegschauen allein war dem Schreiber offenbar zu brutal.

Haben wir es hier mit einer weiteren Form der sogenannten political correctness zu tun? Wahrscheinlich.


14. 05. 2008

Für dumm verkauft. Seit dem 1. Mai dieses Jahres ist ein neues Verbraucherin-formationsgesetz in Kraft. Richtig wäre die Bezeichnung „Verbraucherdesinforma-tionsgesetz. Dafür verantwortlich: Minister Genhofer – pardon, Minister Seehofer.

Das Gesetzt sieht vor, dass Behörden den Bürgern auf Verlangen Auskunft geben müssen. Dafür haben sie vier Wochen Zeit. Da ist das, was bemängelt wird oft gar nicht mehr feststellbar.

Außerdem sind die Behörden berechtigt, besser gesagt, dazu angehalten, für die Auskunft Gebühren zu erheben, und zwar nicht zu knapp. Deshalb dürfte manche berechtigte Frage gar nicht erst gestellt werden.

Drittens können sich Unternehmen auf das Betriebsgeheimnis berufen und müssen dann keine Auskunft geben.

Der Bürger fragt, der Bürger zahlt, der Bürger bekommt keine Antwort. Bravo, Herr Minister!

Muskelprotze. Da hat man früher an Arnold Schwarzenegger gedacht. Jetzt ist er ja Gouverneur in den USA. Gemeint sind heute andere – keine Kerle, sondern Autos.

Da ist irgend ein Motorjournalist auf die Idee gekommen, das Aussehen eines Autos als muskulös zu bezeichnen. Oder hat ihn der Hersteller auf diese Idee gebracht?
Wie auch immer: Seit einigen Monaten haben Autos Muskeln. Wer es nicht glaubt, kann es im Hamburger Abendblatt vom 14. Mai 2008 nachlesen (Seite 27): „Die Außenhaut beeindruckt durch ein gekonntes Wechselspiel von Kanten, Sicken und Muskelsträngen.“ Die Kanten und Sicken sind auf dem Foto des neuen Seat Ibiza zu sehen, nicht jedoch die Muskelstränge.

Na ja, wir Deutsche sind wohl wirklich Autonarren, und die Autojournalisten sind es sowieso. Da schlägt man dann schnell schon mal über die Stränge, pardon: gibt zu viel Gas. Anders ist das folgende Wortgetöse nicht zu verstehen. „Seat beweist Mut zu einer aussagekräftigen Formensprache. Designchef Luc Donckewolke hat den neuen Ibiza zu einem Bonsai-Macho gestaltet.“

Ruhig Blut! Wir sollten da nicht erschrecken. Ein Bonsai-Macho ist ja nur ein ganz kleiner Macho. Mit dem werden wir ja wohl noch fertig werden.

16. 05. 2008

Demokratie. Demos und kratos, Volk und Herrschaft, zusammengefasst nach heutigem Verständnis: Volksherrschaft, die Herrschaft des Volkes über das Volk.

Das ist, so betrachtet, eine schöne Bescherung, und so trauen wohlmeinende Pessimisten der Demokratie auch nicht viel zu.

Optimisten sehen die Sache anders. Schon Winston Churchill meinte, dass die Demokratie von allen denkbaren Regierungsformen immer noch die Beste sei.

Es sieht so aus, als könne sich das Volk nicht so richtig selbst regieren. Das ist auch schwierig. Aber es geht, wenn auch umständlich und nervend. Alles dauert viel zu lange, und nichts wird genau so wie man es eigentlich wollte. Aber es ist immer noch besser, als wenn einer sagt, was richtig und wichtig ist. Die Menschheitsbeglücker
Lenin, Stalin, Hitler, Mao Tse Tung, Pol Pot und andere haben es bewiesen. Sie haben Millionen Menschen auf dem Gewissen. (Irrtum, euer Ehren: die hatten ja gar kein Gewissen.)

Der größte Feind, den die Demokratie hat, ist der der Egoismus, die Rücksichtslosig-keit. Das Gefühl für die Gemeinschaft ist uns abhanden gekommen. Den Herden-trieb kennen wir noch und folgen ihm. Aber das, was uns alle stark macht, das Miteinander, nachdem wir das Gegeneinander ausgefochten haben, da fehlt uns.

Trotz allem sollten wir von der Herrschaft des Volkes über das Volk nicht ablassen. Warum sollten wir etwas Unvollkommenes gegen Katastrophen tauschen?

16. 05. 2008

Wegen mir. „Der Dativ ist dem Genitiv sein… „ Na, das kennen wir ja schon. Wie schrecklich das ist, sehen wir Tag für Tag. Eine Generation von Analphabeten scheint die Redaktionen der Zeitungen, der Zeitschriften und der Fernsehsender besetzt zu haben.

Da fragt beispielsweise das Quickborner Tageblatt am 16. Mai auf Seite 12, ob ihm, dem Minister Austermann, eine Politposse den Kopf kosten könne. Ihm, ihm, ihm!

Es könnte, aber es könnte ihn den Kopf kosten, nicht ihm!

Wenn ich mir etwas leiste, dann kostet mich das etwas, aber nicht mir! Kann ich natürlich umdrehen und schreiben: Wenn ich mich etwas leiste, dann kostet das mir etwas. Ziemlich egal, oder?

Na, dann schreibt mal schön weiter so.




25. 05. 2008

Wahlkrampf. Heute war Kommunalwahl in Schleswig-Holstein. CDU und SPD haben ordentlich etwas auf die Mütze bekommen. Das war bei dem Dilettantismus, den eine Große Koalition auszeichnet, zu erwarten. Die Dummheit der Landes-politik ist also auch in Thema in den Städten und Dörfern. Die größte Wählergruppe waren wohl die Nichtwähler. Politik – nein, danke! Welches Wunder bei der Abgehobenheit, der Weltfremdheit der Politiker. Sagt doch Herr Stegner, Landesvorsitzender der SPD: „Wir haben einen tollen Wahlkampf gemacht.“ (Allerdings ohne tolle Ergebnisse.) Herr Stegner hat nicht begriffen, dass es nicht um einen tollen Wahlkampf geht, sondern um tolle Politik. Vielleicht lernt Herr Stegner aus dem Wahlergebnis in Flensburg. Dort ist die Wählergemeinschaft „Wir in Flensburg“ die stärkste Fraktion geworden, eine Gemeinschaft, die es vor Kurzem noch gar nicht gab.

Grenzenloses Wachstum. Es heißt, dass Bäume nicht in den Himmel wachsen. Der Augenschein bestätigt diese Erkenntnis. Es gibt aber Menschen, die sich damit nicht abfinden wollen. Weil sie sich mit dem normalen Wachstum nicht abfinden wollten haben sie ein zweites Wachstum erfunden, das negative Wachstum. Jedenfalls spricht Spiegel online am 25. 05. 08 von einem negativen Wachstum. Da ist zwar nicht von Bäumen die Rede, sondern von der Wirtschaft. Aber das macht keinen Unterschied. Oder doch? Bäume entwickeln ihre Wurzeln auch in die Tiefe, als nicht nur nach oben. Aber ist das negativ?

Eine unglaubliche Steigerung. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass heute selbst die einfachste Technik mit Technologie bezeichnet wird. Eine Steigerung dieses Unsinns, dieser Art von Größenwahn, von Großmannssucht, habe ich nicht für möglich gehalten.

Die Reportage im ZDF-Sportstudio gestern hat mich eines besseren belehrt. Die spannenden Szenen eines Fußballspiels – es ging um die Teilnahme an der bevorstehenden Europa-Fußball-Meisterschaft – führten zu einem unerwarteten sprachlichen Höhenflug der Reporterin: „ Welch eine Dramaturgie!“ stieß sie hervor, „Welch eine Dramaturgie!“ Gemeint war Dramatik. Aber das genügte der Dame offenbar nicht. Und so geriet die Dramatik zur Dramaturgie.

17. 06. 2008

Redensunarten

Frau Angela Merkel spricht davon, dass sie mit Monsieur Szarkosy „einen sehr gemeinsamen Weg“ gehen wird. Wie sollen wir uns das vorstellen? Einen gemeinsameren Weg als einen gemeinsamen gibt es nicht. Die Dame hat wohl gemeint, dass sich die beiden über den einzuschlagenden Weg so gut wie einig sind. Aber so einfach zu sprechen, scheint schwierig zu sein.
„Der hat Sichtkontakt gehabt“, mault ein Fernsehreporter, als ein Fußballspieler nicht so spielt, wie der Reporter es sich vorgestellt hat. „Der hat ihn doch gesehen.“ Das wäre einfacher gewesen. Kleinkrämerei? Ich glaube nicht.

Ich sehe eine Fliege an der Wand. Das könnte ich auch so sagen. Aber ich sage:
Ich habe Blickkontakt mit einer Fliege an der Wand. Alles klar? Unsere Sprache ist doch kein Luftballon, den wir aufblasen müssen.

Ob mir da jemand vehement widersprechen wird? Vielleicht gibt es auch nur einen heftigen Widerspruch. Was ist hier das Geheimnis? Fremdwörter schmücken offenbar ungemein; sie zeigen, was man kann, was man weiß, dass man mehr kann und weiß. „Die Causa“ ist so ein Beispiel, das zur Zeit in Mode kommt. „Der Fall“
täte es auch.

So wird unsere Sprache missbraucht. Manchmal allerdings lädt sie auch dazu ein. Wir sind Weltmeister in der Erfindung von Wortungetümen (Wortmonstern). Eines davon heißt „Missbrauchbarkeit“(DIE ZEIT ,15. Mai 2008, Feuilleton 51). Der Satz, in dem dieses Wortmonster vorkommt, heißt: „Sind Sie sich der Missbrauchbarkeit Ihrer Kritik bewusst?“ „Wissen Sie, dass Ihre Kritik missbraucht werden kann?“ wäre doch einfacher und besser.

Wie hieß es gerade in den ZDF Nachrichten? Bundespräsident Horst Köhler wolle sich nicht verorten lassen. Verorten? Er will sich nicht festlegen lassen. Wer kommt nur auf so unsinnige Wörter wie verorten?

Von einem schwankenden Zeitkorridor war vor einiger Zeit schon die Rede. Aber es gibt noch mehr merkwürdige Korridore. Volker Stern, Finanzwissenschaftler beim Karl-Bräuer-Institut,spricht von einem „Belastungskorridor“. Er meint damit die Spannweite der finanziellen Belastungen, unter denen einige Bevölkerungsschichten leiden. (SPIEGEL Nr. 25 / 16. 6. 08, Seite 70)

Die Fantasie kennt offensichtlich keine Grenzen. Genau das zeichnet sie aus. Die Politiker beweisen es täglich mit den „unmöglichsten“ Formulierungen. Da sagt zum Beispiel Elma Brok, CDU-Europaabgeordneter: „Die Inhalte des Reform-Vertrags von Lissabon dürfen nicht neu aufgeschnürt werden.“ Ob neu aufgeschnürt oder nicht: Wie will Herr Brok Inhalte aufschnüren? (Hamburger Abendblatt 14./15. 06. 08, Seite 2)

Das Kleine einmaleins – vom großen sei gar nicht erst die Rede – beherrschen heute nur noch wenige: Kopfrechnen schwach! Und mit dem ABC steht es auch nicht besser. Können die Schreiber nicht mehr richtig lesen? Bringen sie alles durchein-ander? Keine Ahnung!

Jedenfalls ist im Hamburger Abendblatt vom 14./15. Juni 2008 auf Seire 4 die Rede von einem fahlen Beigeschmack (im Zusammenhang mit dem aktuellen Datenmissbrauch führender deutscher Unternehmen). Einen fahlen Beigeschmack gibt es ebenso wenig wie einen fahlen Geschmack. Einen faden Geschmack gibt es allerdings. Da schmeckt etwas so gut wie nach nichts, ist also fade, aber nicht fahl.
Fahl ist nicht fade, sondern bleich, blass, vielleicht sogar leichenblass.

Erledigt. Hamburger Abendblatt-Redakteure erledigen ihre Aufgaben immer öfter ungenügend. Manchmal ist das ganz grausig. Da wird in einer Reportage zum Thema „Kleine Fluchten“ geschrieben, dass in einem Staatsforst in der Göhrde „das Wild für die kaiserlicher Hofjagd in eingezäunen Gebieten zu Massen zusammengetrieben und zum Ruhme des Kaisers in wenigen Stunden erledigt wurde.“ Statt erledigt
war erlegt gemeint, oder sollte der Schreiber tief nachgedacht haben? Hat er vielleicht gemeint, dass „erledigen“ die Tatsache genauer bezeichnet hätte als „erlegen“?

Kostenlos. Noch einmal das Hamburger Abendblatt vom 14./15. Juni 2008, Reise und Touristik: „Der ‚Pass Nantes’ gewährt für 14 Euro 24 Stunden kostenlosen Eintritt in Museen, Benutzung von Bus und Bahn ilm Großraum Nantes sowie Rabatte in Geschäften.“ Also was bitte: 14 Euro sind nicht kostenlos.

Punktuell. Da wollen irgendwelche Politiker punktuell entscheiden. Das heißt: Sie wollen von Fall zu Fall entscheiden. Das ist verständlich und in Ordnung, sie wollen nicht alles über einen Kamm scheren. Aber warum sagen sie „punktuell“? So sprechen wir doch nicht.

Kommt gut. „Dass hier auch ein Familienurlaub gut kommt, wissen aber nur die wenigsten.“ schreibt das Hamburger Abendblatt in seiner Ausgabe vom 14. /15. Juni 2008. Was ist das für ein Stammel-/Stummeldeutsch?

Mit „kommt gut“ dürfte hier gemeint sein: „schön, großartig, wunderbar.“ Das ist ja noch schlimmer als das schrecklich „Hallo“ statt Guten Morgen, Guten Tag, Guten Abend“. Wir verlottern unsere Sprache.

Transparenz. Immer wieder fordern Politiker Transparenz, meist mehr Transparenz. Was wir wollen, ist Klarheit und nicht Transparenz, die gar nicht so
transparent, so durchsichtig und einleuchtende ist, wie es notwendig wäre.

Sensibel. Der Allerweltsbegriff für alles Mögliche: kritisch, problematisch, schwierig, heikel. Alle diese Wörter sagen genauer, was gemeint ist. Aber sensibel lässt das im Ungewissen, was man lieber nicht sagen möchte.

Kultur. Ja, auch das muss noch sein, wenn auch schon oft zur Sprache gebracht.
„Es fehlt in Deutschland an einer Kultur des Unternehmertums, die auch eine Kultur des möglichen Scheiterns einschließt“, sagt Peter Englisch, Partner bei Ernst & Young. Was meint Herr Englisch? Vielleicht dies:

In Deutschland fehlt der Mut, etwas zu unternehmen. Es fehlt der Mut, etwas zu riskieren.

Ja, so einfach lässt sich das sagen – ganz ohne Kultur.

21. 06. / 27. 06. 08: Erinnerungen

Am Sonnabend vor einer Woche, also am 21. 06. 08, nahm ich wie schon unzählige Male zuvor, meine alte Nagelfeile zur Hand, um meine Fingernägel in Form zu bringen. Seit mehr als 40 Jahren schärft sie meine Krallen, heute noch so gut wie beim ersten Mal.

Diese Nagelfeile gehört zu einem Reisenecessaire, das mir der Vertreter einer Hamburger Klischeeanstalt schenkte. Nur noch die Nagelfeile gibt es, das Necessaire nicht mehr. Mehr ist also nicht übrig geblieben? Doch, sehr viel mehr und etwas, das viel wichtiger ist: Die Erinnerung an einen liebenswerten, tüchtigen Menschen, Herrn Reissner.

Und wie so oft im Leben eins zum anderen kommt, war es auch hier. Der Weg der Erinnerung von Herrn Reissner zu Haaans Schmidt und zu Wolfgang Röttger war kurz. Wie kurz, lässt sich hier lesen.

Was übrig bleibt

Manchmal ist es nur eine Nagelfeile. Nichts Besonderes also.
Teil eines Reisenecessaires, das sich längst von dieser Welt
verabschiedet hat. Nur die Nagelfeile, die hat überlebt und
leistet heute noch gute Dienste.

Das Gedächtnis wecken, Erinnerungen wachrufen, das ist
das, was die Nagelfeile wenigstens genau so gut kann, wie
die Fingernägel in Form zu bringen.

Herr Reissner hat sie mir geschenkt. Ich sehe ihn vor mir,
als käme er gerade durch die Tür. Herr Reissner? Wer ist
das?

Herr Reissner, ich kenne seinen Vornamen nicht, war
Vertreter der Klischeeanstalt Johannes Bauer. Und ich war
Mitarbeiter einer Werbeagentur, betreue verschiedene
Kunden und konnte die unterschiedlichsten Aufträge an die
unterschiedlichsten Unternehmen erteilen, auch an Klischee-
anstalten. Übrigens: Klischeeanstalten gibt es schon lange
nicht mehr, so wie es auch Herrn Reissner nicht mehr gibt.

Die Klischeeanstalt Johannes Bauer wurde von zwei Brüdern
geführt und zwar erfolgreich. Eines Tages vertrugen sich die
Brüder nicht mehr, nein, sie waren völlig zerstritten. Da führte
dann jeder sein eigenes Unternehmen. Eines davon zog in die
Conventstraße. Dahin ist auch Herr Reissner gegangen; wir
haben uns da des öfteren getroffen, um Aufträge abzuwickeln.

Einzelheiten? Die weiß ich nicht mehr. Nur: Wenn ich mir die
Fingernägel feile, dann denke ich an Herrn Reissner, den kleinen,
wirbeligen Vertreter der Klischeeanstalt Johannes Bauer. Er war
nicht nur wirbelig, er war ein Mann vom Fach, ein guter Berater
seiner Kunden.

Es ist also nicht nur die Nagelfeile geblieben. Herr Reissner ist
auch immer noch da. Ob es doch so etwas wie ein ewiges Leben
gibt? – 21. 05. 2008

Was übrig bleibt, Teil zwei

Von einer Nagelfeile war im ersten Teil die Rede. Jetzt geht es um ein „Schweizer Offiziersmesser“. Eines davon liegt seit Jahren auf meinem Schreibtisch, und ich nehme es häufig zur Hand. Dafür brauche ich natürlich beide Hände.

Ja, dieses Messer! Es hat eine Öse, an der man eine Kette befestigen kann. Das ist praktisch, wenn man das Messer mithilfe der Kette am Hosenbund oder am Gürtel oder sonst wo befestigen will, damit es immer zur Hand ist. Bei mir liegt das Messer, wie gesagt, auf dem Schreibtisch. Für mich hat die Öse keine Bedeutung.

Erstaunlich, was man mit diesem Messer alles machen kann. Es hat eine große Klinge und eine kleine, einen Flaschen- und einen Dosenöffner, einen Korkenzieher, eine kleine Schere, und bestimmt ist da noch irgendetwas, das ich bis heute nicht entdeckt habe. Aber noch ist ja nicht aller Tage Abend.

Ich sollte noch erwähnen, dass das Messer gut in der Hand liegt und dass es mir ziemlich schwer erscheint für seine Größe. Es ist ja eher klein, weil es ein Taschenmesser ist. Ich habe es heute spaßeshalber gewogen. Es wiegt genau 99 Gramm. Ich wusste gar nicht, dass 99 Gramm so schwer sind.

Ja, dieses Messer! Ich liebe es, weil ich es geschenkt bekommen habe. Ich hätte es mir nie geleistet; denn „Schweizer Offiziersmesser“ sind recht teuer.

Nein, was ich da gesagt habe, ist nicht richtig. Ich liebe dieses Messer nicht, weil ich es geschenkt bekommen habe – ich liebe es wegen des Menschen, der es mir geschenkt hat. Das war Haaans Schmidt.

Natürlich schrieb sich auch dieser Hans mit nur einem A. Aber am Telefon klang das immer nach mindestens drei, wenn nicht nach noch mehr As.

Hans Schmidt residierte im zweiten oder dritten Stock eines riesigen, hässlichen Gebäudes an der Ausfallstraße zu den Elbbrücken. Im Hof war nur mit viel Glück ein Platz für das Auto zu finden, und ein Auto brauchte man. um Hans Schmidt zu erreichen. (Heidenkampsweg 76 A)

War es nun Hans Schmidt, der residierte, oder war es seine Frau, die ihn körperlich ein wenig in den Schatten stellte. Beide waren souverän und liebenswert, was nur selten zusammengeht.

Hans Schmidt, seine Frau und ich hatten nur geschäftlich miteinander zu tun. Wir mochten uns, aber das spielte bei unseren Geschäften keine Rolle. Ich habe die beiden nie um eine Provision für die Vermittlung eines Auftrags gebeten, sie hatten das nur einmal, in unserem ersten Gespräch, angeboten.

Aber zu Weihnachten kam dann ein Paket mit diesem und jenem. Nichts Teures darin, aber alles hatte seinen Wert; denn es war liebevoll ausgesucht. Dazu gehörte auch das „Schweizer Offiziersmesser“. Ein Vermögen hat es nicht gekostet. Mir ist es wertvoll.

Es erinnert mich an zwei zuverlässige Geschäftspartner, die vor allem liebenswerte Menschen waren. Wir haben nie um Preise feilschen müssen. Es hat nie Schwierigkeiten mit Terminen gegeben, und die Qualität der Arbeit war stets makellos.

Schon als ich Hans Schmidt und seine Frau kennenlernte, waren beide in einem Alter, in dem man an die Übergabe des Unternehmens an Nachfolger denkt. Eines Tages war es dann so weit. Hans Schmidt hatte Krebs. Die Operation und die Behandlung waren – zunächst – erfolgreich. Aber es war ein Signal , sich aus dem Geschäft zurückzuziehen. In der Familie wollte niemand den Betrieb fortführen. Also wurde nach Käufern gesucht.

Hans Schmidt und seine Frau machten sich ihre Sache nicht leicht. Sie verlangten von den Interessenten, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter beschäftigt würden. Das passte nicht jedem, das passte kaum jemandem. Bis Wolfgang Röttger kam, der mit diesen Bedingungen einverstanden war und – wie sich dann herausstellte – gut damit fuhr.

Ja, dieses Messer! Klein, rot, mit allem möglichen Werkzeug ausgestattet. Ein Gebrauchsgegenstand, den ich nicht brauchte, den ich kaum benutze, der aber viel zu erzählen weiß, der längst Vergangenes wieder lebendig macht – und wie lebendig!

Hans Schmidt und seine Frau hatten eine ausnehmend tüchtige Mitarbeiterin, die dann auch mit Herrn Röttger erfolgreich zusammenarbeitete. Ihr Name wir mir längst entfallen. Hätte man mich gestern danach gefragt, ich hätte keine Antwort gewusst. Heute, beim Schreiben, war ihr Name plötzlich da: Grüning. Frau Grüning.

Was übrig bleibt, Teil drei

Wolfgang Röttger führte die Druckerei im Sinne von Herrn und Frau Schmidt fort, zum Nutzen der Belegschaft und zu seinem eigenen auch – verdientermaßen. Einen Gegenstand, der mich an ihn erinnern könnte wie das Schweizer Offiziersmesser, gibt es nicht. Das ist aber auch nicht nötig. Wir arbeiteten gut zusammen zum Vorteil unserer Auftraggeber, und alle waren zufrieden.

Von Wolfgang Röttgers Krankheit erfuhr ich, als wir verabredet waren, ich ihn aber nicht antraf. Frau Brüning sagte, dass er schon seit einiger Zeit in Behandlung sei. Aber das verstand ich noch nicht so richtig. Dann erzählte er mir von seinem Lymphdrüsenkrebs, der Behandlung in Krankenhaus St. Georg, dass er erst gar nicht begriffen hätte, was los war, dass die Aussichten aber wirklich gut seien.
Das hat sich auch als richtig herausgestellt. Der Krebs war – zumindest für’s Erste – besiegt. Das Dumme war nur, dass der Kampf gegen den Krebs außer viel Mut auch viel Zeit verlangt hat, Zeit, die Wolfgang Röttger nicht für die Druckerei einsetzen konnte. Deshalb blieben Aufträge aus, immer mehr Aufträge, und zum Schluss war Schluss. Die Druckerei Hans Schmidt war am Ende, es gab sie nicht mehr. (Insolvenz 2000/2001, Privat: 040-81 89 99)

Wolfgang Röttger hat sich sein Brot dann als Berater und Vermittler von Druckaufträgen verdient. Nein, sich klein kriegen lassen, das wollte er nicht. Wir haben uns dann aus den Augen verloren. – 27. 06. 2008

01. 07. 2008

Schon vor einigen Wochen habe ich die folgenden Zitate notiert, gefunden wahrscheinlich im SPIEGEL – oder auch im STERN. Nun gut, das ist nicht Amerika. Aber es sind einige der wichtigsten Politiker, die zu einem solchen Hass aufrufen. Anhänger finden sich da immer genug. Wir in Deutschland können davon ein Lied singen.

Was wir gegen die Muslime haben.
Zitate US-amerikanischer Politiker und Journalisten

„Der Islam ist eine richtig bösartige und niederträchtige Religion“
(Frank Graham, geistlicher Berater von Präsident George W. Bush)

„Wir können nicht immer wieder in der muslimischen Welt intervenieren.
Was wir tun können, ist sie in Grund und Boden zu bomben.“
(Bill O’Reilly, Fernsehidol der amerikanischen Konservativen)

„Wir sollten in ihre Länder (die muslimischen) einmarschieren, ihre Führer
totschlagen und die Bevölkerung zum Christentum bekehren.“ „Wir sollten
unseren nationalen Speichelleckerwettbewerb beenden, Syrien ins Steinzeit-
alter zurückbomben und danach den Iran dauerhaft entwaffnen.“
(Ann Coulter, amerikanische Journalistin und Autorin)


Ich habe die Muslime hier einmal gegen Juden ausgetauscht. Das liest sich dann so:

Was wir gegen die Juden haben.
Zitate US-amerikanischer Politiker und Journalisten

„Der jüdische Glaube ist eine richtig bösartige und niederträchtige Religion“
(Frank Graham, geistlicher Berater von Präsident George W. Bush)

„Wir können nicht immer wieder in Israel intervenieren.
Was wir tun können, ist Israel in Grund und Boden zu bomben.“
(Bill O’Reilly, Fernsehidol der amerikanischen Konservativen)

„Wir sollten in Israel einmarschieren, seine Führer totschlagen und die
Bevölkerung zum Christentum bekehren.“ „Wir sollten
unseren nationalen Speichelleckerwettbewerb beenden, Israel ins Steinzeit-
alter zurückbomben und danach den Iran dauerhaft entwaffnen.“
(Ann Coulter, amerikanische Journalistin und Autorin)

(Das würde natürlich kein amerikanischer Politiker sagen, weil er dann „weg
vom Fenster“ wäre.)

In der folgenden Version habe ich die Muslime und die Juden gegen
uns alle ausgetauscht. Liest sich auch nicht besser. Wie wir es auch
drehen und wenden: Diesen amerikanischen Politikern und Journalisten
muss das Maul gestopft werden, und zwar gründlich. Das gilt allerdings
auch für alle, die sich genau so benehmen – also nicht nur für Amerikaner.

Was wir gegen alle haben, die nicht unserer Meinung sind.
Zitate US-amerikanischer Politiker und Journalisten

„Alle, die nicht unsere Auffassung teilen, sind bösartig und niederträchtig.
(Frank Graham, geistlicher Berater von Präsident George W. Bush)

„Wir können nicht immer wieder im Rest der Welt intervenieren.
Was wir tun können, ist alles in Grund und Boden zu bomben.“
(Bill O’Reilly, Fernsehidol der amerikanischen Konservativen)
„Wir sollten in den unwilligen Ländern einmarschieren, ihre Führer
totschlagen und die Bevölkerung bekehren.“ „Wir sollten
unseren nationalen Speichelleckerwettbewerb beenden, die Unwilligen
ins Steinzeitalter zurückbomben und danach alle anderen dauerhaft
entwaffnen.“ (Ann Coulter, amerikanische Journalistin und Autorin)

20. 07. 2008

Es hat sich wieder alles Mögliche an Unsinn angesammelt: Unbedachte
Äußerungen, Großspurigkeit, der Versuch, sich politiksch korrekt aus-
zudrücken und noch dies und das – ein Sammelsurium also.

Political correctness. Was ist das? Was ist damit gemeint? Gemeint ist
offenbar: Nur nicht anecken, nur keine Schwierigkeiten bekommen.
Und das sieht dann – in einem ganz harmlosen Fall – so aus:

„Polizei schnappt ‚Tankstellendieb’. Die Polizei hat einen mutmaßlichen
Tankstellenräuber am Montagabend im Hamburger Stadtteil Steilshoop
festgenommen… der junge Mann hat die Tat gestanden.“

Da ist von einem Tankstellendieb die Rede, der die Tat gestanden hat. Ein
Dieb also, ganz ohne Zweifel. Dann wird aber auch ein mutmaßlicher
Tankstellenräuber erwähnt. Ist das ein anderer? Nein, das ist ein-und-derselbe.
Haben wir es hier nun mit einem Dieb, einem Räuber zu tun, oder nehmen
wir das nur an, vemuten wir es nur?

Nee, nee, der junge Mann war es. Aber er ist noch nicht verurteilt worden.
Und deshalb darf man ihn noch nicht Dieb oder Räuber nennen. Das soll
jedenfalls irgendein Gesetz oder eine Verordnung vorschreiben.

Falls das stimmt, sollte dieses Gesetz sofort abgeschafft werden, und die
Zeitungen sollten sich in diesen Fällen nicht politisch korrekt verhalten, sondern
korrekt berichten.

Kompetenz-Pool, Kompetenz-Inseln. Wenn man da nicht ins Schwimmen kommt!

Bei einer Weihenstephan-Veranstaltung, die im Mai dieses Jahres stattfand, soll es einen Kompetenz-Pool gegeben haben. Und auf einer Messe sind Kompetenz-Inseln entdeckt worden, auch im Mai.

Wenn der Kompetenz-Pool auch nur eine irgendwie geartete Verwandtschaft mit
einem Swimming-Pool hat, dann ist die Kompetenz, dann sind Wissen und Fähig-
keiten, wohl baden gegangen. Schade, wo wir doch so sehr auf Kompetenzen an-
gewiesen sind! Was die Kompetenz-Inseln angeht – sollen wir sie wirklich ansteuern?
Wenn wir dort stranden, sieht es mit der Kompetenz ganz schlecht aus.

STAU / RÜCKSTAU – GAU / SUPERGAU. Das mit dem Stau / Rückstau hat mir noch niemand erklärt. Bei einem Stau steht erst ein Auto still, dann ein zweites,
dann das dritte, und dann geht es kilometerweit. Das ist ein Stau. Aber was ist ein
Rückstau? Wenn ich es recht überlege, müsste damit die Auflösung eines Staus gemeint sein (siehe Bau und Rückbau = aufbauen und abreißen). Aber wie so oft in
diesen Dingen, werde ich mich hier irren.

GAU / SUPERGAU. Diesen Unsinn will ich nicht noch einmal kommentieren.

Schnell dahingesagt: „Der Milchstreik war nicht unsere Erfindung und nicht unser
Mittel der Wahl.“ Das hat Gert Sonnleitner, DBV-Präsident, lt Hamburger Abendblatt vom 17. Juli 2008, gesagt. Was hat der Gert denn mit „Mittel der Wahl“ gemeint?

Schnell dahingeschrieben: „Muskuläre Probleme“ (Quickborner Tageblatt) „Mentaltrainer / Kampfrekord“ HA, 20. 06. 08. Da hat ein Sportler „muskuläre Probleme“. Was ist darunter zu verstehen? Hat er einen Muskelkater, hat er
Krämpfe, die seine Muskeln hart wie Eisen machen, was sehr schmerzhaft ist, oder
leidet er an Muskelschwund? Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Aber mit unserem Mitleid sollten wir zurückhaltend sein. Jede Tätigkeit bringt schließlich Gefahren mit sich. Das sollte auch ein Sportler wissen.

Vielleicht brauchen Sportler, um das zu erkennen, auch einen Mentaltrainer. Was trainiert der eigentlich? Wenn wir Wahrig’s Wörterbuch folgen, hilft er der geistigen Verfassung des Sportlers auf die Sprünge. Wie das geht, bleibt natürlich das Geheimnis des Mentaltrainers. Ich stelle mir das so vor:

„-Du bist besser, als Du glaubst. Werde aber nicht übermütig. Streng Dich an. Gib
nicht auf. Sprich nicht von Feinden, sondern von Gegnern. Ich erklär’ Dir mal den Unterschied. Üb’ das Kleine Einmaleins noch mal, und dann das große. Sei immer mental auf der Höhe.“ Ach ja, das ist es: mental auf der Höhe sein. Das wollen wir jetzt mal trainieren.“

Ich glaube, das hatten wir schon mal: „Kampfrekord“. Das ZDF spricht in seinen Boxreportagen unbelehrbar vom Kampfrekord der Boxer. Gemeint ist aber die Kampfbilanz. Gemeint ist, wie viele Kämpfe gewonnen oder verloren wurden oder unentschieden ausgingen. Von Rekorden kann da nicht die Rede sein. Vielleicht sollte das ZDF Nachhilfeunterricht in Englisch nehmen, und das Hamburger Abendblatt kann sich auch gleich auf die Nachsitzbank setzen.

„Mindestarbeitsbedingungsgesetz“ HA 17. 07. 08. Hier hat das Hamburger Abendblatt abgeschrieben. Jedenfalls glaube ich nicht, dass diese Zeitung dieses Wortungeheuer erfunden hat. Das können wohl nur Politiker, Juristen und ähnlich Hochbegabte, die eine Besonderheit unserer Sprache lustvoll ausreizen: die verschiedensten Begriffe in einem Wort zusammenfassen, in ein Wort zwingen.

Was ist gemeint? Was soll das Gesetz erreichen? Für bestmmte Arbeiten in bestimmten Branchen soll mindestens ein bestimmter Betrag bezahlt werden.
Also: ein angemessener Lohn für die zu leistende Arbeit = Gesetz zur Regelung von Mindestlöhnen. Klingt auch nicht gut, ist aber zu verstehen.


24./25. 07. 2008

Am Samstag, 05. 07. 08, ist Mums von der Leiter gefallen: Beckenbruch, komplizierter Ellenbogenbruch links. Drei Operationen inzwischen. Alles wird
wieder gut – so jedenfalls sieht es heute aus. Heute (25. 07. 08) sieht alles schon wieder anders aus. Am kommenden Dienstag, 29.07. 08, wird noch einmal operiert, ein paar Tage danach wieder. Das sind dann fünf Operationen seit dem Unfall. Vor dem 11. August wird Mums wohl kaum aus der UKE entlassen werden. Über sich dann möglicherweise anschließende Reha-Notwendigkeiten wissen wir noch gar nichts. Auf jeden Fall habe ich mit Renate telefoniert und unsere Teilnahme an der am 14./15. 08. 08 stattfindenden 80-Jahre-Geburtstagsfeier von Renate und Hans abgesagt. Alles in allem wird Mums mindestens 4 Wochen „Gast“ in der UKE sein. Die Ärzte dort sind offenbar sehr gewissenhaft, auch freundlich und auskunftsbereit. Ausnehmend freundlich sind auch die Schwestern und Pfleger – abgesehen von der einen oder anderen Ausnahme.

Ich besuche Mums jeden Tag, wenn auch immer nur für eine Stunde, versorge sie vor allem mit Obst, auch mit Torten von Hönig. Bringe frische Wäsche, sofern sie benötigt wird, schaffe dies und das zu lesen heran. Mehr lässt sich leider nicht tun.

Hausarbeit hat mich noch nie vor Problem gestellt. Jetzt kann ich sogar Wäsche waschen. Nur das Bügeln muss ich noch lernen. Bei Trockenheit macht der Garten viel Arbeit, will gründlich bewässert werden. Ein paar Tage hat er geregnet, da hatte ich Ruhe. Seit gestern, 25. 07. 08, ist es wieder brüllend heiß. Das bedeutet Arbeit.

25. 07. 2008

Ingrid rief heute Abend an. Klaus ist tot. Er ist gestern gestorben. Im Mai vergangenen Jahres wurde er in der Martini-Klinik (UKE) wg. Prostata-Krebs operiert. Da habe ich ihn besucht, und er war sehr zuversichtlich. Bald stellte sich heraus, dass sich Metastasen gebildet hatten. Klaus hat alles versucht, was die ärztliche „Kunst“ heute bietet, obgleich die Aussichten von Anfang an schlecht waren. Er hat alles auf sich genommen, um weiter zu leben. Vergebens.

Am kommenden Mittwoch, 30. 07. 2008, wird er zu Grabe getragen, in Bornhöved.
Ich werde dabei sein. Immer und immer muss ich zu Beerdigungen. Das bringt das Alter mit sich. So werde ich immer einsamer.

26. 07. 2008

Gruß aus Neapel

Es liegt in unserer Natur, immer erst einmal an das Naheliegende zu denken. Wenn wir Hunger haben, wollen wir etwas essen, möglichst sofort. Der Hunger, den wir vielleicht irgendwann einmal haben werden, interessiert uns nicht. Wenn wir Durst haben, wollen wir trinken. Nicht irgendwann, sondern jetzt. Mit dem Gedanken, dass wir irgendwann einmal durstig sein werden und es nichts zu trinken gibt, können wir wenig anfangen.

Neapel drohte vor einigen Monaten im Müll zu ersticken. Das Leben wurde immer unerträglicher. Allein der Anblick auf den Abfall in jeder Straße, vor jedem Haus! Der Gestank! Seuchen drohten. Wie konnte es dazu kommen?

Zwar wollte niemand den Müll vor der Haustür, aber für die notwendigen Mülldeponien und Müllverbrennungsanlagen war auch niemand. Alle waren dagegen. Und so drohten sie im Müll zu ersticken.

Das Problem wurde gelöst – wenigstens kurzfristig – indem der Müll in andere Länder exportiert wurde, auch nach Deutschland. Ob inzwischen für Neapel Mülldeponien gebaut werden, ist nicht bekannt.

Nun gibt es größere Probleme als den Neapel-Müll, und deren Lösung ist nicht so einfach durch Export zu erreichen. Die Stichworte: Erdöl und Strom.

Der Schmierstoff, der die Wirtschaft in Gang hält, ist das Erdöl, wird gesagt. Noch ist eine Menge davon vorhanden, aber lange wird das nicht mehr reichen. Folglich steigen die Preise für alles, was aus Erdöl hergestellt wird., und das ist eine ganze Menge.

Ohne Erdöl fliegt kein Flugzeug, fährt kein Auto und auch kein Schiff. Was bedeutet das? Welche Folgen hat das? Und welche Folgen hat es für wen?

Für die ärmsten der armen Länder ändert sich möglicherweise gar nichts. Die Frauen sammeln weiter Holz, um etwas zu kochen, sie gehen meilenweit für Wasser, die Nomaden treiben ihr Vieh von Weideplatz zu Weideplatz, die Sesshaften versuchen, dem Boden die notwendige Nahrung abzuringen. – Vielleicht gerät ihnen sogar zum Vorteil, dass kein Flugzeug fliegt, kein Auto fährt und auch kein Schiff. Da werden dann keine vielleicht keine Ernten mehr exportiert, zum Beispiel Soja, die doch nur in der sogenannten Ersten Welt ans Vieh verfüttert werden, damit möglichst jeder jeden Tag ein Steak auf dem Teller hat.
Aber hier, bei uns, den hochentwickelten Ländern und den „Schwellenländern“, wird der Teufel los sein:

Mal eben nach Mallorca fliegen, für ein Wochenende von Hamburg nach London – just for fun? Aus der Traum! Mal um die Ecke mit dem Auto zum Brötchenholen?
Kein Gedanke, von der Fahrt in den Urlaub ganz zu schweigen. Das ist aber noch lange nicht alles.

Was? Unser Supermarkt ist ausverkauft? Dann fahren wir zum nächsten. Da ist auch nichts mehr zu holen? Keiner ist beliefert worden – wie auch? Die Lieferfahrzeuge fahren ja nicht mehr.

Wie soll ich ohne Auto zur Arbeit kommen? Wie soll ich überhaupt zur Arbeit kommen, wenn auch die Busse nicht mehr fahren?

Aber auch das ist noch nicht alles. Keine First-Class, keine Business-Class fliegt noch irgendwohin. Die Manager bleiben zu Hause. Sie glauben, sich mit dem Internet, mit e-mails, behelfen zu können. Ob das wirklich klappt? Darauf kommen wir noch.

Und weil auch die Containerschiffe an der Leine liegen, kommen keine billigen Klamotten mehr aus China oder Indien oder woher auch immer. Die für den Export in Deutschland produzierten Autos bleiben, wo sie sind: in Deutschland. Bewegt werden könnten sie ohnehin nicht mehr – ohne Benzin oder Diesel.

Das ist ja schrecklich! Das ist ja unvorstellbar schrecklich! Was heißt hier unvorstellbar? Wir haben doch eben gesehen, was es heißt ohne Erdöl zu leben. Wir hängen am Tropf. Aber wie lange noch?

Jetzt reicht es aber! Oh nein, es reicht noch lange nicht. Wir sitzen tiefer in der Tinte, als wir glauben wollen, als wir zugeben. Da ist ja noch das Problem mit dem Strom, das sogenannte Energieproblem. Nein, das ist nicht schlimmer als das Erdölproblem, aber es ist genau so schlimm.

Ohne Strom geht kein Lift. Ohne Strom bleiben die Straßen nachts dunkel. Ohne Strom kühlt kein Kühlschrank, keine Tiefkühltruhe. Ohne Strom öffnen sich die Türen zu den Einkaufszentren und Supermärkten nicht. Die Kassen bleiben stumm. Ohne Strom können in den landwirtschaftlichen Fabriken die Kühe nicht mehr gemolken werden (das hatten wir schon mal bei der Schneekatastrophe vor zig Jahren in Schleswig-Holstein).

Nicht nur im Schlafzimmer bleibt es dunkel, sondern im ganzen Haus. Wo sind die Kerzen? Keine Mikrowelle funktioniert, der Elektroherd bleibt kalt. Ein heißes Süppchen? Ein Spiegelei? Fehlanzeige. Die Katastrophe erwischt uns kalt.

Ach, du alter Kachelofen, du Kohleherd, du alte Speisekammer, die kaum noch jemand kennt – könnt ihr uns noch einmal helfen?

Was nun?

Back to the roots? Zurück in die Vergangenheit? Nein, so einfach ist das nicht. Das Wichtigste ist, dass wir unseren Grips anstrengen, dass wir überlegen, wie wir besser machen können, was wir bisher nicht gut genug gemacht haben.

Das Wichtigste: Wir dürfen nicht mehr verbrauchen, als wir zurückgeben können.
Wir müssen bescheidener werden, keine so großen Ansprüche mehr stellen. Wir dürfen nicht vergessen, dass Alles und Jedes seinen Preis hat. Und das bringt uns zu dem entscheidenden Punkt: Die Strom-, die Energie-Erzeugung.

Strom erzeugen wir hauptsächlich durch Kohle- und Atomkraftwerke. Die Kohle heizt unser Klima so auf, dass uns schon heute angst und bange wird: Mal gleicht auch Norddeutschland der Sahara, so trocken ist es über Wochen. Mal schüttet es so in wenigen Stunden, dass nicht nur Autos von der Straße gespült werden. Klimakatastrophe? Klimawandel? Egal, wir heizen unsere kleine Erdkugel rücksichtlos und unvorsichtig zugleich so auf, dass wir bald nicht mehr Luft holen können.

