Dienstag, Dezember 27, 2011

Was ist so schlimm an der Affäre Wulff?

Das Gute an dieser Affäre scheint mir zu sein, dass sie den den erbärmlichen Zustand unserer Republik, vor allem aber ihrer politischen Elite, ans Tageslicht bringt. Und dieser Zustand ist das wirklich Schlimme. Nein, noch schlimmer ist, dass unsere Politiker das nicht erkannt haben – oder wollen sie es nicht wahrhaben?

So oder so: Herr Gabriel – unfreiwillig stellvertretend für andere Parteien – lässt die berühmte Katze aus dem Sack. Er macht das Amt des Bundespräsidenten zum Spielball der Parteien. Pardon, er macht das nicht, er sagt nur, dass es so ist.

Verheerend, nahe einer echten Staatskrise wäre es, wenn innerhalb von zwei Jahren zum zweiten Mal ein Bundespräsident zurückträte. Staatskrise? Der eine fühlte sich verkannt, eigentlich misshandelt, der andere entpuppt sich als ein schwacher Charakter, der seiner Aufgabe nicht gewachsen ist. Was wäre am Rücktritt des Herrn Wulff verheerend?

In seinem Gespräch mit der WELT baut Herr Gabriel für alle zukünftigen „Fehltritte“ aller Politiker vor: Rückhaltlose Aufklärung solle nicht zum Rücktritt, sondern zu einer Rückkehr in eine angemessene und glaubwürdige Amtsführung führen. Träger öffentlicher Ämter dürften Fehler machen, sie müssten aber „besonders klar, eindeutig und glaubwürdig“ damit umgehen. Na so was!

Was versteht Herr Gabriel unter rückhaltloser Aufklärung? Doch wohl nur dies:
Erst, wenn man ertappt ist, soll man alle Karten auf den Tisch legen und Reue zeigen. Und selbst dann, auch wenn man immer nur das zugibt, was nicht mehr zu bestreiten ist, auch dann rechnet das Herr Gabriel in die Kategorie „rückhaltlose
Aufklärung“? Anders ist er nicht zu verstehen.

Herr Gabriel sollte uns nichts vormachen. Unsere Bundespräsidenten werden zwar von der Bundesversammlung gewählt, aber diese Bundesversammlung ist parteien-durchseucht, na, ich will mal sagen: parteiengesteuert.

Und da kommt die Katze wieder aus dem Sack. Herr Gabriel macht Parteienpolitik.

Zum Schluss fällt mir nur ein, was Martin Luther zum Revolutionär, zum Reformator gemacht hat, was eigentlich gar nicht seine Absicht war: „Wenn die Münze im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt.“ Für diesen Ablasshandel ist offenbar nicht nur Herr Gabriel. Aber er hat es wenigstens gesagt.

Arme Republik!

Sonntag, Dezember 25, 2011

Aktuelle Quizfrage. Aktuelle Quizfrage:Wer beschädigt das Amt des Bundespräsidenten?

Der Bundespräsident unserer Republik ist die politische No. 1. Außer seiner Rechtschaffenheit, seiner Ehrlichkeit, seiner Fürsorge für alle Bürger der Republik steht ihm kaum etwas zur Verfügung, um etwas zum Wohle der Republik zu bewirken. Mit seinem Verhalten, mit seinen Reden kann er „die Politik“ in ihre Schranken verweisen. Er kann es jedenfalls versuchen. Das sollte ihm leicht fallen, denn er steht über den Parteien.

Nun ist die Wahl des Bundespräsidenten von Anfang an mit einem Schönheitsfehler behaftet. Parteiinteressen haben sich von Anfang an in den Vordergrund geschoben. Die „freien“ Wahlmänner und Frauen hatten und haben da anscheinend immer schlechte Karten. So wurden wohl alle Bundespräsidenten „parteiisch“ gewählt, und ihre erste und wichtigste Aufgabe war und ist es, sich davon zu trennen. Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, ist das bisher allen recht gut gelungen. Das will ich auch für den jetzigen Bundespräsidenten Christian Wulff gelten lassen.

Dieser Bundespräsident wird seit Kurzem von vielen Seiten infrage gestellt. Die Vorwürfe leuchten ein. Er hat sich als Ministerpräsident des Bundeslandes Nieder-sachsen Vorteile verschafft, die auf der Kippe stehen. Fragen, die ihm dazu gestellt wurden, hat er, spitzfindig-juristisch gesehen, korrekt beantwortet. Eine ehrliche Antwort gab er nicht. Und weil das nicht alles war, kam ein Vorwurf nach dem anderen zur Sprache.

Dann immer wieder dasselbe: Wenn etwas nicht mehr zu bestreiten war, gab es der Herr Bundespräsident zu, sozusagen nach dem Guttenberg-Prinzip. Dem vorerst endgültig gescheiterten Bundesminister hatte das nicht genützt. Ob diese Strategie hier funktioniert? Ganz ehrlich: Ich hoffe, nicht!

