„Mindestens eine der beiden Vorsitzenden muss weiblich
sein“. So stand es neulich in einer Zeitung. Da offenbar – wenn wir dem Text
folgen – beide Vorsitzende weiblich waren, fragt es sich, weshalb nur eine von
ihnen weiblich sein muss. Vielleicht haben wir es hier mit einem Schreibfehler
zu tun. Vielleicht hat nur der
Buchstabe r gefehlt. Das kann vorkommen, aber komisch ist es
schon.
Ein bisschen spannender wird es mit dem folgenden Beispiel
(Zitat aus dem Hamburger Abendblatt vom 6. Juni). Danach ist Catherine, die
Frau von William – es geht um die Familie der Windsors beim
60-Jahr-Regierungsjubiläuum von Elizabeth – in einem nudefarbenen, eng anliegenden Spitzenkleid von Alexander McQueen
erschienen. Nudefarben, wie lächerlich! Nackt? Nein, nackt nicht, obgleich nude
im Deutschen nun wirklich nackt heißt. Gemeint ist hautfarben. Aber das klingt
wirklich ziemlich plebsig. Seit jeher sagt die Mode ja auch nicht
eierschalenfarbig, sondern
ecru. Gut, ich gebe zu, dass sich unter ecru auch noch
andere Schattierungen versammeln. Aber immerhin: Nudefarben?
Erinnert das nicht sehr an isabellenfarben, einen Farbton,
dessen Ursprung zumindest in gewisser Bedeutung anrüchig war? Drei Jahre, drei
Monate und drei Tage hatte Isabella Clara Eugenia ihr Hemd getragen, ohne es zu
waschen. Dann hatte ihr Mann endlich Ostende erobert. Eine anrüchige
Geschichte, zumal von einem neuen Hemd niemals die Rede war – nach der
Eroberung von Ostende.
Bis hierher lesen sich die Notizen harmlos. Sie sind es
auch. Ärgerlich sind sie trotzdem – „sprachlich“ gesehen.
Schlimm wird es, wenn Beamte aus dem deutschen
Wirtschaftsministerium eine „beschäftigungsfreundliche Lohnfindung“ zur Sprache
bringen. Gemeint ist mit der „beschäftigungsfreundlichen Lohnfindung“
Lohnzurückhaltung. So verschleiert Sprache, was wirklich gemeint ist. Die von ihrer Arbeit Abhängigen sollen bescheiden
bleiben, sollen zumindest auf einen Teil ihrer Entlohnung verzichten.
Die Argumentation
ist einleuchtend und einschüchtern zugleich:
Wenn ihr zuviel verlangt, müssen wir ins Ausland gehen und davon hat
doch niemand was, oder?
Na ja, für die, die so drohen, bleibt immer noch was, meist
sind es Millionen.
Und was kommt zum Schluss heraus? „Beschäftigungsfreundliche Lohnfindung“ ist
das betrügerische Schleierwort für „Unternehmerfreundliche
Lohnfindung“.
Damit ich nicht missverstanden werde: Ein Unternehmer, ein
Unternehmen muss Gewinn machen: Gewinn für den Unternehmer, für die
Mitarbeiter, für die Zukunft – die des Unternehmens und die aller Einelnen, der
Unternehmer gehört dazu.
(Hamburger Abendblatt, 06. 06. 2012, Seite 4.)
Weiter im Text zu einem anderen Thema:
Da teilt Spiegel Online in diesen Tagen (2. Juni 2012) mit,
dass die Kritik an
der Bundeskanzlerin bei einer CDU-internen
Veranstaltung recht zurückhaltend
gewesen sei: „Die Kritik am Kurs
bleibt moderat, auch weil die Parteichefin Anflüge von Frust gelassen
abmoderiert.
Abmoderiert?
Anmoderiert? Was ist gemeint? Ich kann es nur erraten.
Moderieren heißt nach meinem Verständnis: Ein Thema zur
Sprache stellen, durch die oft widersprüchlichen Ansichten führen und – vor
allem – ausgleichen.
So viel zum Moderieren. Zum Abmoderieren bleibt nur eins zu
sagen: Unter Abmoderieren à la Merkel ist nur Abschmettern zu verstehen. Und
anmoderieren?
An und ab – von allem ein bisschen und nichts richtig.
Weiter zu einer sprachlichen Dauersünde: nachhaltig. „Das
Angebot in den Bio-Supermärkten hält Kathrin Hartmann für wenig nachhaltig.“ –
so Deutschlandradio Kultur am 1. Juni. Was die Kathrin damit meint, bleibt
unklar. Hält sie es für unwichtig? Glaubt sie, dass es nur kurze Zeit Bedeutung
hat? Keiner weiß es, denn nachhaltig ist ein Begriff, mit dem Schindluder
getrieben wurde, und niemand weiß heute, was damit wirklich gemeint ist.
Das Dumme ist nur, dass nachhaltig, weil es so positiv
klingt, bei allen möglichen, vor allem aber bei allen unmöglichen
Gelegenheiten, herangezogen wird. Eins von unzähligen Beispielen (DIE ZEIT, 10.
Mai 2012):
„3500 Betriebe in Nordrhein-Westfalen zählen zur ‚grünen’
Industrie. Mehr als
26 000 Menschen arbeiten im nachhaltigen Anlagenbau.“ Aber
was ist ein nachhalti-er Anlagenbau? Der Bau von Anlagen, die Jahrzehnte,
vielleicht sogar über hundert Jahre lang, funktionieren, also dauerhaft? Oder
ist damit gemeint, dass die 26 000 Menschen besonders rücksichtsvoll und
sparsam mit den Mittteln umgehen, die ihnen zur Verfügung stehen? Das weiß eben
niemand.
Deshalb: Bei jedem „nachhaltig“ nachdenken und nachfragen,
was wirklich damit gemeint ist.
Noch eine Kleinigkeit, wird heute oft petitesse genannt (ach
ja, unsere Journalisten und Redakteure, denen es oft genug nicht fein genug
zugehen kann!): Fundraiser. Nach DIE
ZEIT vom 10. Mai kämpfen sie mit Psychologie und Charme um Fundraiser. Sind da
vielleicht Spendensammler gemeint? Würde natürlich nicht halb so gut klingen,
käme aber auf dasselbe hinaus. Womit ich wieder bei der Technik wäre, die heute
fast ausnahmslos zur Technologie hochgebetet wird. Aber warum
soll sich die Inflation nur auf unser Geld beziehen. Es
sieht so aus, als schreite die
Armut überall voran, die geistige vor allem.
Noch ein Themenwechsel zum Schluss für heute:
Wie sprechen die im Werbefernsehen eigentlich mit mir?!
Wie kommen sie dazu, mich so anzubrüllen, so agressiv wie
es nicht mal die Türsteher auf der Reeperbahn machen. Da
werde ich herumkommandiert, soll dies und jenes glauben
und tun als wären wir auf dem Kasernenhof.
Ja, ja, ich weiß: In 10, 20, 30 Sekunden kannst du nicht in
Ruhe
sagen, wofür du eine ganze Minute brauchst – mindestens.
Also machst du Tempo, drücktst auf die Tube und bist – ohne
dass du es willst – agressiv.
Nun wissen wir, wie einfach es ist, Werbung in Antiwerbung
umzudrehen. Und hier und da ja wird jemandem aufgehen, wie
teuer dieser Unfug ist.
Das wird allerdings nichts nützen. Gerade von diesem teuren
Unsinn lebt doch die sogenannte Kommunikationswelt. Sie
begreift nicht, dass Werbung Verführung ist und nicht Verge-
waltigung.