Das liegt an den Mega-Kohlekraftwerken, ohne die wir angeblich nicht auskommen werden. Alles nicht so schlimm? Dieses grässliche CO2 lagern wir einfach unter der Erde – so wie wir es mit dem Atommüll machen wollen. Das versprechen zur Zeit die Energieunternehmen, aber ob sie ihr Versprechen halten können, wissen sie selbst nicht. Und wie sicher ist die CO2-Einlagerung irgendwo unter der Erde? Das weiß niemand. Aber vieles spricht dafür, dass die Sache genau so unsicher ist wie die „Endlagerung“ von Atommüll.

Bemerkung am Rande: Die Mega-Kohlekraftwerke haben einen geradezu lächerlichen Wirkungsgrad. Was sie an „überflüssiger“ Wärme produzieren, pusten sie in die Luft oder heizen die Flüsse auf, an denen sie vorzugsweise gebaut werden.
Dezentrale kleine Blockheizkraftwerke, die nicht nur Strom erzeugen, sondern die Abwärme als Heizung zur Verfügung stellen, sind eine von den Konzernen ungeliebte Alternative, die Politik das willige Opfer des Lobbyismus.

Bleiben noch die Atomkraftwerke. Die arbeiten nur schenbar umweltfreundlich. Ihr CO2-Ausstoß ist wirklich gering. Wenn wir die Urangewinnung und alle Zwischen-stufen betrachten, sieht es schon anders aus, nicht mehr so rosig. Atomstrom wird nicht ohne CO2 produziert. Außerdem machen die Atomkraftwerke Deutschland nicht unabhängig von Stromimporten; denn das notwendige Uran muss ja eingeführt werden – Deutschland hat es ja nicht – , also wieder eine Abhängigkeit.

Über die Sicherheit der Atomkraftwerke lässt sich streiten; sicher sind sie nicht, wie nicht nur Ttschernobil uns gezeigt hat. (Die Folgen sind immer noch nicht überwunden.)

Mal abgesehen davon: Wenn wir der „Klimakatastrophe“ atomar wirksam begegnen wollten, müssten mehrere tausend Atomkraftwerke gebaut werden. Das dürfte in der Zeit, die zur Verfügung steht, nicht möglich sein.

Außerdem rechnet sich die Sache offenbar nicht. Investoren scheuen sich, Geld in Atomkraftwerke zu stecken, nicht nur in den USA. Wie unverhältnismäßig teuer der Bau neuer Atomkraftwerke ist, kann zur Zeit in Finnland erlebt werden.

Der springende Punkt aber ist: Wohin mit dem Atommüll? Obgleich seit Jahrzehnten Atommüll produziert wird, gíbt es nirgendwo ein „Endlager“. Nirgenwo heißt nirgendwo auf dieser Erde, in keinem Land. Niemand weiß wirklich, wohin mit dem Gift, das unsere kleine Erde für hunderttausende von Jahren verseuchen wird.

Das meinte ich mit „Neapel lässt grüßen“. Der Unterschied ist nur: Der Atommüll lässt sich nicht exportieren. Oder vielleicht doch? Wir könnten ihn doch in den Weltraum schießen. Schon mal daran gedacht?

Die von einigen neuerdings als Öko-Energie gepriesene Atomkraft ist also alles andere als „öko“; sie ist ein ungelöstes Problem, genau genommen: ein unlösbares Problem.

Da sieht es doch bei der Kohle, ob Stein- oder Braunkohle, gleich viel besser aus.
Kohle strahlt nicht und eine besondere Gefahr geht von ihr auch nicht aus. Wirklich nicht?

Niemand bestreitet, dass wir mit dem Verfeuern von Kohle die Atmosphäre in unverantwortlicher Weise anheizen. Die Folgen sind schon heute zu spüren, und sie sind fatal. Klimawandel, Klimakatastrophe sind die Stichworte, die sich nicht mehr so einfach wegreden lassen.

Aber wo ein Problem ist, da gibt es – Prinzip Hoffnung – auch eine Lösung. Richtig. Und die haben wir schon: Die Lagerung (Endlagerung?) von CO2 in der Erde. Dazu muss man CO2 nur verflüssigen, was angeblich geht, und dann ab damit in den Untergrund. Und dann? Was passiert dann? Bleibt es da, wo es eingesperrt werden soll? Oder kommt es eines Tages an die Oberfläche. In den zu erwartenden Konzentrationen soll es tödlich sein. Die Energiekonzerne schwören Stein und Bein, dass alles gut gehen wird. Aber das war vor Harrisburg, Sellafield und Tschernobil auch so. Gründe genug, um misstrauisch zu sein, Gründe genug „Atom“ und „Kohle“ abzulehnen. Gründe genug, sich für erneuerbare Energien einzusetzen: Sonne, Wind und Wasserkraft.

Die reichen nicht aus? Das sagen die, die uns „atomisieren“ und „verkohlen“ wollen, die Industrien also, denen es gelungen ist, so viele, viel zu viele Politiker um den Finger zu wickeln.

Wenn wir es auf den Mond geschafft haben, dann schaffen wir es auch, uns ohne Atomkraft und Kohle mit Energie zu versorgen. Wir müssen nur genügend vielen intelligenten Köpfen genug Geld zur Verfügung zu stellen, damit sie ihre Ideen in die Tat umsetzen können. Davon sind wir leider noch weit entfernt. Die lächerlichsten Widerstände werden aufgebaut. So wäre es ein leichtes, in der Sahara Solarkraft-werke mit riesigem Leistungsvermögen zu errichten. Der dort (gleichmäßig) erzeug-ten Strom müsste dann über Spanien und Frankreich in die verschiedenen europäi-schen Länder geleitet werden. Das ist technisch keine Schwierigkeit, aber Industrie und Politik wollen das nicht. Basta! Natürlich kostet die Verwirklichung eines solchen Projekt Milliarden. Aber die sind bestimmt gut angelegt. Für bessere Lebens-bedingungen ohnehin, für die Investoren auch. Wir wollen von ihnen ja nichts geschenkt haben. Wir wollen nur, dass sie unsere schon so geschundene Welt nicht noch weiter ruinieren.

Selbstverständlich geht nicht alles von heute auf morgen. Zu viele Versäumnisse sind aufzuholen. Deshalb ist es nicht verkehrt, zum Energiesparen aufzurufen. Gut gespart ist halb gewonnen, und den Rest kriegen wir auch noch hin.

Hier mal ein paar Beispiele, die zeigen, was wir sozusagen mit enem Fingerschnipsen erreichen könnten. Würden alle Stand-by-Schaltungen in Deutschland abgeschaltet, würde sich schon ein Atomkraftwerk erübrigen; Stand: 2008.

Der vollständige Wechsel von üblichen Glühbirnen zu Sparlampen würde möglicher-weise ein weiteres AKW überflüssig machen.

Natürlich gibt es auch Ideen, hinter die zunächst mal ein Fragezeichen zu setzen ist. So sagt der Berliner Finánzsenator Thilo Sarrazin „160 Celsius und Pulli an“ werden sein müssen, wenn die Energiekosten so hoch sind wie die Miete selbst. (HA, 30. 07. 2008) Darauf werden sich die Menschen einstellen (müssen?). Klar, auch das ist eine Möglichkeit, und wenn alle Stricke reißen? Na gut, dann wird es so sein. Wir werden frieren, uns einen Pulli anziehen und immer noch frieren.

Merkwürdig ist allerdings: Bisher wird nur Otto-Normalenergieverbraucher angesprochen, die Wirtschaft nicht, auch nicht die sogenannte Öffentliche Hand. Unsere Konsumisten verpulvern alles, was ihnen gar nicht gehört, sonden uns allen.

Einige Beispiele:

Hamburger Abendblatt, 30. 07. 2008 – „Cruise Days – Heute Abend wird der Blue Port feierlich eröffnet. Startschuss für die blaue Hafenstunde. Die Köhlbrandbrücke wird in voller Länge von 2000-Watt-Strahlern erleuchtet.“ Von sparen keine Spur.
(Bitte nichts gegen dieses Vergnügen, nur nicht mit AKW und Kohle.)

Einkaufszentren setzen sich ganz energisch dafür ein, dass ihre Innenwelt klimatisch von der Außenwelt abgeschottet wird. Egal, ob es draußen kalt oder heiß ist, man muss durch eine Klimaschleuse, die mit vielen kW betrieben wird. Ob wirklich die vielen Deckenleuchten für den Verkaufserfolg notwendig sind?

Viele Einkaufszentren und andere Gewerbeunternehmen würden sich hervorragend für die Installation von Fotovoltaik-Anlagen eignen (siehe Famila, Quickborn-Halenberg). Stattdessen wird dort irgendwelcher Firlefanz montiert, „just for show“.
Die Unternehmen könnten mit Fotovoltaik ihre Kosten senken oder damit sogar noch Geld verdienen. Warum kommen sie nicht auf diese einfache Idee? Warum bringt man sie nicht auf diese einfache Idee?

Klar, die Politik kann das nicht machen. Das müssen die Unternehmen, das muss jeder einzelne. Aber den Rahmen, den Spielraum für vernünftiges Handeln kann die Politik sehr wohl schaffen. Das nehmen die Politiker ja manchmal für sich in Anspruch, allerdings nur dann, wenn etwas nicht so läuft wie sie es versprochen haben. Wenn sich aber etwas zum Guten entwickelt, dann sind sie es natürlich, die es geschafft haben. Wenn sie doch nur die Rahmenbedingungen zimmerten! Dann wäre vieles schon besser.

Kleine Zwischenbemerkung zu einem ganz anderen Thema, dem Umgang mit unserer Sprache. Da schreibt der STERN in seiner Ausgabe 32 vom 31. 07. 08 „Kino-Preview“. Ist das nicht ziemlich blöd? „Cinema-Preview“ wäre konsequent, „Kinovorschau“ auch. Aber vielleicht ist es mit der Sprache so wie mit den Hunden: Die Mischlinge sind oft viel klüger und setzen sich durch.

Wie schön wäre es, wir, die Deutschen, wirklich sparten, wo wir nur können. Der SPIEGEL hat es neulich geschrieben. Tatsächlich fahren ein paar mehr Hamburger jetzt Rad oder steigen in den Bus oder die S- oder die U-Bahn. Das fehlende Geld erzwingt es. Aber noch heizt ein Großteil der Autofahrer durch die Straßen, als gäbe es den Sprit umsonst. Folglich muss der Sprit noch teurer werden. Offenbar hilft nur dieser Knüppel der Dummheit auf die Beine. Dafür gibt es inzwischen Beweise.

In den USA sind die „American-way-cars“ immer schwierigen an den Mann und an die Frau zu bringen. Kleinere Wagen und Hybridautos wie der Prius von Toyota sind gefragt. Mit gebrauchten Hybrids kann man sogar gute Geschäfte machen; denn für diese Neuwagen wird inzwischen Schlange gestanden; Toyota könnte sehr viel mehr verkaufen, also zu produzieren sind.

General Motors, Ford und Chrysler machen Milliardenverluste, weil sie immer noch die falschen Autos bauen. Dummer- oder glücklicherweise wird das auch Mercedes, BMW, Audi und Porsche so gehen, auch hier in Deutschland, dem Land der unbe-grenzten Geschwindigkeiten. Kein Grund zur Freude, zur Schadenfreude schon gar nicht. Das Dumme ist nur: Wie immer trifft es die kleinen Leute am härtesten. Die oberen Zehntausend sind finanziell gut gepolstert. Die allerdings schreien am lautesten.

Zum Sinn eines Tagebuchs hat Max Frisch im November 1981 am City College in New York folgendes gesagt:

„Wir leben auf einem laufenden Band, und es gibt keine Hoffnung, dass wir uns selber nachholen und einen Augenblick unseres Lebens verbessern können. Wir sind das Damals, auch wenn wir es verwerfen, nicht minder als das Heute. Die Zeit verwandelt uns nicht. Sie entfaltet uns nur. Indem man es nicht verschweigt, sondern aufschreibt, bekennt man sich zu seinem Denken, das bestefalls für den Augenblick und für den Standort stimmt, das es sich erzeugt. Man rechnet nicht mit der Hoffnung, dass man übermorgen, wenn man das Gegenteil denkt, klüger sei. Man ist, was man ist. Man hält die Feder hin, wie ene Nadel in der Erdbebenwarte, und eigentlich sind nicht wir es, die schreiben; sondern wir werden geschrieben. Schreiben heißt sich selber lesen. Was selten ein reines Vergnügen ist.“

Schreiben ist, was das „Handwerkliche“ und das „Kopfwerkliche“ angeht, aber auch etwas ganz anderes. „Schreiben heißt vor allem Umschreiben.“ Das sagte Joyce Carol Oats. Sie meinte damit wohl das, was ich immer wieder erlebe: „Du hast nie etwas fertig geschrieben. Du glaubst immer, es ginge noch besser, noch genauer, noch ehrlicher und wahrhaftiger. Aber woher soll ich die Zeit nehmen, alles so gut zu machen, wie ich es machen möchte? Ich lebe nicht ewig. Wer schenkt mir die Zeit, die ich brauche?


Schnell noch ein paar Kleinigkeiten (vielleicht sind gar nicht alle wirklich klein):

Der SPIEGEL hat neulich ein neues Wort in die Welt gesetzt: Verspritten. Gemeint ist die Umwandlung von Pflanzen in Sprit für die Autos. Das Wort gefällt mir. Das, was damit gemeint ist, gefällt mir nicht. Statt Brot wird sinnlose Geschwindigkeit produziert.

„Ohne Kontakt zur Zivilisation“: Am 30. Mai berichtete das ZDF von Indianern in Brasilien. Die seien ohne Kontakt zur Zivilisation gewesen. Was soll das heißen? Leben wir immer noch in Zeitalter des Kolonialismus? Was heißt Zivilisation?

Es ging in Europa, das die Zivilisation gepachtet zu haben scheint, vor ein paar hundert Jahren nicht anders zu. Plumpsklosetts sind auch heute noch in Europa keine Seltenheit. Woher also die Überheblichkeit?

Zur Überheblichkeit, zur Hybris, wie gelernte Journalisten es gern sagen, kommt die Oberflächlichkeit, die Flüchtigkeit, die Dummheit – Bösartigkeit ist wohl kaum im Spiel:
Am 17. Juni 2008 verliert das ZDF sage und schreibe zwei spröde Sätze zum 17. Juni 1953. Zwei Sätze zu einem Aufstand von deutschen Bürgern gegen Unmenschlich-keit, die sich seit Gründung der sogenannten DDR entfaltete und von Jahr zu Jahr schlimmer werden sollte.

Der 17. Juni 1953 ist bis heute nicht begriffen worden. Der 9. November 1989 ist genau so wenig begriffen, verstanden worden. Alles wurde verfälscht in Politik.

Dabei war nichts von allem Politik. Es ging nicht um Politik. Es ging um die einfachen Dinge im Leben: Keine Bevormundung, keine dümmlichen Vorschriften, kein Zwang zum freiwillig unfreiwilligen Mitmachen. Stattdessen die kleine persönliche Freiheit.

Aber die Politik belegt alles mit Beschlag. Die Politiker haben die Wiedervereinigung erreicht, nicht etwa die zigtausend DDR-Bürger, die in Leipzig und anderswo auf die Straße gegangen sind, wieder und immer wieder – bis die Mauer fiel.

Und so sollen wir den 3. Oktober als Tag der Wiedervereinigung feiern, den Tag, an dem ein paar Politiker ein paar Papiere unterschrieben haben – was ja auch wichtig ist. Aber die Wirklichkeit feiern wir bis heute nicht: „Wir sind ein Volk“.

Das wurde „drüben“ gesagt. Und „drüben“ gemacht. Das ist bis heute nicht so richtig begriffen worden. Darunter leiden wir. Darunter leidet Deutschland. Das „Drüben“ ist das Problem. „Drüben“ – das ist „nicht bei uns“, das ist „bei den anderen“. So haben wir uns durch die Politik auseinander dividieren lassen. Und jetzt kriegen wir das nicht mehr so einfach zusammen.

05. 08. 2008

Ich kann es nicht lassen. Ich muss mich wieder mal um sprachliche Kinkelitzchen kümmern. So kinkerlitzig, so unbedeutend, finde ich das allerdings nicht. Die Sprache bringt ans Licht, was die Leute sagen wollen und was nicht. was sie im Dunkeln oder im Ungewissen lassen wollen.

Dies und jenes sei nicht „zielführend“. Da ist zum Beispiel „Die Betrachtung eines einzelnen Jahres ist nicht zielführend.“ Gemeint ist: „Wenn wir nur ein Jahr betrachten, hilft uns das nicht weiter; so kommen wir nicht zum Ziel.“

„Nicht zielführend“ ist eine Politfloskel, eine Ausrede der Politiker. Eigentlich wollen sie sagen: „Das führt zu nichts. Das hat keinen Sinn. Das ist Unsínn. Quatsch. Aber wer sagt das schon, seit die „political correctness“ das Licht der Welt erblickt hat?!

Da hätten wir auch noch die „Bodenständigkeit“. Damit schmücken sich viele „öffentliche“ Personen – und werden damit geschmückt, in vorauseilendem Gehorsam (man weiß ja nie, was noch kommt, oder schlimmer: wer noch kommt).

Wenn der Bertelsmann-Chef Hartmut Ostrowski vor dem Meeting eine Currywurst isst, dann ist er bodenständig – so die FAZ Nr. 173, 26./27. Juli 2008. Was heißt das?

Da will jemand so sein wie Du und ich. Ist er aber nicht. Er ist ja schon oben, findet er. Wir sind unten, denkt er. Ob das wirklich stimmt? Mal sehen, wer sich irrt.

Zur Dummheit der Zeitungsschreiber heute:

Die FRANKFURTER ALLEGEMEINE SONNTAGSZEITUNG, 27. Juli 2008, Nr. 30. zeigt auf Seite 38 wie jemand aus einem Suppenapf löffelt und in der linken Hand ein Stück Baguette, gefüllt mit irgendetwas, hält. „Eintopf mit Stulle“ ist die Bildunterschrift.

Wer das geschrieben hat, wer das hat durchgehen lassen, weiß nicht, was eine Stulle ist. Ich will hier nicht erklären, was eine Stulle ist. Das soll jeder für sich herausfin-den. Notfalls helfen Wahrigs Wörterbuch und Wikipeda.

Niemand kann alles wissen. Deshalb empfiehlt es sich bescheiden zu sein und das Maul nicht allzu weit aufzureißen.

07. 08. 2008

Unsere Sprache. Sie macht alles möglich, auch jeden Unsinn, jede Ungereimtheit:

„Ich bin alleinerziehend“, sagt eine junge Frau. Erziehen ist aber kein Zustand, sondern eine Tätigkeit. Also müsste es heißen: „Ich erziehe (mein Kind) allein.“
Haarspalterei? Meinetwegen. Aber je lässiger, je nachlässiger wir mit unserer Sprache umgehen, desto ungenauer wird sie. Und zum Schluss weiß niemand genau,
was gemeint ist.

„Hausvertrauensmann“. Ja, das ist ein typisches DDR-Deutsch-Wort, aber es ist mehr. Es ist typisch deutsch. Nur las es sich in der Diktatur vor der Diktatur anders:
Hauswart. Darüber kam der Blockwart und dann wer weiß noch wer.

Das Aushorchen, das Bespitzeln, das Verraten und – schlimmstenfalls – das ans Messer liefern, hat es schon immer gegeben, was die Sache nicht besser macht. Wir sollten uns durch schöne Umschreibungen nicht an der Nase herumführen lassen.

„Robust“. In irgendeiner Diskussion zum Krieg in Afghanistan verlangt jemand nach einem „robusteren Mandat“. Was gemeint ist, lässt sich erraten: Es soll kräftig draufgeschlagen werden, nicht zimperlich sein.

Das, was gemeint ist, versteckt sich in den beiden Wörtern „robust“ und „Mandat“, in Wörtern, die so gut wie niemand in den Mund nimmt und die kaum jemand versteht. Genau das ist es. Bloß nicht zu deutlich werden!
Was hier „robust“ genannt wird, heißt dort „belastbar“. Neuerdings ist immer häufiger von belastbaren Zahlen die Rede. Mit was werden Zahlen belastet? Das hat noch niemand erklärt. Ist aber auch nicht nötig. Denn gemeint sind zuverlässige Zahlen, Zahlen und Informationen, denen man vertrauen kann.

FRONTAL 21, 29. 07. 2008:

Jemand spendet Pauline 250,00 €. Der Staat nimm der Mutter das Geld wieder weg.
(Die Entschuldigung: Das war eine persönliche Entscheidung.)

Deutschland rechnet sich die CO2 Reduzierung schön. Frankreich ist da realistischer. Frau Merkel?

Atomstrom-Kosten. Die „Nebenkosten“ fallen immer unter den Tisch. Die zwei Milliarden EURO für das sogenannte Endlager Morsleben tauchen nirgendwo auf. Bezahlt aber werden muss das. Raten wir mal, von wem? (Die Sicherheitsrisiken waren von Anfang an bekannt. Frau Merkel, damals Umweltministerin, hat die Sache – wider besseres Wissen – genehmigt.

16. 08. 2008

„Warum Flucht aus der Politik? Gedanken zur deutschen Parteienkrise.“

Hier einige Auszüge aus diesem Beitrag der WELT am SONNTAG:

„Nun ist zweifellos die Zugehörigkeit zu einer Partei kein zverlässiger Gradmesser des poliitischen Interesses, zumal man niemals mit ansehnlichen Zahlen aufwarten konnte. Aber wohl keinem entgeht in der täglichen Erfahrung, dass heute viele Menschen vor der Politik fliehen, und dies nicht nur in der Form einer milden oder müden Abwehr, … sondern in der Form des deutlich ausgesprochenen Bekenntnisses, dass man mit der Politik nichts mehr zu tun haben wolle… In einem Kursus angehender Journalisten, der im vorigen Sommer in Hamburg stattfand, interessierten sich von 80 Teilnehmern nur vier für Politik, alle anderen für Feuilleton oder Sport… Auch eine Demokratie braucht Männer, die Hoffnung und Mut geben…Genau wie die Schaustellung eigener Bedeutung oft nur die Abwehr-Reaktion eines geminderten Selbstbewusstseins ist, sind die starken Verdammungen der Politik oftmals nur verkleidete Aufschreie eines unbefriedigten politischen Lebenswillen.“

Gelesen habe ich diese Zeilen im August dieses Jahres (2008) Veröffentlicht wurden sie in der ersten Ausgabe der WELT am SONNTAG am 1. August 1948, also vor 60 Jahren.

Den wichtigsten Gedanken dieses Artikels habe ich hervorgehoben: „Auch eine Demokratie braucht Männer, die Hoffnung und Mut geben.“ Ich füge hinzu: Auch Frauen, die Hoffnung und Mut geben.

Genau an diesen Männern und Frauen fehlt es. Wohin ich sehe: Parteibuchhalter, Parteisoldaten, Kurzsichtige, Kurzatmige, die nur in Wahlperioden denken können. Funktionäre, die vorgeben Visionen zu haben. Wir brauchen keine Visionen. Wir brauchen Ziele, wir haben Aufgaben zu lösen. Wir müssen arbeiten und nicht palavern.

Merkwürdig. Was vor 60 Jahren geschrieben wurde, gilt noch heute. Steht die Zeit still?


21. 08. 2008

Ich hab da mal ein paar Fragen:

Was haben die USA in Georgien zu suchen?

Weshalb soll /will Georgien in die NATO
(North Atlantic Treaty Organisation)?
Georgien liegt nicht am Atlantik.

Warum spielen alle verrückt, weil Russland
Selbstbewusstsein zeigt?

Russland ist nicht die Sowjetunion. Warum
haben viele erwartet, dass sich Russland ein für
allemal ducken würde vor der vermeintlichen
Supermacht USA?

Warum hackt alle Welt jetzt auf Russland
herum? Das Land benimmt sich nicht anders
als die USA. Das ist nicht gut. Aber das gilt
für beide.

Wenn „die Russen“ sich überall bei uns ein-
kaufen, was ist so schlimm daran, was ist so
neu?

„Die Amerikaner“ machen das seit eh und je.
Darüber hat sich niemand aufgeregt.

Jahrhunderte lang hat Europa die Welt erobert.
Nun erobert die Welt Europa. Das muss uns
Europäern nicht gefallen. Aber es ist der Lauf der
Welt. Den werden wir nicht aufhalten.

Dass „die Polen“ „die Russen“ fürchten, ist zu
verstehen. Dass „die Polen“ „die Deutschen“
fürchten, ebenfalls. Aber nun stürzt sich alles
auf „die Russen“. Hysterie oder was?

Wenn doch die Politiker ihre Schulaufgaben
machen würden! Warum benehmen sie sich
wie im Mittelalter? Warum begreifen sie nicht,
dass nur Zusammenarbeit unsere Welt in
Ordnung bringen wird?

Warum geht es immer noch um:
„Papa, der hat mich mit Matsch beworfen.“
„Dann hau ihm eins auf die Fresse!“

Ist das alles, was wir können?


25. 08. 2008

Die Sprache bringt es an den Tag

Basteln. „Jetzt stehen wir vor der schwierigen Aufgabe, eine Regierungsmehrheit zu basteln.“ So Frau Andrea Ypsilanti im STERN-Gespräch in der Ausgabe 35 vom 21. 08. 2008.

Basteln. „Peters Bastelstunde“ war vor vielen Jahren, es ist schon Jahrzehnte her, eine intelligente, amüsante und deshalb hörenswerte Rundfunksendung von Peter Frankenfeld. Das hörte sich an wie auf die leichte Schulter genommen, war aber ernst gemeint.

Basteln. Das ist irgendwie etwas Kindliches. Da setzt man irgendetwas zusammen, fummelt rum, bis man ein Ergebnis hat. Und nun meint Frau Ypsilanti, sie müsse eine Regierung basteln. Kinderspiel also. Viel Vergnügen!

Viel Freude dürfte diese Bastelei nicht machen. Übrigens basteln auch andere Politiker an allem möglichen herum, was bedeutet, dass Politiker uns nicht ernst nehmen. Das ist keine ganz neue Erkenntnis.

Nicht entfernt so wichtig, aber doch erwähnenswert, ist die „Erweiterung des Branchenfokusses“ (Dominik Weikl in der Getränkeindustrie, Ausgabe August/September 2008. Was ist ein Branchenfokus, ein erweiterter Branchenfokus? Vermutlich wird diese Frage ohne Antwort bleiben. Dennoch bleibt diese Frage berechtigt.

Aufgeplustert. Dem Volk aufs Maul zu schauen und so zu sprechen und zu schreiben, dass es das Volk versteht, war den Oberen schon immer zuwider. Dumm ist nur, dass sich auch die geringsten Beamten offenbar zur Schicht der Oberen zählen und sich darin gefallen, sich genau so umständlich auszudrücken.

Beispiel aus einem Bericht des Hamburger Abendblatts vom 12./13. Juli 2008 „Sie wollten heiraten…“:

„Das postalische Übergabeverfahren aus Flensburg hat nicht geklappt“, erklärt ein Behördensprecher. Gemeint ist: Der Brief aus Flensburg ist nicht angekommen.

Wenn mein Briefträger meine Post in meinen Briefkasten wirft, ist das ein postali-sches Übergabeverfahren? Oder kommt es zum postalischen Übergabeverfahren erst, wenn ich die Post aus meinem Briefkasten nehme? Aber das muss vielleicht schon als postalisches Übernahmeverfahren bezeichnet werden. So wird es vermutlich sein.


10. 09. 2008

Seit vorgestern Abend sind wir zurück aus Frankreich, zurück von unserer Feier des 50sten Hochzeitstags in Pesmes. Das war seit März geplant. Alle waren dafür, diesen Tag in Frankreich zu feiern., und zum Schluss waren alle begeistert.

So viel ist seit dem 28. August passiert, unserer Fahrt nach Troisdorf, dann weiter nach Pesmes, nach Avèze, wieder nach Pesmes, nach Bad Windsheim, dass alles nur flüchtig und ungenau notiert werden kann. Erst später wird alles in Ruhe zu erzählen sein.

Der Empfang in Pesmes war herzlich, wie immer. Das Hochzeitsmenü berwältigend, besonders das Omelette Norwegien. Mathias’ Mädchen hatten ihren Spaß mit und im L’Ognon, auch Mathias selbst.

Avèze und die Cevennen hätten nicht sein müssen, waren aber trotzdem schön. Das Museum in Le Vigan, die Menschen, die wir gesehen und gesprochen haben, die kleinen Enttäuschungen und die etwas größeren Freuden, kleine Katzen und ein Gewitter in Avèze wie keins zuvor, geschlossene Restaurants und das „L’Agora“, das in einem 10-Häuserdorf viele berühmte Restaurants in den Schatten stellt. Tausend Kleinigkeiten gibt es zu berichten bis hin zum Unwetter südlich von Lyon.
Da saßen wir in der Falle. Drei Stunden, so wie vor Jahren bei Aigues Mortes und Ales. Kein Ausweg, überall versperrten Flüsse die Straßen, überall machten Erdrutsche die Weiterfahrt unmöglich, die Felder unter Wasser und verwüstet, Steinlawinen auf den Straßen, verzweifelte Menschen überall. nicht zuletzt die Menschen, die dort wohnen. „Frankreich Scheiße“ und „Frankreich ist Scheiße“ – das haben die Einheimischen auch so gesehen - wahrscheinlich.

Und zu Hause? Silly ist gesund und munter. Das Haus steht. Die Nachbarn haben aufgepasst. Jaguar und Land Rover stellen Ansprüche, zeigen sich aber geduldig.
Herbert Fipke hat seine Übersetzung pünktlich geliefert. Vito Mandurino wurde wie versprochen, nein, zwei Tage früher, versorgt. Aloysius Saptel wird seinen Text spätestens am Freitag erhalten – alles geht wieder seinen gewohnten Gang.

Anderthalb Wochen kein Fernsehen und keine Zeitung und doch nichts versäumt. Deshalb werde ich die FAZ wieder abbestellen. Wir sehen, hören und lesen so viel, dass uns schlecht wird; verdauen können wir es nicht, nur herunterschlucken. Aber dann liegt es uns auf dem Magen.

Abends dann, am 10. 09. 08, in ARTE „Moliere“ gesehen. Gestern, nicht gesehen: Shakepeare. Serie „Die größten Dramatiker der Welt“ oder so. Heute: Der eingebildete Kranke, Tartuffe usw. „Je mehr wir einen Menschen lieben, desto weniger sollten wir ihm schmeicheln.“ „Irrtümer, die im Blutbad enden und Irrtümer, die in Lächerlichkeit enden.“

Wie zu sehen ist: alles durcheinander. Nach Moliere Schiller und dann Goethe. Der nächste ist Ibsen. Eine sehenswerte Serie.

13. 09. 2008

Nachmittags bei Heike zu Kaffee und Kuchen. Buchweizenkuchen nach einem Rezept aus Gufidaun. Herrlich! Über láuter Kleinigkeiten gesprochen, auch über für Heike Wichtiges: die neue Wohnung in der Rahlstedter Straße 112A. Heike hatte schon einige Bücher für mich herausgesucht, ich habe weitere beiseite gelegt und werde in der nächsten Zeit alle abholen. Heute haben wir das erste Fahrrad von Mathias abgeholt, auf dem so gut wie alle Gudelius-Jungen das Radfahren gelernt haben. Ob Mathias es haben will, oder Christian? Oder geht es auf den Sperrmüll?
Auf jeden Fall will ich es fotografieren. Dann kann es seinen Weg gehen.

Und jetzt schon wieder zum Schindluder, das mit unserer Sprache getrieben wird.
Herr Schreiber, Wochenendkolumnist „Ich sag’ mal“ des Hamburger Abendblatts, hat sich neulich über die Unsitte verbreitet, Kleinigkeiten aufzublasen, um so mit möglichst unverständlichen Wörtern an Bedeutung zu gewinnen.

Diese Sucht ist weit verbreitet, wie das Hamburger Abendblatt von 4. September auf Seite 27 notiert. Unter dem Titel „Erste Interessenten für Motorenbauer Thielert“ wird der Insolvenzverwalter Bruno Kühler so zitiert: „… gebe es ‚mehrere indikative Kaufpreisangebote namhafter Investoren’. Aha!

Die Suche nach dem Attribut, dem Beiwort „indikativ“ bleibt erfolglos. Es gibt dieses Wort einfach nicht. Indikativ ist in den Wörterbüchern verzeichnet als Substantiv, als Hauptwort. In der deutschen Grammatik bedeutet es Wirklichkeitsform.

Da dämmert es. Herr Kühler meint ernst zu nehmende Angebote. Das klingt natürlich nicht so geheimnisvoll, nicht so dramatisch. Der Pfau Kühler schlägt ein großes Rad und kackt doch nur kleine Korinthen. Müssen wir uns an diese Hochstapelei gewöhnen? Nein!


14. 09. 2008

Preisrätsel

Von Montag, 15. bis Samstag 20. September 2008 bietet ALDI als Sonderangebot
ein Kilo Bananen für sage und schreibe 59 cent. (Handelsklasse 1, Ursprungsland:
Mittelamerika.

Ein mir bekanntes, Gott sei Dank nicht verwandtes, durchaus wohlhabendes Ehepaar nennt ALDI die Quelle seines Reichtums. Das ist bei 59 Cent für ein Kilo Bananen einleuchtend. Fragt sich nur, für wen ÄLDI die Quelle der Armut ist.

Ich bin kein Südfrüchteimporteur. Ich habe auch keine Containerschiffe, keine Lastwagen, keine Lagerhallen. Ich bin weder Groß- noch Einzelhändler. Aber ich habe ein gewisses Vorstellungsvermögen. Das allerdings scheitert an diesen 59 Cent.

Banane wachsen nicht im Urwald, sonder in Plantagen. Diese Plantagen machen Arbeit. Von dieser Arbeit müssen die Plantagenbesitzer und die Plantagenarbeiter leben. Wieviel Cent bekommen sie? Drei, vier, fünf oder vielleicht sogar 10 Cent pro Kilo?

Dann müssen die Bananen verpackt und auf Lastwagen verladen werden. Das kostet Geld. Die Lastwagen müssen zu einem Hafen fahren. Dort kommen die Bananen in Container, die auf ein Schiff geladen werden. Nach der Fahrt über den Atlantik werden die Container ausgeladen und dann per Lastwagen zu den großen Händlern wie ALDI gebracht. Die verteilen die Bananen dann wieder mit Lastwagen an ihre Filialen.

Sollten die Plantagenbesitzer wirklich 10 Cent für ein Kilo Bananen bekommen, bleiben für die folgenden Schritte nur noch 49 Cent. Wer erhält davon wie viel?
Und wer kann von dem, was er erhält, leben?

Bestimmt gibt es kluge Leute, die mir sagen können, wie das funktioniert. Ob die sich mal bei mir melden?

Ach ja, nur zum Vergleich: Kernlose Weintrauben aus Griechenland/Spanien bietet ALDI für 1,58 € das Kilo an. Jetzt fehlt es nur noch, dass mir jemand sagt, ich solle nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Mache ich doch nicht. Ich frage nur, wie man im „Herkunftsland Mittelamerika“ von 59 Cent je Kilo Bananen leben kann.

PS: Weil ich nun mal nicht lassen kann. Mittelamerika ist kein Herkunftsland, sondern eine Region, ein Gebiet, das sich verschiedene Länder teilen. In welchem Land die Arbeiter in den Bananenplantagen für so gut wie nichts arbeiten, wird nicht verraten.

15. 09. 2008

Schnell mal so hingekliert. Tagebuchnotizen sind keine Aufsätze, keine Essays und schon gar nicht Literatur. Da ist manches einfach hingeschmiert, hingekliert, so zum Beispiel dies:

Vor einiger Zeit im Fernsehen von Kurt Gerron erfahren, Regisseur, Schauspieler, Sänger, Jude. 1897 – 1944. IM KZ Westerbrook, wo auch Camilla Spira war, die über ihn in der Fernsehsendung berichtete. Im KZ Theresienstadtt. Hat dort das Kabarett „Karussell“ gegründet und betrieben, in der Hoffnung, dadurch mit dem Leben davon zu kommen. Wurde in Auschwitz ermordet. – Was hat Kurt Gerron gesagt? „Man kommt noch früh genug zu spät.“ Und: „Seele? Eine Frau hat doch noch andere Körperteile.“ Sehr Macho, nicht wahr? Aber so war das damals, und witzig ist es noch heute.

Ich vermisse das Fernsehen immer weniger, aber gestern bin ich wieder rückfällig geworden und habe mir einen „Tatort“ angesehen. War hoch gelobt, spielte im Saarland in einem Steinkohlebergwerk. War schon anders als die meisten „Tatorte“, trotzdem: Zeitverschwendung. Ich kenne die Krimiabläufe wirklich zur Genüge und muss mir das nicht mehr ansehen, auch wenn die Kritik sich vor Begeisterung überschlägt.

Heute Nacht habe ich mir spaßeshalber eine meiner Omegas ans rechte Handgelenk geschnallt. Sie lag wie die andere Omega auch, seit Jahren herum, da sie den Dienst versagte. Jetzt auf einmal geht sie. Ich liebe sie, weil sie ohne Batterie und ohne, dass ich sie aufziehen muss, geht – wenn sie geht. Jetzt zeigt sie gerade 19.41, genau die Zeit, die auch mein Computer nennt. Na also.

Heute die Goldhochzeitsfotos an Mathias geschickt – per Einschreiben. Einwurfeinschreiben. Ich nenne das gern, wenn es die Entfernung rechtfertigt: Weitwurfeinschreiben. Die Quickborner Postler können damit leben.

Was sonst noch war? Bei Staples in der Papenreye 2.500 Blatt Papier gekauft für mein papierloses Computerbüro. Bei Metro zwei Beutel Saftapfelsinen gekauft. Genau geprüft. Und zu Hause: Da war doch schon eine verdorben.

Doris Iderhoff von der SEB hatte zwei Termine durcheinander gebracht. Nun sprechen wir sie am kommenden Donnerstag. Kein Drama. Sie will ja etwas von uns und nicht wir von ihr.

Dr. Wendeborn hat sich nicht gemeldet. Aber Frau von Fintel meinte, dass das Finanzamt Elmshorn nicht pleite sei. Ich hatte mich danach erkundigt, weil das Finanzamt auf die Steuerklärung vom 27. 06. 08 für 2007 noch nicht reagiert hat. Wie bekommen da – hoffentlich – 3.000,00 € zurück.

Du lieber Himmel! Was man so alles über ein paar Stunden schreiben kann. Wie gut, dass mein Tagebuch so große Lücken aufweist.

Noch mal kurz zum Fernsehen. Ganz ohne kann ich es doch nicht. Da läuft seit kurzem in ARTE die Serie „Die größten Dramatiker“ oder so. Die erste Sendung – Shakespeare – habe ich verpasst. Dann Moliere, Schiller, Goethe, heute Abend Ibsen. Die Filme sind lebendig, manchmal etwas befremdlich, für mich aber sehenswert. Das, was mir meine wirre und 1949 abgebrochene, beendete Schulzeit nicht brachte, hole ich jetzt nach – in Kurzform, sozusagen in kultureller Stenografie. Aber das ist mehr als nichts.

16. 09. 2008

Gestern war Ibsen, heute wird Tschechow sein. So allmählich lerne ich alle bedeutenden Dramatiker Europas kennen, natürlich nur flüchtig, so wie es das Fernsehen kann.

Ibsen wird als der Psychologe unter den Dramatikern vorgestellt. (Schiller als der Revolutionär, Goethe als das Universalgenie und die Verkörperung der schwierigen deutschen Seele.)

27 Jahre hat der Norweger Ibsen in Italien gelebt, brauchte anscheinend den Abstand zu Norwegen, um seine Heimat zu erkennen und zu beschreiben, zu dramatisieren.

Die beginnende Industialisierung Norwegens, die dadurch verursachten sozialen und Umweltprobleme haben ihn beschäftigt, und er hat sie in seinen Stücken verarbeitet.

„Peer Gynt“: Lug und Trug der bürgerlichen Gesellschaft – Selbstbetrug. „Der Volksfeind“: Wasser wird verseucht. Ein Umweltdrama vor über 100 Jahren!

„Gespenster“ („Die müssen sterben, ohne je gelebt zu haben. Zum Glück merken sie es nicht.“)

Nora oder ein Puppenheim. Ibsen, der Emanzipator. Kämpft für die Rechte der Frauen, die sie damals und weitere Jahrzehnte lang nicht hatten.

Da allerdings ertappe ich ihn. Er bläst in seinen Emanzenstücken tüchtig die Backen auf, aber privat ist er ein Macho. Na ja: Psychologe. Einer, der von allem und allen etwas versteht, nur von sich selbst nicht. Psycho – der Schrecken der Menschheit.
Aber Ibsen schreibt sich alles von der Seele.

„Hedda Gabler“ wurde noch erwähnt, „Die Wildente“ und irgend so ein Baumeister. ich kann mir nicht alles merken.

Auf unser „Hochzeitsreise“ haben wir die verschiedensten Menschen kennengelernt, genauer: wir sind ihnen begegnet. Bei aller Flüchtigkeit kommt man ins Grübeln. Mehr darüber morgen oder übermorgen…


21. 09. 2008

Ja, die Menschen, denen wir auf unserer „Hochzeitsreise“ begegneten. In Pesmes: Das Ehepaar aus Freiburg. Beide so um die Ende 40, Anfang 50. Er an die zwei Meter, sie viel kleiner. Großes SUV, darin zwei Fahrräder. SUV wird nur für Ferienfahrten benutzt, in Freiburg zu Fuß und mit dem Fahrrad unterwegs. Sie: Lehrerin. Deshalb mussten sie nach Hause, wir konnten weiter nach Avèze.

Ein altes Ehepaar, Franzosen, mit schwarzem, kleinem, dickem Hund. Sahen wir bei unserer Ankunft und dann noch einmal auf unserer Rückfahrt. Ein englisches Paar mit einem Jaguar SS (Nachbau), wie aus dem Ei gepellt. Koffer auf’s Heck geschnallt.

In Avèze der Dreiviertelengländer. Kernig, bullig, mit einem Motorrad unterwegs zu einem Freund irgendwo noch südlicher als Avèze. Sein Vater ein Engländer. Seine Mutter eine Französin aus der Normandie. Er war schon „überall“: in Südafrika, in den USA, na eben überall. Trank abends im Garten eine Flasche Rotwein,, vorher zwei Glas Bier und hinterher einen nicht zu kleinen Cognac oder so. Offensichtlich hatte der Alkohol keine Wirkung auf ihn.

Ein Ehepaar aus Heidelberg. Kannten Leimen gut und die Verhältnisse dort, z.B. Boris Becker etc. Waren auf dem Weg zum Bruder, der in der Gegend südlich von Avèze ein Haus hat. Dort wollen sie – wie jedes Jahr – drei Wochen Urlaub machen.
Waren nur zum Abendessen da.

Ein Ehepaar aus Paris. Etepetete. Und andere. Du siehst sie. Du machst dir deine Gedanken: Wer sind sie? Wie sind sie? Woher kommen sie? Wohin wollen sie? Wie findest du sie? Augenblicke – und schon ist alles vorbei.

Natürlich begegnest du auch noch anderen Menschen. Dem netten dicken Mädchen im Empfang des Musée … in Le Vigan. Der kleinen verhuschten Besitzerin der Epicerie von Avèze, die nicht so richtig mit der Kasse umgehen kann. Der Barbesitzer, der mit Mühe nachmittags um halb vier in Bewegung kommt. Die beiden Fettwänste, die sich (jeden Tag?) vor der Bar treffen und die Lokalgeschichte durchkauen. Der Hund des einen darf unter dem Tisch liegen, der des anderen ist am Gitter zur Treppe angeleint und möchte auch dabei sein.