Ich weiß, ich weiß, Leser, die sich bis hierhin durchgelesen haben, werden spätestens jetzt ungeduldig. Sie wollen endlich wissen, wer denn nun das Amt des Bundespräsi-denten beschädigt. Das ist ja die Frage.

Auf den ersten Blick kommen da viele infrage – prominente Politiker genauso wie einfache Bürger, die sich in Leserbriefen ihrer Zeitungen äußern. Es geht da Hieb auf Stich. Pardon wir selten gegeben. Außer Für und Wider ist da kein Platz, keine Zwischentöne. Ja, man muss sich entscheiden.

Dann machen wir das mal, entscheiden wir uns!

Hat die Seite recht, die behauptet, die Diskussion um Christian Wulff würde das Amt des Bundespräsidenten beschädigen, oder die andere Seite, die meint, der Bundespräsident habe das Amt beschädigt?

Auch wenn es schwer fällt, auch wenn es weh tut: Nicht die Diskussion beschädigt das Amt des Bundespräsidenten, sondern das, was der Bundespräsident als Ministerpräsident der Bundeslandes Niedersachsen zu seinem persönlichen Vorteil – wahrscheinlich legal, vermutlich nicht legitim – getan hat und – vor allem – wie es damit umgeht. Sieht so ein Vorbild aus?

Natürlich sind auch Bundespräsidenten nur Menschen wie du und ich, und wir sollten sie deshalb mit den Maßstäben messen, die für uns selbst angelegt werden. Ich denke, das ist wie in einer Klassenarbeit. Machst du keinen Fehler, bekommst du eine Eins. Bis Zwei Minus könnte die Sache noch durchgehen. Aber dann sollte Schluss sein.

Wer sich dem Anspruch ausliefert, für eine ganze Nation, Vorbild und Gewissen zu sein, der sollte dreimal mehr über diese Verpflichtung nachdenken, bevor er sich auf diese Aufgabe – nicht Job! – einlässt.

Langer Rede kurzer Sinn: Nicht die Diskussion beschädigt das Amt des Bundes-präsidenten, sondern der Bundespräsident. Er ist nicht ehrlich mit uns Bürgern umgegangen.

Montag, Dezember 19, 2011

Voll, voller, am vollsten

Ein Glas, eine Tasse, eine Kanne, jedes Gefäß kann beliebig voll sein, zu einem Viertel, zur Hälfte, nur voller kann es nicht sein und am vollsten schon gar nicht.
Frau Merkel schenkt Herrn Wulff ihr vollstes Vertrauen – und wir dürfen davon ausgehen, dass er das auch annimmt.

Warum wird der Mund so voll genommen? Es geht doch auch einfach. Ich vertraue jemandem. Er hat mein Vertrauen. Das genügt doch.

„Es kommt auf den ganzheitlichen Weg an“, sagte kürzlich irgendeine Politikerin in irgendeiner Debatte. Was sie sich darunter vorstellte, sagte sie nicht. Lange und kurze, steinige, gerade, auch krumme Wege, das kennen wir. Aber ganzheitliche? Vielleicht wollte die Dame nur sagen, dass an alles gedacht, dass nichts außer acht gelassen werden, das man nicht einseitig vorgehen solle. Hat sie aber nicht.

Journalisten wird zurzeit Einsicht in einige Akten der Anwälte des Bundespräsiden-ten gewährt, allerdings nur ganz kurz. Es sind wahrscheinlich nur wenige Minuten, die sie in den Akten blättern dürfen. Das liest sich dann so: „Die Journalisten bekommen nur ein kurzes Zeitfenster.“ Dazu ein paar Fragen:

Gibt es auch lange Zeitfenster? Gibt es breite, schmale, und wie steht es mit Sonderausführungen? Ich hätte gern ein Zeitfenster aus bruchfestem Isolierglas mit Wärmedämmung. Gibt es nicht? Gut, dann geben Sie mir einfach ein bisschen Zeit.

Vielleicht ist es Ihnen möglich, mir diese Zeit zeitnah zu geben. Was halten Sie davon? Tja, das wird schwierig. Im Augenblick können wir nur zeitferne Zusagen machen. Zeitfern hieß früher „am St. Nimmerleins-Tag“. Und statt zeitnah „bald, demnächst, in Kürze, so bald wie möglich“ usw.

Im Überschwang der Gefühle gehen wohl mit jedem die Pferde durch, pardon: ich meine die Sprache. Herr Mehdorn erklärte heute, am 19. Dezember, die Beteiligung einer arabischen Fluggesellschaft an der maroden Air Berlin als Leuchtturm in der Luftfahrtgeschichte. Offenbar hat Herr Mehdorn die Luftfahrt mit der Seefahrt verwechselt. Die Seefahrt war auf Leuchttürme angewiesen, in der Luftfahrt handelt es sich um Funkfeuer, die den Weg weisen.

Frage: Führt dieser willkürliche und unkontrollierte Umgang mit der Sprache zu einer Art Geistesverwirrung, oder ist ein in Unordnung geratener Geist die Ursache für sprachlichen Unsinn?

