Donnerstag, Juni 25, 2009

An, zu oder gar nicht

Das höchste Hochdeutsch soll in Hannover gesprochen werden. Bewiesen ist das nicht, aber glaubwürdig im Vergleich zum Gebrauch des Deutschen in Bayern, zum Beispiel.

Deshalb wäre es vernünftig, wenn sich national verbreitete Zeitungen ans Hochdeut-sche hielten und nicht ans Mundartliche. Schließlich sind die Schulbücher für den Deutschunterricht in Hochdeutsch verfasst, nicht mundartlich – nicht bayerisch, nicht schwäbisch, thüringisch oder gar sächsisch.

Aber irgendwie haben die Mundaartlichen mehr drauf als die Hochdeutschen. Selbst die Nordlichterzeitungen schreiben neuerdings „an Weihnachten“, „an Ostern“, „an Pfingsten“. Ím Hochdeutschen wird auf das (überflüssige) „an“ verzichtet: Weihnachten, Ostern, Pfingsten genügt.

Na ja, eine Ausnahme sollte genehmigt werden, aber auch nur in den Programmzeitschriften für Funk und Fernsehen. Die betrifft den Sonnabend (Hochdeutsch) und den Sonntag (sozusagen „Alldeutsch“).

Wenn die Sendungen vom Sonnabend mit SO gekennzeichnet würden (und nicht mit SA wie Samstag), dann gäbe es keinen Unterschied zum Sonntagsprogramm (SO).

Vielleicht denken die süddeutsch Mundartlichen doch praktischer und setzen sich damit durch.

Ich aber bleibe bockig, und „an Weihnachten“ kommt mir ebenso wenig über die Lippen wie in meine Computertastatur – es sei denn in Anführungsstrichen. Und das gilt dann nicht.

Sprachlicher Unfug

Nicht nur Journalisten sollte der Unfug bei Strafe verboten werden, den sie mit unerer Sprache treiben. Das sollte zuallererst für Juristen gelten, die selbst einfache Dinge in rätselhafte Begriffe verwandeln. Dazu gehört zum Beispiel informatio-nelle Selbstbestimmung“.

Zugegeben, eine Ahnung hat man schon, was gemeint sein könnte. Nach landläufiger Meinung sind Juristen übergenau, drehen die Sprache um, bis jedes Wort sitzt. Aber zum Schluss versteht es dann doch kaum jemand, jedenfalls nicht auf Anhieb.

Worum geht es bei der informationellen Selbstbestimmung? Es dreht sich um den Schutz persönlicher Daten. Es geht um die Entscheidung, was man über sich preis geben will und was nicht. Das kann jeder selbst bestimmen, und er hat ein Recht darauf.

Dem einen ist es egal, was man über ihn schreibt – Hauptsache, man schreibt – der andere gönnt niemandem auch nur den kleinsten Blick ins Private. Das alles ist so kompliziert, dass die Sache kaum auf einen Begriff zu bringen ist. Aber die Juristen bringen es fertig. Das richtige Wort allerdings fehlt auch ihnen.

(In der ersten Fassung wurde aus Unfug Unfung. So ein Unfug!)

Pfauendeutsch

Kein anderer Vogel schlägt ein so großes, so buntes Rad wie der Pfau. Kein anderer aber schreit auch so laut und misstönend wie er. Nun kann der Pfau nichts dafür. Aber die Schreiber in den Tageszeitungen – müssen sie ihre Bildung pfauenhaft eitel zur Schaus tragen?

Beispiel aus dem Hamburger Abendblatt vom 24. Juni 2009, Seite 3: „Zudem hat das ‚K-Wort’ in Deutschland eine Konnotation, die sich natürlich vor allem am Zweiten Weltkrieg orientiert…“ . Konnotation?

So sprechen wohl die wenigsten Leser des Hamburger Abendblatts, aber sie müssen es lesen und ahnen wohl nur, was gemeint ist, wenn überhaupt. Wie viel verständ-licher wäre es gewesen zu schreiben, dass das Wort Krieg für Deutsche eine ganz besondere Bedeutung hat, da Deutschland den Zweiten Weltkrieg begonnen hat.

Was das Hamburger Abendblatt kann, kann der SPIEGEL schon lange. Da schreibt er auf Seite 99 in der Ausgabe vom 22. 06. 2009 von dysfunktionalen Staaten (Pakistan und Afghanistan). Gemeint sind Staaten, die nicht funktionieren Geht also auch einfacher.

Zu allem Überfluss ist auf der SPIEGEL-Seite 99 auch noch von der großen Dichotomie die Schreibe. Das muss so eine Art Konflikt sein. Ist es auch. Ohne das Wörtchen Dichotomie wäre untergebildeten SPIEGEL-Lesern schneller klar geworden, worum es geht: um die unterschiedlichen Auffassungen, Ansichten und Positionen der Schiiten und der Sunniten.

Systemisch, verorten und - verstoffwechseln

Systemisch, verorten und - verstoffwechseln

Wahrig Deutsches Wörterbuch kennt weder „systemisch“ noch „verorten“. (Ausgabe 1986, jetzt 23 Jahre alt). Da ich keine neuere Ausgabe habe, halte ich mich an die alte, was nicht ganz ungefährlich ist und mir vielleicht berechtigte Vorwürfe einbringt. Das muss ich in Kauf nehmen.

Was mich ärgert und aufregt: Ganz plötzlich taucht ein Wörtchen wie „systemisch“ auf und ist auf einmal überall zu lesen und zu hören, ganz aktuell im Zusammenhang mit der so genannten Finanz- und Wirtschaftskrise. Vorher war gar nichts „systemisch“, jetzt auf einmal stellt selbst das popeligste, von seinem Management gegen die Wand gefahrene Unternehmen unser Wirtschaftssystem infrage. (Dieser Unsinn ist – systemisch!)