Der eine Dickwanst stellt sich eines Tages als „Lehrer“ vor, als „Schriftenzeichner“. War auch schon mal in Deutschland., in Düsseldorf oder so. Er sei fertig mit dem Leben. Macht alles keinen Sinn. Das ist aber wohl nur Koketterie, denn er strahlt unübersehbar großes Behagen aus.

Na und dann das Wirtsehepaar von „Cocagne“. Sie ist der Küchenchef, er der Maître de Plaisir. Sie kocht gut, er ist eher ein Prahlhans. Haben vor drei Jahren das Cocagne übernommen. Sie führen es fast unverändert. Vielleicht nicht ganz so gut wie ihre Vorgänger. Aber da kann ich mich auch irren.

Zurück in die Zukunft. Besuch heute des Ellerauer Heimatmuseums. Gesehen, wie mühselig und anstrengend das Leben früher war. Manches davon selbst erlebt: Waschen in der Waschschüssel. Kartoffeln racken. Garben binden. Kartoffelmehl machen. Strümpfe stopfen usw. usw. Der Waschtag. Erst die Kochwäsche, dann die Buntwäsche. Trocknen, mangeln usw. usw.

Heute haben wir es besser, finden wir. Was uns damals schwer von der Hand ging,
nehmen uns heute Maschinen ab. Aber arbeiten wir deshalb weniger? Nein, nur anders. Denn für die Maschinen müssen wir arbeiten, bevor sie für uns arbeiten. Wir müssen sie kaufen.

Wenn wir genau hinsehen, sind wir abhängiger geworden, weniger selbständig. Unselbständig also, hilflos im Falle eines Falles. Wenn heute der Strom ausfällt, bricht alles zusammen. Der Kühlschrank kühlt nicht. Die Ladenkasse rechnet nicht. Die Tür zum Supermarkt öffnet sich nicht; niemand kann hinein und niemand hinaus. Die Banken überweisen kein Geld. Die Tanksäulen geben keinen Kraftstoff. Alles steht still.

Wenn vor 60 Jahren Stromsperre war, und das gab es so gut wie jeden Tag gleich nach dem Krieg, dann konnten wir trotzdem kochen und heizen und Wäsche waschen und uns sowieso (kalt). Wir waren unabhängiger. Wir hingen nicht am Tropf. Wir lebten näher an den natürlichen Gegebenheiten.

Darüber nachzudenken lohnt sich. Wie werden wir wieder unabhängiger? Nein, nicht zurück in die Vergangenheit. Aber hinein in die Zukunft. Wie steht es mit Energie aus Wind, Sonne und Erde?

22. 09. 2008

Schon gevotet heute?

Nein? Dann wird es aber höchste Zeit. Sie wissen nicht, was ich meine? Dann will ich es Ihnen erklären. Ich will es jedenfalls versuchen.

Also: Mit dem voten ist es so ähnlich wie mit den Boxkampfrecords im Zweiten Deutschen Fernsehen. Da werden ja eingangs immer die beiden Boxer vorgestellt. Dazu gehört auch ein Überblick über ihre bisherigen Boxkämpfe – gewonnen, verloren, unentschieden. Wenn wir das zusammenfassen, ist das eine Bilanz, aber kein record. Und schon gar nicht ein Rekord, auch wenn es die ZDF-Kommenta-toren so aussprechen. Wie wir sehen, ist es mit dem Übersetzen so eine Sache, keine ganz einfache offensichtlich.

Mit dem voten ist es ähnlich. Der Unterschied: Hier wird etwas nicht falsch übersetzt, hier wird aus Faulheit ein englisches Wort in ein nicht passendes deutsches Korsett gepresst. Dem Geck, der am 21. September in ARTE die Ergebnisse der Abstimmung über den größten Dramatiker zum besten gab – diesem Geck lief der Mund über: „Sie haben gevotet.“ „Bevor wir zum Voting kommen.“ Es wurde gevotet bis zum-geht-nicht-mehr.

Was wurde wirklich gemacht? Es wurde abgestimmt. Es wurde gesagt, welcher Dramatiker der beste und welcher – na ja, nicht der schlechteste war. 50 Dramatiker standen zur Wahl. 10 kamen in die Endauswahl. Shakespeare an erster Stelle, Schiller an zweiter. Oder war es Moliere?

Ich fand diese abschließende Sendung albern, ganz einfach albern. Lasst mir das Vergnügen an „meinem“ Dramatiker, und sei er auch in eurem Voting der schlechteste!

Ach ja, am nächsten Sonntag, dem 28. September, können die Bayern voten. Mal sehen, was aus ihrem Voting herauskommt.

PS: Als wenn es nicht genug wäre mit dem voten; es geht noch besser! Auf einer Internetseite können wir „diesen Dienst bookmarken bei…“. Bookmarken? Was ist denn das? Ist vielleicht buchen gemeint, bestellen? Was auch immer: Ich habe nichts gebucht, nichts bestellt, nicht gebookmarkt.

22. 09. 2008

Gelernt ist gelernt

Ich lese in letzter Zeit immer wieder, dass irgendwelche Leute „gelernt“ sind: Ein gelernter Ingenieur zum Beispiel. Gibt es auch ungelernte Ingenieure? Eine gelernte
Rechtsanwältin, eine gelernte Sozialpädagogin. Und die ungelernten Damen und Herren? Gelernt, gelernt, gelernt.

Ich habe das Gefühl, dass wir es hier wieder einmal mit der sogenannen „political correctness“ zu tun haben. In Lutherdeutsch: mit vollgeschissenen Hosen.

Selbst wenn feststeht, dass jemand jemanden umgebracht hat, schreiben die Gazetten von einem mutmaßlichen Verbrecher; denn er ist ja noch nicht von einem Gericht verurteilt worden.

Woher kommt die Angst? Haben wir zu viele Anwälte, die ihr Auskommen, ihr Einkommen suchen – um jeden Preis? Sind wir ein Volk von Streithanselen geworden? Haben wir einfach nicht mehr den Mumm, unsere Meinung selbst zu vertreten?

Ich habe meine Fragen noch nicht beantwortet. Damit habe ich mich sicherlich nicht „political correct“ verhalten.

23. 09. 2008

Von den Toren einer Stadt

Es war einmal ein Dorf, das unbedingt eine Stadt werden wollte. Natürlich wollte das nicht jeder in diesem Dorf, aber die, die das Sagen hatten, die wollten es. Und so kam es, dass gegen Ende des letzten Jahrtausends das Dorf zur Stadt erhoben wurde.

So richtig erhebend fanden das beileibe nicht alle. Aber die, die das Sagen hatten, fanden sich offenbar in bislang unbekannte, wenn auch erwünschte Höhen empor-gehoben.

Selbst auf niedrigem Niveau nennen wir das heute Höhenflug. Schwindlig ist dabei allem Anschein nach niemand geworden, was für einen robusten Charakter derer spricht, die das Sagen hatten.

So kam, was kommen musste: Ein Irrtum, ein Unsinn, ein Irrsinn folgte dem anderen. Es gab kein Halten mehr.

Nur das, was für Zukunft gehalten wurde, galt. Dass jede Zukunft auch eine Vergangenheit hat, auf der sie aufbauen kann, wurde nicht erkannt. Da fiel es leicht,
das Alte abzureißen, ohne sich Gedanken über das Neue zu machen.

So hat diese Stadt, die eigentlich keine ist – auch wenn es auf den Straßenschildern steht - ihre Zukunft verspielt. Straßenschilder weisen auf ein Centrum hin. Aber da ist keins. Von einer City ist die Rede. Aber da ist keine City. Von der so heftig herbei geredeten Flaniermeile kann nicht die Rede sein.
Größenwahn? So soll das nicht genannt werden. Aber wie anders? Also doch Größenwahn? Ja, genau so, genau das.

Von Toren ist da die Rede in dieser Stadt, die sich bemüht, eine Stadt zu werden.
Stadttore sind gemeint – etwa so wie vor ein paar hundert Jahren. Wirklich: Vier Meter fünfzig hoch sollen sie sein, damit die Lastwagen hindurch passen. Und sie – die Tore – sollen auf Schrifttafeln willkommen heißen.

Nun hat auch eine Stadt, die keine ist, sondern ein Dorf, Wege, die an den Toren vorbei führen.

Was bedeutet das? Ganz einfach: Wir gehen an den Toren vorbei.

Vielleicht merken es die Toren der Stadt, die keine ist Viel Hoffnung gibt es nicht.


24. 09. 2008

Oral History - nichts als ein schöner Selbstbetrug?

Nein, von Betrug soll nicht die Rede sein. Von Irrtümern aber ja, von Vergesslichkeit und von dem unwiderstehlichen Drang, sich selbst in gutes, wenn nicht sogar in das beste Licht zu setzen.

Da lief vor einiger Zeit im Fernsehen „Die Flucht“. Es ging um die Flucht der Gräfin
Dönhoff mit ihrem Gesinde, den Quittainern Gutsleuten, im Januar 1945 nach Westen, auf der Flucht vor der Roten Armee.

Die Darstellung der Gräfin Dönhoff durch Maria Furtwängler war, mit Verlaub gesagt, eine Katastrophe. Nur Schönheit, schön anzusehen, herrschaftliches Gehabe auf einem stolzen Ross, sonst nichts.

Schlimm genug. Aber es kommt noch schlimmer, wie Paul Stauffer am 24. 09. 08 in der FAZ schreibt (Seite 7): „Preußens große Soloreiterin“.

Da schreibt die Gräfin am 1. November 1944 an den Königsberger Universitäts-professor Walter F. Otto, dass sie die Eroberung Ostpreußens durch die Sowjets für unabwendbar halte und die Möglichkeit eines geregelten kollektiven Abzugs für illusorisch. Sie beabsichtige, sich „mit dem Reitpferd zu verselbständigen und allmählich nach Westen zu reiten“. Das hat sie dann auch getan, ohne ihr Gesinde, ohne die Quittainer.

Auf dem unmittelbar benachbarten Dohnanischen Gut Schlobitten war es anders. „Weit über dreihundert Schlobittern gelang das von Marion Dönhoff von vornherein für aussichtslos Gehaltene: Unter Führung des Gutsherrn kam ihr Treck im März 1945 in Nidersachsen an.

Marion Gräfin Dönhoff hat uns nicht belügen wollen. Ihre Erinnerung hat das, was geschehen ist, schön gefärbt, geschminkt. Sie hat das erzählt, was sie erleben wollte, was sie gern getan hätte. Das hat sie dann mit der Wirklichkeit verwechselt.

Glaube niemandem aufs Wort. Nicht, weil er vielleicht lügt, sondern weil er sich irren könnte. Suche Beweise. Nicht weil du misstraust, sondern weil du die Wahrheit herausfinden willst.

Finde dich damit ab, dass die Wahrheit oft auf schwachen Füßen steht, ein bisschen wacklig.

Das Schlimmste zum Schluss: Traue auch deinen eigenen Augen nicht. Was hast du bei dem Autounfall neulich gesehen? Wahrscheinlich etwas anderes als die anderen.

Wie trügerisch die Erinnerung ist, zeigt auch „Alles spricht für Olivacci“ von Thomas Medicus, Enkel des Generalmajors der Wehrmacht Wilhelm Crisolli. (FAZ Nr. 219, 18. September 2008, Seite 44.)

Dass Generalmajor Wilhelm Crisolli bei einem Partisanenüberfall im Apennin im September 1944starb, dürfte außer Frage stehen. Die Berichte, wo und wie es genau geschah, sind sehr widersprüchlich. Jedenfalls stimmen sie nicht überein. Die Erinnerungen von Partisanen, von anderen Zeitzeugen und Eintragungen in den Kriegstagebüchern der Wehrmacht unterscheiden sich deutlich. Jede Quelle nimmt die Wahrheit für sich in Anspruch.

Nein, von Lügen, von Schönfärben und sich ins rechte Licht setzen soll hier nicht die Rede sein. Auf unser Gedächtnis ist kein Verlass. Das ist der Punkt. Nicht wir spielen anderen einen Streich, sondern unser Gedächtnis führt uns an der Nase herum.

Das bedeutet: Wer sich in der Vergangenheit – der eigenen oder der anderer – umsieht, muss nach Beweisen suchen. Dokumente, Berichte anderer Zeitzeugen, was immer er in die Hände bekommt.


27. 09. 2008

Heute ist der hundertste Geburtstag meiner Mutter. Nur vierzehn Jahre war sie – glücklich – verheiratet, davon hat der Krieg ihr und meinem Vater vier Jahre gestohlen. Ich habe am 30. August in Frankreich meinen, unseren 50sten Hochzeitstag gefeiert. Ungerechter kann es nicht zugehen. Trauer und Freude mischen sich.

Schon wieder Sprachprobleme oder Verständnisschwierigkeiten? Klar. Was heißt „entschleunigen“? Etwas langsamer machen, nicht ganz so forsch vorgehen? Mal eine Stufe runterschalten? Nichts so heiß essen, wie es gekocht wird? Beschleunigen setzt beim Autofahren „Gas geben“ voraus. Entschleunigen logischerweise „Gas weg nehmen“. Das wäre es wohl. Oder?

Seit es die neue Weltwirtschaftskrise gibt, ist von Realwirtschaft die Rede. Das Wort kam bis vor kurzem nicht vor. Inzwischen soll die Krise auch andere Wirtschaftsbereiche erreicht haben, zum Beispiel die – ja, wahrscheinlich, die Irrealwirtschaft. Das dürfte, wenigstens auf den ersten Blick, zutreffen.

03. 10. 2008

Keine Zeitung für Doofe.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung stellt Ansprüche an ihre Leser. Volksschul- oder Mittelschulabschluss reichen nicht zum Verständnis des Gedruckten. Das Neusprachliche Gymnasium hätte da auch noch Schwierigkeiten. Nur „die Griechen und Lateiner“ könnten sich Chancen ausrechnen. (Mit Rücksicht auf sein Alter nennt der Autor die alten Schulbezeichnungen und vermeidet die neuen, verwirrenden Begriffe wie Hauptschule, Regionalschule, Gesamtschule und weiß der Himmel was sonst noch.)

Manchmal geht die FAZ in ihrer Neigung zum Elitären zu weit, so gedruckt am 4. September 2008 in der Nr. 207 auf Seite 37: Gamardschobad – Eine Soziologie Georgiens“. Der Autor: Tilman Allert, Jahrgang 1947, Professor der Soziologie und Sozialpsychologie an der Goethe-Univesität in Frankfurt am Main.

Vorweg sei gesagt, dass das, was Tilman Allert denkt und schreibt, den Kern der Sache trifft. Abendländische Kultur lässt sich nicht (mehr) auf anderen Lebensweisen übertragen – es sei denn mit Gewalt, wie Europa es einige Jahrhunderte gemacht hat.

Hier auszugsweise einige der Hürden, die Tilman Allert für die FAZ-Leser aufgebaut hat:

Voluntarismus = hier grundsätzliche Einstellung? – Eklatant = klar, offenkundig. – Transzendieren = übertragen. – Infrastrukturell = ? – Subsistenzwirtschaft = Wirtschaft, in der jeder auf sich selbst angewiesen ist? – Rezeption = Übernahme – Institutionstransfer = Übertragung fremder staatlicher Einrichtungen. – Differenzierung der Loyalitäten = Unterscheidung der Gruppenbeziehungen. – Zirkularität = Zusammenspiel. – Kumulative Lähmung = sich selbst verstärkende Lähmung. – Paradoxien = Widersprüchlichkeiten. – Komplement = Ergänzung. – Klientelistische Beziehungen = durch des Patron geprägte Beziehungen? – Fokussiert = konzentriert. – Endemischer Korruptionsverdacht = hier stets vorausgesetzter Korruptionsverdacht.

In den meisten Fällen ahnt man, was gemeint ist. Aber warum so ungenau? Das führt mich zu dem Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, der sagte: „…es ist falsch anzunehmen, dass es ‚perfekte Information auf den Märkten gibt’.“

Das gilt offenbar nicht nur für die Wirtschaft, sondern für alle Bereiche. Wo Genauigkeit fehlt, kommt die Phantasie ins Spiel. Und schon entsteht ein babylonisches Sprachengewirr. Missverständnisse können nicht ausbleiben (sind vorprogrammiert, heißt es heute). So entstehen Schwierigkeiten.

Es gibt aber auch eine andere Möglichkeit, Schwierigkeiten zu machen, wie George W. Bush, z.Zt. noch Mr. President of the USA, beweist. Er sagte „Demokratie“ und meinte Diktatur. er sagte „Freiheit“ und meinte Unterdrückung, er sagte „Selbstverteidigung“ und meinte Angriff.

Dieser Präsident hinterlässt sämtliche Demokratien der Welt in einem zutiefst traumatisierten Zustand.

Demokratie, Gerechtigkeit, Menschenrechte, Terrorismus… jedes (Wort) ist ein Mafia-Wort geworden, das der Menschheit gestohlen worden ist. (So der amerikanische John Berger, der auch notiert: „…und gleichzeitig ein gedankenpoli-zeiliches Überwachungssytem im Inneren etablierte, das keine Bibliothek und kein Labor auslässt.) – (Quelle: Feuilleton FAZ 04. 10. 2008, Frank Schirrmacher.)

06. 10. 2008

Der reine Irrsinn.

Die ARD brachte heute einen Film über Ostpreußen 1944/45. Es war ein erstaunlicher Film, weil er die Schicksale vieler einzelner Menschen mit dem Großen und Ganzen verknüpfte. Außerdem: Nichts Rührseliges, nur die Tatsachen rührten an.

Ganz zu Anfang wurde auch Heiligenbeil erwähnt. Heiligenbeil im Sommer 1944. Damals wohnten wir dort, untergekommen bei unserer Tante Gertie, der Frau unseres Onkels Erwin, dem Bruder meiner Mutter. Als Mitarbeiter des Reichs-luftfahrtministeriums hatte er auch mit dem Fliegerhorst in Heiligenbeil zu tun.

Im ARD-Film wurde von einem großen Fest im Sommer 1944 berichtet. Flugzeuge flogen nach Kopenhagen, um von dort Butter, Schnaps und Schallplatten mit Swing-Musik einzufliegen. Das wurde gemacht, als „die Russen“ schon kurz vor der Grenze waren. Die das feierten, wussten Bescheid. Der reine Irrsin! (Tante Gertie ist dann auch in letzter Minute, im April 1945, aus Heiligenbeil ausgeflogen worden. Beziehungen! (Ihr Langhaardackelmädchen Purzel wurde von einem Luftwaffen-offizier erschossen.)

Der Gauleiter von Ostpreußen, Koch, hatte jede Evakuierung untersagt. Er war für den Untergang, dem hunderttausende Menschen zum Opfer wurden, nur er nicht.
Er wurde nach Kriegsende in Hasenmoor, einem Dörfchen in Schleswig-Holstein, in dem er sich versteckt hatte, durch eine Ostpreussin entdeckt. Was ist aus ihm geworden?

Kleine, dumme Erkenntnis: Jeder denkt zunächst mal an sich selbst, sein Glück oder was er dafür hält. Und wenn alles den Bach runter geht, dann wird noch einmal so richtig ein Fass aufgemacht. „Nach uns die Sintflut!“

Das ist auch heute noch so – im Weltwirtschaftskrieg: Die einen rufen zum Kampf, und wenn er nicht zu gewinnen ist, machen sie sich aus dem Staub. Die anderen haben das Nachsehen und bezahlen die Zeche. Heute nicht mit ihrem Leben, aber mit ihrer Armut. Die Kochs, die heute Ackermann usw. heißen, wird man nicht erwischen. Oder doch?


17. 10. 2008, Gufidaun

Morgen hat Hildegard Geburtstag. Ich habe ihr hier zwei Gedichte geschrieben. Das eine ergab sich aus dem frühen Tod des Leo Ploner, Mann der Schnitzerin, der am Mittwoch zu Grabe getragen wurde. Das zweite will zeigen, dass der Herbst nicht nur Abschied, sondern auch insgeheim auch schon an Wiederkehren ist. Hildegard hat sich gefreut und gefragt, ob sie die Gedichte in der Gästebuch legen darf. Sie darf.


Wandel

Da liegst du, Toter,
allein in engem Gehäuse.
Still. Starr. Stumm.
Alles gesagt. Alles gelebt.
Alles erlitten.
Bald wird die Erde dich hüten.
Die Enge wird der Weite
weichen, die ins Unendliche
mündet und in die Ewigkeit.

Gufidaun, im Oktober 2008
Für Hildegard


Es kommt etwas Neues

Lautlos fallen die Blätter zu Boden,
die der Kastanie in zierlichen Spiralen.
Bedecken den Grund mit ihrem Gold,
betten das Jahr zur Ruhe.

Alles ist getan. Gesät, gereift, geerntet.
Blatt für Blatt wird Dank abgestattet
für alles, was war. Jedes Fallen zugleich
ein Gruß an das Neue, das kommt.

Noch ist es verborgen. Entwickelt sich
erst, sammelt Kraft in Ruhe. Für neues
Leben. Wartet. Lautlos fallen die Blätter.
Abschied nicht nur, auch ein Willkommen.

Gufidaun, im Oktober 2008
Für Hildegard


04. 11. 2008

Ich war in der letzten Zeit ziemlich fleißig, was man den Tagebucheintragungen nicht ablesen kann. Vom 12. bis 21.Oktober war ich in Gufidaun – Hin- und Rückreise eingerechnet. Dann war dies und das zu tun, auch ein wenig für Land Rover. So geht die Zeit dahin ohne Notizen. Nun soll nachgeholt werden, was möglich ist.

Fimanzkrise, SEB, die Blätter fallen von den Bäumen, die Abwasserleitung ist wieder mal verstopft. Mums für eine Woche auf Malta. Axels Bücher erfasst. ´Wruckensuppe gekocht. Handy-Probleme gelöst, aber nicht alle. usw.usw. usw.

Übertrag aus meine Blog „Königsklasse“:

Königsklasse
Königsklasse Nummer eins: Im Motorsport wird die Formel-1 als Königsklasse bezeichnet. So richtig zu verstehen ist das nicht. Da fahren so und so viele Autos anderthalb Stunden im Kreis, was eigentlich recht langweilig ist. Die Spannung entsteht oft ganz woanders, bei den Boxenstopps. Wenn die Jungs dort schnell genug sind, kann das den Sieg bedeuten. Mal abgesehen davon: Wenn Herr Haug, der Mercedes Rennsportleiter, sagt, natürlich würden die Motoren auch drei Rennen durchhalten, dann fragt man sich: Was geht hier vor, in welcher Welt leben die? Drei Formel-1 Rennen - das sind so ungefähr 1.000 Kilometer. Dann also ist so ein Motor am Ende? Na, prima! Normale Automotoren halten meist mehr als 100.000 Kilometer. Irgendwie scheint die "Königsklasse" an den Bettelstab gekommen zu sein. Wie spannend waren da doch die Rallye Monte Carlo, die Mille Miglia, die Rennen auf Sizilien!

Nein, nein, nein: da ist nichts schief gelaufen. Wie soll man mit der Mille Miglia Geld verdienen oder mit der Rallye Monte Carlo - von Sizilien ganz zu schweigen?! Nur mit organisierter Langeweile lässt sich Geld verdienen, so scheint es.

Königsklasse Nummer zwei: Das Investmentbanking. Da ging es wirklich rund, und zu befürchten ist: es wird weiter so gehen. Da sind unglaub-liche Gelder in Nichts aufgelöst worden, einfach so verbrannt. Die Gelder der Brandstifter waren davon allerdings nicht betroffen. Nun wird versucht, mit der Feuerpatsche den Brand zu löschen. Das wurde schon vor gut 60 Jahren versucht, erfolglos: Mit der Feuerpatsche konnte man gegen die Phosphorbrandbomben nichts ausrichten.

Königsklasse Nummer drei: Die Politik, genauer gesagt: der Hochmut und die Weltfremdheit der Politiker. Die leben offenbar in einer anderen Welt. Das heißt es zum Crash der Frau Ypsilanti unter anderem, sie habe einen guten Wahlkampf gemacht, dann aber alles falsch.

Guter Wahlkampf? Sie hat die Wähler an der Nase herumgeführt: "Niemals mit den "Linken"! Aber dann doch, als es zur Ministerpräsidentin nicht reichte. Beinahe wäre das ein guter Wahlkampf geworden. Aber irgendetwas, irgend wer, ist dazwischen gekommen. Da nützt dann auch ein guter Wahlkampf nichts.

Wie wäre es mit ein, zwei Nummern kleiner? Das mit den Königen ist sowieso längst vorbei.

06. 11. 2008

Gestern bracht die ARD im ersten Fernsehprogramm um 22.45 die Sendung “Als die Synagogen brannten”. Allein wegen der späten Stunde werden nicht allzu viele die Sendung gesehen haben, vermute ich.

Ich habe mich nach der Sendung gefragt, wann ich eigentlich das erste Mal etwas von Juden gehört habe. 1938 bestimmt nicht; denn da war ich gerade sechs Jahre alt, und meine Eltern haben sicherlich nicht mit mir darüber gesprochen.

Sie haben überhaupt nicht mit mir über Juden gesprochen. So lange der Krieg dauerte, gab es für meinen Vater kaum eine Gelegenheit dazu – von 1941 bis Ende des Krieges, bis zu seinem Tod in Graudenz Anfang März 1945 – gab es dazu kaum eine Gelegenheit. Eigentlich kann das auch gar kein Thema zwischen Vater und dem 1945 13jährigen Sohn gewesen sein. Da gab es anderes, zum Beispiel die Schule und wie man ein guter Schüler wird. Warum es wichtig ist, zu lernen. Und noch wichtiger: Als Ältester nicht nur auf die jüngeren Geschwister aufpassen – Ute und Axel –, sondern auch der Mutter eine Hilfe und Stütze sein. Der Sohn sollte so sein wie der Vater: fürsorglich für die Familie. Der Vater ging in vielem, in allem beispielshaft voran. Als es 1944 in Ostpreußen Schwierigkeiten mit der Hitlerjugend gab, weil ich nicht zu den „Pinpfen“ gegangen war, hat mein Vater mich erausgepaukt – auf einem seiner seltenen und kurzen Soldatenurlaube.

Juden? Davon wusste ich nichts. 1942, in Berlin, kam ich zum Jungvolk, wurde „Pimpf“. Da ging ich natürlich auch zu den „Heimabenden“ schräg gegenüber der Kommandantenstraße 88. Harry hieß der Jungenschaftsführer, oder was er sonst war. Lieder haben wir gesungen, die damals üblichen wie „Unsere Fahne flattert uns voran, in die Zukunft zieh’n wir Mann für Mann… die Fahne ist mehr als der Tod…“
Irgendwelche Kriegsspiele, irgendwelche große Ereignisse? Ich kann mich nicht erinnern. Ich war aber auch nur ein knappes Jahr in dieser Jungenschaft.
Haben wir in der Schule unsere Lehrer wirklich mit „Heil Hitler“ und hoch erhobenem rechen Arm begrüßt? Ich kann mich nicht erinnern. Und warum sollte ich das verdrängt haben? Es gibt keinen Grund. (Eine Schulkameradin aus Parchim sagt, so sei es gewesen. Vielleicht in Mecklenburg und nicht in Berlin-Lichterfelde-West?)

Kurz und gut: Ich hatte keine Ahnung von Juden, ihrer Verfolgung und ihrer Ausrottung. Als am ersten oder zweiten Mai 1945 viele Menschen in abgerissener blau-weiß gestreifter Kleidung durch Malchow zogen und die Höfe plünderten, hatte ich keine Ahnung, wer sie waren. Dass sie die Weckgläser mit Fleisch, Gemüse, Obst, alles was im Keller des Altenteils von Meyer zu Westerhagen lagerte – aufmachten und alles verschlangen und das, was sie nicht essen konnten, wegschütteten und ihre Notdurft in den leeren Weckgläsern hinterließen – alles das hat mich nicht interessiert. Das Einzige, was mich beschäftigte war: Warum hat uns dieser verdammte Pächter nicht etwas davon abgegeben? Wir hatten doch auch Hunger! So habe ich meine erste Begegnung mit KZ-Häftlingen gehabt, ohne es zu wissen.

Im Zusammenhang mit der Wahl von Barack Obama zum 44. US-Präsidenten wurde gefragt, warum wir Deutschen keinen so emotionalen Wahlkampf führen. Meine erste Antwort: Die Emotionen hatten wir schon, siehe Nationalsozialismus. Klar, dass wir die Sache deshalb ein bisschen tiefer hängen. Aber ist das wirklich so?

Hatten wir nicht auch einen emotionalen Wahlkampf? Willy Brandt: „Mehr Demokratie wagen!“ Hatten wir also, auch wenn es lange her ist.

Es geht ja nicht um einen emotionalen Wahlkampf, es geht um Gefühle, die „die Welt“ bewegen und um Menschen, die „die Welt bewegen“. Das trifft nur selten zusammen.

Barack Obama hat den Mut gehabt, die Sorgen aller Menschen, nicht nur die der Amerikaner, beim Namen zu nennen. Und er sagt, dass alle zusammen alle Probleme lösen können.

Nun könnte ja auch ein deutscher Politiker alles das sagen, was Barack Obama gesagt hat, oder es könnte auch Monsieur Sarcozi sagen. Aber das wäre nicht dasselbe. Deutschland und Frankreich sind zu klein. Hier zeigt sich, dass die Vereinigten Staaten von Amerika eben doch eine Weltmacht sind.

08. 11. 2008

Mal wieder ein kleines Tagebuchsammelsurium: Morgen Mittag kommt Mums aus Malta zurück. Am vergangenen Sonntag ist sie dorthin geflogen. Nach ihren wenigen (war so verabredet) und kurzen Anrufen zu urteilen, hat es ihr gut gefallen. Sie hat viel gesehen. Ich war natürlich nicht beim Chinesen zum Essen, habe keine Konserven gekauft, keine Fertiggerichte, wie ich es immer androhe. Ich bin nicht dazu gekommen, habe eine Wruckensuppe gekocht und einen Blumenkohl. Es war wie immer: Für einen Menschen allein kochen, das ist schwierig. Wo bekommt man die kleinen Mengen, die benötigt werden? Zwei Portionen Wruckensuppe habe ich eingefroren. Tüchtig gegessen habe ich auch schon. Der Rest steht im Kühlschrank und bleibt hoffentlich genießbar für noch ein oder zwei Tage. Einen Teil des Blumenkohl habe ich zu Salat verarbeitet. So hält er länger. Ach ja, den letzten Sonnabend gekauften Fisch konnte ich auch nicht auf einmal essen. Der große Rest:
Fischsalat.

Heute kam die Nachricht: Marianne Neumann ist tot, am 4. November gestorben, wenige Tage vor ihrem 67sten Geburtstag. Mums hatte sie noch kurz vor ihrer Maltareise besucht. Da war sie gerade aus dem Kaltenkirchener Krankenhaus nach Hause zurückgekehrt. Sie hatte keine Schmerzen, da man sie mit Opium versorgt hatte. Marianne war optimistisch wie die ganzen Jahre ihrer Krankheit. Mums meinte, es ginge mit ihr zu Ende. Und so war, so ist es auch. Das erinnert mich an das lange und elende Sterben meiner Schwester Ute. Wie gut hat es doch Axel getroffen. Er ist einfach tot umgefallen. Ein Tot, den er sich immer gewünscht hat. Aber wer wünscht sich das nicht? Nun bin ich, der Älteste, übrig geblieben. Das it unerklärlich. Klar ist nur, dass sich das Leben nicht nach dem Kleinen Einmal Eins richtet und der Tot auch nicht. Von Logik keine Spur.

Als im September 2005 das Haus unseres Nachbarn zur Linken abbrannte, flatterte eine angesengte Buchseite auf unser Grundstück. Die hatte ich aufgehoben. Heute ist sie mir wieder in die Hände geraten, und das sie sehr „zerbrechlich“ ist, habe ich sie
gescannt und werde sie in das Tagebuch einfügen.

Die Brandstiftungen damals im Pommernring und im Harksheider Weg werden wohl immer rätselhaft bleiben. Obgleich die Untersuchungen der Polizei Brandstiftung bestätigten, ist niemals ein Bericht veröffentlicht worden. Ob man einen Brandstifter gefunden hat, weiß man nicht. Die Polizei gab keine Auskunft. Es ging das Gerücht, dass der Brandstifter in einem der beiden Mehrfamilienhäuser im Pommernring wohnte und Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Quickborn war. Die genaue Kenntnis der Situation – die Bewohner der „gebrandstifteten“ Häuser waren verreist – spricht dafür, ebenso die Geschwindigkeit, mit der die Feuerwehr beim Pommernring 2, dem zweiten Anschlag, auftauchte.

Ich habe einen Videofilm, der die Brände im Pommernring 6 und 2 ausführlich dokumentiert. Ich habe diesen Film der Freiwilligen Feuerwehr Quickborn, dem Wehrführer Peter Stehr, angeboten. Als er sich nicht meldete, habe ich ihn angerufen. Er müsse das Angebot erst mit der Führungsgruppe oder so abstimmen, sagte er. Peter Stehr hat sich nicht wieder gemeldet.

Im Frühjahr dieses Jahres habe ich der GESCHICHTSWERKSTATT den Film gezeigt. Alle waren beeindruckt. Frau Lührdorff, Leiterin der Geschichtswerk-statt, war über die Reaktion von Peter Stehr nicht überrascht.

Wie auch immer: Gerüchte finden überall ihre Nahrung. Das macht das Leben so spannend, und macht es so schwierig, die Wahrheit herauszufinden.

Bei meinen immer seltener werdenden „Fernsehausflügen“ bin ich am 6. November bei „Maybritt Illner“ gelandet. Weil Barack Obama, der erste schwarze Präsident der USA, angekündigt war, wollte ich mal sehen. Genscher, Todenhöfer und Gottschalk waren die Teilnehmer dieser „Talk-Runde“. Hut ab vor dem, was sie sagten! Kein Kniefall vor den USA, auch nicht vor Obama. Keine dummen Ratschläge. Sie machten Obama Mut. So sagte Todenhöfer zum Beispiel, Obama solle ein Vieraugen-gespräch mit dem Afghanischen Präsidenten führen. Der würde nichts lieber sehen, als den sofortigen Abzug „der Amerikaner“. Genscher, das alte Schlachtross!“ Thomas Gottschalk, seit 16 Jahren in den USA zu Hause. Sie alle sprachen mir aus der Seele. Da finde ich mich ja in bester Gesellschaft. Oder?

Ich war gerade im Begriff, mich zu „Nachhaltigkeit“ und „sensibel“ zu äußern, Themen, zu denen ich schon mal was gesagt habe. Vielleicht mache ich das morgen.

Meine Notizen zu meiner Reise am 23. Oktober nach Dahlenburg-Quickborn und Quickborn im Wendland:

Auf der Suche

Ein Zufall spielte mir eine internet-Seite zu, auf der Josephine Del Pino und Grace D’Ambra, über das Schicksal ihres Vaters Anthony Tesoriero berichten. Er war amerikanischer Soldat, wurde am 23. Februar 1944 in Carroceto in der Nähe von Anzio, Italien, von deutschen Soldaten gefangen genommen und wurde in ein Kriegsgefangenenlager in Deutschland gebracht.

Am 13. April 1945 befand er sich mit vielen anderen Kriegsgefangenen und einem deutschen Militärkonvoi in Quickborn, einem kleinen Dorf irgendwo in Deutschland. Die deutschen Truppen zogen sich mit den Kriegsgefangenen vor den anrückenden Engländern und Amerikaners in Richtung Osten zurück.

Mittags wurde die Truppe von einigen englischen Jagdbombern, die von Osten kamen, angegriffen. Der Angriff dauerte etwa 20 Minuten. 9 amerikanische und 3 englische Kriegsgefangene kamen dabei ums Leben („Friendly Fire) und zwei deutsche Soldaten. So weit in aller Kürze der Bericht der Schwestern Josephine und Grace.

Geschehen war das alles nach dem internet-Bericht in Quickborn. Aber es gibt mehrere Quickborns. In welchem ist es passiert?

Im 20 km nördlich von Hamburg gelegenen Quickborn: unbekannt. Im dithmarschen Quickborn lt. Bürgermeister: unbekannt. Hinweis vom Dithmarscher Quickborn-Bürgermeister auf ein Quickborn bei Lüchow-Dannenberg, in Wirklichkeit 21368 Dahlenburg-(Ortsteil Quickborn, nur 5, 6 Häuser). Also dort hin. Am 23. 10. 2008.

In Dahlenburg angekommen, erst einmal auf den Friedhof. Dort einige Soldaten-gräber entdeckt. Todesdatum 18. April 1945 und einige Tage später. Das könnte stimmen. Vielleicht beim Angriff am 13. April verwundet und dann gestorben. Sicher ist das nicht.

Ich frage einen Dahlenburger: „Wo finde ich Quickborn?“ „Fahren Sie durch den Ort, bis Sie das Hinweisschild auf Bleckede sehen. Dort links rein. Da ist Quickborn.“

Dahlenburg – eine gemütliche Stadt. Viel Altes, Hergebrachtes noch, was die Häuser angeht. In der Ortsmitte rechterhand die Kirche, wenn man wie ich von Lüneburg kommt, links das Rathaus mit Touristbüro, daneben die Sparkasse und schließlich, den Platz abrundend, eine Landschlachterei mit Tischen und Stühlen vor dem Geschäft. Die Sonne scheint sommerlich vom Oktoberhimmel. An einem Tisch sitzen vier ältere Herrschaften beim Bier.

Ich gehe erst mal zum Rathaus. Glückstag! Das Touristbüro hat am Donnerstag Nachmittag geöffnet, ab 14.00 Uhr, nur am Donnerstag. Da habe ich noch eine gute halbe Stunde Zeit. Ich gehe erst einmal zur Kirche und dann hinein. Tatsächlich, sie ist nicht verschlossen wie so viele heutzutage. Eine ländlich prachtvolle Kirche mit beeindruckender Kanzel in stolzer Höhe und großartigem Blick auf die Gemeinde.
Es riécht nach Gebeten, ein wenig auch nach den Kirchenliedern, die sich in den vielen Gesangsbüchern verborgen halten. Ein dörfliches Kirchenuniversum mit all seinen Geheimnissen und Offenbarungen.

Gegenüber liegt die Pfarrei, groß und beeindruckend. Ich überlege: Wenn ich im Rathaus nichts erfahre, werde ich hier fragen. Irgendjemand in Dahlenburg muss doch wissen, was ich erfahren möchte.

Draußen vor der Landschlachterei esse ich die erste Currywurst meines Lebens.
Ich hatte mir das aufregender vorgestellt. Aber die Wurst war in Ordnung, die Pommes auch, und für vier Euro war das ein gutes Angebot.

Dann ins Touristbüro. Vor mit eine junge Frau, die den Touristmenschen „stundenlang“ in Anspruch nimmt. Eine nette Bürofrau fragt mich, ob sie etwas für mich tun könne. Ich erkläre, worum es mir geht. „Da will ich schon mal die Chronik herauslegen. Aber von der Geschichte habe ich noch nie etwas gehört.“ Wie sollte sie auch?

Dann endlich mein Gespräch mit Markus Dauber, der sich hier um Touristen kümmert, also auch um mich. Er macht das mit viel Geduld. Kopiert drei Seiten aus der Chronik für mich, die aber nichts mit meinem Thema zu tun habe. Er sagt mir, wo ich den Ortsteil Quickborn finde. Aber das wusste ich ja schon: Abzweigung nach Bleckede.

Was will ich da eigentlich? Ích möchte jemanden finden, der alt genug ist, sich an die Ereignisse im Frühjahr 1945 zu erinnern., vielleicht auch an eine Kolonne von Kriegsgefangenen und deutschen Soldaten, die von englischen Jagdbombern angegriffen wurden – am 13. April 1945.

Ich klingle an einem alten Haus, das schon 1945 viele Jahre hinter sich gehabt haben muss. Hier müssten alte, wissende Menschen wohnen. Aber niemand hört die Klingel. Dann wage ich mich auf einen beeindruckenden Hof, ich denke, das muss ein Gutshof sein. Dort das Herrenhaus, linker und rechter Hand Stallungen. An einigen Dächern wird gearbeitet. Alles strahlt einen gewissen Wohlstand aus, wen nicht noch mehr.

Nach dem zweiten Klingeln wird mir geöffnet. Ein aus meiner Sicht junger Mann (es stellt sich heraus: er ist 40) steht mir gegenüber. Ich sage ihm, worum es mir geht. Nein, natürlich könne er mir nichts sagen, was ich einleuchtend finde. Aber der Vater vielleiicht. Er telefoniert kurz, erfährt, dass sein Vater gesprächsbereit ist und erklärt mir den Weg: Hier gerade über die Straße, dann bis zum letzten Haus, das ein wenig zurück liegt, ein Fachwerkhaus.

Dort treffe ich Heinz-Hermann Luhmann, Jahrgang 1936. Er erzählt, dass da unten in Dahlenburg die Engländer mit ein paar Shermans aufgetaucht sind und erst mal Halt machten. Im Luhmann-Hof (der Vater war Ortsbauernführer) hielt sich eine deutsche Einheit auf. Wenn es jetzt zum Kampf käme, würde der Hof in Schutt und Asche fallen. Eer Ortsbauernführer Luhmann erreichte, dass die Truppe abzog – bis auf einige zum Endkampf Entschlossenen. Deren Angriff auf die Engländer wurde schnell zusammengeschossen. Das könnte am 18. April 1945 gewesen sein. Die Daten auf den Soldatengräbern sprechen dafür.

Die Engländer machten einige Gefangene, auch Verwundete, die sie in den Hintern traten. Als sie bemerkten, dass Kinder zusahen, haben sie es gelassen. Daran erinnert sich Heinz-Hermann Luhmann.

Er erinnert sich aber auch daran, dass er „Heil Hitler“ für normal hielt und „Guten Tag“ komisch fand. Er erinnert sich daran, damals den ersten Neger gesehen zu haben, einen amerikanischen GI. Und er sieht es noch wie heute, dass sich deutche Mädchen, gestern noch BDM, amerikanischen Soldaten an den Hals warfen. Die allerdings sagten „come on“, hau ab! Wer diese Mädchen aus dem Dorf waren, hat Heinz-Hermann Luhmann nie gesagt, auch heute nicht. Aber von „der Geschichte“, um die es mir geht, wusste er nichts. Das war nicht in diesem Quickborn passiert.

Aber Heinz-Hermann Luhmann sagt, dass es noch ein anderes Quickborn in der Nähe gibt, so 25 Kilometer weiter östlich, kurz vor Dömitz. Immer geradeaus. Quickborn ist ausgeschildert. Danke, Herr Luhmann, ich wird’s suchen und finden.

Ich fahre und fahre und denke, du hast Quickborn übersehen. Immer wieder wird Ludwigslust angezeigt. Aber dahin will ich nicht, heute jedenfalls nicht, obgleich ich immer wieder gern dort war.

Tatsächlich: Quickborn, scharf rechts abbiegen, ein oder anderthalb Kilometer und ich bin in meinem vierten Quickborn.

Ich halte an einem der ersten Häuser, um zu fragen, wo ich Klaus Wojahn finden könne, Landtagsabgeordneter, zwar Ostpreuße und 1945 nicht in Quickborn, aber „der kennt jeden und weiß alles war lange Zeit Bürgermeister dort.“

Klaus Wojahn? Drittes Haus, ein bisschen zurück gelegen. Ich klingle. „Mein Vater ist auf einem Fest.“ „Ja, das ist etwas passiert im April 1945. Der Friedhof? Gleich der nächste Weg rechts.“ „Wer etwas wissen könnte?“ „Betti Meyer in der Dorfstraße.“

Ich fahre zum Friedhof. Der ist nicht ausgeschildert, dafür aber der Schießstand. Der Weg ist ein-und-derselbe. Der Friedhof liegt vor dem Schießstand und mein Auto steht vor dem Friedhof.

