Samstag, Januar 23, 2010

Bittgespräch eines Protestanten

Verehrter Dr. Martin Luther,
der du bist im Himmel, und
Meister des einfachen Wortes,
erbarme dich unser!

Fahre wie ein Blitz aus dem
Reich des verständlichen Wortes
und tilge die Übel, die überhand
nehmen.

Stopfe den Möchtegernen gründlich
das Maul: Denjenigen, die aus der
einfachsten Technik eine Technologie
machen. Denen, die keinen Anstand
verlangen, sondern eine Anstands-
kultur und alle möglichen Kulturen
darüber hinaus.

Treibe ihnen die Vergötterung des
Englischen aus; denn es schreit wirklich
zum Himmel.

Mit Public Viewing – der öffentlichen
Aufbahrung eines Toten, so weit das
Englische – bezeichnen sie hier eine
Fernsehübertragung auf Riesenbild-
schirmen im Freien. (Ich weiß, das
gab es damals auf der Wartburg und
in Worms noch nicht.)

Ob du es auch fertigbringst, den Wort-
verdrehern, den kleinen und großen
Schwindlern, das Mundwerk zu verbieten?
Sie machen aus der Rüstungsindustrie eine
Verteidigungsindustrie, sie sprechen von
vorläufiger Endlagerung, und sagen nicht,
was sie meinen: die endliche Vorläufigkeit
oder die vorläufige Endlichkeit?

Bitte verbinde denen die Augen, die in
Bildern sprechen möchten und es nicht
können. So ersparst du uns, dass „Droh-
kulissen erhöht“ werden, niemand mehr
„die Summen nach oben deckelt“ (wie
deckelt man sie nach unten?), und dann
müssten wir auch nicht mehr lesen, dass
„Der Schutzschirm bei weitem noch nicht
ausgeschöpft ist“.

Und schließlich: Rufe die zur Ordnung, die
jeder Mode hinterher rennen. Bis vor drei
Jahren konzentrierte man sich auf irgendetwas,
heute fokussiert man sich. Überhaupt wird
alles und jedes in den Focus gestellt.

Wenn du ein Zauberer wärst, würde ich dich
bitten, das Wort Focus jedes Mal in Lokus zu
verwandeln. Das würde helfen.

Aber du bist Dr. Martin Luther, und du bist
weit weg. Trotzdem bitte ich dich um Hilfe.
Vielleicht nützt es.

23. 01. 2010

Sonntag, Januar 17, 2010

Von zweierlei Maß und unterschiedlichen Standpunkten

Damit es nicht von vornherein zu Missverständnissen kommt: Ich bin nicht damit einverstanden, wie China mit sich selbst umgeht. Sicherlich muss nicht alles nach der oft überheblichen europäischen Menschenrechtspfeife tanzen. Aber die Menschen-verachtung der Regierenden in China dürfte nicht in Ordnung sein.

In Kohlebergwerken schuften Kumpel ohne jede Sicherheit und kommen zu hunderten, wenn nicht zu tausenden, um. Staudämme werden gebaut, die alles bisherige in den Schatten stellen. Millionen Menschen werden umgesiedelt, verlieren ihre Heimat. Und welche Veränderungen diese Staudämme mit sich bringen, weiß kein Mensch. Der Assuandamm in Agypten mutet dagegen wie ein Kinderspiel an und ist doch eine einzige Katastrophe.

Noch einmal: Ich bin nicht einverstanden mit der Art und Weise wie China mit sich selbst umgeht und damit auch mit uns allen weltweit.

Ich bin aber auch nicht einverstanden mit der Überheblichkeit, die wir uns gegenüber China herausnehmen. Beispiel (SPIEGEL ONLINE: „China fordert mit Raketenabwehr die Welt heraus“.

Wie ist es denn mit den USA? Die haben doch ein Raketenabwehrsystem. Die Russen haben es auch. Die USA wollten es auch in Europa, wogegen Russland protestierte. Israel hat eins und wer weiß welche Länder noch. Alles das keine Herausforderungen? Wo ist die Messlatte für alle?