Ich fürchte, irgendetwas stimmt nicht in den Köpfen. Anders ist Frau Merkels Strategie in Sachen Bundespräsidentenaffäre kaum zu verstehen: Der Schaden fürs Amt muss in Kauf genommen werden. Der Schaden fürs Amt? Das Vertrauen in ohnehin schwächelnde Demokratie geht vor die Hunde! Merkt das niemand?

Wulff, du hast die Gans gestohlen

„Fuchs, du hast die Gans gestohlen, gib sie wieder her. Sonst wird dich der Jäger holen mit dem Schießgewehr“ so geht das Kinderlied. Noch vor wenigen Tagen hätte niemand dabei an unseren jetzigen Bundespräsidenten gedacht. Aber nun ist es passiert.

Christian Wulff hat die Gans gestohlen. Christian Wulff hat das Amt des Bundes-
präsidenten ruiniert. Christian Wulff muss die Gans, die er gestohlen hat, zurück-geben. Sonst können wir auf unsere Demokratie pfeifen.

Anscheinend fällt es schwer, das zu begreifen. Da schreibt SPIEGEL ONLINE am 19 Dezember „Fest steht: Wulffs Abgang würde nicht nur das Vertrauen in die Politik insgesamt weiter beschädigen, (sondern auch die Koalition in neue Turbulenzen stoßen)“.

Der in Klammern gesetzte Halbsatz trifft zu, aber auch nur der. Nur „der Abgang“ von Wulff, die Rückgabe der gestohlenen Gans, kann weiteren Schaden von uns abwenden.

Zur letzten Jauch-Talkshow wird gesagt: „Nicht schön, wie mit ihm und seinem Amt umgegangen wird.“ So ein Unfug! Wulff ist nicht das Amt, und das Amt ist nicht Wulff. Wer mit dem Amt des Bundespräsidenten ehrlich und sorgsam umgehen will, muss auf der Rückgabe der gestohlenen Gans bestehen

Fitch droht

SPIEGEL ONLINE notiert heute, am 16. Dezember 2011: „Rating-Agentur droht sechs Euro-Ländern mit Herabstufung“.

Jetzt reicht’s mir. Das geht mir über die Hutschnur. Ich habe die Nase voll von dem Rating-Quatsch. Die können mir mal! Wer sind die überhaupt?

Fitch, Moody’s und Standard & Poors (die letzteren übersetzt in Durchschnitt und Armseligkeit) – drei so genannte Rating-Agenturen, besser gesagt: Rate-Agenturen.

Wie war das vor ein paar Jahren? Lehman Brothers war top – so die Rate-Agentu-ren. Und dann? Von heute auf morgen pleite. Von heute auf morgen? Von einer Sekunde auf die andere!

Und dann der amerikanische Immobilienwahnsinn! Ein Haus kaufen, ohne Geld zu haben? Kein Problem. Du verdienst nichts? Kein Problem. Kauf einfach. Wir geben dir das Geld. Die drei Rate-Agenturen haben allem ihren Segen gegeben.

Vielleicht waren sie blöd, was ich nicht glaube. Sie waren geldgierig. Sie wollten die Lizenz zum Gelddrucken – weltweit. Dafür war ihnen alles recht. Und sie waren bestechlich. Für ihre Hintermänner taten und tun sie alles. Ruiniere die anderen, und dir geht es geht!

Und diese Gauner drohen? Womit denn? Sie sagen: wenn du dich nicht selbst umbringst dann bringen wir dich um. Eigentlich bist du für uns schon tot, was sie natürlich nicht sagen. Ist das nicht lächerlich?

Natürlich ist das lächerlich. Die Jungs und Mädels, die da unseren Untergang berechnen, sind nicht klüger als wir. Sie sind nur besser bezahlt.

Und nun? Was machen wir jetzt? So blöd wie die wollen wir uns nicht benehmen.
Wir werden das tun, was sie am meisten fürchten: Wir werden sie nicht zur Kenntnis nehmen. Wir werden ihnen sagen, dass sie uns den Puckel runterrutschen können. Wir werden ihnen sagen: „Lernt erst mal das Kleine Einmaleins“. Wenn ihr das könnt, kommt wieder.

Das Dumme daran ist nur, das wir selbst nicht rechnen können. Könnten wir das, würde man nicht mit dem Finger auf uns zeigen, und unsere Schulden wären nicht so hoch.

Also bringen wir unsere Sachen jetzt in Ordnung. Jetzt, und nicht morgen oder übermorgen. Dann können wir schon heute sagen: Hört auf, mit dem Finger auf uns zu zeigen. Macht Schluss mit dem Kindervers „Petze, Petze ging in’n Laden…“

Ach, Sie kennen diesen Spruch nicht? Der geht so: „Petze, Petze ging in’n Laden, wollte für’n Sechser Käse haben. Für’n Sechser Käse gibt es nicht, Petze, Petze ärgert sich.“

Im Klartext: Die Jungs und Mädels sollen erst mal ihre Sachen in Ordnung bringen, dann können wir weitersehen. Andere anschwärzen ist einfach.