Ich gehe durch die Pforte und sehe nach links und nach rechts. Ich suche Soldatengräber, sehe aber keine. Hier liegen die Bauern und Bäuerinnen, die Einheimischen und die Ausheimischen zwangsweise friedlich beieinander, aber keine Soldaten. Das Durcheinander der Welt hat hier, wie auf jedem Friedhof, seine Ruhe gefunden. Wo sind die Soldaten, wo sind sie geblieben?

Eine Frau macht sich an einen Grab zu schaffen, um es für den Winter herzurichten. Ich frage sie nach Soldatengräbern. „Ja, dort, dort ist die Gedenkstätte.“ „Vielen Dank“, sage ich.

Gedenkstätte? Ein Busch, ein Strauch. Ein schwarzes steinernes Kreuz. Ein kleiner grauer Stein daneben, in den eingemeißelt ist: „Zwei deutsche Soldaten“.

Niemand kennt ihre Namen. Niemand ihre Mütter, ihre Väter, ihre Brüder und Schwestern. Sie liegen hier namenlos. Verloren sind sie nicht.

Die Friedhofsgärtnerin, die mir die „Gedenkstätte“ zeigt, erzählt mir, dass sie das Grab von Betti Meyers Mann pflegt, weil Betti das nicht mehr kann; sie sieht so schlecht, fast gar nichts mehr. Betti’s Mann ist vor sieben Jahren gestorben. „Mein Mann auch.“ „Ich lebe hier schon seit 44 Jahren.“ Kleine Leben, die die Welt bedeuten.

„Ja, Betti Meyer könnte etwas wissen. Fahren Sie hin. Dorfstraße 32. Erst die Hauptstraße, dann links und noch mal links, da ist es.“

Dorfstraße 32, ein großes Haus. Andere sind noch größer im Dorf Quickborn. Ich
klingle trotz offener Tür. Ich trete in einen Vorhof, der einem kleinen Schloss ange-messen wäre und werde in ein Wohnzimmer geführt, in dem fraglos schon viele bedeutende Gespräche geführt und wichtige Entscheidungen getroffen wurden, zumindest soweit sie die Familie und das Dorf betrafen.

Betti, 1945 war sie elf Jahre alt, erinnert sich. Aber Genaues kann sie nicht sagen. Das ist so lange her. Nein, im Dorf war das nicht- Aber wo genau?

Das einzig Verlässliche ist das Grab der beiden unbekannten deutschen Soldaten.
Die acht amerikanischen und 3 britischen Soldaten, die bei diesem Angriff zu Tode kamen, sind inzwischen in ihrer Heimat beerdigt worden.

Betti Meyer, Dorfstraße 32, Quickborn, Gemeinde Gusborn, Fon 05865-98 88 66 (242)

Zwei deutsche Soldaten, zu Tode gekommen am 13. April 1945 zur Mittagszeit, liegen namenlos auf dem Friedhof im Wendlander Quickborn. Die acht amerikanischen und drei englischen Kriegsgefangenen, die an diesem Tag durch englische Jagdbomber den Tod fanden, sind seit langem in ihre Heimat übergeführt worden, zum Trost ihrer Angehörigen; sie selbst hatten davon nichts: Erde ist Erde.

Die beiden deutschen Soldaten. Niemand kennt sie. Niemand weiß, wie alt sie waren oder wie jung. Niemand hat ihren Müttern, ihren Vätern ihren Geschwistern, gesagt, was mit ihnen geschehen ist. Niemals ist irgendjemand von ihnen gekommen und hat um sie geweint.

Der 23. Oktober 2008 war ein Tag, von dem man glauben konnte, der Sommer hätte sich in den Herbst verirrt: der Himmel so blau, die Luft so lau, und alle Menschen, die ich an diesem Tag traf, waren nicht nur freundlich; sie haben mir geholfen.

Hier das Foto der Gräber, der „Gedenkstätte“, einfügen! Wo ist es?

Die folgende Geschichte stammt aus den Urlaubstagen in Avèze im August 2008, am 26. September geschrieben und erst im November ins Tagebuch aufgenommen.

Die Geschichte vom kleinen Berg,
der zu hoch hinaus wollte.

Es war einmal ein kleiner Berg, der wollte ganz hoch hinaus. Es konnte ihm gar nicht hoch genug gehen. Das war vor vielen, vielen Jahren, als das Land ganz unten in Frankreich fast so flach war wie das Mittelmeer, an das Frankreich heute grenzt.

Damals wurde die Erde plötzlich unruhig. Sie wollte nicht mehr so mittelmeerflach sein und begann sich zu erheben, hier ein bisschen mehr, dort ein bisschen weniger. Jedes Stückchen Erde hatte seine Aufgabe. Das eine sollte sich gewaltig in die Höhe recken wie der Mont Ventoux, der 1.912 Meter hoch ist oder die Alpen. Andere Teile sollten bescheidener bleiben. Das hatte seine Gründe.

Für die ganz hohen Berge war Schnee vorgesehen. Das war nicht nur wegen des schönen Anblicks. Dahinter steckte auch ein vernünftiger Gedanke. Wenn es im Sommer heiß wurde, schmolz der Schnee zu Wasser und gab unten in denTälern den Wiesen und Äckern zu trinken.

Die kleineren Berge hatten eine andere Aufgabe zu erfüllen. Sie sollten die Sonne für den Weinbau einfangen. Dafür durften sie nicht allzu hoch werden. Nur gerade so hoch, dass es für die Weinstöcke nicht zu heiß und nicht zu kalt wurde. Das fanden die Bergkinder vernünftig und richteten sich danach.

Nur ein kleiner Berg spielte nicht mit. Er wollte höher hinaus. Vielleicht hatte er schon vom Mount Everest gehört, dem höchsten Berg auf unserer Erde, und wahrscheinlich wollte er den noch übertreffen. Das wissen wir nicht genau.

Jedenfalls machte sich unser kleiner Berg mächtig stark und wuchs und wuchs. Die anderen Berge warnten ihn vor seinem Hochmut. Aber er hörte nicht auf sie und wuchs und wuchs und wuchs. Bis er an den Himmel stieß.

Da holte er sich eine gewaltige Beule und wurde im selben Augenblick so klein, wie es ihm bestimmt war. Seine Beule können wir heute noch sehen.

So kann es gehen, wenn man nicht Maß hält.

26. September 2008


11. 11. 2008

Vor einiger Zeit erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine bemerkenswerte Todesanzeige. Anna Kuchenbrod, geboren am 7. August 1926, war am 4. Oktober 2008 gestorben, im gesegneten Alter von 82 Jahren.

Nein, nicht der Name Kuchenbrod macht die Anzeige bemerkenswert, obgleich er schon etwas – merkwürdig – ist, wegen seiner Schlichtheit. Bemerkenswert ist auch nicht, dass sie 17 Jahre bei der Zeitung gearbeitet hat, bis sie mit 60 Jahren in Rente ging. Bemerkenswert ist die Berufsbezeichnung, die die Frankfurter Allgemeine Zeitung gewählt hat: Reinemachefrau. Dieses Wort habe ich seit Jahren nicht gehört und nicht gelesen. So einfache Wörter für ehrenwerte und nützliche Arbeit sind inzwischen so gut wie ausgestorben. Jedenfalls sind sie verpönt. Hausmeister werden heute Facility Manager genannt. Und Lehrlinge sind schon seit Ewigkeiten Auszubildende. Was ist eigentlich so schlimm daran, wenn man etwas lernt? Da hast sich das Wort Meister doch besser geschlagen. An seine Stelle ist nicht das Wort Ausbilder getreten, obwohl es auch das gibt, beim Militär.

13.11. 2008

Am vergangenen Dienstag, 11. 11. 2008, hat FRONTAL (ZDF) unter anderem folgende Themen zur Sprache gebracht:
Riesterrenten-Betrug, mit dem die Versicherungen die Leute betrügen und schröpfen. Nur wer älter wird als die „Sterbetafel“ ausweist, bekommt die lumpigen 2,25% Rendite, die hoch und heilig versprochen wird. Da kaum jemand dieses überbiblische Alter erreicht, stoßen sich die Versicherungen gesund. „Der Staat“ nimmt das hin – als legal. Das ist eine Schweinerei.

Medikamente gegen Altersblindheit. Es gibt ein Medikament, das 65,00 € kostet und wirksam, aber nicht zugelassen ist. Dann gibt es eins von Novartis. Das ist zugelassen, wirkt auch, ist ähnlich dem anderen, kostet aber 1.300,00 €, also 20 mal so viel. Ärzte, die das nicht zugelassene, aber genau so wirksame Medikament verschreiben, machen sich strafbar. „Der Staat“ findet das legal.

Antibiotikaverseuchte Kaninchen aus Bulgarien. Die Bulgarische, staatlich geschützte Mafia importiert verseuchtes Kaninchenfleisch aus China, ändert das Herkunftsland China ín Argentinien um und etikettiert neu. Zwei Brüder stecken dahinter, die den Bulgarischen Präsidenten geschmiert haben. Die Brüder sind bekannt, der Präsident auch. Warum wurde Bulgarien in die EU aufgenommen?
Einzige Erklärung: Russland soll weiter eingeschnürt werden, siehe Georgien und die NATO. Hoffentlich ist mit diesem Unfug bald Schluss! So und kaum anders lassen sich die Widerborstigkeit und das neue Großmachtstreben Russlands erklären.

Bildungsoffensive. Der Putz fällt von den Wänden und den Decken. Es regnet durch. Es gibt zu wenige Lehrer, Dozenten, Professoren. Aber die Kanzlerin Angie spricht von Bildungsoffensive. Sie lügt noch schlimmer als gedruckt. Für den „Deckel“ über die Autobahn 7 in Hamburg will der Bund 200 Millionen zuschießen. Der Hamburger Senat versenkt bis zu 500 Millionen in die „Elbphilharmonie“. Da bleibt für Kindergärten, Schulen und die Universität nichts übrig.

Was tun? Schmeißt endlich die Lobbyisten raus! Macht einen neuen Anfang. Schmeißt notfalls euch selbst raus. Es kann kaum verkehrt sein.

19. 11. 2008

Kaum zu glauben, wo überall und von wem wir mit Wörtern, mit der Sprache, an der Nase herumgeführt werden. Nein, wir werden nicht an der Nase herumgeführt, wir werden belogen, betrogen von denen – und das ist das Schlimmste –. die behaupten, nur für uns und unser Wohlergehen da zu sein, siehe Gesundheitsmini-terin Ulla Schmidt.

Diese Dame hat ein „Wettbewerbsstärkungsgesetz“ in die Welt gesetzt, dessen wichtigster, wenn nicht alleiniger Maßstab „billigst“ heißt. Der „niedrigste Preis soll entscheiden, welche medizinischen Hilfsmittel den Bedürftigen zustehen.

Das Billigste, so hat sich schnell herausgestellt, ist auch das Schlechteste. Windeln, die bei Inkontinenz notwendig sind, halten nicht die ganze Nacht durch – nur eins von vielen Beispielen, wenn auch ein besonders belastendes, weil unappetitliches.

Der Wahnsinn geht weiter. Die medizinischen Hilfsmittel dürfen nicht mehr bei den Apotheken bezogen werden, sondern werden nur noch über Großhändler verteilt. Die Folge: Die Lieferungen erfolgen nicht dann, wenn sie benötigt werden, sondern wenn der Großhändler „seine Tour“ fährt. Wer sich bei der Apotheke versorgt, muss selbst zahlen, was vielen nicht möglich ist.

Qualitätsvorgaben hat Frau Ulla Schmidt nicht gemacht. Ist sie doof, oder ist sie gemein? Das eine schließt das andere nicht aus.

(Alles dies kam in FRONTAL 21 am 18. 11. 2008 zur Sprache – unter anderem.)

Wettbewerbsstärkungsgesetz. Unsere Sprachakrobatik macht alles möglich, und das überall.

-Die aktuellen Beispiele aus der „Finanzwelt“:

Spekulativ = riskant / Junk = Müll, Abfall, Schrott / Chancenorientiert = risikofreudig / Kreditereignis = Insolvenz / Neubewertung von Vermögenswerten = Totalverlust.


20. 11. 2008

Allein die Wörter erschrecken, zum Beispiel „Wettbewerbsstärkungsgesetz“ (welch ein Monstrum!), das, was sie verbergen, ist das wirklich Schreckliche.

Da schreibt das Hamburger Abendblatt in der Ausgabe vom 15./16. November 2008 auf Seite 19 „Hausbesuch für 14 Euro“, schildert dort die Arbeit des Hausarztes Christian Krieg (43) und sein Engagement. Und berichtete daneben, wie Klinikketten Hausarztpraxen aufkaufen und damit die Betreuung kommerzialisieren, das Geld in den Vordergrund stellen und nicht die Sorge um die Patienten.

„Punkte und Budgetfixierngen dominieren den ärztlichen Alltag“, so das Hamburger Abendblatt. „Für einen Hausbesuch dürfen 1400 Punkte notiert werden. Den Wert pro Punkt erfährt man erst später, in der Regel sind’s um 3,5 Cent. Macht unter dem Strich 14,00 Euro.“

„Zudem werden Medikamente oder die Verordnung von Krankengymnastik und Massagen gedeckelt. Irgendwann ist Schluss mit dem Verschreiben… Ganz abgesehen davon, dass eine gewissen Punktzahl je Quartal nicht überschritten werden darf.“ (Hamburger Abendblatt)

Vorschlag: So sollte unsere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt arbeiten. Wieviel eine ihrer Arbeitsstunden wert ist, erfährt sie erst hinterher. Ihre Ausgaben werden „gedeckelt“, was dazu führen wird, dass sie ihren Dienstwagen in der zweiten Monatshälfte nicht mehr benutzen darf, sondern auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen muss. Wenn es hart auf hart kommt, muss sie in den letzten Tagen des Monats zu Fuß gehen. Das soll allerdings gesünder sein als Auto fahren.


21. 11. 2008

Heute Morgen lag ein bisschen Schnee. Nach den warmen Tagen in letzter Zeit überraschend. Die Wetterfrösche hatten es vorausgesagt und hatten wirklich mal Recht

Aber so toll war ihre Prognose nicht Wir müssten längst im Schnee versunken sein, aber keine Flocke lässt sich auf uns herab. Man warnt vor Fahrten in die Mittelgebir-ge. Da soll es schon jetzt ganz schlimm sein. Hysterie wie überall und immer, auch bei der weltweiten Banken-Finanz-Wirtschaftskrise. Die Journalisten machen sich einen Spaß daraus, alles Unheil vom Himmel herab zu schreiben. Man sollte den Schreibern mal tüchtig auf die Finger klopfen! Pardon! Drei Flocken fallen 20 vor 12.

Heute Abend habe ich die meisten Umschläge für den 2009-Glückwunsch geschrie-ben, an sich viel zu früh. Man weiß ja nicht, wie lange man lebt. Margareth in Gufidaun wird die Glückwünsche für ihre Silvesterparty also auf jeden Fall rechtzeitig erhalten.

Das Hamburger Abendblatt, Ausgabe Norderstedter Zeitung, wird die Fortsetzung von David MacKenzie in den nächsten Tagen bringen. Ich bin gespannt. Hoffentlich wird nicht zuviel daneben geschrieben.


22. 11. 2008

Am 16. November hat die ARD um 1.00 Uhr nachts, also schon am 17. November, den Film „Der letzte Zug“ gesendet. Inhalt: Am 19. April 1943 wurden ´668 ´jüdische Menschen, Kinder, Frauen und Männer, von Berlin aus nach Auschwitz deportiert, damit zum Geburtstag des „Führers“ am 20. April, Berlin judenfrei ist.

Außer meiner Frau und mir haben 399.998 Zuschauer diesen Film gesehen. Beim „Tatort“, der am 16. 11. um 20.15 Uhr gesendet wurde, dürften es einige Millionen gewesen sein.

Ich habe mich an die ARD gewandt, um zu erfahren, warum das Wichtige unter Ausschluss der Öffentlich gesendet wird. Hier der Schriftwechsel bis zum heutigen Tag. Ob es eine Fortsetzung gibt?
Sehr geehrte Damen und Herren,

Sie zeigen diesen Film zu einer Zeit, in der Deutschland schläft - von Ausnahmen abgesehen. Ein Film also unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

688 jüdische Menschen werden am 19. April 1945 als Geburtstagsgeschenk für
den "Führer" nach Auswitz deportiert, so ein Programmhinweis in der HÖR ZU.

Würden Sie mir bitte sagen, weshalb Sie diesen Film um 0.00 Uhr und die "Tatort: Salzleiche" um 20.15 Uhr senden? Sollte da jemand die Wichtigkeit dieser Filme durcheinander gebracht haben? Die Salzleiche wäre doch auch noch ein paar
Stunden später recht gut konserviert und damit sehenswert.

Ich hoffe auf eine Antwort.

Viele Grüße

Peter Gudelius

Pommernring 4
D - 25451 Quickborn
Fon: 04106 - 69800
Fax: 04106 - 4010
Mail: textoffice@petergudelius.de
Internet: http://www.petergudelius.de

PS: Der kleine HÖR ZU Hinweis "2006" könnte vemuten lassen, dass Sie diesen Film
schon vor drei Jahren ausgestrahlt haben. Ist das so? War das dann zu einer angemessenen Sendezeit? Selbst wenn: Ein solches Thema gehört immer nach vorn, immer noch!


Sehr geehrter Herr Gudelius,

Das Erste ist ein Vollprogramm, da muss sich die Filmkunst etwas hinten anstellen, leider naturgemäß und ganz unabhängig vom Thema. Den äußerst beliebten Tatort zu späterer Stunde zu senden, hätte sicherlich auch große Zuschauerproteste hervorgerufen.

Gleichwohl war es uns wichtig, "Der letzte Zug" -- in der Erstausstrahlung und auf unserem Sendeplatz "Das Film Festival" -- im Umfeld des 9. November (und im Rahmen einer Reihe zum 75. Jahrestag des Machtantritts der Nationalsozialisten) zu zeigen, und dass immerhin 400.000 Zuschauerausnahmen nicht geschlafen haben. Grundsätzlich versuchen wir unser Bestes, Wichtigkeit und Zuschauerwünsche und einen Hut zu bringen.

Am 30.11. um 20.15 sendet Das Erste "Mogadischu" -- ein starkes Beispiel dafür, dass Filme mit wichtigen politischen Stoffen auch am Hauptabend ihren Platz finden (weitere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit waren "Die Flucht" oder "Die Frau vom Checkpoint Charlie").

Mit freundlichem Gruß
R. Flaskamp


Rainer Flaskamp
Programmplanung und Presse
Tel 49 69 1509 382
Fax 49 69 1509 399


Der Inhalt dieser E-Mail stellt keine rechtsverbindliche Erklärung des
Absenders und/oder der Gesellschaft dar.

Degeto Film GmbH
Geschäftsführer: Hans-Wolfgang Jurgan, Jörn Klamroth
Vorsitzender des Aufsichtsrates: Prof. Dr. Udo Reiter
Amtsgericht Frankfurt, HRB 8974

Sehr geehrter Herr Flaskamp,

Sie haben auf meine e-mail vom 16. 11. 08 postwendend geantwortet, blitzschnell sozusagen. Das hat mich überrascht, mehr noch aber gefreut. Leider komme ich erst heute dazu, auf Ihre Antwort einzugehen.

Ich würde mich freuen, wenn sich aus Frage und Antwort ein Gespräch entwickelte. Das Thema dürfte wichtig genug sein.

"Das Erste ist ein Vollprogramm, da muss sich die Filmkunst etwas hinten anstellen..." schreiben Sie. Könnte es sein, dass die ARD unter "Vollprogramm" volle Quote versteht?
Die 20.15 Uhr-Sendungen ab 22. 11. 08 legen diesen Gedanken nahe: 22.11.: "Verstehen Sie Spaß?` 23. 11.: "Tatort. Häschen in der Grube" 24. 11.: "Die Anwälte" 25. 11.: "Familie Dr. Kleist" 26. 11.: "Das Feuerschiff" 27. 11.: "Bambi 2008" 28. 11.: "Lilly Schönauer - Und dann war es Liebe".

"...da muss sich Filmkunst etwas hinten anstellen..." schreiben Sie weiter, was ja nichts anderes heißt als dass die 20.15 Uhr-Sendungen keine Filmkunst sind. Darin wären wir uns dann einig.

Ist "Der letzte Zug" Filmkunst? Da der Film keine Dokumentation ist, sondern Tatsachen nachspielt, könnte man das sagen. Das dürfte kein Grund sein, diesen Film in die 400.000-Zuschauer-Gruft um 1.00 Uhr nachts zu stecken. Das Thema ist wichtiger als ein "Tatort"- oder? Beliebter mag der "Tatort" sein, aber wichtiger?

Wie hätten denn die von Ihnen befürchteten großen Zuschauerproteste ausgesehen? Eine Flut von e-mails wie meine lästige? Wütende Anrufe? Oder nur die Abwanderung zu irgendeinem anderen, gefälligeren Sender? Das wäre doch hinzunehmen; die zwangsläufigen Gebühren, die ARD und ZDF einstreichen, machen das doch möglich. Warum also geben Sie Ihr Bestes, um Wichtigkeit und Zuschauerwünsche unter einen Hut
zu bringen? Warum nicht das Wichtige zuerst?

Ihren Hinweis auf "starke Beispiele" kann ich nicht ernst nehmen. "Die Flucht" hat die Wirklichkeit mit der schönen Maria Furtwängler an die Wand gespielt. So heldisch war es ja nun wirklich nicht. "Die Gräfin" hätte sich bei diesem Film im Grabe umgedreht. Aber selbst ihre Erinnerung scheint einiges geschönt zu haben.

Zum Schluss, sehr geehrter Herr Flskamp, noch eine Frage. Ich hatte mich an die ARD gewandt. In Ihrer e-mail taucht aber als Absender die Degeto Film GmbH auf. Mit wem spreche ich eigentlich? Mit der Degeto oder mit der ARD?

Viele Grüße

Peter Gudelius

Pommernring 4
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Fax: 04106 - 4010
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27. 11. 2008

Günter Grass. Die Rättin

Ich weiß nicht, wie lange das Buch bei mir ungelesen herumgelegen hat.
Der Luchterhand-Verlag brachte es 1986 heraus. Ich vermute, ich habe es
noch in diesem Jahr gekauft. In solchen Sachen war ich immer sehr eilig.
Angefangen zu lesen habe ich aber erst im Oktober dieses Jahres, in meinem
kurzen Gufidaun-Aufenthalt.

Jeden Abend ein paar Seiten, aber weit hat mich das natürlich nicht gebracht.
Das meiste musste ungelesen mit nach Hause genommen werden. Dort habe
ich weiter gelesen bis zur Seite 340. Am Fuß dieser Seite habe ich notiert:
„Von hier ab unleserlich.“

Das ist natürlich missverständlich gesagt. Ich wollte damit sagen, dass ich jetzt nicht mehr weiter lesen will, dass ich keine Lust mehr habe und auch keine Geduld.

Günter Grass brabbelt da vor sich hin ohne Anfang und Ende. Er wiederholt sich,
käut wieder und wieder und kommt nicht voran. Ich kenne das. Du verliebst dich in
deine Worte und findest aus diesem Irrgarten nicht mehr heraus.

So bleiben die Kapitel 10, 11 und 12 und weitgehend auch das Kapitel 9 ungelesen.





Vergiftet

Unser Deutschland ist vergiftet bis in alle Ewigkeit. 12 Jahre lang hat das national-sozialistische Deutschland gehasst, verfolgt, gemordet. 12 Jahre? Waren es in Wirk-lichkeit nicht tausend Jahre? War da nicht vom tausendjährigen Reich die Rede?

(Wie vergiftet unser Land ist, zeigt der Beitrag der Süddeutschen Zeitung vom 29. November 2008 „Das ewige Puzzle“.

In dem nicht sehr umfangreichen Zweispalter, der sich auch nicht auf den vorderen Seiten befindet, (beides weist darauf hin, dass unsere Vergiftung immer noch akut ist und wohl auch nicht so schnell zu heilen ist – wenn überhaupt).

„Seit 50 Jahren klärt Justizbehörde Nazi-Verbrechen auf“, lautet der Untertitel. Die Rede ist von der „Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen“.

„An diesem 1. Dezember (2008) arbeitet die Zentrale Stelle seit 50 Jahren, am Montag gibt es einen Festakt der Landesregierung, es kommen Bundespräsident Horst Köhler und Charlotte Knobloch, die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. 1958 dagegen war die Behörde ein ungeliebtes Kind der Landesjustiz-verwaltungen. Der Ulmer Einsatzgruppen-Prozess war gerade zu Ende gegangen, die Täter, die Tausende Juden und Kommunisten in Litauen erschossen hatten, hatten unbehelligt in Deutschland gelebt. SZ-Kommentator Ernst Müller-Meiningen geißelte die deutsche „Zufallsjustiz“.

Auf den Druck hin gründeten die Justizminister der Länder die Zentrale Stele in Ludwigsburg. Sie taten das mehr oder weniger zähneknirschend. Lediglich vier Staatsanwälte sollten die hochkomplizierten Verfahren aufarbeiten., ganze Täter-
gruppen wurden ausgeklammert. Die Versetzung nach Ludwigsburg galt als Karriere-knick – zu viele Juristen waren dem NS-Regime zu Diensten gewesen. Immer wieder erwies es sich als schwierig, Unterlagen an die Polizei weiterzugeben, weil mancher Dienstchef von einer Anklage betroffen gewesen wäre. Konservative Politiker beschimpften die Ermittler als nützliche Idioten Moskaus, 1966 gab es einen Skandal. Oberstaatsanwalt Erwin Schulte, der erste Leiter der Stelle, musste zugeben, SA- und NSDAP-Mitglied gewesen zu sein.“

Wenn es auch gegen Ende des Beitrags heißt: „Trotzdem: Erstmals in der Geschichte hat ein Volk gegen sich selbst ermittelt.“

Das klingt wie eine gute Tat. Wie gut ist sie wirklich 170 000 Menschen sollen an den Morden des nationalsozialistischen Deutschland beteiligt gewesen sein. Nur 6500 Täter wurden in der Bundesrepublik verurteilt. Von 100 Tätern wurden also nur vier verurteilt, 96 kamen ungeschoren davon.

Aber es sind nicht die Täter, die verurteilten und die nicht verurteilten, die Deutschland vergiftet haben. Es sind diejenigen, die eine Aufarbeitung verhindert haben.

Leider hat diese unrühmliche Geschichte eine Fortsetzung, wenn auch nicht so dramatisch, aber um Gift geht es hier auch.

Auf ihrem Parteitag in Stuttgart, dieser Tage, hat die CDU versucht, ihre DDR-Vergangenheit aufzuarbeiten. Das ist ihr nicht gelungen.

Augenblick mal! Hat denn die CDU eine DDR-Vergangenheit? Ja, die hat sie, und zwar eine unrühmliche. Auch hier ein Anfang, der nicht hätte sein sollen: Helmut Kohl übernahm die Blockflöten-CDU in Bausch und Bogen, unbesehen – ein schnelles Geschäft sozusagen, das sich parteipolitisch auch auszahlte.

Es wird nicht aufgearbeitet. Es wird geschönt, geschummelt, verfälscht, und es wird gegiftet. Der Delegierte Niedergesäß: „Von diesen Halunken wollen wir uns nicht vorführen lassen.“ (Gemeint ist Karl Nolle, SPD-Abgeordneter, der nach der Wende nach Sachsen zog.) Niedergesäß weiter: „Von der CDU hat nie jemand im Politbüro gesessen.“ Welch Wunder, es war schließlich das Politbüro der SED.

Zum Schluss eine Frage: Wie wäre es mit ener Entziehungskur?

04. 12. 2008

Wort des Jahres

Für diese „Auszeichnung“ stehen einige Bewerber bereit. Konjunktureinbruch, Finanzklemme und sicherlich noch einige mehr. Rezession – ich wette darauf – wird das Wort des Jahres. Oder vielleicht das Unwort?

Schönfärberei, die an Gemeinheit kaum noch zu überbieten ist: „Negatives Eigenkapital“ = Schulden. („…ein Leben lang mit negativem Eigenkapital leben…“ – Hamburger Abendblatt, 3. Dezember 2008). „Kreditereignis“. So nennen Banker die Pleite. Auf diese Weise wird auch in der Sprache „verbrieft“ wie in der internationa-len Finanzmafia. . Es wird gelogen, dass sich die Balken biegen.

Ins Blaue hinein wirtschaften

Am 3. Dezember bringt das Hamburger Abendblatt auf Seit 23 einen herzzerrei-ßenden Beitrag unter dem Titel „ Werften in Not – Bund eilt zu Hilfe“.

Auf den ersten Blick erscheint das einleuchtend, sollen doch 23.000 Werftarbeiter , 70.000 Mitarbeiter von Zuliefererfirmen und 20.000 Mitarbeiter von Subunterneh-men um ihre Arbeitsplätze bangen müssen – über 100.000 Menschen auf der Straße und ratlos, wie sie ihre Familien durchbringen sollen. Da muss selbstverständlich etwas geschehen, da muss geholfen werden.

Auf den zweiten Blick: Die Auftraggeber der Werften, die Reeder, müssen offenbar nur 20 Prozent des Auftragswertes anzahlen, und wie es dann mit den 80 Prozent steht, steht in den Sternen. Das ist nicht normal. Das ist nicht gesund. Das ist krank.
Ein vernünftiger Unternehmer lässt sich auf so etwas nicht ein.

Drittens: Gut versteckt werden im Abendblatt-Beitrag die zurückliegenden Boomjahre erwähnt, werden nur beiläufig erwähnt. In diesen „Boomjahren werden die Werften wohl kräftig verdient haben. Was haben sie mit den Gewinnen gemacht?

Haben sie etwas zurückgelegt für magere Zeiten? Haben sie in ihre Zukunft investiert? Oder haben sie verfrühstückt, was auch noch für den Abend reichen sollte?

Unternehmer scheinen heute nur so lange Unternehmer zu sein, wie sie Erfolg (und Glück) haben. Anderenfalls genieren sie sich nicht, um Almosen zu betteln, ohne zu fragen, wer dafür aufkommt. (Ausnahmen bestätigen die Regel, und es gibt Ausnahmen.)

Ausnahmen. Es gibt sie auch.

Da ist zum Beispiel der Hans Fabian Kruse, seit Juli 2008 Präsident der AGA Unternehmensverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (Hamburger Abendblatt 4. Dezember 2008 Seite 25).

Zur Frage „Welche Prinzipien sollten gute Unternehmer verfolgen?“ sagt er.
„Ein Hamburger Kaufmann will seine Firma über mehrere Generationen erhalten. Er sollte seriös kalkulieren und Reserven bilden, statt Gewinne sofort auszukehren. Er sorgt sich um seine Mitarbeiter, bildet sie gut aus, bezahlt sie gut, damit sie auch in der Krise zu ihm stehen wie er zu ihnen. Zudem muss man sich mit den Märkten wandeln.“ Herr Kruse beschäftigt 25 Mitarbeiter. Sein Unernehmen ist auf den Handel mit Pharma- und Chemierohstoffen spezialisiert.

Eine weitere Ausnahme: Ludwig Görtz, Hamburger Unternehmer. Er sagt (Hamburger Abendblatt vom 01. 12. 2008): „Für ein Familienunternehmen sind die Beschäftigten nicht Teil der Kosten, sondern Teil des Erfolgs.“

Leben auf Pump

Wenn ich eine Rechnung für eine pünktlich und gut ausgeführte Leistung erhalte, begleiche ich die Rechnung an dem Tag, an dem ich sie erhalte. So sehr hasse ich finanzielle Verpflichtungen. Ich will nicht auf Pump leben. Nicht auf Kosten anderer. Das scheint nicht die Regel zu sein.

Wie man mit geliehenem Geld, mit Geld, das einem nicht gehört, Unternehmen kauft und die gekauften Unternehmen die Rechnung begleichen lässt, haben zig „Investors“ vorgeführt. Einige davon sind inzwischen auf der Strecke geblieben, aber viel zu wenige. (Muss fortgesetzt werden.)


09. 12. 2008

Google ist nicht Jesus. Vielleicht hat das niemand behauptet. Aber manchmal hat man das Gefühl, so sehr wird Google angehimmelt.

Jesus konnte über Wasser gehen, heißt es. Google behauptet es für sich und fällt dabei rein.

Hier ist der Beweis:

Ich möchte jemandem in Braintree, Massachusetts, einen Brief schreiben. Weil ich die Postleitzahl nicht kenne, suche ich nach ihr bei Google. Und siehe da: 02184! Wenn ich die auf den Briefumschlag schreibe, kommt der Brief sicherlich schnell an die richtige Adresse. Fein!

Google will mir aber noch mehr bieten, etwas, was ich gar nicht verlangt habe, einen Extraservice also. Google nennt korrekt den Ausgangspunkt meiner Ánfrage – Quickborn – und bietet mir an, eine Wegebeschreibung abzurufen. Google will mir den Weg von Quickborn nach Braintree aufzeichnen.

Das hat mich tief beeindruckt, aber nicht lange, weil Google mir mitteilte „Wir konnten keine Route zwischen Braintree und Quickborn berechnen. Zu dumm! Hat Google noch nichts davon gehört, dass man den Atlantik nicht nur mit dem Schiff, sondern auch mit dem Flugzeug überqueren kann? Ob zu Wasser oder in der Luft, beides lässt sich doch berechnen!

Wahrscheinlich hat Google mich ausspioniert und weiß, dass ich weder einen Dampfer noch einen Flieger habe. Wäre ich der Boss von GM oder Ford oder Chrysler, dann hätte Google sicherlich die Reiseroute berechnet.

Ach ja, wie zu lesen ist, sind die Herren zwar nicht ins Wasser gefallen, aber auf die Schnauze. Das wird ihnen nicht allzu weh tun. Den General Motors-, Ford- und Chrysler Mitarbeitern aber steht das Wasser bis zum Hals.



13. 12. 2008

Einfach.

Wenn etwas einfach ist, dann ist es leicht zu verstehen und leicht zu machen. Das stellt sich heute aber oft und immer öfter als Irrtum heraus.

Wie oft wird heute gesagt, geschrieben und auf internet-Seiten veröffentlicht: „Rufen Sie uns einfach an.“

Das würde man ja gern tun. Aber aus einem einfachen Anruf wird schnell ein zwei-facher, ein dreifacher und ein vielfacher. Die Sache fächert sich bis in die Unendlich-keit auf. Von einfach kann nicht mehr die Rede sein. Du sitzt in einer Warteschleife, wirst mit oberflächlichen Klängen, die als Musik missverstanden werden, abgespeist, gelangweilt und zum Schluss wütend gemacht. Einfach nur so. Weil die Herren Manager zu geizig sind, genügend viele Telefonanschlüsse zu bezahlen.

Eine Lüge also, ein Betrug? Wohl nur ein Schwindel, aber schlimm genug.

Die Jungs in den Unternehmen, die das Sagen haben, sollten dafür sorgen, dass einfach wirklich einfach ist: Wenn ich anrufe, habe ich den Gesprächspartner, der mir die richtigen Antworten auf meine Fragen geben kann. So einfach ist das.

Wenn es doch nur so einfach wäre!


15. 12. 2008

Wertigkeit neu erleben

Volkswagen hat in diesen Wochen die sechste Ausgabe der Erfolgsautos GOLF herausgebracht. Ein schönes Auto. Auf den ersten Blick kaum von dem Vormodell zu unterscheiden, aber doch wohl in vielen kleinen, vielleicht entscheidenden Einzel-heiten anders, womöglich besser. Das wird sich herausfinden lassen. So weit, so gut.

Weniger gut, nein, hundsmiserabel schlecht, ist das, was sich die Werber für dieses Auto ausgedacht haben: „Wertigkeit neu erleben.“

Da haben wir wieder die Großmannssucht, die aus Technik Technologie gemacht hat, die kleine Münze in große Scheine verwandelt, die nicht mehr wert sind, als die kleine Münze. Mehr scheinen als sein!

Ich unterstelle, dass die Nähte feiner gesteppt sind, die Sitzbezüge schmeichelnder und zugleich strapazierfähiger sind. Vielleicht ist der neue Golf sogar so flüsterleise, wie behauptet wird. Ich gehe davon aus, dass alles eine Klasse, vielleicht sogar zwei, besser ist. Alles sieht wertvoller aus, fühlt und hört sich besser an und ist es wohl auch. Gratulation!

Aber das ist doch keine neue Wertigkeit! Wertigkeit ist ein Begriff, mit dem man in der Chemie, in der Sprachwissenschaft, in der Informatik und Biologie umgeht. Dem möglichen Golf-Käufer ist der Begriff ganz sicherlich unbekannt, er wird ihm auch kaum über die Lippen kommen. Mehr Wert wird er wohl verlangen, von neuer Wertigkeit hat er keine Ahnung.

Wenn wir ihm sagen, der neue Golf ist so leise, dass man sogar die Flöhe husten hören kann, dann begreift er das: Ist also noch leiser als ein Benz. Und wenn wir von der Prinzessin auf der Erbse….


18. 12. 2008

Dauer-Spezial. Die DB-Bahn bietet in einer Anzeige im SPIEGEL 51 vom 15. 12. 2008 ein Dauer-Spezial an.

Worum geht es da? Was überhaupt ist ein Spezial, ganz zu schweigen von einem Dauer-Spezial?!

Es scheint um ein spezielles Angebot zu gehen, um ein besonderes Angebot, das es nicht alle Tage gibt, ein Sonderangebot also. Aber das kann es doch nicht auf Dauer geben – oder?

Ach ja, vielleicht handelt es sich um eine „Rückübersetzung“ im advertising English:
„spezial offer, permanent spezial offer“, weiß der Teufel was.

Eins ist sicher: Das Wörterkarussell dreht sich so schnell, dass dir schwindlig wird, manchmal so schnell, dass du… eine Kotztüte brauchst, wie es sie früher in den Flugzeugen gab. Viel Vergnügen!


29. 12. 2008

Zweierlei Sprache

Zwei Wörter haben es in letzter Zeit zum Modewort gebracht: Empathie und authentisch. Überall in der Presse begegnen uns die beiden. Und wenn Politiker
den Mund aufmachen, dauert es nicht lange, bis sie sagen, was die Schreiber schreiben: Empathie und authentisch.

Verliebt in diese Wörter wie die kleinen Jungs und Mädchen seinerzeit in geil und heute in cool? Nö, das ist es nicht. Da steckt etwas anderes dahinter: Feigheit bis
hin zur Verlogenheit. Schönfärberei? Das wäre zu schön gefärbt.

Mit Empathie mag man noch seine „Bildung“ hervorkehren. Nur Lieschen Müller
hat Mitgefühl, der Redakteur dagegen hat Empathie. Eine Idee, die Politiker gern
aufgreifen.

Bei authentisch ist das anders. Da geht es direkt zur Sache. Da wird gesagt (Claudia Roth im SPIEGEL-Gespräch, Ausgabe 1 / 29.12. 08): „Politik ist zu wenig authentisch.“

Gemeint ist: „Politik ist zu wenig glaubwürdig.“. Das wäre klar und deutlich, und auch ich würde das auf Anhieb verstehen, so wie Lieschen Müller und Herr Glos, unser Wirtschaftsminister, das auch verstehen würden. Wäre aber nicht so fein.

Und so besetzt authentisch den Platz, den bisher glaubwürdig eingenommen hat. Weil authentisch ein Modewort ist, wird es uns nicht für alle Ewigkeit begleiten; denn: Lügen haben kurze Beine.


30. 12. 2008

Ein Stück weit authentisch

Diese vier Wörter haben es in sich: zwei billige Redewendungen, die uns bis in den Schlaf hinein verfolgen. In allen Gazetten, in allen Funk- und Fernsehsendungen, bis uns die Augen und Ohren zufallen.

Zwei Beispiele, die für alles andere stehen:

Erstens: „Ein Stück weit“
Katharina Fegebank, Landesvorsitzende der GAL in Hamburg, sagt in einem Interview (Hamburger Abendblatt 30. 12. 2008): „…dass uns die Finanzkrise ein Stück weit einen Strich durch die Rechnung macht.“

Ein Stück von was? Wie lang, wie weit ist eigentlich das Stück, von dem hier und auch sonst die Rede ist?

Ist es denn so schwierig, die Sache genauer beim Namen zu nennen und den „fast-word“-Begriff „ein Stück weit“ zu vermeiden? Da bieten sich auf Anhieb einige Möglichkeiten an:

Die Finanzkrise hat uns einen ziemlichen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Finanzkrise hat uns einen ziemlich kräftigen Strich durch die Rechnung gemacht. Sie hat uns einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. So oder noch anders ginge es auch. Auf das gängige Automatendeutsch „ein Stück weit“ sind wir nicht angewiesen.

Zweitens: „Authentisch“
Claudia Roth im SPIEGEL Gespräch, Ausgabe 1/29. 12. 08: „Selbst die, die mich nicht leiden können, gestehen mir zu, authentisch zu sein.“ Und: „Politik ist zu wenig authentisch.“

Authentisch. Warum nicht glaubwürdig? Das ist doch wohl gemeint. Warum sagt Frau Roth nicht, dass es Menschen gibt, die sie für glaubwürdig, für ehrlich halten, für eine Frau, die Farbe bekennt und auch Gefühle zeigt?

Warum sagt sie nicht, dass die Politik nicht glaubwürdig genug ist, nicht immer das Vertrauen genießt, dass sie für sich in Anspruch nimmt. Sie müsste ja nicht sagen, dass Politik unglaubwürdig ist. Das wäre sicherlich übertrieben, wenn auch nicht so maßlos, wie diese Äußerung manchem erscheinen mag. Sie könnte auch sagen: Man sollte nicht alles glauben, was Politiker sagen. Aber das ginge dann doch wohl zu weit.

Lassen Sie uns über alles das doch mal in Ruhe ein Stück weit nachdenken!


05. 01. 2009


Genau genommen: Restspeicherzeit

Mein neues Telefonsystem macht mir viel Freude. Der Anrufbeantworter, der ja eigentlich ein Anrufempfänger ist, sagt mir sogar, wann ein Anruf eingetroffen ist.

Nur eine Kleinigkeit verstehe ich nicht. Da sagt eine sachlich-sympathische Frauenstimme eine Restspeicherzeit an. Was ist das?

Wenn kein Anruf angekommen ist, beträgt die „Restspeicherzeit“ 22 Minuten.
Wenn Anrufe angekommen sind, sind es ein paar Sekunden oder Minuten weniger.

Aber was, so frage ich mich, ist eine Restspeicherzeit? Eine Restspeicherzeit ist eine Speicherzeit. Nicht mehr und nicht weniger. So viele oder so wenige Minuten oder Sekunden können Nachrichten noch gespeichert werden.

Was machen wir da? Wir streichen den Rest und belassen es bei der Speicherzeit.





16. 01. 2009


So, so

So ist eines der wenigen deutschen Wörter, die sich mit zwei Buchstaben begnügen und doch eine besondere Bedeutung haben.

Da heißt es beispielsweise „das machen wir so nicht mit“. (Hamburger Abendblatt, 15. 01. 2009, „Grüne erteilen Innensenator Abfuhr“) Klarer Fall. Wenn sie es so nicht mitmachen, dann machen sie es anders mit. Fragt sich nur: wie?

Warum wird nicht gesagt: Das wollen wir nicht. Da machen wir nicht mit. Immer nur das So-la-la, das Unverbindliche, das Ungenaue. Wenn es um Verständigung ginge, gemeinsam etwas Vernünftiges auf die Reihe zu bringen, dann wäre das ja noch in Ordnung, aber es riecht immer nach faulem Kompromiss, nach Ausflucht, und die Schwindelei ist auch nicht weit entfernt.