Einmal abgesehen von diesen Ungereimtheiten: Wofür braucht China ein Raketen-abwehrsystem? Wer bedroht China? Die USA? Indien vielleicht? Süd- oder gar
Nordkorea? Russland oder möglicherweise auch Tibet?

Fühlen sich alle von allen bedroht, ist jeder für jeden eine Bedrohung? Ist die Welt endgültig hysterisch geworden?

Lasst uns doch endlich mal mit dem staatsmännischen Wahnsinn in Ruhe. Lasst uns doch eínfach mal Mensch sein.

Nirgenwo auf der Welt wollen wir kleinen Leute gegen andere kleine Leute in den Krieg ziehen. Wir wollen auch keine Raketenabwehrsysteme haben. Wir sind ja nicht bedroht. Das wollen uns einige Leute nur einreden.

Benehmt euch endlich mal wie normale Menschen!

Aber das tun wir doch, werden jetzt die Politiker in aller Welt sagen, und sie haben recht. Neulich hat jemand seinen Nachbarn erschossen, weil der seiner Katze versehentlich auf den Schwanz getreten ist.

Freitag, Januar 08, 2010

Es tut mir leid


Wir hatten da neulich eine Klimakonferenz. Die fand in Kopenhagen statt, und tausende von „Experten“ aus zig Ländern waren versammelt, um sich zu streiten. Und weil sie sich so gestritten haben – die Bösewichte gegen die Noch-Nicht-Bösewichte (die Industrieländer gegen die „Schwellenländer“ und gegen die Entwicklungsländer) – deshalb kam nichts Vernünftiges bei dieser Konferenz heraus.

Alles das erinnert an Kindergartenstreit: Meine Puppe, deine Puppe, mein Bauklötzchen, den Bauklötzchen, er hat angefangen, nein sie hat angefangen, usw. Das alles lässt sich im Kindergarten mit einem liebevollen Donnerwetter auf die Reihe bringen. Aber wenn es um mehr geht?

Kluge und zugleich verzweifelte Köpfe haben in Kopenhagen ein paar Plakate an die Wände geheftet. Diese Plakate sollten wir uns merken.


Vielleicht lösen wir das Problem ohne die Politik, ohne die Politiker. Da ist auf einmal – heute in den Gazetten – von Windkraftwerken ohne Beispiel in der Nordsee die Rede. Strom, Energie ohne Ende. Die Engländer haben den ersten Schritt getan, andere machen mit, und auf einmal entdecken die Energiekonzerne, dass sich hier das Geschäft des Jahrtausends bietet. (So schnell kann man sich von


Zusammengefasst: Geld regiert die Welt.

Wenn das so ist, und es sieht so aus, dann sollten sich die Politiker darauf einrichten. Sie sind ja auch sonst nicht zimperlich. Sie sollten der eseligen Wirtschaft die Mohrrübe vor die Nase halten, damit sie den notwendigen Weg geht. Anders gesagt:
Mach der Wirtschaft Appetit auf Gewinn, damit wir alle gewinnen. Machbar ist das.

Horizontales

Der Horizont trennt Himmel und Erde. So sehen es unsere Augen. Das ist wissenschaftlich nicht korrekt, aber wir sehen das so. Damit müssen wir uns abfinden.

Das bedeutet aber nicht, dass wir uns mit jedem Horizont abfinden müssen und schon gar nicht mit einem Erwartungshorizont.

Genau von dem sprach der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer heute, am 6. Januar 2010 in Wildbad Kreuth. Er sagte: „Mein Erwartungshorizont ist nicht übertrieben.“ Was kann er damit gemeint haben?

Wahrscheinlich hat er sagen wollen, dass sich seine Erwartungen in Grenzen halten, dass er nicht zu allzu viel erwartet.

Zugegeben: Das klingt natürlich ziemlich poplig. Deshalb also der Erwartungshori-zont. Es geht also wieder einmal um das Technologiedeutsch, in dem Technik zu Technologie hochstilisiert wird.