Montag, März 15, 2010

Polnische Wirtschaft?

Früher sprach man von „polnischer Wirtschaft“, wenn im eigenen Haushalt mal Unordnung herrschte. Damit zeigte man weniger auf Polen, sondern mehr auf sich selbst.

Heute berichten die Zeitungen von der englischen Krankheit und meinen damit die missliche, wohl großenteils selbst verschuldete wirtschaftliche Situation Englands.
Da steht es im Augenblick wirklich nicht zum Besten. Die Schulden sind sogar noch höher als die Griechenlands.

Die industrielle Bases habe man vernachlässigt, die Unternehmen seien nicht mehr wettbewerbsfähig und auch die Infrastruktur lasse zu wünschen übrig. Das Eisenbahnnetz sei beispielsweise in einem schlechteren Zustand als in vielen Ländern. Mag sein

Aber wie sieht es bei uns in Deutschland aus, was die Bahn betrifft? Unsere Bahn verpulvert ihr Geld für sogenannte Prestigeprojekte, zum Beispiel für den neuen Stuttgarter Hauptbahnhof, für den die ganze Innenstadt untertunnelt wird. Für den Zeitgewinn von Minuten auf der Strecke Stuttgart/Ulm werden Milliarden ausgegeben. Aber es hat ja schon immer geheißen „Zeit ist Geld“.

Für Erhalt und Pflege des normalen Schienennetzes ist kaum Geld übrig, so wenig, dass auf vielen Strecken die ICEs ihre Höchstgeschwindigkeit gar nicht ausspielen können – die Geleise erlauben es nicht.

Zahlen gefällig? 2008 wurden in Deutschland für den Unterhalt des Schienennetzes pro Kilometer 47,00 € aufgewendet. Die Schweiz investierte 284,00 €, Österreich 205,00 €, selbst Italien gab mit 60,00 € pro Kilometer mehr aus als unsere Bahn.

Polnische Wirtschaft? Englische Krankheit? Wir leiden unter beidem zugleich.

"Die Nazis"

„Die Nazis“. Diese Bezeichnung wird gern als Entschuldigung benutzt, dabei geht es um eine der gemeinsten Lügen, die man sich denken kann, aber wir bemerken es nicht. Oder wollen wir es nicht bemerken?

Da heißt es „Von den Nazis verfolgt.“ „Von den Nazis getötet.“ Usw. usw. Wer waren denn die Nazis? Etwa keine Deutschen?

Nun gut, „nur“ etwa 6 Millionen deutsche Männer und Frauen waren in der NSDAP, 6 von ungefähr 80 Millionen. Die waren natürlich nicht alle Mörder, die 80 Millionen auch nicht. Mitgemacht haben viele, die Verbrechen hingenommen haben noch viel mehr. Waren das nur NSDAP-Mitglieder, oder gab es noch andere Nazis? Es muss andere gegeben haben, wie sonst hätten „die Nazis“ in so kurzer Zeit 6 Millionen Juden umbringen können – genau so viele, wie die NSDAP Mitglieder hatte.

Zusammengefasst: Mit dem Begriff „Die Nazis“ können wir die deutschen Verbrechen nicht auswischen, so oft wir es auch versuchen. Nicht nur Nazis waren

Der "Aufstocker"-Skandal

Da arbeiten Menschen – hier im reichen Deutschland wohlgemerkt – den ganzen Tag und können doch von dem Geld nicht leben, das ihnen für ihre Arbeit gezahlt wird. Um halbwegs vernünftige leben zu können, müssen sie ihr Einkommen aufstocken durch ein Zugeld, das ihnen der Staat gibt. Der Staat? Die Allgemeinheit. Der Steuerzahler, wir!

Ist das ein Skandal? Ja, das ist ein Skandal, aber ein ganz anderer, als man uns weismachen will. Das Skandalöse ist die Tatsache, dass wir mit diesem Zugeld die Unternehmen subventionieren, die Hungerlöhne zahlen. Was sie ihren Mitarbeitern vorenthalten, zahlen wir. Das ist eine der übelsten Subventionen, die man sich denken kann.

Kulturbeutel

Ich bin immer wieder verblüfft, wie viele Kulturen wir haben. Buchstäblich jeden Tag begegnet mir eine neue. Hier einige Beispiele:

Streitkultur, Dialogkultur, Betrugskultur, Kultur des Tricksens, Kultur von Stabilität, Transparenz und Stabilität. Es ginge doch auch eine Nummer kleiner, einfacher und direkter. Betrügereien und Trickserei genügen doch – meistens jedenfalls. Aber es kann halt nicht hoch hinaus gehen.

Nachtrag: Trauerkultur, Entlassungskultur (deutscher Firmen).

Auch wenn es nicht hierher gehört, zum Sprachunfug zählt es allemal: „Der Fokus der Öffentlichkeit richtet sich auf…“. – Ein Fokus kann sich nicht auf irgendetwas richten, die Aufmerksamkeit aber wohl.

Montag, März 08, 2010

Ertappt

Wir belügen uns ständig selbst. Wir belügen uns selbst, was unsere Vergangenheit im Nationalsozialismus angeht, und keiner will etwas davon wissen. Das ist mir wieder aufgefallen, als ich heute Abend im ARD-TV eine der vielen Sendungen zum „Zweiten Weltkrieg“ gesehen habe.

Da heißt es im Kommentar: „Die Nazis sahen in den Russen Untermenschen.“ Ach ja, nur die Nazis? Das waren rund 6 Millionen Parteigenossen – 6 Millionen von rund 80 Millionen Deutschen.

Nein, es können nicht die Nazis allein gewesen sein. Es müssen mehr oder weniger alle gewesem sein: die Deutschen. Jedenfalls ist die Wahrscheinlichkeit groß.

1942 gab es im Zeughaus in Berlin die Ausstellung „Das Sowjetparadies.“ Zu dieser Ausstellung hat mich einer meiner Onkel mitgenommen (ich war damals 10 Jahre alt). Was ich da gesehen habe? Die Darstellung von Menschen, die noch schlechter lebten als das Vieh, die böse waren und kein Mitleid verdienten. Untermenschen also, Bolschewiken.

Ich glaube, dass damals viele überzeugt waren, dass die Russen Untermenschen sind. Dass wir die überlegene Rasse waren, wurde uns schon in der Schule beigebracht. Die Erwachsenen brauchen diesen Unterricht anscheinend nicht.

Der Fernsehkommentar sagt aber auch: „Doch die Deutschen scheuten den Straßenkampf in Leningrad.“

Komisch. Da waren es plötzlich die Deutschen, die deutschen Soldaten, nicht die Nazis.

Ich bitte, auf den Unterschied zu achten: Nazis und Deutsche. Zwei Welten? Die Guten und die Bösen?

Warum bringen wir es auch heute noch nicht fertig zu sagen: Gewiss waren nicht alle Deutschen Nazis. Aber die meisten waren nicht dagegen. Und war das mit den Untermenschen nicht einleuchtend? Eingeübt wurde das alles schon vor 1933. Aber dann war es der Alltag.

Zusammengefasst: Wir glauben immer noch, dass die Nazis die Bösen waren und wir Deutschen die Guten. Aber wo ist der Unterschied?