So, wie Sie es sehen, habe ich es nicht gemeint. So können Sie meine Äußerung nicht interpretieren Ja, wie denn sonst? So oder so? Ganz nach Belieben. „Es gilt das gesprochene Wort“. Und wenn das von dem abweicht, das vorher zu Papier gebracht und verbreitet wurde? Dann gilt … Irgendwie muss ja die Flucht ins Ungefähre organisiert werden. Man könnte ja beim Wort genommen werden.


18. 01. 2009

Frauenboxen

Gestern Abend habe ich mir den Boxkampf von Ina Menzer gegen … ja, gegen wen? angesehen. Das war ein spannender Kampf, aber zuvor noch dies:

Ich staune immer wieder darüber, dass die Schwergewichtsklasse (Männerboxen) Königsklasse genannt wird. In den meisten Fällen sind die Kämpfe nicht halb so spannend wie die im Mittelgewicht (Cruiser?) oder bei den noch leichteren Jungs. 100 Kilo oder meistens noch mehr erlauben nur ein gemächliches Tempo und wenig Beweglichkeit.

Ähnlich ist es auch im Automobilsport. Die Formel 1 ist die Königsklasse. Aus ge-rechnet sie, die langweiligste, in der so ein bisschen über 300 Kilometer immer im Kreis gefahren wird. Wie aufregend war doch da die Rallye Monte Carlo. Da ging es über richtige Straßen und um halbwegs richtige Autos. Da konnte sogar der Mini (das Original), die Rallye gewinnen!

Zurück zum Frauenboxen. Die Mädchen sausen wie die wilden Hummeln durch den Ring. So schnell wie sie boxen, kann man kaum sehen. Das sehen die Jungs wirklich alt aus. Nun gut, mit nur etwas über 50 Kilo – mehr wiegen die Mädels kaum – kann man Tempo machen, und beweglich ist man dann auch.

Jetzt endlich zu dem, was mir gestern während des Boxkampfs durch den Kopf ging. Es gibt inzwischen eine ganze Menge Boxmädchen, aber alle haben einen Trainer. Von einer Trainerin habe ich noch nichts gehört. Ist das nicht komisch?

Aber vielleicht ist das ganz gut. Denn wenn die Mädels erst durch Trainerinnen betreut werden, dann gibt es möglicherweise auch bald Boxkämpfe zwischen Jungs und Mädchen. Einen hatten wir ja schon. Der Herr Raab hat von Regina Hallmich ordentlich eins auf die Flappe bekommen. Recht so!


19. 01. 2009

Vorschlag für eine sinnvollere Kriegführung

Kriege gab es immer und überall. Das ist auch heute noch so. Selbst ein sogenannter „Kalter Krieg“, wie wir ihn in der Mitte des letzten Jahrhunderts zwischen „dem Westen“ und „dem Osten“ hatten, forderte seine Opfer.

Es gab und gibt so viele Gründe, Krieg zu führen, dass man sie alle gar nicht aufzählen kann. Immer ging es um etwas, das man selbst nicht hatte, aber unbedingt haben wollte. Mal war es Land, mal war es Wasser, mal waren es nur Gefühle – das Gefühl, überlegen oder auch unterlegen zu sein, irgendwas wollte man immer.

So viele unterschiedliche Gründe es gab (und auch heute noch gibt), Krieg zu führen, eins ist allen Kriegen gemeinsam: Die jungen Menschen werden in den Krieg, in den Tod, geschickt. Das ist gemein. Das ist ungerecht. Das ist außerdem auch noch dumm.

Die Jungs und Mädels – es gibt heute ja auch Soldatinnen (zu „meiner Zeit“ nannte man sie Flintenweiber) – werden von ihren Vätern und Großvätern in den Krieg geschickt. Stimmt nicht?! Wer hat denn die Kriegserklärungen zum Zweiten Weltkrieg unterschrieben? Na, also.

Mit diesem Unfug sollte jetzt endlich Schluss gemacht werden. Nicht die Jungs und Mädels gehen an die Front, sondern die Alten. Ab sofort werden nur noch über 60-jährige zum Militär eingezogen. Nur sie dürfen noch in den Krieg ziehen.

Das dürfte verschiedene Vorteile mit sich bringen. Erstens: Mit zunehmendem Alter wächst die Feigheit; es wird nicht mehr so viel herumgeballert. Zweitens: Die mit dem Alter zunehmende Fehlsichtigkeit führt dazu, dass öfter daneben geschossen wird. Beides ist aber nur bedingt als Vorteil anzusehen. Entscheidend ist, dass sich die Alten tot schießen, die ihr Leben schon weitgehend hinter sich haben. Und dass die jungen Leute Aussicht auf ein langes, wenn auch nicht immer glückliches Leben haben. Bis auch sie auf die Idee kommen, einen Krieg anzuzetteln. Aber das dauert ja ein paar friedliche Jahre. Dann ziehen sie in den Krieg. Und alles geht von vorn los.

Da fragt doch einer, der mir gerade über die Schulter sieht: „Na, Alter, schon das Gewehr geschultert?“ „Nee, sage ich da, das mach du mal lieber“. Und so bleibt alles beim Alten.

Oder? Vielleicht doch nicht. Könnte doch sein, dass der junge Spund sagt: „Nee, das ist nicht mein Ding.“ Und so zieht in Zukunft niemand mehr in den Krieg, die Jungen nicht und die Alten nicht.

Ich weiß nicht, wie man auf einen so blödsinnigen Gedanken kommen kann. Aber mir gelingt es, wie man sieht. Der Mensch ist des Menschen bösester Feind. Jeder Tag zeigt es auf’s Neue.



24. 01. 2009

Wer nichts wird, wird Wirt.

Das ist ein gemeiner Spruch. Ich kenne viele Gastwirte, die etwas geworden sind: gute Gastgeber.

Aber so ganz scheint es mir mit dem Wörtchen Wirt nicht in Ordnung zu sein. An den Hauswirt, die Volkswirte und Betriebswirte haben wir uns ja schon gewöhnt. Aber nun kommen neue Herausforderungen auf uns zu, und wir müssen sehen, wie wir mit ihnen fertig werden. Na gut, vielleicht nicht gleich neue Herausforderungen, in jedem Fall aber ein neuer Begriff, eine Berufsbezeichnung, an die wir uns erst noch gewöhnen müssen: Bestattungsfachwirt, ich wenigstens.

Da haben wir also einen Wirt, dessen Fach, dessen Fachgebiet, die Bestattung ist. Die Rede ist – richtig verstanden ? – von einem Beerdigungsunternehmer. Das ist ein krisenfester Beruf, vor allem aber ein wichtiger und ganz besonders anspruchsvoller.

Das Wichtigste ist, denke ich, das Feingefühl, das Mitgefühl mit den Angehörigen. Aber darin erschöpft sich die Aufgabe des Beerdigungsunternehmers bei weitem nicht. Es ist heute schwieriger, unter als auf die Erde zu kommen, als es früher einmal war. Die Aufgaben sind vielfältig. So müssen gegebenenfalls Familiendoku-mente beschafft werden, weil eine Beisetzung ja gar nicht möglich ist ohne eine ordnungsgemäße Beurkundung beim Standesamt. (Zwischenfrage: Und wenn diese Beurkundung nicht vorhanden ist, dann bleibt der Tote unbegraben?)

Wie auch immer. Anscheinend ist alles so geregelt, dass man einen Bestattungsfach-wirt braucht. Ein einfacher Beerdigungsunternehmer kommt mit all diesen Dingen wohl kaum noch zurecht. Kein Wunder also, dass in diesem Feld jetzt auch Betriebs-wirtschaftler, gelernte, wohlgemerkt, aktiv werden. Damit macht sich dann im auch Trauerfall die neue Wirtschaftssprache breit. „Die Palette ist groß“ beschreibt ein Bestattungsfachwirt sein Aufgabengebiet. Also: Eine Palette ist laut Wörterbuch immer noch eine Schreibe mit einem Loch für den Daumen drin. Auf diese Scheibe trugen oder tragen auch jetzt noch die Kunstmaler ihre Farben auf, die sie verwenden wollten. Klar es gibt auch andere Paletten: Die sind der Untersatz für Stapelgüter.

„Unser Fokus ist immer darauf gerichtet, die Angehörigen zu entlasten.“ Sagt unser Bestattungsfachwirt in seinem Betriebswirtschaftsjargon. Wie richtet man denn einen Fokus auf irgendetwas? Und was wird da hingerichtet? (Für uns am wichtigsten ist es, den Angehörigen zu helfen. Wäre doch eine Möglichkeit, nicht wahr?=


26. 01. 2009

Hessens oberster Sprachschöpfer

„Noch ist der Schutzschirm der Banken bei Weitem nicht ausgeschöpft“, sagt Roland Koch, Hessens alter und neuer Ministerpräsident und nun wohl auch oberster Sprachschöpfer des Landes. (Hamburger Abendblatt, 26. 01. 09 zum Thema „Bad Bank / Heftiger Streit um die Haftung für faule Kredite“.

Bildhaft sprechen und schreiben – hatten wir das nicht mal im Deutschunterricht als Aufgabe und Ziel? Aber gleich so, wie Herr Koch das macht? Klar, wenn man einen Regenschirm aufspannt und ihn verkehrt herum ins Wasser hält, läuft er voll. Und dann kann man sozusagen aus dem Vollen schöpfen, aus dem vollen Schirm.

Die Formulierungshilfe, die Herr Koch braucht, werde ich ihm heute nicht geben, aus purer Bosheit. Weil ich ihn mit seiner entarteten Sprachkunst mal länger im Regen stehen lassen möchte.


27. 01. 2009

„Was bleibt eigentlich, wenn die Religion wegfällt?“

Diese Frage ist mir in diesen Tagen in einer Zeitung oder einer Funksendung begegnet. Eine Antwort gab es nicht. Es sollte aber eine Antwort gegeben werden.

Die Antwort beginnt mit einer Frage: Was ist Religion? Religion ist der Glaube an eine überirdische Macht, so Wahrig’s Wörterbuch. Das klingt einleuchtend, macht eine Antwort aber nicht leichter.

Wischen wir mal den Glauben an eine überirdische Macht beiseite. Was bleibt? Vielleicht Enttäuschung, vielleicht sogar Verzweiflung, ganz sicherlich aber der Glaube an unsere Macht, die Macht des Menschen.

Tatsächlich: Man könnte glauben, wir seien allmächtig. Während sich alle Lebewesen auf diesem Planeten ihrer Umwelt anpassen durch geben und nehmen, versucht der Mensch, den Planeten sich anzupassen.

Das geschieht seit jeher mit roher Gewalt. Als nur wenige Menschen auf unserem Planeten wohnten, fiel das nicht weiter auf. Noch war das kein Raubbau. Noch hatten andere Lebewesen, auch Pflanzen, eine Chance. Das ist schon lange her.

Seit vielen Jahren ist das anders. Heute essen wir das auf, was unsere Kinder und Enkel ernähren sollte. Wir prassen und schicken unsere Kinder in die Armut, vermutlich in den Tod.

So üben wir unsere Macht aus. Weil wir glauben, wir seien mächtiger als - Gott? Den gibt es wohl nicht. Aber es gibt die Erde, auf der wir leben. Und die ist stärker als wir.

Nicht einmal das ist gewiss. Es ist nicht auszuschließen, dass wir dieses Staubkorn des Universums erfolgreich in die Luft sprengen. Aber darüber spricht dann niemand; denn da ist keiner, der noch etwas sagen könnte. Außer Gott. Vielleicht.


21. 02. 2009

Seit meiner letzten Eintragung ist fast ein Monat vergangen. Ich habe in letzter Zeit so viel für die Vorbereitung meiner VHS Vortragsreihe „Quickborn zwischen Krieg und Frieden“ getan, dass für andere Dinge kaum Zeit blieb. Heute nichts Wichtiges, nur das, was mir, die Sprache betreffend, ins Auge sprang:

Hamburger Abendblatt, Wochenendausgabe 21./22. 02. 2009: „HRE in die Insolvenz – das wäre genau das Richtige“ – lesenswerter Beitrag, der sich im Wesentlichen mit Äußerungen von Uni-Professor Homburg befasst.

„Mit dem Wort ‚systemrelevant’ wird zu leichtfertig umgegangen“, sagte Homburg dem Abendblatt. Zwar sei es abstrakt vorstellbar, dass die Insolvenz einer einzelnen Bank einen sehr großen Teil des Finanzsystems in den Abgrund reißt…“usw. usw.
„Abstrakt vorstellbar“? Wie geht das? Wahrigs Wörterbuch gibt darauf keine einleuchtende Antwort. Mit abstrakt sei „nur gedacht“, „unanschaulich“ gemeint.
Abstrakt vorstellbar heißt demnach: „Nur gedacht vorstellbar“. Oder „Unanschaulich vorstellbar“, was eigentlich unvorstellbar sein müsste.

Ach, diese Professoren! Aber sie sind ja nicht die einzigen Sprachkünstler. In derselben Abendblatt-Ausgabe schreibt Redakteur Peter Ulrich Meyer in dem Bericht „Die Woche im Rathaus“: „Denn Freytag war zumindest abstrakt über den Plan der angeschlagenen Bank informiert.“ Was nichts anderes heißt als Herr Freytag war nur gedacht (oder vielleicht gefühlt?) informiert – oder eben unanschaulich informiert. Sprach-Un- und -wahnsinn ganz konkret, oder?

Die Gelegenheit ist günstig, weiteren Sprachunfug „auf den Weg zu bringen“. Auf den Weg bringen Politiker ja alles Mögliche, fragt sich nur, auf welchen Weg. Oft wird das als „Schritt in die richtige Richtung“ bezeichnet, was hoffen lässt, aber nicht unbedingt „zielführend“ ist (nicht sicher zum Ziel führt).

Wenn wirklich dicke Luft herrscht, wenn es darum geht, Probleme zu lösen, dann gehen Politiker so richtig zur Sache: sie schnüren ein Maßnahmenpaket. Wie sie das machen, ist ihr Geheimnis; denn Menschen wie du und ich, wir schnüren keine Pakete, wir packen Pakete. manchmal auch Päckchen. Aber Politiker lieben es immer eine Nummer größer. Dabei sind ihre geschnürten Maßnahmenpakete manchmal höchstens Maßnahmenpäckchen. Oft nicht einmal das.

22. 02. 2009

Krise und Rezession. Da haben wir den Salat. Das eine vermischt sich mit dem anderen, macht weltweit nicht nur Kopf-, sondern auch Bauchschmerzen. Da ist die Bankenkrise, die eine Vertrauenskrise ist. Keine Bank traut der anderen über den Weg. Die Folge: Die Wirtschaft, die anscheinend überwiegend auf Pump lebt, bekommt plötzlich keine Kredite mehr. Klar, sie ist überschuldet. Wenn ich lese,
dass einer Bank eine Eigenkapitalquote von 8 Prozent schon ausreicht, um international Geschäfte zu betreiben, dann fasse ich mich an den Kopf. Was sind denn die übrigen 92 Prozent? Fremdkapital? Also im Grunde Schulden?

Hervorragend geführte Mittelständische Unternehmen und Banken erreichen eine Quote von bis zu 67 %, war in diesen Tagen zu lesen. Was sind die verbleibenden
33 %? Schulden. irgendwelche Verbindlichkeiten? Ich weiß es nicht. Seit ich selbständig bin, hat mir meine Bank einen Kredit zur Verfügung gestellt, den ich nie in Anspruch genommen habe. Ich habe keine Schulden gemacht. Ich habe von meinen Erlösen immer so viel zurück gelegt, dass ich notwendige Anschaffungen sofort bezahlen konnte.

In der großen Wirtschaft wird das anders gemacht. Continental macht 10 Milliarden EURO Schulden, um VDO zu kaufen. Toll!. Schaeffler macht 10 Milliarden Schulden, um Continental zu kaufen. Und nun hat Schaeffler 20 Milliarden Schulden am Hals und ruft nach staatlicher Hilfe. Die sollen Pleite gehen, denn sie sind nicht Opfer einer weltweiten Wirtschafts-, Vetrauens- und Finanzkrise, sie sind das Opfer ihres Größenwahns, ihres Übermuts. Dafür will ich nicht aufkommen.

So rätselhaft wie die Krise ist mir auch die Rezession. „Wirtschaftsweise“ rechnen mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr um 2,5 bis 3,5 %. Was ist daran so dramatisch? Ich habe Jahre gehabt, in denen ich 10, 20, ja sogar 30 % weniger Einkommen hatte als im Jahr zuvor. Das gefiel mir nicht, aber ich war vorbereitet. Und da sind 2,5 bis 3,5 % die große Katastrophe? Das verstehe ich nicht, und bisher hat es mir auch noch niemand erklärt.

Könnte es sein, dass wir einfach nicht richtig denken können? Es ist doch keine Gesetzt, dass es immer aufwärts geht. Gesetz ist vielmehr, dass es mal auf und mal ab geht. Kein Baum wächst in den Himmel. Von der Wirtschaft, von unserem Wirtschaften erwarten wir das. Denkfehler? Wunschtraum?

Ach ja, zum Schluss: Vielleicht kommt allen die Rezession so schrecklich vor, weil das Wort so schrecklich klingt. Rückgang, Abschwung – das klingt viel weniger schlimm. Und so ist es vielleicht auch mit der Rezession. Das Erfreulich an ihr: Es wird auch wieder aufwärts gehen. Wir müssen nur hart arbeiten und dürfen nicht länger auf Pump leben.

14. 03. / 16. 03. 2009

Vor drei Wochen der letzte Eintrag, eine Schande, denn es passiert jeden Tag etwas, das aufgespießt gehört. Aber da ich mich nicht nur auf meine Vortragsreihe „Quickborn zwischen Krieg und Frieden“ (VHS) vorbereiten muss, sondern mich noch in das Projekt „Die Kirche in Quickborn in der Nazi-Zeit“ gestürzt habe, dazu auch noch einen kleinen Auftrag für eine Internetpräsentation angenommen habe… „das erklärt alles“, würde mein Freund Columbo jetzt sagen, und er hätte recht. Also, nun munter drauf los.

Erst mal zur Misshandlung der Sprache: „Die anhaltende Debatte fokussiert oft einseitig auf…“. War in irgendeiner Gazette dieser Tage zu lesen. Klarer Fall:
Die Debatte konzentrierte sich auf irgend etwas. Wann endlich wird fokussieren
lokussiert? In den Lokus gehört dieser Sprachschwachsinn.

Weiter im Text. Da sind „…fünf Mitglieder als SPD oder SPD-nahestehend verortet“, war zu lesen. Das heißt: Fünf Leute sind der SPD zuzuordnen. Aber „verortet“ ist ja so „in“. Da schreibt das Hamburger Abendblatt in seiner Ausgabe vom 23. Februar 2009 auf der Seite Kultur & Medien „in der dunklen bayerischen Provinz verortetes Werk“. Gemeint ist: Die Sache spielt in der bayerischen Provinz, sie ist – in Gottes Namen – dort angesiedelt. Warum also verortet. Muss ich etwas verorten, wenn ich sagen will, wo es stattfindet? Selbst „lokalisiern“ wäre ja noch besser! Die Sprache lebt? Ja klar. Aber muss sie wuchern wie ein Krebsgeschwür?

„Ein feiner Pinkel“. Das war für meinen Vater und ist für mich ein Mensch, der mehr sein will als er ist, ein Angeber. Davon gibt es heute, wie immer schon, mehr als genug. Manchmal habe ich den Eindruck, als möchte jeder ein „feiner Pinkel“ sein. Dieser Wunsch beschränkt sich nicht mehr auf einzelne eitle Menschen. Es kann gar nicht mehr hoch hinaus gehen. Versandhandel? Wie poplig! Das heißt jetzt Distanz-handel. Klingt toll, ist es aber nicht. Der Beweis: Der Versandhandel schrumpft. Und das liegt daran, dass er sich als Distanzhandel sieht – auf Distanz zum Kunden. Dabei ist Kundennähe immer noch der Schlüssel zum Erfolg. Wie kann man das nur vergessen?!

Hätten wir da noch etwas? Ja, zwei Kleinigkeiten.

Im Deutschlandfunk heißt es am 05. 03. 09 „Managergehälter machen nur 0,64%
der Einkommen aus“. Also verdienen die gar nicht so viel, sollte man meinen. Aber:
Wie viele Prozent der Beschäftigten sind Manager? 0,64% oder vielleicht weniger?
Da sollte man doch mal nachrechnen. Haben wir es hier mit dem üblichen und so
beliebten Statistikspiel zu tun?

Die zweite Kleinigkeit: Autobiographien. Autobiographien sind keine Biographien. Während die „Bio“ den Lebenslauf eines Menschen darstellt, von wem auch immer geschrieben, ist die „Auto“ eine Selbstdarstellung. In beiden Fällen ist Vorsicht geboten.

Der Verehrer eines Menschen wird eine andere Biographie schreiben als ein Gegner oder gar Feind dieses Menschen. Da muss man Augen und Ohren aufsperren, damit man nicht hinters Licht geführt wird. Das ist schwierig.

Bei Autobiographien ist das viel einfacher. Da es sich um Selbstdarstellungen handelt, dürfen wir davon ausgehen, dass wir es mit einem Helden zu tun haben – von ein paar Spritzern Selbstkritik einmal abgesehen. Die sollen das Positive ja nur noch verstärken. Autobiographien? Münchhausen lässt grüßen.

Das gilt für Frank-Walter Steinmeier („Mein Deutschland. Wofür ich stehe.“ Bertelsmann) ebenso wie für die „Auto“ von Guido Westerwelle, die neulich der Herr Steinmeier dem erstaunten Publikum vorgestellt hat. Autobiographien als Wahlkampfwaffe! „Außer Getöse is nix gewöse“, könnte man sagen. Also sage ich es. So wird das Buch heute missbraucht. Kein Wunder, dass immer weniger Bücher gelesen werden. Das Fernsehen bietet es auch. Es geht nur schneller: Zum einen Auge herein, zum anderen Ohr hinaus.



23. 03. 2009

Gestern Abend haben sich zwei Boxe ein paar auf die Ohren gehauen, der ältere der Klitschko-Brüder (Wladimir?) und ein Herr Gonzalez aus Kuba. Für ´zwei Schwergewichtler von jeweils über 100 Kilogramm (zwei Doppelzentner) waren die beiden recht temperamentvoll. In der 9. Runde war es dann für den Herrn Gonzalez vorbei: Technischer KO. Hat ihm nicht besonders weh getan. Únd dass er vorher das Großmaul war, das gehört, wie er sagt, zum business.

Das Einzige, was mich an dieser Geschichte interessiert, ist der Kommentar eines Kommentators: „…ein Boxer, der sich fokussiert.“ –Gemeint war der Herr Klitschko, der sich auf die Vorbereitung seines Kampfes konzentrierte. Für ihn war diese Vorbereitung das Wichtigste. In den Brennpunkt, den Focus, hat er sich bestimmt nicht gestellt, sonst wäre er verglüht.

Aber es hat auch eine erfreuliche Überraschung gegeben, was unser Sprache betrifft.
Da sagt der Berichterstatter aus der Hans-Martin-Schleyer-Halle in Stuttgart wirklich: „…aus der pickepacke vollen Hans-Martin-Schleyer-Halle…“
Pickepacke voll! Ich bin begeistert. Es gibt noch Menschen, die meine Sprache sprechen.

29. 03. 2009

Also, die Freude über die pickepacke volle Hans-Martin-Schleyer-Halle in Stuttgart war nur ein kleines Zwischenhoch.

Hoch performante Server-Produkte beenden den Lichtblick schon wieder. Performant? Wie wäre es mit leistungsfähig? Nach dem Hamburger Abendblatt vom 25. März, Seite 11, hat irgend jemand einen Garantieschirm in Höhe von 30 Milliarden € gestellt. Das ist wirklich ein gewaltiger Schirm. Wo steht er denn nun? Auf jeden Fall scheint das Schirmgeschäft zu blühen wie lange nicht mehr. Das sollten wir im Fokus haben. Mut dazu macht die Überschrift „Die Umwelt im Fokus“. Aber vielleicht handelt es sich hier um einen Schreibfehler. „Die Umwelt im Lokus“ wäre auf jeden Fall treffender, so traurig es ist.

Leidensgeschichte
Das Althaus-Syndrom oder die Medienhysterie

Da ist im vergangenen Winter ein Herr Althaus eine Ski-Piste runtergesaust, hat dann gegen alle Regeln die Richtung geändert und eine andere Ski-Fahrerin zu Tode gefahren. Er selbst war schwer verletzt. Seine Genesung hat Monate gedauert. Ein ganz normaler, wenn auch bedauerlicher Fall.

Weil aber dieser Herr Althaus nicht ein normaler Herr Althaus ist, sondern der Ministerpräsident eines Bundeslandes (Thüringen?), ist dieser Fall zwar bedauerlich, aber nicht normal.

Die Medien haben sich geradezu umgebracht ob der Dramatik dieses Falles: Wie fühlt sich der Herr? Ist er schon wieder Herr seiner Sinne?
Schuldig oder nicht schuldig? Kann er wieder in die Politik zurück? Wenn ja, wann? Am Rande wurde auch über das Opfer des Zusammen-stoßes berichtet. Am Rande.

Heute, am 20. April, kommt dann ein Interview mit diesem Herrn Althaus. Der Eindruck: Was geschehen ist, lässt den Herrn kalt. Das Wichtige: Ich bin wieder da, wieder auf der politischen Bühne. Ich werde wieder regieren!

Das alles ist ganz normal, ganz alltäglich? Ja, das ist es. Politiker sind wie wir. Wir alle suchen unseren Vorteil.

Es sieht so aus, als seien Politiker und Manager besonders schlimm. Aber sie sind nur besonders erfolgreich. Das ist natürlich aus Sicht eines kleinen Mannes wie ich noch schlimmer als schlimm.

Trotz allem: Ich habe keine Lust auf wehleidige Althaus-Geschichten. Da könnte man ja auch über mich schreiben. Das Dumme ist nur: Ich fahre nicht Ski. Und ich heiße auch nicht Althaus.

20. 04. 2009


04. 05. 2009

Small is beautyful. Es ist vierzig Jahre her oder noch ein paar Jahre mehr. Die Werbeagentur Doyle Dane & Bernbach begeisterte jedes Jahr hundertausend und noch mehr Amerikaner mit dieser Behauptung für den VW-Käfer, den Beetle.

Ich erinnere mich noch genau, mit welcher Spannung ich den Wettlauf verfolgte, den sich der Käfer und die Renault Dauphine in den USA lieferten. Zum Schluss siegte der Beetle, obgleich die Dauphine auch small and beautyful war. Als Käferfahrer habe ich mich darüber sehr gefreut, obgleich ich Frankreich sehr liebe. Allerdings hatte ich meine Liebe zu Frankreich damals noch nicht entdeckt.

„Sie schweifen ab, mein Herr. Sie wollten doch etwas ganz anderes sagen.“

„Ja, ich weiß, aber mir gehen immer wieder die Pferde durch; es ist doch immer so viel zu erzählen.“


„Also zur Sache bitte.“

„Ja, natürlich, zum Größenwahn.“

„Was hat der Größenwahn mit ‚small is beautyful’ zu tun, bitte schön?“

„Nun, der Größenwahn ist das Gegenteil von beautyful, das ist der Zusammenhang, nach dem Sie fragen.“ „Ich will versuchen, Ihnen das zu erklären.“

„Da bin ich aber gespannt.“

„Da war der Herr Adolf Merckle, einer der größten Unternehmer unserer Wirtschaftsrepublik Der hat ein Imperium aufgebaut, das er zum Schluss selbst nicht mehr überblickte und schon gar nicht beherrschte. Der hat sich, als er keinen Sinn mehr in seinem Leben und Treiben sah, vor einen Zug geworfen. Das Ergebnis war nicht sehr beautyful.“

„Was Sie sagen, ist wirklich unappetitlich.“

„Da muss ich widersprechen. Was ich gesagt habe, klingt unappetitlich, aber in Wirklichkeit ist das, was Herr Merckle gelebt und getan hat, unappetitlich. Immer größer, immer größer, ohne ein anderes Ziel. Nur Größe. Geblieben ist davon nichts.“

„Zugegeben. Aber das war ein tragischer Einzelfall.“

„Einspruch! Tragisch vielleicht, aber Einzelfall? Nein. Denken Sie an Edzard Reutter, der aus der Autofabrik Mercedes-Benz einen Technologiekonzern machen wollte und scheiterte. Denken Sie an Jürgen Schrempp, der Mercedes und Chrysler im Himmel verheiratete – der reine Größenwahn, ein Fiasko. Der einzige Profiteur war der Wahnsinnige.“

„Zugegeben, aber das sind doch Ausnahmen.“

„Ausnahmen? Ich bitte Sie! Das ist doch die Regel. Seit Jahrzehnten grassiert der Größenwahn wie ein Virus, der schlimmer ist als Hühnerpest und Schweinegrippe, die jetzt – vornehmer – Mexicogrippe genannt wird. Der Größenwahn kennt keine Grenzen.“

„Machen Sie mal einen Punkt.“

„Warum ich? Warum nicht Sie?“

„Nun kommen Sie mal zur Vernunft. Ohne Wachstum gibt es keinen Wohlstand, das ist doch klar.“

„Bitte seien Sie mir nicht böse, wenn ich sage: das ist Quatsch. Warum wachsen Bäume nicht über sich selbst hinaus? Weil es nicht geht. Wir möchten etwas erzwingen, was nicht zu erzwingen ist. Wir haben uns blind(wütig) von den Naturgesetzen entfernt. Wir glauben, sie außer Kraft setzen zu können. Wie dumm!“

„Na hören Sie mal! Die Wirtschaft hat doch mit Naturgesetzen nichts zu tun.“

„Das ist der Fehler, den wir machen.“

„Blödsinn!“

„Richtig, da sind wir einer Meinung: Dieser Fehler ist blödsinnig. Bei allen unseren Fähigkeiten: die Natur können wir nicht außer Kraft setzen.“

„Mag sein. Aber wir können sie kontrollieren.“

„Sind Sie sicher? Wie wollen Sie den Atommüll kontrollieren, der über Jahrhunderte unseren kleinen Planeten verseuchen wird? Die sichere Abfallgrube ist bisher noch nirgendwo gefunden worden. Nach uns die Sintflut? Irgendjemand hat in Anbetracht unseres leichtfertigen Lebens gesagt: Vor uns die Sintflut. Das dürfte eher zutreffen. Aber wer will das schon wissen? Und danach handeln?“

„Sie sind und bleiben ein Pessimist. Sie sind ein Schwarzseher.“

„Nee, nee, nee, meine GEZ-Gebühren werden regelmäßig von meinem Konto abgebucht.“

Sie wissen genau, was ich meine.“

„Ja, und deshalb können Sie mir gestohlen bleiben.“

„Warum denn gleich so heftig? Was habe ich Ihnen getan? Sie sehen schwarz, ich nicht. Also sagen wir mal: Ich sehe alles freundlicher, sozusagen weiß. Lassen Sie uns einen Kompromiss schließen. Das ist ja heute so in Mode. Sie schwarz, ich weiß, und daraus machen wir einen Grauschleier, mit dem wir alle Probleme zudecken, sozu-sagen verschleiern. Es soll übrigens Fortbildungskurse für Manager und Politiker geben, in denen die Kunst der Verschleierung trainiert wird, wie ich hörte, durchaus erfolgreich.“

„Sie haben Recht. Wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Warum regen wir uns auf, wenn doch alles seinen Gang geht? Wir machen einfach mit. Und wenn es dann wirklich knallt? Wir waren es nicht. Wir haben es kommen sehen.“


Siehste. Das ist das Problem.

Beide: „Mein Gott, sind wir gut“


26. 05. 2009

Gesine Schwans Rechtsstaat

Gesine Schwan wollte Bundespräsidentin werden. Nun bleibt sie, was sie war: Gesine Schwan. Ich bin erleichtert. Zugegeben: Ich habe sie von Anfang an nicht gemocht. Schon die Frisur, dieses selbstgefällige Lächeln, und dann das Tingeln durch ganz Deutschland, die Besserwisserei – eine Frau, die alles für sich will, aber nichts für uns.

Ich gebe zu: Es ist schön blöd, so emotional zu sein. Aber der wirkliche Grund für meine Erleichterung, dass sie uns als Bundespräsidentin erspart bleibt, ist ein ganz anderer.

Frau Schwan hat gesagt, dass die DDR kein Unrechtsstaat war. Das war kein Irrtum – so dumm ist die Dame nicht – das war eine Lüge. Eine Lüge, um sich die Stimmen der LINKEN zu sichern.

Die DDR war eine Diktatur. Sie war ein Unrechtsstaat. Das ist tausendfach bewiesen.

Natürlich wird auch in einem Unrechtsstaat Recht gesprochen. Aber es ist kein Recht, das rechtens ist. Es ist ein Recht der Willkür. Ein Gelegenheitsrecht. Und Gelegenheit macht Diebe. So stiehlt die Diktatur, der Unrechtsstaat, Stück für Stück das Recht seiner Bürger.

Ich hoffe, Frau Schwan, wir sehen Sie nicht wieder


So, so, so!

Was so ein klitzekleines Wörtchen alles sagen kann! Meistens wird mit dem Wörtchen „so“ gemogelt. Irgendetwas soll nicht so genau gesagt werden. Oder ist es nur sprachliche Schluderei? Das kann jeder für sich selbst entscheiden. Hier einige Beispiele:

„Alle plappern das Kostenargument nach. Nur es stimmt so nicht.“ Ja wie stimmt es denn dann?

„Das hat sich so noch nie ereignet.“ Aber wie hat es sich denn ereignet? Irgendwie anders?

„Werden von vielen Wettbewerbern so überhaupt nicht angeboten.“ So nicht. Aber wie dann?

Dieses so, so, so könnte eine kleine, dumme Redewendung sein, die einem so aus dem Mund rutscht. Man denkt sich nichts dabei.

Mein Verdacht: Hier soll etwas im Unklaren, im Ungewissen gehalten werden: So nicht, heißt es, aber wie dann – das wird nicht gesagt. Das finde ich ziemlich gemein.


Von großer Tragweite

Hier geht es um Bedeutendes, um Staatstragendes, um Weltbewegendes, Welterhaltendes. Es geht beinahe um alles. Ich gebe zu: Pompöse Sprache hat ihren Reiz. Aber muss wirklich so dick aufgetragen werden? Nein, muss nicht. In den meisten Fällen genügt das Wörtchen wichtig.


Und noch einmal: Zeitnah

Seit einiger Zeit soll immer irgendetwas zeitnah entschieden werden. Was damit gemeint ist, soll offenbar im Dunkeln bleiben. So genau soll es nicht gesagt werden.
Dabei wäre es so einfach, siehe folgende Beispiele.

Zeitnah = sofort, augenblicklich, umgehend, kurzfristig, bald, demnächst…
Aber zeitnah ist so wie das Zeitfenster: eine billige Münze, die das Nachdenken und das Suchen nach dem richtigen Wort erspart.


28. 05. 2009

Auf verlorenem Posten

Ich war heute Gast auf einem Konfirmandentreffen der Ev.-Luth. Gemeinde Quickborn. Thema war der Nationalsozialismus in Quickborn „Quickborn zwischen Krieg und Frieden“.

Von 14 Konfirmanden erschienen nur 8. Zwei Mädchen, die nebeneinander saßen, waren ausgesprochen albern und völlig uninteressiert. Sie wollten nicht einmal am Vorlesen von Zeitzeugenberichten teilnehmen.

Ja, von Hitler hatten sie schon mal gehört. Sonst wussten sie so gut wie nichts. Sie waren überrascht, dass der zweite Weltkrieg nicht nur in Deutschland stattgefunden hat.

Ich fürchte, ich habe da tauben Ohren gepredigt.

Die Diakonin, die mich eingeladen hatte, scheint die Dinge richtig zu sehen. Die Konfirmation? Da gibt es Geschenke! Ein guter Grund, sich konfirmieren zu lassen. Der Unterricht dauert ja auch nur ein Dreivierteljahr. Das kann man investiren.

Von den Familien kommt keine Unterstützung. Die halten ja selbst nichts vom christlichen Glauben. Klar. Das muss man ja auch nicht. Aber warum dann die Konfirmation? Ach ja, wegen der Geschenke.

Wenn die Kinder nicht im christlichen Glauben erzogen werden, steht die Kirche auf verlorenem Posten. Sie kann nicht das schaffen, was die Eltern versäumt haben, was ihnen gleichgültig war oder was sie einfach nicht wollten.

Nun kann man über Sinn und Unsinn von Religionen denken, was man will, der Konsumerismus, der Tanz ums Goldene Kalb, ist sicherlich die fragwürdigste Religion, aber sie scheint die vorherrschende zu sein.

In vergleichbarer Weise steht auch die Schule auf verlorenem Posten. Was von den Eltern nicht geleistet wird – Erziehung zu Anstand, zu respektvollem Zusammenleben, zu Verständnis, zu Pflichtbewusstsein – alles das wird auf die Schule abgeladen. Dabei hätte die Schule genug zu tun, um die Fähigkeiten Lesen, Schreiben, Rechnen zu vermitteln. Dazu kommt sie immer weniger.

(„Theater ist auf der Basis der deutschen Grammatik und des gesunden Menschenverstandes zu bewältigen“. Gustav Gründgens. Das gilt nicht nur für das Theater.


07. 06. 2009

Die Schule als Erziehungsanstalt

„Ein Lehrer aus Nordrhein-Westfalen hat sieben Monate lang den Alltag an seiner Schule protokolliert“ (STERN Nr. 23 von 28. 05. 2009). Ein geradezu unglaublicher Bericht.

Warum sind die Kinder so? So gewaltbereit, gewalttätig, respektlos, dumm – und offenbar noch stolz auf ihre Dummheit? Nein, die Schule ist nicht schuld daran. Sie ist keine Erziehungsanstalt.

Dieses altertümliche Wort wurde auf Schulen angewendet – zu Kaisers Zeiten, in der Weimarer Republik und auch noch später – als das gar nicht zutraf. Seinerzeit wurde an den Schulen unterrichtet, wurde Wissen vermittelt. Die Strenge, mit der das oft geschah, hat die Bezeichnung Erziehungsanstalt wohl nahe gelegt. In Wirklichkeit wurden Kinder zu Hause erzogen.

Sie wurden zu Folgsamkeit erzogen, auch gegenüber den Lehrern sowie allen Erwachsenen, zu Höflichkeit, Aufmerksamkeit gegenüber älteren Menschen, ( in der Straßenbahn aufstehen und seinen Sitzplatz anzubieten) – kurzum, die Eltern bemühten sich, ihren Kindern den friedlichen Umgang mit anderen Menschen zu vermitteln. Dabei ging es nicht um Duckmäuserei, auch Selbstbewusstsein und sich nicht alles gefallen zu lassen, wurde vermittelt.

Natürlich gelang das nicht immer, und gewiss gab es auch Eltern, die von dieser Art Erziehung nichts hielten. Aber das war nicht die Regel.

Und heute? Unerzogene, nicht erzogene Kinder, zur Erziehung unfähige Eltern, sind auch heute sicherlich nicht die Mehrheit. Aber es gibt zu viele davon. Woran liegt das?

Ein einfältig erscheinendes Sprichwort sagt es: „Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen.“

Wir leben im Überfluss. Gut zu leben, kostet uns wenig. Unsere Wünsche und Ansprüche sind größer als das, was wir für ihre Erfüllung bereit sind, zu tun. Gegebenenfalls fliegen wir auf Pump in den Urlaub. Das ist es, was viele Papas und Mamas ihren Kindern vorleben. Der Tanz ums Goldene Kalb.

Was die kulturelle Blutleere im Gehirn angeht: Es muss ja nicht unbedingt Goethe sein, auch nicht Schiller, nicht Böll, Grass und Lenz – schaden würde es nicht. Da könnte man richtig „richtiges Deutsch kennen lernen, vielleicht sogar lernen. Aber immer nur „Deutschland sucht den Superstar“, „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ und „Festival der Volksmusik“ (die keine ist)?

Ergebnis: „Ilia, 14, versteht nicht, warum sie „Kind“ groß schreiben muss; sie kann das Wort nicht der Gruppe der Lebewesen zuordnen.“ (Zitat STERN 23/2009, Seite 224 „Kampfplatz Hauptschule“).

Fortsetzung aus STERN „23/2009, Seite 126: „Wunsch und Wirklichkeit“. Arbeitsbedingungen in Kindergärten und Kitas – Vergleich Finnland / Deutschland.

Frau Rippert für Deutschland: „Die Arbeitsbelastung ist immens gestiegen. Wir haben nicht nur mit der wachsenden Kinderarmut und Vernachlässigung zu kämpfen. Da sind die vielen Trennungsfamilien und Migrantenkinder, die unsicheren Eltern. Und nicht zuletzt das Fernsehen: Wenn die Kinder montagmorgens zu uns kommen, sind sie wie durchgedreht. Hinzu kommt – typisch deutsch – die wachsende Bürokratie.“

(Forderung nach frühkindlicher Bildung), Frau Rippert: „Ja. Zusätzlich zum „normalen“ Betrieb sollen wir jetzt noch anspruchsvolle Bildungspläne umsetzen, Beobachtungsbögen ausfüllen und für jedes Kind einen Entwicklungsplan erstellen – das alles, ohne auch nur eine Erzieherin mehr bekommen zu haben. Das macht klar: In die Bildung und Entwicklung unserer Kleinsten wird nicht genügend investiert…“

„Der finnische Staat gibt 6,3 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für Bildung aus, der deutsche nur 4,5 Prozent.“

Fazit: Die Armut der Zukunft kommt von der pauvreté heute. Armes Deutschland!


22. 06. 2009

Abschalten!

Das Magazin „Fakt“ von der ARD startete heute mit einem Beitrag zu den EU-
Subventionen für die deutsche Landwirtschaft. Über fünf Milliarden € überweist die EU. Da muss es ja den deutschen Bauern blendend gehen.

Stimmt aber nicht, weil Unsummen gar nicht an die Landwirtschaft, sondern an die Lebensmittelindustrie gezahlt werden, zum Beispiel an den Bonbon-Hersteller Storck.

Wie das kommt? Ganz einfach. Die übermäßige Zuckerproduktion in der EU wird subventioniert, damit der Zuckerpreis schön hoch bleibt. Und weil der Zuckerpreis so hoch gehalten wird, muss Storck mehr zahlen (der Zucker aus Kuba wäre wahrscheinlich billiger). Das will die EU Storck nicht zumuten und zahlt deshalb Subventionen in Millionenhöhe. So wird eine Subvention gegen die andere ausgespielt.

Das ist nicht einmal das schlimmste Beispiel. Als es hieß, auch die Lufthansa… – da habe ich abgeschaltet. Das war vielleicht verkehrt, aber ich war einfach wütend.

Was in der EU durch Subventionen zu viel produziert wird, landet als „Entwicklungs-hilfe“ zum Beispiel in Afrika, ruiniert dort die Preise der Bauern, bringt die Bauern an den Bettelstab und macht die Wirtschaft dort dauerhaft abhängig von unserer „humanitären Entwicklungshilfe.

Was würde eigentlich passieren, wenn wir dieses wahnsinnige System abschalteten?
Ginge hier wirklich die Welt unter?

22. 06. 2009

Unsere erfinderische Sprache

Wir sollten uns – sprachlich – nicht kleiner machen, als wir sind. Kindergarten und Waldsterben sind Buchstabe für Buchstabe treudeutsche Wörter, die es zu interna-tionaler Bedeutung gebracht haben. Darauf müssen wir nicht stolz sein, aber wir sehen, dass die eine sich etwas von der anderen Sprache aneignet und damit um den einen oder anderen Begriff reicher wird. Sprachen leben.

Wir sprechen und schreiben heute anders als unser Eltern und Großeltern. Von Goethe und Schiller soll gar nicht die Rede sein, obgleich wir auch heute noch viel von ihnen lernen könnten – was die Sprache angeht.

Es ist nicht alles schlechter geworden, besser allerdings auch nicht. Es hat sich ganz einfach geändert. Dass wir mehr englische Wörter importieren als deutsche Wörter exportieren, ist eine Sache des sprachlichen Außenhandels. Das müssen wir nicht tragisch nehmen, auch wenn es auch viel zu oft so richtig dämlich ist.

Ärgerlicher ist das, was wir neuerdings für den Hausgebrauch erfinden, „verorten“ zum Beispiel. Da wird neuerdings alles Mögliche verortet, was immer das heißen mag.

Da tauchen plötzlich völlig unbekannte Wörter aus dem Alphabet auf, tun sich dicke und verschwinden – hoffentlich – bald wieder. Nein, Schweinegrippe, Mexicogrippe gehören nicht dazu. „Verorten“ aber schon. „Systemisch“ auch.

Und jetzt: „verstoffwechseln“ (vermutlich erstmals in der Zeitschrift Getränke-industrie 6/2009 veröffentlicht). Gut, Stoffwechsel im Anschluss an Nahrungsauf-nahme ist bekannt und muss hier nicht weiter erklärt werden. Das ist ein körper-licher, ein biologischer Vorgang. Aber wie verstoffwechsle ich etwas? Das ist die Frage!


22. 06. 2009

An, zu oder gar nicht

Das höchste Hochdeutsch soll in Hannover gesprochen werden. Bewiesen ist das nicht, aber glaubwürdig im Vergleich zum Gebrauch des Deutschen in Bayern, zum Beispiel.

Deshalb wäre es vernünftig, wenn sich national verbreitete Zeitungen ans Hochdeut-sche hielten und nicht ans Mundartliche. Schließlich sind die Schulbücher für den Deutschunterricht in Hochdeutsch verfasst, nicht mundartlich – nicht bayerisch, nicht schwäbisch, thüringisch oder gar sächsisch.

Aber irgendwie haben die Mundaartlichen mehr drauf als die Hochdeutschen. Selbst die Nordlichterzeitungen schreiben neuerdings „an Weihnachten“, „an Ostern“, „an Pfingsten“. Ím Hochdeutschen wird auf das (überflüssige) „an“ verzichtet: Weihnachten, Ostern, Pfingsten genügt.

Na ja, eine Ausnahme sollte genehmigt werden, aber auch nur in den Programmzeitschriften für Funk und Fernsehen. Die betrifft den Sonnabend (Hochdeutsch) und den Sonntag (sozusagen „Alldeutsch“).

Wenn die Sendungen vom Sonnabend mit SO gekennzeichnet würden (und nicht mit SA wie Samstag), dann gäbe es keinen Unterschied zum Sonntagsprogramm (SO).
Vielleicht denken die süddeutsch Mundartlichen doch praktischer und setzen sich damit durch.

Ich aber bleibe bockig, und „an Weihnachten“ kommt mir ebenso wenig über die Lippen wie in meine Computertastatur – es sei denn in Anführungsstrichen. Und das gilt dann nicht.


23. 06. 2009

Systemisch, verorten und - verstoffwechseln

Wahrig Deutsches Wörterbuch kennt weder „systemisch“ noch „verorten“. (Ausgabe 1986, jetzt 23 Jahre alt). Da ich keine neuere Ausgabe habe, halte ich mich an die alte, was nicht ganz ungefährlich ist und mir vielleicht berechtigte Vorwürfe einbringt. Das muss ich in Kauf nehmen.

Was mich ärgert und aufregt: Ganz plötzlich taucht ein Wörtchen wie „systemisch“ auf und ist auf einmal überall zu lesen und zu hören, ganz aktuell im Zusammenhang mit der so genannten Finanz- und Wirtschaftskrise. Vorher war gar nichts „systemisch“, jetzt auf einmal stellt selbst das popeligste, von seinem Management gegen die Wand gefahrene Unternehmen unser Wirtschaftssystem infrage. (Dieser Unsinn ist – systemisch!)

Beim „verorten“ ist es nicht so dramatisch, im Grunde genommen aber genau so schlimm: Sprachschluderei bis zur Unerträglichkeit. Und vor allem die Faulheit, die Sprachfaulheit!

Manchmal wird mit „verorten“ einordnen gemeint. Manchmal finden. Dann wieder
bestimmen. Auch entdecken oder festlegen. Das sind alles unterschiedliche Dinge, aber sie werden über einen Kamm geschoren: „verorten“. So wird unsere Sprache arm.
Klar, zum Leben der Sprache gehört auch das Sterben. Früher wichtige Begriffe verkümmern und gehen schließlich dahin, neue ersetzen sie.

Aber wenn ein Wort zig andere ersetzt, verdrängt, ins Abseits stellt und ausradiert, dann hat das mit Leben nichts zu tun. Dann regieren Faulheit, Oberflächlichkeit und Dummheit.

Wie nah Faulheit und Erfindungsreichtum beieinander liegen, zeigt das Wort „verstoffwechseln“ (Getränkeindustrie 6/2009).

Da hat ein findiger Kopf der Brauerei Göller ein alkoholfreies Getränk mit „ernäh-rungsphysiologischen Eigenschaften“ erfunden. Das Getränk enthält ein spezielles funktionelles Kohlenhydrat, das einzige, das „voll verstoffwechselt“ wird – sagt die Brauerei. Gemeint ist wohl, dass die Inhalte dieses Getränks ganz und gar in Energie umgesetzt werden. So eine Art Kraft durch Freude in flüssiger Form.

Vor allem aber haben wir mit „verstoffwechseln“ ein neues Wort, allerdings eins, bei dem einem schlecht wird, so schrecklich ist es, noch schlimmer als „verorten“. Auch von einem alkoholfreien Bier kann einem schlecht werden, sofern es verstoffwechel-fähig ist. Prost!


Pfauendeutsch

Kein anderer Vogel schlägt ein so großes, so buntes Rad wie der Pfau. Kein anderer aber schreit auch so laut und misstönend wie er. Nun kann der Pfau nichts dafür. Aber die Schreiber in den Tageszeitungen – müssen sie ihre Bildung pfauenhaft eitel zur Schaus tragen?

Beispiel aus dem Hamburger Abendblatt vom 24. Juni 2009, Seite 3: „Zudem hat das ‚K-Wort’ in Deutschland eine Konnotation, die sich natürlich vor allem am Zweiten Weltkrieg orientiert…“ . Konnotation?

So sprechen wohl die wenigsten Leser des Hamburger Abendblatts, aber sie müssen es lesen und ahnen wohl nur, was gemeint ist, wenn überhaupt. Wie viel verständ-licher wäre es gewesen zu schreiben, dass das Wort Krieg für Deutsche eine ganz besondere Bedeutung hat, da Deutschland den Zweiten Weltkrieg begonnen hat.

Was das Hamburger Abendblatt kann, kann der SPIEGEL schon lange. Da schreibt er auf Seite 99 in der Ausgabe vom 22. 06. 2009 von dysfunktionalen Staaten (Pakistan und Afghanistan). Gemeint sind Staaten, die nicht funktionieren Geht also auch einfacher.

Zu allem Überfluss ist auf der SPIEGEL-Seite 99 auch noch von der großen Dichotomie die Schreibe. Das muss so eine Art Konflikt sein. Ist es auch. Ohne das Wörtchen Dichotomie wäre untergebildeten SPIEGEL-Lesern schneller klar geworden, worum es geht: um die unterschiedlichen Auffassungen, Ansichten und Positionen der Schiiten und der Sunniten.


25. 06. 2009

Sprachlicher Unfug

Nicht nur Journalisten sollte der Unfug bei Strafe verboten werden, den sie mit unerer Sprache treiben. Das sollte zuallererst für Juristen gelten, die selbst einfache Dinge in rätselhafte Begriffe verwandeln. Dazu gehört zum Beispiel „informatio-nelle Selbstbestimmung“.

Zugegeben, eine Ahnung hat man schon, was gemeint sein könnte. Nach landläufiger Meinung sind Juristen übergenau, drehen die Sprache um, bis jedes Wort sitzt. Aber zum Schluss versteht es dann doch kaum jemand, jedenfalls nicht auf Anhieb.

Worum geht es bei der informationellen Selbstbestimmung? Es dreht sich um den Schutz persönlicher Daten. Es geht um die Entscheidung, was man über sich preis geben will und was nicht. Das kann jeder selbst bestimmen, und er hat ein Recht darauf.

Dem einen ist es egal, was man über ihn schreibt – Hauptsache, man schreibt – der andere gönnt niemandem auch nur den kleinsten Blick ins Private. Das alles ist so kompliziert, dass die Sache kaum auf einen Begriff zu bringen ist. Aber die Juristen bringen es fertig. Das richtige Wort allerdings fehlt auch ihnen.


06. 07. 2009

Krümmel, das endlose Atomkraftwerk

Meine Frau hat gerade Nachrichten im Fernsehen gesehen. Sie sagt mir, dass der Umweltbundesminister Gabriel die Aufsicht über Krümmel (und alle anderen ver-
alteten Atomkraftwerke) auf sein Minististerium ziehen will – die Aufsicht, die Kontrolle, die Befugnisse.

Da schreien die Bundesländer auf, sagt meine Frau. Alles das sei Länder- und nicht Bundessache.

Ach ja. Wie war das noch bei Tschernobyl? War das eine lokale Angelegenheit?
Ging es um eine Woywodschaft der Ukraine?

Bis hinauf nach Schweden waberten die Giftwolken. Kinder sollten nicht in ihren Sandkisten spielen, Gemüse aus dem eigenen Garten sollte lieber nicht geerntet und schon gar nicht gegessen werden. Pilze sammeln? Hasenkeule? Rehrücken, Ragout vom Wildschwein? Lieber nicht. Die Verseuchung wurde nach Becquerel oder so gemessen.

Das alles waren so genannte Kollateralschäden. Die ungezählt tausend und abertausend Menschen rund um Tschernobyl, die jämmerlich zu Tode kamen, sind da gar nicht gerechnet.

Und nun kommen die bundesrepublikanischen Landesfürsten und sagen, die Atom-
katastrophen seien Ländersache.

Für wen wurden die „Atomsicheren“ Bunker während des Kalten Krieges gebaut?
Für dich und mich? Oder für die „Oberen Zehntausend“, damit sie sich anschauen könnten, was sie angerichtet hatten?

Gut. Das ist nicht passiert. Aber das Problem bleibt. Das Problem der Atomkraft-werke ist nicht lokal, nicht regional, nicht kontinental, sondern GLOBAL!

Aktueller Nachtrag aufgrund von Rundfunkmeldungen heute (Deutschland-Funk):
Ein vorgeschriebenes Überwachungsgerät wurde in Krümmel nicht installiert. Die anfälligen Transformatoren sollen jetzt gegen neue ausgetauscht werden. Jetzt! ´Und da sagt ein Herr Öttinger – weit genug entfernt von Krümmel ist er ja – dass die deutschen Atomkraftwerke stets auf dem neuesten Stand seien, und Krümmel hätte Zukunft. Fragt sich nur: welche?

07. 07. 2009


10. 07. 2009

Der Duden. Oder die doppelte Buchführung

Als ich lesen und schreiben lernte, herrschte der Duden über richtig und falsch. Das ist lange her.

Nicht alles, was der Duden befahl, leuchtete ein, aber er gab eine Richtlinie, an der man sich orientieren konnte. Natürlich war das sehr diktatorisch: Der Duden schrieb vor, wie man zu schreiben hatte.

Ich weiß nicht, was Goethe und Schiller dazu gesagt hätten. Wahrscheinlich nichts. Sie hätten weiter geschrieben wie gewohnt, nach eigener Rechtschreibung. Auch das ist lange her.

Irgendwann haben sich dann die Zeiten geändert. Nein, nicht die Zeiten, sondern die Ansichten.

Als ich in der Schule Aufsätze schreiben musste, kam es nicht nur auf den Inhalt an, sondern auch auf die Form, die Grammatik. Man konnte sich die schönste Schilde-rung durch zu viele Fehler in der Rechtschreibung vermasseln. Wie weit der Inhalt mehr Wert hat als die Form, wie weit die Form, die Grammatik, den Inhalt mindern darf – wer weiß das?

Jedenfalls kam es – ich habe das bei meinen Söhnen erlebt, als sie Schüler waren – zum Tohuwabohu: Der Inhalt entscheidet, die Grammatik ist egal. Rechtschreibung – was ist das?

Darunter leiden wir noch heute.

Natürlich leiden wir unter der Rechtschreibreform, die sich die so genannten Kultusminister unserer Bundesländer ausgedacht hatten. Wer hat sie eigentlich damit beauftragt, unsere Rechtschreibung zu reformieren? Ich kenne keinen vernünfigen Menschen, der das verlangt hat.

Heute aber leiden wir noch mehr unter dem Duden, unter seiner Wankelmütigkeit, seiner Unfähigkeit, sich für dies oder das zu entscheiden. Manchmal tut das richtig weh.

Beispiel: Ich winke. Ich winkte. Ich habe gewinkt. So sieht das auch der Duden. Aber „ich habe gewunken“ lässt der Duden auch zu (in Klammern).

Bisher habe ich mich immer – in Unkenntnis des aktuellen Duden – mit folgendem Beispiel verteidigt:

Wenn schon „gewunken“, dann muss es heißen –„winken, wank, gewunken“. Also: Sie wank ihm zu, als sein Zug den Bahnhof verließ. (Sie wank und winkte nicht.)

Warum das so ist? Es heißt ja auch „stinken, stank, gestunken“. Warum soll das bei winken anders sein? Der Duden gibt darauf keine Antwort.

Nun müsste man das alles nicht allzu ernst nehmen, weil jeder schreibt wie er kann und wie er will. Dumm ist nur, dass auf dem Dudenumschlag steht: „Die deutsche Rechtschreibung“. Das ist ganz groß gedruckt.

Klein darunter steht:“ Das umfassende Standardwerk auf der Grundlage der neuen amtlichen Regeln“.

Damit bin ich wieder bei unseren 16 Kultusministern, die mir vorschreiben wollen, wie ich zu schreiben habe. Inzwischen haben wir erfahren, dass so gut wie keiner
von ihnen richtig schreiben kann – jedenfalls nicht nach den von ihnen vorgeschriebenen Regeln.

PS: Nein, ich entschuldige mich nicht für meine hier notierten Gemeinheiten. Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich jemand Unrecht getan haben sollte.


11. 07. 2009

Heute schon gedeckelt? Wenn ja, nach oben oder nach unten?

Ganz gleich, welche Zeitung, welcher Fernseh- oder Rundfunksender – überall muss sensibilisiert werden (wer auch immer für was auch immer), immer wieder werden Zeitfenster geöffnet oder geschlossen, alles muss zeitnah geschehen (nicht sofort, gleich, so bald wie möglich – nein: zeitnah!), und die Schritte in die richtige Richtung sind zumeist nicht nachzuvollziehen. Billige Wortmünze überall!

Das ist zum Weinen und zum Lachen zugleich. Was komisch klingt, ist oft gar nicht komisch; denn es ist ernst gemeint (siehe Hamburger Abendblatt 11./12. Juli 2009).
Da ist zu lesen: „Die Summe wird nach oben gedeckelt.“

Klar, der Deckel gehört immer auf den Topf und nicht darunter. Nach unten kann man ja nichts deckeln. Wie schön wäre es gewesen zu schreiben „Die Summe wird begrenzt“ (nicht mal „nach oben“ wäre nötig). Aber gut: „Die Summe wird nach oben begrenzt“ ginge ja auch noch.

Bleibt im Augenblick nur zu sagen: Geben wir den Sprachschluderern immer wieder eins auf den Deckel. Sie haben es verdient.

12. 07. 2009

„Meine Damen und Herren, liebe Neger“

Bundespräsident Heinrich Lübke war allem Anschein nach ein einfacher Mensch. Das ist kein Makel, eher das Gegenteil. Ob er den so fatal lächerlichen Satz gesprochen hat, ist strittig.

Aber selbst wenn: Was er sagen wollte, war klar, jeder konnte es verstehen. (Amused or not.)

Das sieht heute ganz anders aus. In der gerade beginnenden Auseinandersetzung zur Bundestagswahl 2009 am 27. September sprechen die „Grünen“ vom „Green New Deal“, und die SPD kontert mit „Green Recovery“. Da weiß natürlich jeder, was gemeint ist. Das ist genau so verständlich wie „Equal Pay Day“ (zu deutsch: „egal, was für den Tag gezahlt wird“ – oder ist etwas ganz anderes gemeint?).

Martin Luther hat dem Volk (also uns) aufs Maul geschaut und hat unsere Sprache gesprochen und geschrieben. Und jetzt? Sollen wir das Kauderwelsch unserer Politikerinnen und Politiker lernen?

Da zanken sich zwei Parteien, wer wessen Wahlkampfthemen geklaut hat. Das ist Kindergartenniveau und nicht wichtig.

Entscheidend ist, dass offenbar keine Partei die Sprache spricht, die der Souverain – ja, das sind wir, das Wahlvolk, leider nur alle 4 Jahre – versteht. Noch ein Grund mehr für so viele, nicht zur Wahl zu gehen.


13. 07. 2009


Eins zu Null für den Bleistift

Um eins von vornherein klarzustellen: Der Bleistift liegt in jedem Fall vorn. Das sagt schon das Alphabet: B kommt vor C. Vorauseilende Gerechtigkeit`Wahrscheinlich.

Mit dem Bleistift war und ist das so: Du schreibst, und die Mine nützt sich ab. Sie wird kürzer und stumpfer, und wenn du weiter leserlich schreiben willst, musst du deinen Bleistift anspitzen. Das geht – viel Geschick und Erfahrung vorausgesetzt – mit einem scharfen Messer. Besser eignet sich ein sogenannter Bleistiftanspitzer.

Manchmal bricht die Bleistiftmine auch ab. Das passiert immer wieder unverhofft, im falschen Augenblick. Da muss man wieder zu Messer oder Bleistiftanspitzer greifen. So ärgerlich das ist: die Sache bleibt überschaubar, und man weiß sofort, was zu tun ist.

Beim Computer ist das anders. Auch da bricht manchmal etwas ab, zum Beispiel die Fähigkeit zu schreiben. Eben noch hat die Tastatur jeden Buchstaben brav auf den Bildschirm gebracht, plötzlich rührt sich kein Buchstabe mehr.

Der erfahrene Computerbenutzer weiß sich zu helfen: Das System hat sich „aufgehängt“. Also. Neustart. Bringt aber nichts. Neuer Versuch. Siehe da, es geht wieder, aber nur drei Buchstaben.

Jetzt ist es so weit! Der Computer ist verseucht. Würmer, Trojaner – wer weiß, welche Ekeltypen noch – bevölkern deine bit&bite-Welt; du bist geliefert, du bist
verloren!

Alles Quatsch. Die Batterien deiner schnurlosen Tastatur, deines schnurlosen Keyboards, haben ihren Geist aufgegeben. Sie haben Jahre und Jahre gearbeitet ohne zu mucksen. Du wusstest gar nicht, dass es sie gibt. Aber nun waren sie am Ende wie die Mine deines Bleistifts. Aber du hast es nicht gesehen, hast es nicht sehen können.

Was lernt uns das? Schluss damit, dass wir uns dem Werkzeug anpassen müssen. Macht den Computer so einfach wie einen Bleistift!


14. 07. 2009

Bocken im Zweiten

Nein, das „Bocken im Zweiten“ ist kein Schreibfehler. Es geht um die Bockigkeit der
ZDF Sportredaktion, genauer: Es geht um die Sendung „Boxen im Zweiten“. Noch genauer: Es geht um die Unfähigkeit, vielleicht auch Unwilligkeit des ZDF ein falsches
Wort gegen das richtige auszutauschen.

Aber nun zur Sache: Die ARD und das ZDF bringen abwechselnd sonnabends Box-reportagen. Im Rahmen des ganzen Brimboriums wird vor Kampfbeginn berichtet, wie viele Kämpfe die Boxer schon bestritten haben und mit welchem Ergebnis.

Diese Aufzählung bezeichneten beide TV-Sender als Kampfrekord – richtig deutsch ausgesprochen, so wie zum Beispiel Rekordleistung. Darauf aufmerksam gemacht, spricht die ARD nicht mehr von Kampfrekord, sondern von Kampfbilanz.

Die Sportredaktion des ZDF ist offensichtlich unbelehrbar; sie spricht immer noch vom Kampfrekord (zuletzt am 11. Juli). Jedenfalls hat sie auf drei Hinweise nicht reagiert. (Auch ein Rekord.)

Man mag auf dem Zweiten besser sehen, besser hören können die Jungs und Mädels der ZDF Sportredaktion jedenfalls nicht. Schade! Vermutlich haben sie auch zu dem Unfug von „gewunken“ anstelle von gewinkt beigetragen. Der DUDEN akzeptiet inzwischen auch „gewunken“ – ich nicht.

Wenn ich sage: „Er hat mir zugewunken“, dann müsste ich auch sagen: „Er wank mir zu.“ Aber das hat sich noch niemand getraut – bis heute. Mal sehen, was da noch auf uns zukommt. (Zum leichteren Verständnis: stinken, stank, gestunken / winken, wank gewunken.)








17. 07. 2009

„Eine Frau als Präsidentin“

Eine verblüffende Überschrift in der Juli-Ausgabe der Monatszeitschrift „blickpunkt quickborn“. Verblüffend, weil ein Mann wohl kaum eine Präsidentin sein kann. Auf die Idee „Ein Mann als Präsident“ zu schreiben, wäre wohl niemand gekommen.

„Eine Frau als Präsident“ hätte die Sache wohl besser getroffen. Dann wäre sofort klar gewesen, dass es jetzt eine Präsidentin anstelle eines Präsidenten gibt.

Die weibliche Präsidentin, der männliche Präsident – so kann man sich in der Sprache verheddern.


18. 07. 2009

Für dumm verkauft

Dies ist eine Geschichte aus dem Alltag. Sie erscheint so nebensächlich, dass man sie nach den ersten zwei, drei Zeilen am liebsten zur Seite legen würde. Eine geradezu lächerliche Kleinigkeit, möchte man sagen und : worüber die Leute sich heutzutage aufregen.

Tatsächlich geht es hier um etwas sehr Wichtiges. Es geht um Ehrlichkeit und Unehrlichkeit, um offenbar absichtsvolle Dummheit, und es geht um Millionen von EURO, wenn man die Cent, um die es im Einzelnen geht, zusammenzählt. Ein kleines großes Thema also.

Zu den vielen Produkten, die die Weltfirma Procter & Gamble anbietet, gehört auch der Hygieneartikel Alldays. Inhalt der Packung: 60 Stck. So war es bis ins Frühjahr 2009. Ab April waren es nur noch 56 Stck. Die Verpackung hatte sich weder im Format noch im Aussehen geändert. Auch der Preis war wie bisher. Scheinbar war alles wie gehabt. Aber das war es eben nicht. Procter & Gamble hatte den Preis sozusagen unsichtbar um 6,6 % erhöht.

Nun sind Preiserhöhungen nicht unbedingt etwas Verwerfliches. Es gibt die verschiedensten Gründe für eine Preiserhöhung. Es muss nicht immer Profitgier sein. Wenn ein Unternehmen für seine Einkäufe mehr bezahlen muss, dann ist irgendwann der Punkt erreicht, an dem es seine Preise anheben muss. Darüber freut sich niemand, aber die Sache ist in Ordnung

Nicht in Ordnung ist es aber, wenn eine (vielleicht notwendige) Preiserhöhung versteckt wird, wenn gemogelt, im Grund betrogen wird, die Kunden hinters Licht geführt werden. Genau das hatte Procter & Gamble getan.

Darüber ärgerte sich eine Kundin und schrieb an Procter & Gamble. Sie nahm kein Blatt vor den Mund und nannte die Dinge beim Namen und fragte: „Für wie dumm halten Sie uns Verbraucher?“

Die Antwort von Procter & Gamble vom 28. April 2009 ist so lesenswert, dass sie ungekürzt wiedergegeben werden muss. Sie geht auf die versteckte Preiserhöhung mit keinem Wort ein.

„Als Hersteller geben wir unseren Handelspartnern unverbindliche Preisempfehlungen, aber in Deutschland gibt es keine Preisbindung. Jeder Händler kalkuliert seine Preise selbst. Es lohnt sich also, Preise zu vergleichen. (Das war nicht das Thema.)

Wir achten darauf, so effizient wie möglich zu arbeiten, um unnötige kosten zu vermeiden. Zusätzlich versuchen wir grundsätzlich auf Preiserhöhungen zu verzichten, um auf den umkämpften Märkten attraktive Preise anbieten zu können. (Auch das war nicht das Thema.)

Folglich erhöhen wir unsere Preise nur, wenn es absolut nötig ist, z.B. um uns an gestiegene Rohstoffpreise oder erhöhte Transportkosten anzupassen. Damit gehen wir verantwortungsvoll um und prüfen jede Preiserhöhung sehr sorgfältig. (Wieder am Thema vorbei. Es geht ja um das Verstecken einer Preiserhöhung.)

Haben Sie weitere Fragen? Dann zögern Sie bitte nicht, uns anzurufen. Sie erreichen uns gebührenfrei unter unserer Rufnummer 00800 272 86 483 von montags bis freitrags zwischen 9 und 17 Uhr. *(Nein, keine weiteren Fragen, nur die alte: Warum verstecken Sie eine Preiserhöhung?)

Wir wünschen Ihnen einen schönen Tag!“

* Unter der gebührenfreien Nummer meldet sich der BRAUN Verbraucherservice, der mit Alldays kaum etwas zu tun haben wird..

Am 11. Mai wendet sich die Kundin erneut an Procter & Gamble und schreibt: „…Auf dieses von mir angesprochene Verhalten sind Sie mit Ihrem Schreiben vom 2. April 2009 mit keinem Wort eingegangen.

Sie haben einfach in Ihren Textbaukasten gegriffen und mir mit den ersten drei Absätzen Selbstverständlichkeien mitgeteilt, nach denen ich nicht gefragt hatte…“


Da Procter & Gamble nicht antwortet, erinnert die Kundin am 8. Juni an die erbetene Stellungnahme.

Einen Monat später, am 3. Juli, schreibt Procter & Gamble:

Zu Ihrer Frage können wir Ihnen sagen, das für unsere Produkte keine Preisbindung besteht, d.h. der Handel kann die Preise frei kalkulieren. So haben Sie als Endverbraucher die Möglichkeit, das gewünschte Produkt dort zu kaufen, wo es am günstigsten angeboten wird.

Wir hoffen, unsere Ausführungen konnten zu einem besseren Verständnis beitragen und verbleiben

Haben Sie noch weitere Fragen? Dann zögern Sie bitte nicht uns anzurufen. Sie erreichen unsere gebührenfreie Infoline 00800 27286463 montags bis freitags von 09.00 bis 17.00 Uhr.

Wir wünschen Ihnen einen schönen Tag!“

Dieser vorerst letzte Procter & Gamble Brief wurde in Neuseeland aufgegeben. Ja,
P & G ist ein weltweites Unternehmen. Seine Dummheit und seine Unverfrorenheit im Umgang mit seinen Kunden dürfte allerdings auch grenzenlos sein.


18. 07. 2009

Wortmonster

Bei aller Zuneigung zu unserer Sprache, bei allem Respekt vor ihr: Manchmal möchte ich sie verfluchen. Sie setzt die unglaublichsten, die unfassbarsten, die räteslhaftesten
Wortgebilde in die Welt.

Eins davon fiel mir vor einigen Tagen auf, weil es genau so viele Buchstaben enthält wie unser ganzes Alphabet: Zukunftsinvestitionsgesetz.

Da haben Politikjuristen eine ganze kleine Gedankenwelt in ein Wortmonster gepresst. Da staunt der Leser und fragt sich, was damit gemeint sein könnte.

Sollen Investitionen in die Zukunft gesetzlich geregelt werden? Was soll erlaubt, was gefördert, was verboten, werden? Und was für Investitionen sollen das sein? Und wie wird gefördert? Und wer fördert? Und wer bezahlt? Nichts von dem macht das Wortmonster klar. Ein Versehen? Absicht? Unfähigkeit?

Vorschlag: Nehmt das Wortmonster auseinander. Sagt mit ein paar kurzen Worten , was gemeint ist – auch wenn es noch ein paar mehr Buchstaben kostet.

Kommuniktion soll Rätsel lösen und nicht Rätsel aufgeben.


18. 07. 2009

Leichtfertigkeit und ihre Folgen

Wie leichtfertig wir heute mit unserem Geld umgehen, zeigen besonders eindrucks-voll alle, die ihren Urlaub mit einem Kredit finanzieren. Das Geld ist noch nicht ver-dient, aber schon ausgegeben. Damit sind die Krediturlauber allerdings nicht allein.

Mit verführendem Beispiel geht ihnen die sogenannte Öffentliche Hand voran. Die Hand, die vermeintlich nur gibt, in Wirklichkeit aber nimmt. Versprochen wird, Gutes zu tun. Da freuen sich Max und Moritz, Hans und Franz, Hinz und Kunz. Alle freuen sich und keiner merkt, dass er die Zeche bezahlen muss. Das wird verschwie-gen.

Im Alltag liest sich das so:

Viele Bürger einer Stadt in Schleswig-Holstein ärgern sich darüber, dass die Stadt zwei „Stadttore“ angeschafft hat, zwei Stahlkonstruktionen, die manche Bürger als Galgen bezeichnen. Kosten: 150.000,00 €. Der Bürgermeister versteht die Aufre-gung nicht; denn die Stadttore werden ja im Wesentlichen durch das Land und den Bund finanziert.

Das ist ein überzeugendes Argument. Die Stadt zahlt nur einen Teil. Alles andere zahlen die Anderen (Land und Bund). Aber wer sind „die Anderen“? Sind das nicht auch die Bürger dieser Stadt?

So geht das weiter, ohne Punkt und Komma. Da freut sich ein Landtagsabgeordneter über mehr als 3,5 Millionen, die jetzt in die kommunale Infrastruktur fließen werden. Und woher kommen die Millionen? Nicht vom Land, nicht vom Bund, sondern von den Steuerzahlern. Das scheint sich kaum jemand klar zu machen.

Wir leben seit „Ewigkeiten“ über unsere Verhältnisse. Das gilt nicht für jeden von uns, aber für Kommunen, Länder und Bund allemal. seit Fritz Schäffer, dem einzigen Bundesfinanzminister, der rechtschaffen gewirtschaftet hat. Aus seinem Julius-Turm ist ein Schuld-, ein Schuldenturm geworden.

Aber was empfiehlt unser Landtagsabgeordneter? Die Kommunen sollen jetzt planen, was sie alles ausgeben wollen und wofür. Und dann die gewünschten Gelder beantragen.

Die Folgen sind verheerend. Wer kann schon der Versuchung widerstehen, Geld auszugeben, dass er selbst nicht aufbringen muss? Woher dieses Geld kommt, wurde schon gesagt. Aber das wird immer wieder verdrängt:

Die Zuschüsse, die die Kommunen bekommen, stammen nicht vom Land, nicht vom Bund, sondern vom Steuerzahler. Länder und Bund verwalten das Geld nur, und leider gehen sie damit sehr leichtfertig um.

Auf weitere Wiederholungen soll im Augenblick verzichtet werden, obgleich sie notwendig wären. Aber es scheint der berühmte Kampf mit den Windmühlenflügeln zu sein. Bundesrechnungshof und die entsprechenden Landesrechnungshöfe dürfen zwar auf die Sünden hinweisen, können aber niemanden zur Rechenschaft ziehen. Das wäre ja noch schöner. Wo kämen wir da auch hin?! Vielleicht zu der Haushalts-führung des Finanzministers Fritz Schäffer, der ein Guthaben erwirtschaftete für unvorhergesehene Fälle –sozusagen einen Notgroschen - und keine Schulden machte.

Vielleicht sollten alle unsere Finanzminister zu einem Schuldenberater gehen – wird ja überschuldeten Familien überall empfohlen. Im Zweifelsfall können sich die Fínanzminister an mich wenden. Ich lasse sie gern 100 mal schreiben: „Ich soll nicht mehr ausgeben als ich eingenommen habe.“


Zum Umgang mit der deutschen Sprache.

Der STERN schreibt „promt“ statt „prompt“, JOURNAL FÜR DIE FRAU notiert anstelle von „ausgeschwemmt“ „ausgeschwämmt“. Das war bereits 1995.

Wir nähern und Schiller und Goethe, die auch schrieben wie sie lustig waren. In der Grammatik waren sie aber nicht so schlimm.

1997 schreibt der STERN „gewunken“. Gesagt wird das schon seit langem, im Funk, im Fernsehen, überall. Trotzdem ist es falsch und bleibt auch so. Es heißt „gewinkt“!
Winken, winkte, gewinkt – nicht winken, gewunken; denn dann müßte es ja „wank“ heißen: „Winken, wank, gewunken“ – wie „stinken, stank, gestunken“. 07.02.2010

„ ... verschriftlicht wurden... „ Irgendwo, irgendwann Anfang 1998 gelesen: „verschriftlicht“
Gemeint war, daß etwas schriftlich festgehalten wurde. Na und? Da hat jemand etwas aufgeschrieben. Etwas, das geschehen war, hat er zu Papier gebracht. Er hat es festgehalten, damit es nicht verloren geht, damit man sich auch in Zukunft (später) daran erinnern kann. Verschriftlich klingt wie verformt, und so ist es wohl auch.

„...der Bäcker backt, der Maler malt und der Fliesenleger fließt...“ so in FOCUS, Seite 264, Ausgabe vom 14. 09. 98 zu lesen.

Die SÜDDEUTSCHE macht’s nicht besser, aber anders. Am 17. 09. 98 schreibt sie im Wirtschaftsteil unter der Headline „Brüssel blockiert Mailänder Flughafen“
„...diskrimminieren...“ und „Diskrimminierung“.

Die Wiederholung der m-Doppelung weist darauf hin, daß man es mit dieser Schreibweise ernst meint.


20. 07. 2009

Der 20. Juli – der nicht vorhandene Tag

Heute vor 65 Jahren versuchte Oberst Claus Schenk von Stauffenberg, Deutschland von Hitler zu befreien. Der Versuch misslang. Der Oberst wurde schon am nächsten Tag in Berlin erschossen, 200 „Verschwörer“ wurden im Laufe der nächsten Wochen hingerichtet. Unter dem Stichwort „Gewitter“ wütete das Regime auch unter den Familien der „Verschwörer“.

Das Unternehmen war dilettantisch vorbereitet. An die Besetzung des Reichsrund-funks hatte anscheinend niemand gedacht. Damit hätten alle bereit stehenden Kräfte des Ersatzheeres der Wehrmacht informiert und mobilisiert werden können. Dr. Joseph Göbbels, Reichspropagandaminister, hat sich über diesen Dilentatismus kaputt gelacht.

In den wenigen Monaten bis zum Kriegsende sind mehr Deutsche umgekommen, als in den fünf Kriegsjahren zuvor. Dazu gehört auch mein Vater, der in den ersten Märztagen 1945 in der Gegend von Graudenz um sein Leben gebracht wurde – Soldat auf verlorenem Posten.

Eine Schulkameradin, damals 12 Jahre, erzählte mir gestern von ihrer Erinnerung an den 20. Juli 1944. Ein paar Mecklenburger Bauern saßen in einer Gastwirtschaft in der Nähe von Raduhn zusammen. Das Radio lief, und plötzlich kam die Meldung vom Attentat auf den Führer und den „glücklichen“ Ausgang: „Der Führer lebt!“ Die „Vorsehung“ hatte den Führer beschützt. Die Bauern weinten Tränen der Erleichte-rung. Ihr Führer war mit dem Leben davongekommen, Noch war nichts verloren.

In den Fernsehprogrammen von heute habe ich keinen einzigen Hinweis auf den 20. Juli 1944, auf das Attentat auf Hitler, gefunden. „Geld, Macht. Liebe“ (ARD) und
„Fußball: Supercup“ (DAS ZWEITE) – jeweils um 20.15 Uhr sind offenbar wichtiger.
Aber auch bis weit nach Mitternacht: Der 20. Juli 1944 ist hier ein nicht vorhandener Tag.

In welcher geschichtslosen Welt lebt unser Fernsehen?

Fußnote: ARD Tagesschau und ZDF Heute Journal haben dann doch noch die Tat, das Ereignis, erwähnt – unter dem Stichwort der Vereidigung von Bundeswehr-soldaten in Berlin, inzwischen eine Routinezeremonie.

Das könnte unser Problem sein: Wir gehen mit unserer Vergangenheit zu routiniert um. Wir haben alles gehört. Wir wissen alles. Wir haben nur nicht verstanden.

Wir haben es nicht verstanden, aus dem zu lernen, was wir im Nationalsozialismus getan und hingenommen haben.

Zu dumm. Nun habe ich gar nicht mitgekriegt, ob Wolfsburg oder Werde Bremen den Super Cup gewonnen hat. Aber das kann ich ja morgen in der Zeitung lesen. Da steht wie immer alles Wichtige drin.

21. 07. 2009

Tunnelblick

Unter Tunnelblick versteht man im Allgemeinen eine Einschränkung des Gesichtsfeldes durch eingeschränkte Wahrnehmung, beispielsweise durch Alkoholeinwirkung.

Diese Erklärung lässt vermuten, dass viele Unternehmer, Manager, Wirtschaftsweise und Politiker zurzeit stark alkoholisiert sind. Anders lässt sich kaum erklären, dass sie so oft davon reden, „Licht am Ende des Tunnels“ zu sehen (Ganz aktuell Hamburger Abendblatt, 21. 07. 2009: „Wir sehen ein schwaches Licht am Ende des Tunnels“, kommentierte die Handelskammer ihr jüngste Umfrage.

Schwarz oder rot

Am 27. September wird mit der Bundestagswahl entschieden, wer gewinnt: Schwarz oder Rot. Eigentlich ist das ziemlich langweilig; denn es ist ganz egal, wer das Rennen macht. Oder kann mir jemand den Unterschied zwischen einer Schwarzen Null und einer Roten Null erklären?

Das Hamburger Abendblatt notiert am 21. 07. 2009 auf der Titelseite unter „Hamburgs Firmen fassen wieder Mut“: „Das Wirtschaftsministerium hält sogar eine ‚schwarze Null’ für möglich.“

Vielleicht hat das alles doch etwas mit Politik zu tun; denn der Wirtschaftsminister zu Guttenberg ist ja CSU-Mitglied, also nach der politischen Farbenlehre schwarz







26. 07. 2009

Ergebnisoffen und ergebnisoffen.

Ich hasse dieses Wort. Dafür habe ich mindestens zwei Gründe. Der erste Grund:
Man will uns damit klar machen, wie unvoreingenommen, wie ehrlich man an eine Sache herangeht. Beispiel: „Wir werden dieses Thema ergebnisoffen diskutieren.“

Was heißt das? Wenn eine Sache diskutiert wird, dann gibt es offensichtlich unter-schiedliche Ansichten, und es steht noch nicht fest, welche Ansicht die richtige ist. Folglich sollte jede Diskussion zunächst „ergebnisoffen“ sein. Man diskutiert ja, um zu einem Ergebnis zu gelangen.

Warum also „ergebnisoffen“? Weil es so gut klingt, weil damit guter Wille ausgedrückt wird? Politiker-Schwurbelei und nichts weiter. Das erinnert mich wieder an das Unwort „zeitnah“, mit dem „so bald wie möglich“ gemeint ist.

Zu meiner Überraschung habe ich am 24. Juli im Hamburger Abendblatt die korrek-te Anwendung des Wörtchens „ergebnisoffen“ entdeckt.

Da ist in einem Bericht über die atomare Katastrophen-Asse die Rede von ergebnis-offener Prüfung. Geprüft werden sollen mehrere Möglichkeiten, die Probleme in den Griff zu bekommen. Und da man die Ergebnisse der Prüfung noch nicht kennt, trifft „ergebnisoffen“ zu. Allerdings wäre dieses Wörtchen hier gar nicht nötig: Es gibt mehrere Möglichkeiten, die geprüft werden sollen, und so lange ist das Ergebnis der Prüfung offen. Na bitte!







28. 07. 2009

Errichten und betreiben

Vorgestern kritisierte ich eine Hamburger Abendblatt-Redakteurin, weil sie schrieb,
dass irgendjemand irgendwann in Ostpreußen einen Kanal errichtet hätte (der heute noch befahrbar ist). Ich merkte an, dass man Gebäude errichtet, aber keine Kanäle.

Wie ich heute sehe, muss man nicht alles so genau nehmen. Im „KulturSPIEGEL“, Augustausgabe, ist zu lesen „Sie betreibt ihr eigenes Label in Berlin“ (die Rede ist von Sabrina Dehoff).

Kann man ein Label betreiben? Kann man einen Zettel, ein Etikett, eine Kennzeich-nung, eine Signatur betreiben? (Alles das und noch viel mehr verbirgt sich hinter dem englischen Label.) Nein, das kann man nicht.

Nun ist es noch gar nicht so lange her, da sprach man in der Mode- und Werbeindu-strie nicht von Label, sondern von Marke. So treudeutsch wie das klingt, war das gar nicht; denn die englische Entsprechung heißt Brand.

Dass die Begriffe Marke und Brand nicht mehr „in“ sind, ist nicht weiter schlimm. Schlimm ist nur, dass man ein Label, eine Marke also, nicht betreiben kann, sondern führen muss.

Im aktuellen Fall hätte es wohl heißen müssen: „Sie führt ihr Unternehmen in Berlin“ und nicht „sie betreibt ihr eigenes Label in Berlin“. Wieso auch „ihr eigenes“? Das Wörtchen „eigenes“ ist überllüssig.


29. 07. 2009

Hülsenfrüchte, wörtlich genommen

Erbsen, Bohnen, Linsen – die wirklich wichtigen Hülsenfrüchte sind heute die Worthülsen.

„Es geht um die Existenz unseres Unternehmens“, sagte zu Beginn des Meetings der „nicht gelernte“ CEO. CEO lernt man nicht. CEO wird man. Ob das an den Genen oder ganz einfach an funktionierenden Netzwerken liegt, sei dahingestellt.

Auf jeden Fall müssen gelernte Ingenieure, gelernte Psychologen, gelernte Back-Office-Managerinnen und überhaupt alle Gelernten nun zeigen, was sie gelernt haben.

„Es geht um die Existenz unseres Unternehmens“, sagte der CEO und fügte hinzu:
Deshalb habe ich einen „runden Tisch“ einberufen.“

Nun gut. Der Tisch war nicht rund. Aber das war ja auch nur sinnbildlich gemeint wie so vieles, z. B. die Demut der Crash-Banker und Crash-Politiker. Nein, ehrlich gemeint war diese Demut nicht. Aber so wird Eckiges rund geredet.

Wichtig ist, dass wir Lösungen „generieren“. Das sollte uns nicht schwer fallen, denn heute wird ja so gut wie alles generiert.

Irgendjemand hob schüchtern den Zeigefinger, und als ihm das Wort erteilt wurde, fragte er: „Werden wir auch „authentisch“ sein?“ „Selbstverständlich ist unsere Authentizität sichergestellt“, die Antwort. Verstanden hat das niemand.

Deshalb hier die Übersetzung der Frage: „Wird man uns das glauben, werden wir glaubwürdig sein?“ Aber wer traut sich schon, so genau zu fragen? Und wer traut sich, darauf eine ganz einfache Antwort zu geben?

Was sich hier andeutet, ist tagtägliche Wirklichkeit. Da sagt ein offenbar hoch intelligenter Manager, dass er sein Leben jetzt „irgendwie authentischer“ findet. „Irgendwie“. Also, so genau weiß er das auch nicht. Und was er mit authentisch meint? – Fragezeichen.

Damit aber nicht genug. „Ich stehe jetzt in einem viel weiteren Kontext als früher“, sagt der Manager. Was er da wohl gemeint hat? Vielleicht dies:“Ich lerne viel mehr Menschen kennen, ganz unterschiedliche Menschen. Ich mache viele neue Erfahrungen.“

Hülsenfrüchte, wörtlich genommen - Fortsetzung

Liquidität, Kreditklemme, Transparenz, Sanierung, einbrechen, negativer Kostenblock, Verantwortung tragen, Hoffnungsträger – dies alles und noch mehr muss geschrieben werden. Focus, fokussieren, Investor, relelvant, schwarze Null, Negativwachstum, Meeting, Agenda

08. 08. 2009

Anna-log-Käse oder „Guten Appetit“!

Nein, ich habe mich nicht verschrieben. Es muss wirklich Anna-log-Käse heißen und nicht Analogkäse, wie es überall zu lesen ist. Das zu erklären ist nicht ganz einfach. Ich will es versuchen.

Käse wird aus Milch hergestellt, Anna-log-Käse aber nicht. Für Anna-log-Käse braucht man etwas mehr, zum Beispiel Wasser, Soja- oder Bakterieneiweiß, Pflanzenöle, Stärke, Aroma- und Farbstoffe, Geschmacksverstärker und noch dies und das, also eine ganze Menge mehr als Milch. Das ist ein ziemlicher Aufwand für ein jämmerliches Ergebnis.

Jämmerlich? Nein, das Ergebnis ist alles andere als jämmerlich.. Das, was so aussieht wie Käse, so schmeckt wie Käse und manchmal auch so riecht wie Käse, ist hoch-profitabel. Fastfood-Industrie und Fastfood-Handwerker ( Pizzerien und Bäckereien) sind begeistert. Billig einkaufen, teuer verkaufen ist das Erfolgsgeheimnis. Das war schon immer so und ist in Ordnung. Aber war es auch so verlogen?

Nein, wohl nicht immer. Ich weiß nicht, ob es heute noch Kunsthonig gibt. Der war kein Honig, sondern etwas, das so schmecken sollte. Man blieb bei der Wahrheit. Und heute? Heute ist man phantasievoller, bedenkenloser. Was wie Käse aussieht, so schmeckt und manchmal auch so riecht, wird Käse genannt, auch wenn es nicht stimmt. Bei den aus Abfällen hergestellten Garnelenimitaten (Surimi) ist es nicht anders. Sie sehen aus wie Garnelen und werden nicht selten als Garnelen verkauft. Und das sind nur zwei Beispiele.

Nun ist das Erfinden und Herstellen von Analogkäse genau so wenig unanständig wie
die Idee, aus Fischabfall noch etwas Essbares zu machen. Gemein ist nur die Lüge, das Imitat sei das Original.

Anna-log-Käse ist, was das Wort sagt: Hinters Licht führen, täuschen, betrügen. Der Käse, der keiner ist, die Garnelen, die keine sind und alle andere Betrügereien lassen grüßen.

Da kann einem wirklich der Appetit vergehen.



09. 08. 2009

Leserbrief an Quickborner Tageblatt zum Beitrag „Renaissance sozialer Marktwirtschaft – Die Finanzkrise stärkt den Staat“

Herr Röttgen scheint so verwirrt zu sein, dass einem Angst und Bange wird.
Jedenfalls scheint er kaum etwas verstanden zu haben, eher hat er alles
falsch verstanden.

Die Hypo Real Estate wurde notgedrungen mit Steuergeldern in Milliardenhöhe
verstaatlicht: Ein gutes Ende ist noch nicht abzusehen. Der Einfluss des Staates
ist gleich null.

Für den Erhalt der HSH Nordbank verschulden sich Hamburg und Schleswig-Holstein mit weiteren Milliarden, die der Steuerzahler aufbringen muss, obgleich Schleswig-Holstein vor der Pleite steht und Hamburgs Finanzen alles andere als in Ordnung sind.
Kurz gesagt: Geld, das dem Staat gar nicht gehört - denn er finanziert auf Pump -
wird eingesetzt, nicht aber Sachverstand.

Von allem kann die Rede sein, nicht aber vom Wiedererstarken des Staates, wie
Herr Röttgen behauptet. Die Banken haben ihr Casino schon wieder eröffnet. Die
Politik hat es versäumt, die Auswüchse zu unterbinden, die in die Finanzkrise
geführt haben.

Herr Röttgen lebt in einer Scheinwelt, in einer Welt der Illusionen. Das wirklich
Schlimme daran ist: Er befindet sich in einer unübersehbar großen Gesellschaft.
Wir haben nicht nur einen Casino-Kapitalismus. Wir haben auch eine Casino-
Politik. Schließlich hat die Politik den Casino-Kapitalsmus nicht nur geduldet,
sie hat ihn erst möglich gemacht. (Siehe die Greespan-Geldpolitik der Fed in
den USA.)

Wie sagte der Kurzzeit-Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, Herr Marnette,
sinngemäß? "Es fehlt die Kompetenz. Ein Finanzminister musss Bilanzen lesen
können. Da hapert es." Wie Herr Röttgen in seiner Wahlkampfrede in Bilsen
ausgeführt hat, fehlt es auch ihm an Kompetenz. Schade!


10. 08. 2009

Die Politik sollte sich schämen!

Na ja, eigentlich geht das gar nicht. Eine Sache kann sich nicht schämen. Aber die Politiker, die könnten es. Aber sie tun es nicht. Stattdessen schwindeln sie uns etwas vor. Möglicherweise glauben sie sogar, was sie uns so erzählen. Das wäre noch schlimmer. Was erzählen sie uns denn?

Nun, sie sagen, es müsse Schluss sein mit dem Casino-Kapitalismus, der erst in die weltweite Finanzkrise und dann in die Wirtschaftskrise geführt habe. Schluss mit der Gier, Schluss mit dem Leben auf Pump, zurück zu Ehrlichkeit, Vernunft und Bescheidenheit! Bravo! Das findet der Mann auf der Straße, das finde ich auch.

Weil aber die Sache so gründlich schief gelaufen war, haben die Politiker erst mal große finanzielle Rettungsschirme aufgespannt. Ein ziemlich lächerliches Bild, nicht wahr? Was heißt hier Schirm! Hunderte von Milliarden wurden den Bankern zugesteckt, damit sie nicht wie Betrüger direkt vom Roulettetisch weg verhaftet wurden. Das mag notwendig gewesen sein.

Ist damit das Schlimmste abgewendet? Wird nun alles wieder gut, vielleicht sogar besser? I bewahre, sagte meine Großmutter in solchen Fällen; sie meinte: Glaub das nur nicht.

Das Spiel hat schon wieder angefangen. Was bisher vielleicht nur leichtfertig war, ist jetzt bösartig. Marode Banken kassieren Staatshilfen, also Steuergelder, Geld für das ich gearbeitet habe, und machen mit meinem Geld wieder fette Gewinne. Alles wie gehabt. Da Banker anscheinend nicht anders können, müsste man sie an die Kandare nehmen. Das haben Politiker überall in der Welt auch versprochen. Nur gehalten haben sie ihre Versprechungen nicht.

Neue Spielregeln? Keine! Vom ehrlichen Kaufmann keine Rede. Statt der Banker jetzt Bankiers? Keine Spur! Versprochen – gebrochen. Die Politiker haben die Lunte gelegt für den nächsten großen Bums.

Natürlich verstehen sie sich nicht als Zündler, die sie in Wirklichkeit sind. Sie haben den Dingen ihren Lauf gelassen. Sie haben mit dem Zauberwort Deregulierung dem Wahnsinn Tür und Tor geöffnet. Sie haben – siehe Herr Greenspan, ehemals Boss der FED, Millionen Menschen dazu verführt, über ihre Verhältnisse zu leben.

Nein, die Politiker selbst haben nicht Roulette gespielt. Aber sie haben gesagt: Macht mal! Die 70-Millionen-Dividende im Jahr hat uns besoffen gemacht, wir brauchten das Geld für den Landeshaushalt, sagte Heide Simonis, als sie längst nicht mehr Mini-sterpräsidentin von Schleswig-Holstein war.

Langer Rede kurzer Sinn: Die Politik hatte und hat ihre Hand im Spiel. Das gibt sie aber nicht zu. Vielleicht hat sie das noch gar nicht begriffen.

12. 08. 2009

Vom gesunden Menschenverstand

Davon ist immer wieder die Rede. Aber was ist gesunder Menschenverstand? So richtig scheint das niemand zu wissen. Vielleicht liegt das daran, dass der gesunde Menschenverstand mit der Zeit geht, und da sich die Zeiten ändern, ändert sich auch der gesunde Menschenverstand.

Im Mittelalter war es klar, dass ein rothaariges Mädchen eine Hexe sein musste und auf den Scheiterhaufen gehörte, das sagte der … na, wir wissen schon.

Wenn sich dieser Begriff nicht wissentschaftlich beschreiben lässt, dann vielleicht durch Sprichwörter. In ihnen drückt sich der gesunde Menschenverstand am verständlichsten aus:

Früh übt sich, was ein Meister werden will.

Ohne Fleiß kein Preis.
Eile mit Weile.
Was Hänschen nicht lernte, lernt Hans nimmermehr.
Ehrlich währt am längsten.
Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.
Ende gut, alles gut.
Aller Anfang ist schwer.
Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.
Morgenstund hat Gold im Mund....
Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus…

Was sich in diesen Sprichwörtern ausdrückt, ist Erfahrung.

Gesunder Menschenverstand beruht also auf Erfahrung, auf Erleben: Auf Versuch und Irrtum, dem Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg. Auch Gut und Böse spielen eine Rolle. Das alltägliche Leben eben. Das alles wird nicht nur überliefert, sondern auch täglich erlebt.

Einen Ersatz für den so schwer und zugleich so leicht erfassbaren gesunden Menschenverstand scheint es nicht zu geben. Irgendwie haben wir uns anscheinend in eine Sackgasse manövriert. Wir wollen alles wissen, aber möglichst nichts erfahren – im Sinne von erleben. Ein Leben mit viel Wissen und wenig Erfahrung.

13. 08. 2009

Wahlkampfblüten

Na endlich! Endlich haben wir Wahlkampf. Wurde ja auch Zeit. In ein paar Wochen wird gewählt, falls jemand zur Wahl geht. Und schon steht der Unsinn in voller Blüte.

„Es ist unverantwortlich, eine große Wirtschaftskanzlei zu beauftragen, statt den vorhandenen Sachverstand innerhalb der Bundesregierung zu nutzen.“

So giftet Justizministerin Zypries ihren Kollegen Wirtschaftsminister zu Guttenberg an, weil der einen Gesetzentwurf von einer Wirtschaftskanzlei hat verfassen lassen. Das ist nicht unüblich. Das Finanzministerium hat über 14 Millionen € für externe Berater ausgegeben, das Außenministerium 1,3 Millionen, das Innenministerium 1,1 Millionen.

„Was lernt uns das?“ würde Manne Krug, alias Kommissar Stöver, jetzt fragen. Wir lernen, dass es in den Ministerien offenbar an Sachverstand fehlt – mehr oder minder. Blühender Unsinn also, wenn Frau Zypries von vorhandenem Sachverstand spricht. Aber das müssen wir nicht so genau nehmen. Wir haben ja Wahlkampf.

PS: Kleiner Gedankensprung. In Berlin soll es 5.000 Lobbyisten geben. Viele davon sitzen zeitweise in den verschiedenen Ministerien und schreiben Gesetzentwürfe vor. Bitte einmal nachdenken über den Doppelsinn von vorschreiben.

14. 08. 2009

Woher die Wörter kommen – und die Redewendungen

Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte, leben Wörter im Verborgenen. Dann tauchen sie plötzlich auf und sind nicht selten allgegenwärtig. Irgendjemand hat sie entdeckt, erlöst aus ihrem Schlaf und in Umlauf gebracht. (Bis sie zu Tode geschrieben sind.)

Empathie ist so ein Wort. Bis vor kurzem kam es in den Gazetten nicht vor. Heute taucht es überall auf. Nichts gegen Empathie, aber alles für Mitgefühl! Ein schönes, verständliches Wort, nicht wahr?

Verorten ist ein anderes Wort, das auch sozuagen aus dem Nichts kommt. Alles Mögliche wird plötzlich verortet. Da kann jemand etwas nicht verorten, das heißt, er kann etwas nicht finden. Er sieht Zusammenhänge nicht.

Wie schwierig es mit verorten ist, zeigt folgende recht rätselhafte Aussage: „Identifikationen, wie sie ein normaler Mensch zur Verortung seiner selbst braucht…“.

Heißt das vielleicht „wenn man wissen will, wer man ist, muss man wissen, wer man ist“? Alberner als das Original scheint mir diese Übersetzung nicht zu sein.

Die Quelle dieses Unsinns? Die Scheu, vielleicht auch die Unfähigkeit, Schwieriges einfach auszudrücken, was wirklich nicht immer einfach ist. Aber es geht.

Und dann die Sucht, etwas einfaches möglichst kompliziert auszudrücken. Beispiel: „Die Firma hat ein Zeitfenster von drei Jahren, um zu zeigen, ob die Integration gelingt.“ Jetzt machen wir das Zeitfenster zu und sagen. „Die Firma hat drei Jahre Zeit…“ usw.

Erstaunlich, wie viel sprachlicher Unsinn täglich generiert – Verzeihung – hervorgebracht wird. Dagegen sollten wir etwas unternehmen. Fragt sich nur, ob aktiv oder proaktiv.






15. 08. 2009

Gedreht und gewendet…

…und von verschiedenen Seiten betrachtet: das Wörtchen „zukunftsfähig“. Politiker haben offenbar eine besondere Vorliebe für „zukunftsfähig“. Was immer sie tun und fordern, muss zukunftsfähig sein. Weil ich das für Wortgeklingel halte, habe ich mich mit diesem Wörtchen mal etwas näher befasst, wie immer sehr laienhaft.

Ich habe mich gefragt, ob ein Konzept oder ein Unternehmen oder sonst was überhaupt zukunftsfähig sein kann. Wäre zukunftsgeeignet nicht das richtige Wort? Und ist zukunftsfähig vielleicht sogar falsch?

Ich glaube, ich habe mich hier geistig verstolpert. Zukunftsgeeignet – Eignung setzt Fähigkeit voraus. Also ist zukunftsfähig vielleicht doch das richtige, das treffende Wort. Es gibt ja auch das Wort leistungsfähig, beispielsweise ein leistungsfähiger Motor.

Ich sehe schon: Ich sollte die Kirche im Dorf, ich sollte fünf gerade sein lassen. Dass
zukunftsfähig zur billigen Münze gehört, oft gedankenlos dahin gesagte und geschriebene Floskel, steht auf einem anderen. Gott sei Dank, werden jetzt viele sagen, hat er das im Augenblick nicht zur Hand. Ja, das finde ich auch.

20. 08. 2009

Verteidigungsindustrie

Noch nie dieses Wort gehört? Noch nie gesehen? Nein, ich auch nicht – bis gestern, im Hamburger Abendblatt, Seite 19, im Bereich „Wirtschaft“ unter dem Titel „Rüstungskonzerne sind gut im Geschäft“.

Ja, das sind sie wohl, die Rüstungskonzerne. Nach den USA und Russland ist die Bundesrepublik die Nr. 3 unter den Waffenlieferanten in alle Welt. Mit Verteidigung hat das wenig zu tun.

Trotzdem bezeichnet Stefan Zoller, Leiter des Bereichs Verteidigung und Sicherheit beim Konzern EADS, die Rüstungsindustrie als Verteidigungsindustrie. Da wird die Welt auf den Kopf gestellt.

Wird unser Land durch die Lieferung von sechs „Materialpaketen“ für türkische
U-boote verteidigt? Wohl kaum.

Was bewegt einen Menschen wie Stefan Zoller, das Wort Rüstungsindustrie in Verteidigungsindustrie umzubiegen? Hat er sich mit Haut und Haaren verkauft? Sollte er nur dumm sein? So oder so: Gelogen ist gelogen.
In einem hat Stefan Zoller Recht. Die Produktion und er Export von Waffen sichert in Deutschland Arbeitsplätze, sind ein „Stabilitätsanker in der Krise“ (so, Zitat Zoller). Die Toten finden sich woanders.


26. 08. 2009

Abgezockt

Vor ein paar Tagen hat mich eine Wespe gestochen, zack, blitzschnell ins Kinn. Das hat eine Weile gebrannt, dann war der Schmerz vorbei. Ein Wespenstich, na und?!

Nachts wachte ich auf, weil mein Hals juckte wie verrückt. Und am Morgen hatte ich ein schiefes Gesicht und einen dicken Hals.

Mittags zur Apotheke, um nach einem Mittel für Linderung zu fragen. Die Apothekerin vermittelte sofort einen Arzttermin. Der Arzt nahm den geschwollenen Hals sehr ernst. Die Entzündung könne nach innen schlagen, und wenn es hart auf hart käme, bliebe als letztes Mittel ein Luftröhrenschnitt. Ich war beeindruckt.

Ich bekam ene Cortisonspritze und ein Rezept für Cortisontabletten (davon sollte ich zwei nehmen) und eins für ein Antiallergikum (an fünf Tagen je eine nehmen).
Die Apotheke musste die Medikamente erst mal besorgen. Dann hatte ich sie, die
20 Tabletten Prednison HEXAL 50 mg und 20 Tablette Rupafind 10 mg. Dafür musste ich 46,40 € auf den Tisch legen. Die Tabletten haben gewirkt, und alles ist wieder in Ordnung.

Alles? Nein, alles nicht. Ich habe zwei Cortison-Tabletten gebraucht für 2,66 €,
kaufen musste ich 20 zu 26,63 €. Ich musste 5 Antiallergie-Tabletten nehmen für
4,95 €, kaufen musste ich 20 zu 19,77 €.

Das hat mir nicht eingeleuchtet. Mir ist zwar klar, dass man Tabletten nicht einzeln verkaufen kann, aber müssen es gleich 20 sein?

Da habe ich meine Apothekerin erst mal gefragt, ob es nicht kleinere als die 20er-
Packungen gibt. Nein, die gibt es nicht; das ist die vom Gesundheitsministerium festgelegte Normgröße. Aber eine 10er-Packung täte es doch auch, sagte ich, und wenn die nicht reicht, kann man doch eine zweite kaufen. Das ist aber nicht die Normgröße, sagte die Apothekerin.

Ich finde, das ist Geldschneiderei, das ist Abzocke, sagte ich. Nein, das sollte ich nicht so sehen. Vor der letzten Gesetzesänderung war es so, dass die Apotheken auf jeder Packungsgröße, auf deren Preis also, 20 % draufschlagen konnten. Das war den Krankenkassen zu teuer. Und nun ist es so, dass mit der zunehmenden Menge der Tabletten der Aufschlag für die Apotheken kräftig sinkt. Also: an 100 Tabletten verdient die Apotheke fast nicht mehr als an 20. So habe ich das jedenfalls verstanden.

Verstanden habe ich nur Folgendes: Ich kaufe 20 Cortison-Tabletten, brauche nur zwei und werfe 18 weg. Das heißt: Ich schmeiße mal eben 23,97 € zum Fenster hinaus. Beim Antiallergikum sieht es ähnlich aus: Gebraucht 5 Tabletten = 4,95 €,
gekauft 20 Tabletten für 19,77 €, Tabletten für 14,82 € weggeworfen.

So wird verschwendet. So werde ich abgezockt. Die Apotheke verdient ihren Teil. Und wer macht den Reibach? Irgendetwas stimmt hier doch nicht. Oder ticke ich falsch? 29. 08. 2009

Endlich schuldenfrei!
(Den Politikern ins Stammbuch geschrieben.)

Ich bitte den Top-Berater Peter Zwegat um Nachsicht und Verzeihung. Ich habe aus seinem Beitrag in der HÖR ZU 36 vom 28. 08. 2009 abgeschrieben. Aber es blieb mir wirklich nichts anderes übrig. Das, was er sagt, darf nicht nur den HÖR ZU Leserinnen und Lesern vorbehalten bleiben. Es geht alle an, nicht zuletzt unsere Politikerinnen und Politiker. Aber an die hat sich Peter Zwegat nicht gewendet. Das will ich jetzt nachholen.

1) Warnsignale erkennen & ernst nehmen. Offenbar sind die Finanzminister des Bundes und der Länder und die Finanzverantwortlichen in den Kommunen unfähig, Warnsignale zu erkennen. Und wenn doch, dann nehmen sie sie nicht ernst.

2) Ganz ehrlich Kassensturz machen. Der erste Finanzminister der Bundes-republik, Julius Schäffer. hatte den Etat wirklich im Griff. Er hatte sogar etwas auf die hohe Kante gelegt. Seitdem heißt die Frage nicht, was können wir uns leisten, sondern was wollen wir ausgeben. Jeden Schuldenberater graust es.

3) Alle Gläubiger informieren. Das ist in der Politik einfacher als im Privaten. Es gibt ja nur eine Adresse, an die sich die Politiker wenden müssen: den Steuerzahler. Da traut sich die Politik nicht.

4) Genauen Zeitplan aufstellen. Natürlich verliert die Politik nicht die Nerven; denn es gibt ja keine gerichtlichen Mahn- und Vollstreckungsbescheide. Die sind nur für die Frau Bürgerin und den Herrn Bürger vorgesehen. Faule Politiker-Ausrede:
Wenn es mit der Wirtschaft wieder aufwärts geht, wird alles in Ordnung gebracht. Dieser Schwindel wird inzwischen so widerspruchslos, so teilnahmslos hingenommen, als sei der die Wahrheit und nichts als die Wahrheit.

5) Bei Pfändung klug verhandeln. Der Bankrotteur Staat braucht seine läubiger nicht zu fürchten; er hat sie ja in der Hand, der öffentlichen.

6) Auf Kreditkündigung sofort reagieren. Entfällt, siehe 5).

7) Seriöse Schuldenberater suchen. Das scheint, was den Staat angeht, leichter gesagt als getan. Sind es wirklich die Pleitiers der Sächsischen Landesbank, die wissen, wie die bankrotte HSH Nordbank wieder auf die Beine gestellt werden kann?

8) Privatinsolvenz nur im Notfall wählen. Entfällt, da die Zalungsunfähigkeit des Staates keine Privatangelegenheit ist.

9) Seine Rechte kennen. Erübrigt sich in diesem Fall, da der Staat sich seine Rechte selbst machen kann.

10) Keine neuen Schulden machen. „Pflichten erfüllen“ empfiehlt Peter Zwegat.
So enfach ist das.

In 2010 müssen über 70 Milliarden € allein für Zinsen gezahlt werden (Bund, Länder und Gemeinden), von Schuldenabbau ist da nicht die Rede. Ist das nicht gruselig? Und was ist, wenn der Gläubiger sagt: „Schluss mit lustig. Ich will mein Geld. Jetzt.


31. 08. 2009

Die Tricks sind uralt

Das „vorläufige Endlager“ (Atommüll), das mich seinerzeit so aufregte, und die „Verteidigungsindustrie“ (´gemeint ist ´“Rüstungsindustrie“), die mich genau so die Wände hoch gehen lässt – beides macht mich ziemlich wütend.

Vielleicht mache ich mich da zum Narren. Diese Schönfärberei ist ja nicht neu; sie hat Tradition, die Jahrhunderte, Jahrtausende zurück reicht.

Ein beinahe aktuelles Beispiel aus dem so genannten Dritten Reich: „Entrahmte Frischmilch“. So musste offiziell heißen, was der Volksmund „Magermilch“ nannte.
Klarer Fall: Entrahmt – in Verbindung mit frisch – klingt besser als mager. So wurde und wird’s gemacht. Das ist die Macht des Wortes.


04. 09. 2009

Die wirklich wahren Wahlergebnisse

Am letzten Sonntag hatten wir Landtagswahlen im Saarland, in Sachsen und in Thüringen. Ob sich Sachsen und Thüringen Freistaat nennen, weil sie sich die Freiheit nehmen, ganz besonders viele NPD-Wähler zu haben? Ich weiß, diese Bemerkung ist nicht „political correct“, aber ich muss das ja auch nicht sein. Und es ist auch nicht der Punkt, auf den ich hinaus will.

Ich will mich auch nicht in die Diskussionen einmischen, wer nun wohl mit wem eine Regierung bilden will oder kann oder nicht will und nicht kann. Die Medien sind voll davon, und das reicht.

Ich habe mir zuerst mal die Wahlbeteiligung angesehen. Und dann habe ich überschlägig ausgerechnet, welche Wähleranteile die einzelen Parteien wirklich haben. Das Ergebnis: Wir kommen so gut wie überall zu Minderheitsregierungen, die wir Deutschen doch so unmöglich finden. Aber wir haben sie – ganz unbemerkt. Die Zahlen sprechen dafür.

Die führende Partei in Sachsen und Thüringen sind die Nichtwähler mit 47,8 % (Sachsen) und 40,4 % (Thüringen). Im Saarland rangieren die Nichtwähler mit 32,3 %
hinter der CDU (34,5 %).

Jetzt kommt ein scheinbar langweiliges Zahlenspiel. Wer sich das mit ein wenig Geduld ansieht, wird aha sagen und zu ganz neuen Ansichten kommen.

Saarland: Wahlbeteiligung 67,7 %, Nichtwähler 32,3 %
Rangfolge der Parteien: CDU = 34,5 %, Nichtwähler = 32,3 %, SPD = 24,5 %, Die Linke = 21,3 %, FDP = 9,2 %, Grüne = 5,9 %, Sonstige = 4,8 %. Grundlage dieser Ergebnisse ist die Wahlbeteiligung von 67,7 %.

Ganz anders sieht es aus, wenn wir alle Wahlberechtigten im Saarland zugrunde legen. 32,3 % aller Saarländer haben sich für keine Partei entschieden, 22 % für die CDU, 16 % für die SPD, 14 % für die Linke, 6 % für die FDP und 4 % für die Grünen.
Ergebnis: Welche Parteien auch immer die Landesregierung bilden, regieren wird eine Minderheit. Das kommt davon, wenn man nicht zur Wahl geht.

In Sachsen und in Thüringen sind die Nichtwähler die größte Partei. Hier die Einzelheiten (in Klammern hinter der offiziellen Wahlergebnissen die relativierten Ergebnisse, bezogen auf alle Wahlberechtigten).

Sachsen: Nichtwähler = 47,8 %, CDU = 40,2 % (20 %), Die Linke = 20,8 % (16,4 %),
SPD = 18,5 % (11,1 %), FDP = 7.6 % (4,5 %), Grüne = 6,2 % (3,7 %, NPD = 5,6 % = 2,8 %), Sonstige = 6,8 % ( 3,4 %)

Thüringen: Nichtwähler = 40,4 %, CDU = 31,2 % (18,6 %), Die Linke = 27,4 %
(10,4 %), SPD = 10,4 % (5 %), FDP = 10 % (5 %), Grüne = 6,4 % (3,2 %, Sonstige
= 9 % ( 5,4 %)

Und jetzt komme ich wieder mit meiner alten Klamotte, Manne Krug, alias Kommissar Stöver: „Was lernt uns das?“
Erstens: Kinder, geht wählen! Zweitens, weil dieser Hinweis zu oberflächlich ist:
Wenn ihr euch für keine der Parteien entscheiden könnt, dann macht den Parteien Dampf! Sagt ihnen, worauf es nach eurer Auffassung ankommt. Sagt ihnen, dass sie inzwischen zu „geschlossenen Gesellschaften“ geworden sind, die oft nur noch sich selbst kennen, aber nicht dich und mich. Unser Grundgesetz sagt deutlich, dass die Parteien die Politik mitgestalten, aber eben nur mit und nicht ausschließlich. Bitte keinen Krawall machen, auch wenn es in den Fingern juckt. Es muss auch ohne gehen. Nicht mutlos werden, hartnäckig bleiben!


05. 09. 2009

Das erklärt alles. Danke, Peter Falk, alias Columbo

Erst hatten wir die Finanzkrise. Dann die Wirtschaftskrise. Beide haben wir immer noch am Hals. Und welche Krisen uns noch bevorstehen? Keine Ahnung. Nur Columbo kann hier noch helfen.

Wie war das noch? Gleich zu Anfang wussten wir, wer der Mörder war, wie er den Mord vorbereitet und begangen hatte. Total langweilig, was dann kam? Im Gegenteil: Nichts war aufregender. Peter Falk Columbo spannte uns auf die Folter. Seine Fragen? Harmlos und dümmlich, so schien es. Aber sie brachten die Täter dazu, sich ans Messer zu liefern.

Mal sehen, ob das noch einmal gelingt.

Da haben wir die Jungs mit den Verbriefungen. Verbriefungen sind „Wert“-Papiere, deren Grundlage „ein stetiger Zahlungsstrom“ ist. Das heißt: Wenn Leute ein Haus mithilfe einer Hypothek kaufen und regelmäßig Tilgungen und Zinsen zahlen. dann ist die Welt in Ordnung. Wenn sie aber keinen Cent auf der Naht haben und trozdem eine Hypothek erhalten wie in den USA? Dann fließt kein Geld, und von einem stetigen Zahlungsstrom kann nicht die Rede sein. Das haben die internationalen Finanzmarkt-Columbos inzwischen herausgefunden. Leider ohne Folgen. Columo hat die Jungs und Mädels wenigstens hinter Gitter gebracht.

Dann sind da „strukturierte“ Wertpapiere. Die sind ein Sammelsurium von fest-
verzinslichen und zinsvariablen Wertpapieren und „derivativen Finanzinstrumenten“.
Diese Papiere dürften von vornherein auf Betrug ausgelegt sein. Columbo würde es nicht schwer fallen, das zu beweisen.

Und schließlich die „Derivate“. Die sind nichts anderes als Wetten. Wetten, dass der Goldpreis steigt? Oder sinkt? Dass Kupfer teurer wird, oder billiger. Dass diese Aktie gewinnt oder verliert? Alle diese Werte werden abgeleitet von Vermutungen, Annahmen, Spekulationen – Betrügereien inbegriffen. Columbo lässt grüßen.

Und was nun? Dumme Fragen stellen. Hartnäckig sein. Nicht nachgeben. Nicht nur Columbo spielen, sondern Columbo sein.

Ach, lieber Peter Falk, lieber Columbo, das alles würde doch nicht helfen. Du hast ja immer nur einen Fall gelöst. Dann kam der nächste und der nächste und der nächste.

So wird es auch hier sein.


Dumme Fragen

Wenn jemand sagt, ich habe da eine dumme Frage, kommt meist blitzschnell die Antwort „es gibt keine dumme Fragen“. Das ist ermutigend. Fragen, fragen, fragen – das ist wichtig, wenn man etwas erfahren will!

Aber wie steht es mit den Antworten? Sind die auch so klug wie die Fragen? Da habe ich meine Zweifel. Of scheinen sie mir reichlich dumm zu sein.


Der oder die – das ist die Frage

Im Hochdeutschen heißt es „der Pier“, im Norddeutschen „die Pier“. Ich tippe drauf, dass die Norddeutschen recht haben. Schließlich wird Deutschlands größtes Kriegs- schiff „die“ Bismarck genannt – und überhaupt: „die“ Bremen, „die“ Hanseatic usw. usw. Schiffe sind im Deutschen wie Mädchen: weiblich.

Aber gilt das auch für so Profanes, so landgebundenes wie ein oder eine Pier? Am besten, wir trösten uns mit dem „hohen Norden“ und dem „tiefen Süden“. Von Hamburg aus gesehen, ist der Süden beträchtlich höher, die Zugspitze allein misst 2962 Meter. Alles ist relativ.


07. 09. 2009

Die große Schweinerei

Angst und bange will man uns machen. Was in England „swine flu“ heißt, nennen wir Schweinegrippe. Die vornehmere Bezeichnung Mexico-Grippe hat sich nicht durchgesetzt, weil political incorrect, vermutlich.

Wie auch immer: Die Gefahr, dass Millionen dieser Grippe zum Opfer fallen, schien riesengroß zu sein. Sonst hätte die WHO (World Health Organisation) nicht eine Pandemie ausgerufen. Sollten wir meinen. Es scheint aber ganz anders zu sein.

Die WHO hat vor kurzem den Begriff Pandemie ein wenig anders als bislang beschrieben. Sie hat hat den Hinweis, dass es sich um die Wahrscheinlichkeit vieler Toten handeln könnte, gestrichen. Damit kann alles und jedes zu einer Pandemie erklärt werden. Es gibt jetzt also keine genaue Definition mehr.

Nun könnten wir das für einen Akt der Fürsorge halten: lieber das Schlimmste befürchten und glücklich sein, wenn es nicht eintrifft, vorsorgen, auch wenn es ein paar hundert Millionen € kostet. So ungefähr 450 Millionen € soll der neue Impfstoff kosten, den unsere Regierung geordert hat. (Wer dafür aufkommen soll, ist noch nicht ganz klar.)

Mit der Fürsorge dürfte das sogar stimmen. Aber die Fürsorge gilt nicht den ver-meintlich Gefährdeten, sondern den Herstellern des neuen, nur flüchtig geprüften und umstrittenen Impfstoffs: GlaxoSmithKline und Novartis.

Wie das kommt? Vertreter dieser beiden Konzerne sind neuerdings Mitglieder bei der WHO; sie haben gute Arbeit geleistet für ihre Unternehmen. (ZDF Frontal 21 hat kürzlich darüber berichtet.)

13. 09. 2009

Aufgeblasen

Wer etwas unternimmt, riskiert auch etwas. Der Erfolg ist nicht garantiert; die Sache kann auch daneben gehen. Da will jeder Unternehmer das Risiko so klein wie möglich halten. Das ist normal, das ist verständlich, und in schwierigen Zeiten möchte man nicht mehr so große Risiken eingehen wie bisher. Und jeder würde das verstehen und gut finden.

Aber so einfach scheint das nicht zu sein. Anscheinend haben Manager Schwierig-keiten, einfache Dinge einfach beim Namen zu nennen. Das Interview mit Herbert Bodner, Vorstandsvorsitzender von Bilfinger Berger, legt diese Vermutung nahe (Quelle FAZ, 12. September 2009).

Auf die Frage, weshalb er hier und da nicht mehr so weitermachen will wie bisher, sagt er: „Wir verbessern unser Risikoprofil.“ Damit bringt er ein neues Wort, einen neuen Begriff, ins Spiel: Risikoprofil.

Was aber ist ein Risikoprofil? Nichts anderes als ein Risiko. Da wird ein Wort so aufgeblasen wie die Technik zur Technologie.

Wir wollen unser Risiko verringern. Das hat Herr Bodner gemeint. Aber: Ein Risikoprofil verbessern hält er wohl für besser als ein Risiko vorringern. Verbessern ist nach Managementregeln positiv besetzt, verringern dagegen negativ. Viel Vergnügen mit so viel Dummheit!
21. 09. 2009

Lieber Herr Schreiber,

auf der Ttelseite der heutigen Ausgabe schreibt das Hamburger Abendblatt:
"...erhöht das Terrornetzwerk... seine Drohkulisse."

Können Sie mir das erklären?

Wie man eine Theaterkulisse aufbaut oder die Kulisse für einen Filmdreh,
das kann ich mir vorstellen. Dass man diese Kulissen vielleicht noch um das
eine oder andere Stockwerk erhöht, leuchtet mir auch noch ein.

Aber wie erhöhe ich eine Drohkulisse? Was ist eine Drohkulisse überhaupt?

Eine Drohung - ja, das ist klar. Eine Drohkulisse ist vielleicht gar keine Drohung,
sondern nur ein, sagem wir mal, potemkinsches Dorf, also etwas das nur so
aussieht als ob.

Ob Sie da mit einem Ihrer "Ich sag mal" weiterhelfen können?

Viele Grüße

Peter Gudelius

Pommernring 4
D - 25451 Quickborn
Fon: 04106 - 69800
Fax: 04106 - 4010
Mail: textoffice@petergudelius.de
Internet: http://www.petergudelius.de


e-mail 21. 09. 2009


Du liebe Güte! Heute ist schon der 15. November. Gut zwei Monate nichts notiert hier. Aber ein bisschen geschrieben habe ich in dieser Zeit doch. Ein paar Textchen
in „Sprach-Los“, vor allem aber „Die gefährdete Republik“, den VHS-Vortrag am 9. November. Nun geht es hier weiter.

16. 11. 2009

Unschuldsengel Bundesrepublik

Jeder weiß es, alle sind empört. Die DDR hat Briefe, Päckchen und Pakete, die aus der Bundersrepublik kamen, kontrolliert, geöffnet, gelesen, wohl auch Geld und sonst was immer wieder mal entnommen. Für die Post- und Telefonkontrolle war die Abteilung M des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) zuständig. Bei aller Empörung wundern wir uns nicht; denn die DDR war ja ein Unrechtsstaat. Wirklich, das war sie, da gibt es keinen Zweifel.

Wie anders unsere Republik. Wir achteten immer auf die Einhaltung aller Gesetze. Da konnten wir uns auf unsere Politiker und unsere Justiz felsenfest verlassen. Gab es mal eine Unregelmässigkeit, und die kommt in besten demokratischen Staat vor, dann wurde schnell für Ordnung gesorgt. Schließlich ist unsere Republik ein Rechtsstaat und nicht so, wie die DDR war. Wirklich?

In den Jahren 1955 bis 1968 wurden in unserer Republik 100 Millionen Poststücke, die aus der DDR kamen, kontrolliert. Dokumente wurden nicht nur gelesen, Sendungen wurden auch beschlagnahmt, verschwanden und erreichten nie ihre eigentlichen Empfänger.

Daraus wird noch heute ein Geheimnis gemacht. Bei seinen Recherchen im ehema-ligen Postministerium fand der Freiburger Historiker Prof. Dr. Josef Foschepoth eine riesige Lücke. „Die Akten sind einfach nicht da. Immer dort, wo sensible Bereiche der inneren Sicherheit betroffen sind, fehlt etwas“, so Foschepoth.

War das rechtens? Nein, natürlich nicht. Es war Unrecht. Ein bisschen Unrecht im Rechtsstaat. Ist es rechtens, Akten beiseite zu schaffen, sie nicht zugänglich zu machen, wenn das Gesetz vorschreibt, dass sie nach 30 Jahren zugänglich gemacht werden müssen? Nein, natürlich nicht.

Was ist zu tun? Wir haben zwei Möglichkeiten. Wir sagen, das kommt in den besten Familien vor und ist ja auch schon lange her und gehen zur Tagesordnung über. Die zweite Möglichkeit: Aufpassen, aufpassen, aufpassen! Wenn wir das nicht tun, ist unsere Republik über kurz oder lang ruiniert. An vielen kleinen Stellen, oft genug nicht mal im Verborgenen, wird daran gearbeitet.


15. 11. 2009

Es hat sich nichts geändert

Nach dem Verbot der KPD 1956 wurden viele Mitglieder der Partei verhaftet. Das Ehepaar Rosemarie und Karl Stiffel gehörte dazu. Sie wurden 1958 wegen so genann-ter staatsgefährdender Tätigkeit zu Gefängnisstrafen verurteilt. Das Besondere an diesem Fall ist ein Satz aus der Urteilsbegründung. Der Richter wies darauf hin, dass schon Karl Stiffels Vater in den 30er Jahren, also unter den Nationalsozialisten, wegen Staatsgefährdung verurteilt worden war. Das war für das Gericht offenbar besonders empörend, auch wenn es mit dem Vorwurf staatsgefährdender Tätigkeit gar nichts zu tun hatte.

Es ist zu vermuten, dass der Richter ein ehemaliger Nationalsozialist war; denn viele Verurteilte jener Zeit wurden wurden von vorbelasteten ehemaligen Nazi-Richtern und Staatsanwälten angeklagt. Welches Wunder! Kein NS-Richter, kein NS-Staatsan-walt ist je zur Rechenschaft gezogen worden. Bald waren sie wieder in Amt und Würden und sprachen Recht. Das hatten sie ja gelernt.

Müssen wir uns da wundern, dass wir heute die Neonazis am Hals haben?

(Quelle: ZDF Frontal 21 14. 11. 2009)


16. 11. 2009

Ein Wort, das alles sagt

Die ehemalige DDR ein Unrechtsstaat? Daran ist nicht zu zweifeln auch wenn immer noch hin und her argumentiert und debattiert wird: War sie’s nun wirklich? Viel-leicht nur ein bisschen, nicht ganz und gar? Inzwischen ist so viel dazu geschrieben und gesagt worden, dass man leicht den Überblick verlieren kann. Dabei genügt ein Wort als Beweis: Republikflucht.

Ein Staat, der seinen Bürgern verbietet, das Land zu verlassen, kann kein Rechtsstaat sein. Er ist ein Gefängnis. Paragraph 213 des DDR Strafgesetzbuchs hat das 1968 klar geregelt. Das ungenehmigte Verlassen der DDR wurde unter Strafe gestellt. Wer es dennoch versuchte und dabei erwischt wurde, landete – sofern es eine Frau war – in einem der schrecklichsten Gefängnisse: im Zuchthaus Hoheneck in Stolberg/Erzge-birge.

Republikflucht. Allein dieses Wort. Wir flüchten, wenn uns Gefahr droht, wenn wir verfolgt werden. Wir wollen uns durch unsere Flucht in Sicherheit bringen. So ist das im Allgemeinen.

Die Republikflucht war etwas anderes. Sie war keine Flucht. Der Wunsch, in einem anderen Land zu leben, bedeutet doch nicht Flucht. Die DDR hat den Ausreise-wunsch zur Flucht gemacht.

Ein einziges Wort genügt, um zu beweisen, dass die DDR ein Unrechtstaat war: Republikflucht.


24. 11. 2009

Sag’ mir, wo die Einheit ist, wo ist sie geblieben…?

„Sonderzug zu fremden Freunden“ titelt das Hamburger Abendblatt am 24. 11. 2009 auf Seite 3. 920 Dresdner kommen mit einem Sonderzug nach Hamburg. Sie werden umarmt, Freundschaften beginnen, die bis heute voller Leben sind.

So, so ähnlich war es überall damals, 1989 und auch noch 1990. Brüder und Schwestern. Alle fielen sich in die Arme. So lange getrennt. Jetzt endlich wieder zusammen. Tränen, Tränen überall, Tränen des Glücks. Herzklopfen wie verrückt. Wir, wir, wir und nichts sonst. Deutschland einig Vaterland.

Wie schnell haben wir das vergessen.

Wie konnte das passieren? Haben wir etwas falsch gemacht? Und wenn nicht wir, wer sonst? Fangen wir mal bei uns selbst an.

Nicht die Politik hat die Mauer zum Einsturz gebracht, sondern das VOLK. Bürger der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) haben das fertig gebracht, nicht etwa die Bürger der Bundesrepublik Deutschland, und schon gar nicht die Politiker. Mitgeholfen haben sie dann schon, die Politiker, was ja auch wichtig war. Aber die Arbeit, die Arbeit haben die Bürger der DDR getan. Und sie haben alles riskiert. Weiß das heute noch jemand? Manchmal habe ich das Gefühl, das will überhaupt niemand mehr wissen.

Die Politiker haben sich alles unter den Nagel gerissen. Klar, die Bürger konnten aus zwei Deutschlands nicht ein Deutschland machen. Dazu brauchten wir schon die Politiker. Aber dass sie dann so taten, als hätten sie alles gerichtet, das ist schon ein starkes Stück.

Und so ist der 3. Oktober zum Tag der deutschen Einheit geworden und nicht der 9. November, der Tag, an dem die Mauer fiel. Ist die Unterzeichnung eines Vertrages durch Politiker mehr wert als die Tat? Da müssen wir uns nicht wundern, dass der Tag der Einheit nichts anderes ist als ein freier Tag, aber kein Feiertag. Das Zeug dazu hätte der 9. November bestimmt gehabt. Allein die 100.000e, die damals auf die Straße, die Straßen gingen – in Leipzig, in Dresden, in Magdeburg und überall sonst in der DDR – sie hätten in ihrer Erinnerung diesen Tag mit Leben gefüllt.

Aber dann ging es geschäftsmäßig weiter. Wir wickelten die DDR ab, genauer: ihre Reste. Wir – das waren wir Westdeutschen, allen voran Politik und Wirtschaft, aber wir fanden das gut, haben jedenfalls gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Schließlich waren wir ja auch die Besseren. Und so wurden die ehemaligen DDR-Bürger zu den Doofen. Das war schlimm genug. Aber es kommt noch schlimmer.

Wir haben uns zum Richter über alle und jeden aufgeschwungen. Wir haben Tun und Lassen einiger Millionen Menschen durchleuchtet und haben erbarmungslos geurteilt. Wir in Westdeutschland waren ja fein heraus. Wir hatte ja seit 1945 keine Diktatur.

Dabei haben wir eins vergessen. Vergessen? Verdrängt! Unsere nationalsozialistsche Vergangenheit. Prof. Pohl von der Christians-Albrecht-Universität stellte in einem Vortrag Anfang 2008 in Kaltenkirchen fest (ich zitiere sinngemäß): „Wenn wir bei der Entnazifizierung so vorgegangen wären wie bei der Aufarbeitung der DDR, wären dreiviertel der Deutschen hinter Gittern gelandet.“ Davon hat außer Prof. Pohl aber niemand gesprochen.

Diese Scheinheiligkeit ist ein Problem, das wir noch nicht gelöst haben. Das ist auch schwierig; denn ohne Frage war die DDR ein Unrechtsstaat, und viele waren an dem Unrecht beteiligt. Das gibt uns Westdeutschen aber nicht das Recht so zu tun, als seien wir die besseren Menschen. Das sind wir nicht.

Wie verwickelt das alles ist, zeigt auch der nostalgische Rückblick vieler Bürger der ehemaligen DDR. Alles war irgendwie so heimelig. Eigentlich ging es einem ja gut. Vor Arbeitslosigkeit brauchte man sich nicht zu fürchten. Mit den Einschränkungen konnte man leben. Reisefreiheit? Da sagt heute mancher: „Die habe ich jetzt auch nicht. Mir fehlt das Geld dazu.“ Aber das alles ist eben nur die halbe Wahrheit, wohl nicht mal die halbe. Wie sonst wäre es zum Ende der DDR gekommen?

Keine Frage: Wir haben Probleme, die sich nicht einfach lösen lassen. Wahrschein-lich können wir sie überhaupt nicht lösen. Sie müssen im Laufe der Zeit sozusagen von selbst aufhören zu existieren. Das ist eine Frage der Generationen. Das sollte uns allerdings nicht dazu verführen, unserer Vergangenheit aus dem Wege zu gehen.
Wir sollten schon genau hinsehen. Wir sollten auch urteilen. Und was Unrecht war, soll auch bestraft werden. Aber wir sollten nicht verurteilen.

Wie hätten wir Westdeutschen uns denn verhalten, wenn der ersten Diktatur gleich eine zweite gefolgt wäre? Die Mecklenburger, Brandenburger, Thüringer, Sachsen und die Anhaltinischen Sachsen haben es erlebt. Darunter leiden wir alle heute noch. Wir alle!

28. 11. 2009

Wachstumsbeschleunigungsgesetz

Allein das Wort ist ein Monster, und das Gesetz wohl auch. Es kann weder von Wachstum noch von seiner Beschleunigung die Rede sein. Das wird besonders deutlich bei dem Plan, die Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen von zurzeit 19% auf 7% zu senken. Was wird da beschleunigt? Werden jetzt mehr Menschen Hotelzimmer buchen? Das ist kaum anzunehmen. Erstens ist keineswegs sicher, dass die Hotels ihre Zimmer jetzt entsprechend günstiger anbieten. Und selbst wenn: Steigert das die Reiselust? Darüberhinaus: Die „Experten“ sind sich noch nicht einig, ob das Frühstück zur Hotelübernachtung gehört oder doch nicht. Dann würden für das Frühstücksei nach wie vor 19% Mehrwertsteuer berechnet. Wenn einem da nicht der Eierlöffel aus der Hand fällt!

Länder und Kommunen können und wollen die auf sie entfallenden Kosten nicht tragen und verlangen Geld vom Bund. Dazu sagt Finanzminister Schäuble, dass der Bundesrat, die zweite Kammer also ein Verfassungsorgan des Bundes sei und damit einen Teil der Verantwortung des Bundes trage. „Dafür können sie sich nicht bezahlen lassen.“ Das leuchtet mir ein. Bleibt zu hoffen, dass es zu diesem Gesetz nicht kommt.

Wenn das Wirtschaftswachstum beschleunigt werden soll, empfiehlt es sich Subventionen kräftig zu kürzen. Das spart Geld und regt die Fantasie der Unternehmen an.

28. 11. 2009

Abgekocht

Roland Koch, der Mann, der sich die Finger schmutzig gemacht hat an schwarzen CDU-Kassen, der Mann, der mit einer Fremdenfurcht-Kampagner (um nicht zu sagen Fremdenhass-Kampagne) einen Landtagswahlkampf für sich entschieden hat, dieser Mann hat nun auch das ZWEITE DEUTSCHE FERNSEHEN zur Marionette der Parteien gemacht.

Staatsferner Rundfunk, staatsfernes Fernsehen, wie vom Gesetz vorgesehen – Fehlanzeige! Das war einmal. Ehrlicherweise muss erwähnt werden, dass es nicht allein dieser Koch ist, der uns die Suppe eingebrockt hat. Das ganze Küchenpersonal hat mitgeholfen. Der Intendant, der eine Klage gegen den Beschluss des Fernsehrats anstrengen könnte, will das nicht. Warum? Die Parteien – Union und SPD – haben die erdrückende Mehrheit im Fernsehrat. Wieso eigentlich? Parteien sollen nach Grundgesetz das politische Leben mitgestalten. Mehr aber auch nicht. In Wirklichkeit machen sie, was sie wollen. Da haben wir nicht aufgepasst.

Ob wir jetzt endlich wach werden? Ob wir die 35 Experten unterstützen, die vor dem Küchenkabinettsstück des Herrn Koch gewarnt haben? Wo bleibt der Sturm der Entrüstung der Fernsehsender ZDF und ARD, wo der Protest der Mitarbeiter der Sender, wo der Protest der Presse? Allen, die jetzt den Mund halten, braucht man ihn in Zukunft nicht mehr zu verbieten.

03. 12. 2009

Von Feiglingen und Großmäulern

Die Koch-Clique hat es fertig gebracht: Der Vertrag für den ZDF-Chefredakteur Brender wird nicht verlängert. Intendant Schächter wird sich auf die Suche begeben, einen genehmeren Chefredakteur zu finden. So soll Hofberichterstattung sichergestellt werden. Berlusconi lässt grüßen. Staatsfernes Fernsehen rückt in weite Ferne. Parteinähe ist gefragt.

ZDF-Intendant Schächter hätte die Möglichkeit gehabt, dagegen zu klagen. Das hat er von vornherein abgelehnt. Als Grund fällt einem da nur Feigheit ein.

Da wäre aber noch der Bundestag. Wenn nur ein Viertel der Abgeordneten eine Klage vor dem Bundesverfassungsericht anstrengen würde, könnte die Koch-Clique zur Ordnung gerufen, könnte der Einfluss der Parteien auf das ZDF auf das richtige Maß zurückgeführt werden. (Das Grundgesetz sieht vor, dass die Parteien das politische Leben mitgestalten, nicht aber allein gestalten und beherrschen.)

Herr Beck, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Vorsitzender des ZDF-Aufsichtsrats sagt, dass er unglücklich sei über die Brender-Entscheidung des ZDF-Aufsichtsrats. Mehr sagt er aber nicht. Aber allein das ist recht großmäulig. Denn ob er etwas unternimmt, ist zumindest fragwürdig. Den Einfluss seiner Partei auf das ZDF würde er – vermutlich – gern erhalten. Diesmal hatte er nicht die Mehrheit. Aber das kann sich – irgend wann einmal – ändern.

Aber vielleicht ruft er die SPD Bundestagsabgeordneten doch auf, sich für eine Klage zu entscheiden. Und vielleicht die Grünen, die LINKE, die FDP? Sind sie nicht alle für Klarheit und Wahrheit? Zu befürchten ist, dass keiner von ihnen ülbertreibt und so alles beim alten bleibt.

Eine klitzekleine Hoffnung gibt es noch. Im internet rumort es. Bundestagsabgeor-dnete werden von einigen tausend Bürgern aufgefordert, sich an ihre Pflichten zu erinnern und sich für eine Klage einzusetzen. Mal sehen, ob das wirkt. Und wenn es jetzt nicht wirkt, dann vielleicht das nächste Mal.

03. 12. 2009

Ist Politik ein Beruf?

ewe

Bleiben nur ein paar kleine Fragen: Was hat die junge Dame bisher gemacht? Was hat sie gelernt? Welchen Beruf hat sie ausgeübt? Welche Erfahrungen bringt sie mit?

Schon mit 14 wurde sie Mitglied der Jungen Union. Seit sie 18 ist, macht sie in Poli-tik. Sie hat Politik von Grund auf gelernt. Aber ist Politik ein Beruf? Ich denke, nein.

Politik ist eine Aufgabe. Worin diese Aufgabe besteht, will ich ausdrücklich offen lassen. Das soll jeder für sich entscheiden.

Es ist sehr schwierig, diese Aufgabe zu lösen, und es gelingt nicht immer. Man muss es immer wieder versuchen. Und wenn man hier Aussicht auf Erfolg haben will, muss man Erfahrung aus dem täglichen Leben mitbringen. Lebenserfahrung und nicht Erfahrung aus einem politischen Karrierelauf.

Deshalb noch einmal: Politik ist kein Beruf. Und darum ist Berufspolitikern mit Vorsicht zu begegnen, selbst dann, wenn sie eine junge, hübsche Frau sind.

03. 12. 2009

Wischiwaschi und das Märchen von den Sterntalern

„Gewisse Eliten haben versagt“, sagt der Erste Bürgermeister von Hamburg, Ole von Beust, im Hamburger Abendblatt-Interview vom 3. Dezember, und räumt ein „Es gibt Fehler von allen Seiten.“

Weiter: Es gibt auf jeden Fall ein versagen gewisser Eliten, was die Selbstbescheidung angeht. Ich kann von der Bevölkerung nicht erwarten, Opfer zu bringen, wenn die Elite kräftig zulangt.“ Richtig. Nur, dass die Öffentliche Hand mit Diätenerhöhungen und anderen Wohltaten genau so kräftig zulangt, sagt Herr von Beust nicht. Wie soll man diesem Menschen vertrauen?

Mit diesem Wischiwaschi geht es das ganze Gespräch weiter. Klingt alles sympathisch und ist geeignet, den Leser ruhig zu stellen. Da stellt sich schnell der Eindruck ein. der Mann weiß, worum es geht, und der wird die Sache auch in die Hand nehmen und zum Erfolg führen.

Irrtum! Herr Ole von Beust will uns genauso an der Nase herum führen, wie die meisten Politiker: Er will uns weismachen, dass das Märchen von den Sterntalern kein Märchen ist, sondern die wirkliche Wirklichkeit. Und das geht ganz einfach.

Nein, die vom Bund vorgesehenen Steuersenkungen sind nicht finanzierbar, sagt er, womit er Recht hat. Aber dann: „Man muss eine Regelung mit dem Bund finden, dass zumindest einTeilausgleich bei den Ländern landet.“

Und genau das ist das Märchen, das uns aufgetischt wird. Wie alle Märchen, klingt die Geschichte zunächst mal gut: Prima, die Länder und Kommunen bekommen das, was sie zahlen müssen, vom Bund ersetzt, wenigstens zum großen Teil. Das freut natürlich die „Landesväter“. Die haben nicht begriffen – viel schlimmer: sie wollen nicht begreifen, es interessiert sie überhaupt nicht, dass jeder Cent von uns aufgebracht werden muss. Ob unser Geld vom Bund, vom Land oder von der Gemeinde eingetrieben wird, spielt keine Rolle. Wir sind unser Geld los. Und dann wird mit unserem Geld Monopoly gespielt. Was wir erarbeitet haben, wird verspielt, einfach so, sehr geehrter Herr von Beust.

16. 12. 2009

Verraten und verkauft

Dies ist die Fortsetzung von „Wischiwaschi und das Märchen von den Sterntalern“.

„Gewisse Eliten haben versagt“, sagt der Erste Bürgermeister von Hamburg, Ole von Beust, im Hamburger Abendblatt-Interview vom 3. Dezember, und räumt ein „Es gibt Fehler von allen Seiten.“ So liest sich der erste „Wischiwaschi“-Absatz.

Klingt das nicht einsichtig? Ist da möglicherweise gemeint, nicht nur Banker, Hedgefondsmanager, geldgierige Unternehmen, brutalglobale Kapitalisten reinsten Wassers hätten den Schlamassel verursacht, in dem wir jetzt weltweit und hautnah stecken, sondern auch Politiker?

Eine leise Andeutung dieser Möglichkeit war das wohl. Mehr aber auch nicht. Vor allem war es der Versuch um Verständnis zu werben für etwas, das nicht zu verstehen ist und das kein Verständnis verdient: der Versuch, den anderen in die Schuhe zu schieben. So weit das Vorwort. Und jetzt zum „heulenden Elend“, wie SPIEGEL online am 15. 12. 2009 schreibt:

Thema Landesbanken. Die HSH wollte der weltgrößte Finanzier von Container-schiffen werden. Die WestLB glaubte, im globalen Investmentbanking mitspielen zu können. Die BayernLB wollte den Osten erobern. So weit SPIEGEL online. Von anderen Landesbanken soll hier gar nicht die Rede sein. Auch sie haben sich nicht mit Ruhm bekleckert, sondern Milliarden gekostet.

Wo ist das Problem? Da haben Bankmanager ihren Größenwahn ausgelebt. So etwas kommt nicht nur in der Finanzindustrie vor. Da kracht dann ein Unernehmen zusammen und ist weg. Wenigstens sollte es so sein. Seit der Begriff „systemisch“ herumgeistert, ist das auch nicht mehr so.

Bei den Landesbanken ist das ein wenig anders. Hinter den größenwahnsinnigen Bankern standen ebenso größenwahnsinnige Politiker. Heide Simonis sagte dazu sinngemäß: „Jedes Jahr 70 Millionen EURO Dividende für den Landeshaushalt, das machte uns besoffen.“ Leider sagte sie das erst, als sie schon lange nicht mehr die Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein war. Mitgespielt, aber nicht mitgehangen.

Und nun bei der BayernLB? Garantie für 10 Milliarden EURO. 3,7 Milliarden EURO futsch durch die Affäre Hypo Alpe Adria Bank.

Nicht nur in den Landesbankfällen spielen die Politiker Versteck. Sie wenden den Trick „Haltet den Dieb – ich bin es ja nicht“ überall an.

Verraten und verkauft werden wir zur Zeit durch das Größenwahnsinnbeschleu-nigungsgesetz. Fragwürdige Entlastungen steuergeplagter Bürger sollen vor allem von den Bundesländern und den Kommunen bezahlt werden. Das können die aber gar nicht, ohne Pleite zu gehen.

Wo ist das Problem in diesem Fall? Die Pleitiers brauchen am 18. Dezember doch nur nein zu sagen, und schon wird ein milliardenschwerer Unsinn zu Makulatur.

So geht das aber nicht in der Politik. Der Grund: Die schwarzen und schwarzgelben Ministerpräsidenten, die Bundesländer also, würden der Bundeskanzlerin, also der Bundesregierung, die Arschkarte zeigen.

Und so wird geschachert, gekungelt und gefeilscht, damit niemand das Gesicht verliert. Aber sind wir Chinesen, die niemals ihr Gesicht verlieren dürfen? Dürfen wir nicht auch mal verlieren? Dürfen unsere Politiker nicht auch mal verlieren? Es muss ja nicht gleich das Gesicht sein. Ihre Glaubwürdigkeit ist ohnehin zum Teufel.
Rien ne vas plus – nichts geht mehr.

Das Spiel geht so: Ihr sagt ja, und wir schieben euch die Penunze zu., die ihr braucht.
Ob wir das aber wirklich tun, wissen wir noch nicht. Wichtig ist ja im Augenblick nur, dass wir unsere Wahlversprechen einhalten: Steuersenkungen.

Bitte das Thema nicht zu eng zu sehen! Dass nur die Bessergestellten besser gestellt werden und die Armen nichts davon haben – Schicksal! Dass alle, alle, alle, jeder Steuerzahler die Zeche zum Schluss bezahlen muss, das wird nicht gesagt.

Steuern werden gesenkt, Abgaben werden erhöht. Das nennt man Nullsummenspiel.
Die Bundesregierung will die Bundesländer bestechen. Es ist zu fürchten, dass ihr das gelingt.

Und deshalb sind wir verraten und verkauft.

PS: So ist es nun auch gekommen. Der als Held aufgetretene Harry Peter Carstensen (MP von SH) ist als Maulheld von der Bühne abgetreten. Super Nanny und ihr galanter Begleiter haben befohlen, und die Parteilsoldaten standen stramm, gestern, in der Bundesratssitzung. Nun haben wir die Bescherung, rechtzeitig zu Weihnachten.

Ich gehe davon aus, dass unsere Super Nanny ihre Versprechungen, die sie den Bundesländern gegeben hat, nicht einhalten wird. Und von den Kommunen ist überhaupt nicht die Rede. Die meisten haben so leichtfertig gewirtschaftet, dass sie vorn und hinten nicht hochkommen können. Und nun werden sie noch einmal zur Kasse gebeten – gefragt wurden sie nicht. So geht man mit dem Geld anderer Leute um. Nur weil man den Mund vor der Wahl vollgenommen und Steuersenkungen versprochen hat.

Noch einmal: Deshalb sind wir verraten und verkauft.

19. 12. 2009

Wir bleiben hier!

Diese drei Worte entschieden nicht über Leben und Tod; sie befahlen den Tod.
Diese dreil Worte schickten ungezählte junge Männer in den Tod.

Das war im Januar 1945 in Ungarn, bei der Verteidigung von Budapest. Und diese drei Worte sagte Fritz Darges, SS-Obersturmbannführer und Kommandeur eines SS-Panzerregiments. (Einzelheiten: STERN 51. 10. 12. 2009)

Die Jungs, denen Fritz Darges sagte „Wir bleiben hier“, sind seit 64 Jahren tot. Sie waren damals 18, 19, 20 Jahre jung. Fritz Darges (SS-Nummer 72222) wurde 96 Jahre alt. Er blieb eben nicht da, sondern rettete sich in amerikanische Gefangen-schaft.

Nun ist das kein Einzelfall, eher die Regel. Nicht zuletzt deshalb gibt es ja auch den Begriff „Menschenmaterial“. Das kann man verheizen. Und so war es dann auch.

Das Böse kommt, wie so oft, zum Schluss: „Wir waren nicht die Letzten von gestern, wir sind die Ersten von morgen“ (Fritz Darges 1992).

Sollen wir uns das gefallen lassen? Sollen wir den Alt- und Neonazis freien Lauf lassen? Wollen wir das wirklich?

26. 12. 2009

Ich kann mich nicht fokussieren

Das kommt davon, wenn man ein paar Tage nichts notiert: Von dem, was täglich auf einen einstürzt, kann man nur weniges festhalten und auch das nur in Stichworten. Aber vielleicht ist das ganz gut so. Sonst würde man sich die Finger wund schreiben.

Ich fange mal mit den Redewendungen und Wörtern an, die mir in diesen Tagen über den Weg gelaufen sind, manche zum ersten Mal, andere sind gute, nein, schlechte Bekannte, die sich nicht abschütteln lassen.

In einer Fernsehprogrammzeitschrift begegne ich einem für mich ganz neuen Wort: „Showacts“. In einer Sendung werden zwischendurch „Showacts“ gezeigt, heißt es. Was sind „Showacts“? Kunststücke? Auftritte von Akrobaten? Kabarettistische Auftritte? Keiner hat es mir verraten. Ich habe die Sendung nicht gesehen und auch nicht die „Showacts“.

Ebenso schleierhaft ist mir das Wörtchen „covern“ geblieben, gelesen im Hamburger Abendblatt. Da hat Wencke Myhre einen Film oder einen Song gecovert. („I Saw Mommy Kissing Santa Claus“). Ich habe hin und her überlegt, aber ich habe nicht rausbekommen, was „covern“ wirklich bedeutet. Ich habe beim Abendblatt nachgefragt. Aber die „Denglish-Abteilung der Redaktion hat mir bis heute nicht geantwortet.

Ich cruise, du cruist, er, sie es cruist und so weiter. Nein, ich habe noch nicht gecruist, aber irgendjemand hat es in einer der letzten STERN- SPIEGEL- oder
manager magazin-Ausgaben getan. Er hat weder mit einer Jolle gegen den Wind gekreuzt, noch war er auf einem Kreuzfahrtdampfer unterwegs, er ist einfach mit seinem Auto ganz entspannt gefahren – dahingeglitten, könnte man sagen. Aber gecruist? Wenn schon, dann bitte wie mit Cakes und Keks: ich kruse, du krust, er, sie es krust…

So wird ständig neuer Unsinn generiert – pardon: produziert, hervorgebracht, in die Welt gesetzt. Einer plappert’s dem anderen nach, und so sind schließlich alle auf das Wörtchen generieren fokussiert.

Aber den totalen Sieg über „konzentrieren“ hat „fokussieren“ noch nicht errungen. Noch habe ich nicht gehört oder gelesen: „Ich kann mich nicht fokussieren.“ (Wäre eigentlich der zeitgemäße Ersatz für „Ich kann mich nicht konzentrieren“.

Noch etwas, was das Nachplappern angeht: „Sich neu erfinden.“ Alle Welt erfindet sich heute neu, oder soll oder muss sich neu erfinden. Bei allen oft überraschenden Fähigkeiten, über die wir verfügen: Sich selbst erfunden hat noch kein Mensch, einfach, weil das menschenunmöglich ist.

Immer, wenn von sich selbst neu erfinden die Rede ist, meint man sich neu orientieren, neue Wege gehen, neue Möglichkeiten suchen, einen neuen Anfang machen.

Aber Fastfood-Deutsch – und dazu gehört „sich selbst neu erfinden“ – macht das Schreiben so leicht. Man muss nicht nach den passenden Wörtern suchen; der
Sprachdoppelwopper bringts. So wird jedem das Maul gestopft.


26. 12. 2009

Zu nah dran

Wenn du zu nah an einer Sache dran bist, kannst du dir kein richtiges Bild mehr machen. Für die richtige Sicht brauchst du Abstand. Ich habe es erlebt.

1962. Die Sturmflut. Ich war ganz nah dran. Nicht in Wilhelmsburg. Ich hatte einen Gesprächstermin am Ballindamm. Das Gespräch verlief ruhig. Keiner hatte eine Ahnung, was draußen passiert war. Als ich nach Hause fuhr, habe ich gesehen, dass das Wasser über den Rathausmarkt plätscherte. Ich habe mir nichts Besonderes dabei gedacht. Zu Hause: kein Strom, kein Licht, kein Telefon, nur Sturm, Sturm, Sturm. Die Wände des kleinen Holzhauses, in dem ich wohnte, wackelten. Ich habe trotzdem gut geschlafen. Ich war völlig ahnungslos, weil ich zu nah dran war. 50, 100 Kilometer von mir entfernt wusste man alles über die Katastrophe.

Das alles fiel mir ein, als ich ein Hamburger Abendblatt Gespräch mit Herrn Schächter las, dem Intendanten des ZDF (19/20. Dezember 2009). Da sagt Herr Schächter: „In ganz Europa verlieren Sender, die wie wir hauptsächlich Informations-sendungen im Programm haben, jüngere Zuschauer.“

„Hauptsächlich Informationssendungen“? Herr Schächter scheint das ZDF Programm nicht zu kennen. Welches Wunder. Er ist zu nach dran, wie ich damals bei der Hamburger Sturmflutkatastrophe 1962.

Ich wollte mir das Leben nicht zu leicht machen und habe mal nachgesehen, welchen Anteil die Informationen im ZDF Programm haben. So leicht, wie ich mir das vorgestellt hatte, ist das gar nicht. Gehören Sportsendungen zur Information oder zur Unterhaltung? Auch für andere Sendungen gilt diese Frage.

Wenn Sportsendungen der Information zugerechnet werden, kommt das ZDF am Samstag/Sonntag 2./3. Januar 2010 so ungefähr auf Halbe/Halbe. Am Dienstag, 04. 01. 2010 sieht das schon ganz anders aus. Das stehen mehr als 8 Stunden Unterhaltung nur drei Stunden Information gegenüber – über den Daumen gepeilt und laienhafter gemacht als es ein Intendant tun würde. Zählt Herr Schächter Politik-Talkshows zur Information oder zur Unterhaltung. In der Sache informativ sind diese Shows nicht.
Aufschlussreich sind sie höchstens, was die Politikerrituale angeht und die Eitelkeit der Talker. Das Fatale an den Politik-Talkshows: Sie sind so gut wie nie informativ und nur selten unterhaltsam. Das macht es so schwierig, diese Sendungen der einen oder anderen Kategorie zuzuordnen.

Aber laienhaft hin und her: Das ZDF als Informationssender zu bezeichnen ist mehr als kühn. Im Vergleich zu manchem Privatsender mag das noch einigermaßen zutreffen. Nur: Wenn andere schlechter sind als ich, macht das meine schlechten Leistungen nicht besser.

Zurück zur Äußerung von Herrn Schächter: Vielleicht verliert das ZDF die jungen Zuschauer, weil die mit den sogenannten Volksmusiksendungen nichts anfangen können.



28. 12. 2009

Von der Unmöglichkeit, mit dem Zufall fertig zu werden

Der Zufall ist eines der größten und bisher nicht enträtselten Geheimnisse. Vielleicht ist der Zufall das absolute Geheimnis, das Geheimnis an sich. Und so ist es nicht unwahrscheinlich, dass wir diesem Geheimnis nielmals auf die Spur kommen. Eines aber ist gewiss: Jeder Mensch ist dem Zufall ausgeliefert. Wie er damit fertig wird, ist seine Sache.

Was so dramatisch klingt, begegnet uns im Alltag locker und leichtfüßig. Wiir treffen urplötzlich einen Freund, den wir Jahre nicht gesehen haben, vor unserer Haustür. Völlig unerwartet. Welch ein Zufall! Eine junge Frau findet ihre große Liebe auf einer Party, zu der sie gar nicht gehen wollte. Zufall?

So ließe sich der Zufall noch leicht lange hin und her drehen. Viele Beispiele würde es geben, wie man doch noch dies oder jenes erreicht hat, wie plötzlich ein rettender „Engel“ auftrat usw. usw. Alles Zufall, alles Schicksal.

Eins ist sicher: Das Unerwartete, das nicht Vorhergesehene, nicht Vorherzusehende, das ist der Zufall. Und der beschränkt sich nicht auf Kleinigkeiten.

Ob wir arme oder reiche Eltern haben, ist Zufall. Ob wir in einem armen oder reichen Land zur Welt kommen, ist Zufall. Auf welchem Kontinent wir geboren werden, ist Zufall.

Arm oder reich, schwarz oder weiß oder gelb oder rot – alles ist Zufall. Wir haben uns unser Leben icht ausgesucht. Wir wurden nicht gefragt. Und trotzdem müssen wir eine Antwort geben. Genau das ist das Problem.

Weiter schreiben!

06. 01. 2010

Horizontales

Der Horizont trennt Himmel und Erde. So sehen es unsere Augen. Das ist wissenschaftlich nicht korrekt, aber wir sehen das so. Damit müssen wir uns abfinden.

Das bedeutet aber nicht, dass wir uns mit jedem Horizont abfinden müssen und schon gar nicht mit einem Erwartungshorizont.

Genau von dem sprach der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer heute, am 6. Januar 2010 in Wildbad Kreuth. Er sagte: „Mein Erwartungshorizont ist nicht übertrieben.“ Was kann er damit gemeint haben?

Wahrscheinlich hat er sagen wollen, dass sich seine Erwartungen in Grenzen halten, dass er nicht zu allzu viel erwartet.

Zugegeben: Das klingt natürlich ziemlich poplig. Deshalb also der Erwartungshori-zont. Es geht also wieder einmal um das Technologiedeutsch, in dem Technik zu Technologie hochstilisiert wird.

08. 01. 2010

Es tut mir leid

Wir hatten da neulich eine Klimakonferenz. Die fand in Kopenhagen statt, und tausende von „Experten“ aus zig Ländern waren versammelt, um sich zu streiten. Und weil sie sich so gestritten haben – die Bösewichte gegen die Noch-Nicht-Bösewichte (die Industrieländer gegen die „Schwellenländer“ und gegen die Entwicklungsländer) – deshalb kam nichts Vernünftiges bei dieser Konferenz heraus.

Alles das erinnert an Kindergartenstreit: Meine Puppe, deine Puppe, mein Bauklötzchen, den Bauklötzchen, er hat angefangen, nein sie hat angefangen, usw. Das alles lässt sich im Kindergarten mit einem liebevollen Donnerwetter auf die Reihe bringen. Aber wenn es um mehr geht?

Kluge und zugleich verzweifelte Köpfe haben in Kopenhagen ein paar Plakate an die Wände geheftet. Diese Plakate sollten wir uns merken.


Vielleicht lösen wir das Problem ohne die Politik, ohne die Politiker. Da ist auf einmal – heute in den Gazetten – von Windkraftwerken ohne Beispiel in der Nordsee die Rede. Strom, Energie ohne Ende. Die Engländer haben den ersten Schritt getan, andere machen mit, und auf einmal entdecken die Energiekonzerne, dass sich hier das Geschäft des Jahrtausends bietet. (So schnell kann man sich von


Zusammengefasst: Geld regiert die Welt.

Wenn das so ist, und es sieht so aus, dann sollten sich die Politiker darauf einrichten. Sie sind ja auch sonst nicht zimperlich. Sie sollten der eseligen Wirtschaft die Mohrrübe vor die Nase halten, damit sie den notwendigen Weg geht. Anders gesagt:
Mach der Wirtschaft Appetit auf Gewinn, damit wir alle gewinnen. Machbar ist das.


16. 01. 2010

Von zweierlei Maß und unterschiedlichen Standpunkten

Damit es nicht von vornherein zu Missverständnissen kommt: Ich bin nicht damit einverstanden, wie China mit sich selbst umgeht. Sicherlich muss nicht alles nach der oft überheblichen europäischen Menschenrechtspfeife tanzen. Aber die Menschen-verachtung der Regierenden in China dürfte nicht in Ordnung sein.

In Kohlebergwerken schuften Kumpel ohne jede Sicherheit und kommen zu hunderten, wenn nicht zu tausenden, um. Staudämme werden gebaut, die alles bisherige in den Schatten stellen. Millionen Menschen werden umgesiedelt, verlieren ihre Heimat. Und welche Veränderungen diese Staudämme mit sich bringen, weiß kein Mensch. Der Assuandamm in Agypten mutet dagegen wie ein Kinderspiel an und ist doch eine einzige Katastrophe.

Noch einmal: Ich bin nicht einverstanden mit der Art und Weise wie China mit sich selbst umgeht und damit auch mit uns allen weltweit.

Ich bin aber auch nicht einverstanden mit der Überheblichkeit, die wir uns gegenüber China herausnehmen. Beispiel (SPIEGEL ONLINE: „China fordert mit Raketenabwehr die Welt heraus“.

Wie ist es denn mit den USA? Die haben doch ein Raketenabwehrsystem. Die Russen haben es auch. Die USA wollten es auch in Europa, wogegen Russland protestierte. Israel hat eins und wer weiß welche Länder noch. Alles das keine Herausforderungen? Wo ist die Messlatte für alle?

Einmal abgesehen von diesen Ungereimtheiten: Wofür braucht China ein Raketen-abwehrsystem? Wer bedroht China? Die USA? Indien vielleicht? Süd- oder gar
Nordkorea? Russland oder möglicherweise auch Tibet?

Fühlen sich alle von allen bedroht, ist jeder für jeden eine Bedrohung? Ist die Welt endgültig hysterisch geworden?

Lasst uns doch endlich mal mit dem staatsmännischen Wahnsinn in Ruhe. Lasst uns doch mal eínfach Mensch sein.

Nirgenwo auf der Welt wollen wir kleinen Leute gegen andere kleine Leute in den Krieg ziehen. Wir wollen auch keine Raketenabwehrsysteme haben. Wir sind ja nicht bedroht. Das wollen uns einige Leute nur einreden.

Benehmt euch endlich mal wie normale Menschen!

Aber das tun wir doch, werden jetzt die Politiker in aller Welt sagen, und sie haben recht. Neulich hat jemand seinen Nachbarn erschossen, weil der seiner Katze versehentlich auf den Schwanz getreten ist.


23. 01. 2010

Bittgespräch eines Protestanten

Verehrter Dr. Martin Luther,
der du bist im Himmel, und
Meister des einfachen Wortes,
erbarme dich unser!

Fahre wie ein Blitz aus dem
Reich des verständlichen Wortes
und tilge die Übel, die überhand
nehmen.

Stopfe den Möchtegernen gründlich
das Maul: Denjenigen, die aus der
einfachsten Technik eine Technologie
machen. Denen, die keinen Anstand
verlangen, sondern eine Anstands-
kultur und alle möglichen Kulturen
darüber hinaus.

Treibe ihnen die Vergötterung des
Englischen aus; denn es schreit wirklich
zum Himmel.

Mit Public Viewing – der öffentlichen
Aufbahrung eines Toten, so weit das
Englische – bezeichnen sie hier eine
Fernsehübertragung auf Riesenbild-
schirmen im Freien. (Ich weiß, das
gab es damals auf der Wartburg und
in Worms noch nicht.)

Ob du es auch fertigbringst, den Wort-
verdrehern, den kleinen und großen
Schwindlern, das Mundwerk zu verbieten?
Sie machen aus der Rüstungsindustrie eine
Verteidigungsindustrie, sie sprechen von
vorläufiger Endlagerung, und sagen nicht,
was sie meinen: die endliche Vorläufigkeit
oder die vorläufige Endlichkeit?

Bitte verbinde denen die Augen, die in
Bildern sprechen möchten und es nicht
können. So ersparst du uns, dass „Droh-
kulissen erhöht“ werden, niemand mehr
„die Summen nach oben deckelt“ (wie
deckelt man sie nach unten?), und dann
müssten wir auch nicht mehr lesen, dass
„Der Schutzschirm bei weitem noch nicht
ausgeschöpft ist“.

Und schließlich: Rufe die zur Ordnung, die
jeder Mode hinterher rennen. Bis vor drei
Jahren konzentrierte man sich auf irgendetwas,
heute fokussiert man sich. Überhaupt wird
alles und jedes in den Focus gestellt.

Wenn du ein Zauberer wärst, würde ich dich
bitten, das Wort Focus jedes Mal in Lokus zu
verwandeln. Das würde helfen.

Aber du bist Dr. Martin Luther, und du bist
weit weg. Trotzdem bitte ich dich um Hilfe.
Vielleicht nützt es.




06. 02. 2010

Von Über- und Untertreibungen

In einer 3SAT-Sendung gestern Abend war unter anderem vom Olympischen Dorf in Vancouver die Rede. Klar, da wurden auch Bilder gezeigt, Bilder, die eher auf New York mit seinen Wolkenkratzen als auf ein Dorf schließen ließen.

Seit vielen Jahren sind die Olympischen Dörfer Städte. Das hat auch seinen Grund. Kein Dorf der Welt kann so viele Menschen aufnehmen wie zu einer Olympiade anreisen. Das ließe sich noch hinnehmen.

Aber: Hier versammeln sich nicht etwa die Sportler, die mit- und gegeneinadner wetteifern, sondern vor allen Dingen die Funktionäre. Sie, die Funktionäre, sind in der Überzahl. Klar, dass da ein Dorf nicht ausreicht. Ein bisschen verlogen ist das Wörtchen Dorf anstelle von Stadt schon – oder?

Und dann, wenn wir schon bei den „kleinen“ Unwahrheiten gelandet sind: Da ist immer von der Jugend der Welt die Rede. Jugend? Wann hört die eigentlich auf? In Deutschland spätestens mit 18 Jahren. Dann ist man nämlich erwachsen und nicht mehr so richtig jugendlich.

Weiter im Thema? Ach lieber nicht, es wäre unerfreulich. Dann müsste darüber gesprochen werden, dass die Olympiaden inzwischen nichts anderes sind als eine große Geldmaschine – für die Funktionäre sowieso, für die Goldmedaillengewinner auch. Und aus Silber und Bronze lässt sich auch noch Kapital schlagen.

Das sei allen gegönnt. Nur die Verlogenheit, die stört.

So viel zur ersten Übertreibung. Nun zur zweiten:

Hier geht es um „Herrchen“ und „Frauchen“ Das Thema scheint tierisch zu sein, und so ist es auch.

An die Partnersuche im internet haben wir uns ja schon gewöhnt, so sehr, dass es uns mehr oder weniger langweilt. Im Übrigen ist der Versuch, sich einen Partner zu angeln, ganz in Ordnung. Das war schon immer so und gilt auch im internet. Das also nicht das Problem.

Jetzt gibt es aber eine neue Variante, und die geht so:

„Herrchen“ versteckt sich hinter seinem Wauwau oder seiner Mietzekatze (da allerdings ist die Bezeichnung „Herrchen“ recht fragwürdig; denn die Katze beherrscht den Menschen und nicht umgekehrt), also der Mensch versteckt sich hinter seinem geliebten Vieh und hält so Ausschau – ja, wonach denn? Nach dem Katzer für seine Katze? Nach dem Hund für seine Hündin? Quatsch. Er sucht, wonach er sich so sehr sehnt: seine „Katze“. Gilt natürlich auch anders rum: Sie sucht ihren „Kater“. Wie schön, dass es Haustiere gibt.

Jetzt zum dritten Teil. Hier geht es um Untertreibung:

Die 3SAT Sendung berichtet unter der Überschrift „Heil Hitler und Alaaf“ von den Kölner Jecken und wie sie mit dem Nationalsozialismus umgegangen sind: Sie hatten nichts mit den Nazis zu tun. Wirklich nicht? Erst jetzt dämmert es. Erst jetzt wagen es die Jecken, ein wenig mit der Wahrheit herauszu-rücken. Klingt mutig, ist es aber nicht. Wenn man nach über 60 Jahren einen Teil der Wahrheit preis gibt, hat das mit Mut nichts zu tun. Untertreiben wir ruhig weiter: So schlimm war es unter den Nazis eigentlich auch nicht. Oder?


06. 02. 2010

FDP – Frech, Dumm, Pomadig

Über die Freien Demokraten wird seit einiger Zeit so richtig hergezogen. Da kommen einem, ob man will oder nicht, die Tränen. Den einen vor Wut und Verzweiflung, den anderen vor Lachen.

In hundert Tagen hat die FDP es fertig gebracht, sich – was die Zustimmung angeht – zu halbieren. Wer das geschafft hat? Die FDP selbst. Man will das kaum glauben, aber hier sind die Beweise:

Vor der Bundestagswahl am 27. September 2009 hat der damalige FDP General-sekretär Dirk Niebel das Entwicklungshilfeministerium für überflüssig erklärt; es gehörte abgeschafft. Jetzt ist er Entwicklungshilfeminister und baut sein Ministerium kräftig aus.

Vor der Bundestagswahl am 27. September 2009 forderte die FDP einen rigorosen Abbau der Bürokratie. Jetzt werden 1.000 neue Leute eingestellt.

Vor der Bundestagswahl am 27. September 2009 forderte die FDP eine ein-fachere Steuergesetzgebung. Jetzt rätseln alle, wie man Übernachtungskosten (7% MwSt.) von Frühstückskosten (19% MwSt.) trennen soll. Deutschland ist in Europa das Urlaubsland Nr. 1, der Tourismus boomt, wie es so schön heißt. Wo also war und ist der Wettbewerbsnachteil? (OK: Die FDP hat hier mit der CSU gemeinsame Sache gemacht. Aber dadurch wird die Sache nicht besser.)

Vor der Bundestagswahl am 27. September 2009 hat die FDP die Rolle der einzig wahren Wirtschaftspartei gegeben: der Markt wird es richten. Jetzt besteht sie darauf, Geld auszugeben, dass nicht vorhanden ist.

Vor der Bundestagswahl am 27. September 2009 war die „Gesundheitsreform“ kein Thema für die FDP. Jetzt will sie die so genannte Kopfpauschale. Der Einkommensmillionär zahlt genau so viel wie der arme Schlucker. Der arme Schlucker kann sich das nicht leisten. Aber gerecht? Gerecht ist das nach Ansicht der FDP schon: Vor der FDP sind alle gleich.

Und jetzt das Infame, das wirklich Gemeine: Es gibt tatsächlich Leute, die die FDP als Klientelpartei denunzieren, die sogar behaupten, die FDP ließe sich schmieren. Pfui! Aber pfui über wen? Geschmiert oder nicht geschmiert. Das ist hier die Frage. Ein Klassiker, den die FDP so wenig los werden wird wie Shakespears Hamleit seine Frage.

Ach ja, da wäre noch das P, das Pomadige. Bisher hat Herr Westerwelle alle „Gemeinheiten“ an sich abtropfen lassen, so heißt es, hat sich so pomadig aufgeführt, als ginge ihn das alles nichts an. Diese Hochnäsigkeit, das ist mit pomadig gemeint, diese Hochnäsigkeit ist verloren gegangen. Jetzt wütet Herr FDP, Herr Westerwelle, auf seinem Niveau. Das heißt: unter Niveau.


07. 02. 2010

FDP tritt ab sofort unter neuem Namen auf

Die Tagung des Parteivorstands in diesen Tagen war offenbar keine Krisensitzung, wie verschiedene Medien berichteten, sondern tatsächlich von langer Hand vorbereitet.

Der Vorstand hat einstimmig beschlossen, den Parteinamen dem Parteiprogramm anzupassen. Inhalt und Name sollten deckungsgleich sein. Das gebiete die Ehrlichkeit gegenüber dem Wähler. Ab sofort firmieren die Freien Demokraten unter KP. KP. Kurz und bündig und direkt: KlientelPartei.

Bedenken, die Partei könnte mit der seinerzeit unter Adenauer verbotenen KP verwechselt werden, wischte Guido Westerwelle beiseite. Und dass die neue KP verboten werden könne, wie damals die alte, hält er für abwegig. Da sei die Klientel davor!




Kontext: der ein Wort oder eine Redewendung umgebende Text,
durch den die Bedeutung erst klar wird, Zusammenhang, Zusammensetzung, Verknüpfung, Verbindung (texere – weben)

Rabulistik: Rechtsverdrehung, Haarspalterei

Konvergenz = aufeinander zugehen, zubewegen, Annäherung
Divergenz = voneinander entfernen

Sakrileg = Frevel, Gotteslästerung

Hybris = Überheblichkeit

Skandal = Ärgernis, unerhörtes Ereignis, empörendes Ereignis

Exzess = Auschweifung, Ausschreitung, Überschreiten von Grenzen

Exzessiv = ausschweifend

Ironisch = spöttisch

Sarkastisch = verhöhnend

Aporie = Ausweglosigkeit

Libido = Begierde, Trieb

Libidinös = triebhaft

Ambivalent = doppelwertig

Apotheose = Verherrlichung

Hype = Sensation, Riesennachricht, Rummel, Tam-Tam (Hyperbel = Übertreibung)

Disclaimer = Haftungsausschluss