Beim „verorten“ ist es nicht so dramatisch, im Grunde genommen aber genau so schlimm: Sprachschluderei bis zur Unerträglichkeit. Und vor allem die Faulheit, die Sprachfaulheit!

Manchmal wird mit „verorten“ einordnen gemeint. Manchmal finden. Dann wieder

bestimmen. Auch entdecken oder festlegen. Das sind alles unterschiedliche Dinge, aber sie werden über einen Kamm geschoren: „verorten“. So wird unsere Sprache arm.

Klar, zum Leben der Sprache gehört auch das Sterben. Früher wichtige Begriffe verkümmern und gehen schließlich dahin, neue ersetzen sie.

Aber wenn ein Wort zig andere ersetzt, verdrängt, ins Abseits stellt und ausradiert, dann hat das mit Leben nichts zu tun. Dann regieren Faulheit, Oberflächlichkeit und Dummheit.

Wie nah Faulheit und Erfindungsreichtum beieinander liegen, zeigt das Wort „verstoffwechseln“ (Getränkeindustrie 6/2009).

Da hat ein findiger Kopf der Brauerei Göller ein alkoholfreies Getränk mit „ernäh-rungsphysiologischen Eigenschaften“ erfunden. Das Getränk enthält ein spezielles funktionelles Kohlenhydrat, das einzige, das „voll verstoffwechselt“ wird – sagt die Brauerei. Gemeint ist wohl, dass die Inhalte dieses Getränks ganz und gar in Energie umgesetzt werden. So eine Art Kraft durch Freude in flüssiger Form.

Vor allem aber haben wir mit „verstoffwechseln“ ein neues Wort, allerdings eins, bei dem einem schlecht wird, so schrecklich ist es, noch schlimmer als „verorten“. Auch von einem alkoholfreien Bier kann einem schlecht werden, sofern es verstoffwechel-fähig ist. Prost!

Sonntag, Juni 21, 2009

Gesine Schwans Rechtsstaat

Gesine Schwans Rechtsstaat

Gesine Schwan wollte Bundespräsidentin werden. Nun bleibt sie, was sie war: Gesine Schwan. Ich bin erleichtert. Zugegeben: Ich habe sie von Anfang an nicht gemocht. Schon die Frisur, dieses selbstgefällige Lächeln, und dann das Tingeln durch ganz Deutschland, die Besserwisserei – eine Frau, die alles für sich will, aber nichts für uns.

Ich gebe zu: Es ist schön blöd, so emotional zu sein. Aber der wirkliche Grund für meine Erleichterung, dass sie uns als Bundespräsidentin erspart bleibt, ist ein ganz anderer.

Frau Schwan hat gesagt, dass die DDR kein Unrechtsstaat war. Das war kein Irrtum – so dumm ist die Dame nicht – das war eine Lüge. Eine Lüge, um sich die Stimmen der LINKEN zu sichern.

Die DDR war eine Diktatur. Sie war ein Unrechtsstaat. Das ist tausendfach bewiesen.

Natürlich wird auch in einem Unrechtsstaat Recht gesprochen. Aber es ist kein Recht, das rechtens ist. Es ist ein Recht der Willkür. Ein Gelegenheitsrecht. Und Gelegenheit macht Diebe. So stiehlt die Diktatur, der Unrechtsstaat, Stück für Stück das Recht seiner Bürger.

Ich hoffe, Frau Schwan, wir sehen Sie nicht wieder

So, so so

Was so ein klitzekleines Wörtchen alles sagen kann! Meistens wird mit dem Wörtchen „so“ gemogelt. Irgendetwas soll nicht so genau gesagt werden. Oder ist es nur sprachliche Schluderei? Das kann jeder für sich selbst entscheiden. Hier einige Beispiele:

„Alle plappern das Kostenargument nach. Nur es stimmt so nicht.“ Ja wie stimmt es denn dann?

„Das hat sich so noch nie ereignet.“ Aber wie hat es sich denn ereignet? Irgendwie anders?

„Werden von vielen Wettbewerbern so überhaupt nicht angeboten.“ So nicht. Aber wie dann?

Dieses so, so, so könnte eine kleine, dumme Redewendung sein, die einem so aus dem Mund rutscht. Man denkt sich nichts dabei.

Mein Verdacht: Hier soll etwas im Unklaren, im Ungewissen gehalten werden: So nicht, heißt es, aber wie dann – das wird nicht gesagt. Das finde ich ziemlich gemein.

Von großer Tragweite

Hier geht es um Bedeutendes, um Staatstragendes, um Weltbewegendes, Welterhaltendes. Es geht beinahe um alles. Ich gebe zu: Pompöse Sprache hat ihren Reiz. Aber muss wirklich so dick aufgetragen werden? Nein, muss nicht. In den meisten Fällen genügt das Wörtchen wichtig.

Und noch einmal: Zeitnah

Seit einiger Zeit soll immer irgendetwas zeitnah entschieden werden. Was damit gemeint ist, soll offenbar im Dunkeln bleiben. So genau soll es nicht gesagt werden.

Dabei wäre es so einfach, siehe folgende Beispiele.

Zeitnah = sofort, augenblicklich, umgehend, kurzfristig, bald, demnächst…

Aber zeitnah ist so wie das Zeitfenster: eine billige Münze, die das Nachdenken und das Suchen nach dem richtigen Wort erspart.

Auf verlorenem Posten

Ich war heute Gast auf einem Konfirmandentreffen der Ev.-Luth. Gemeinde Quickborn. Thema war der Nationalsozialismus in Quickborn „Quickborn zwischen Krieg und Frieden“.

Von 14 Konfirmanden erschienen nur 8. Zwei Mädchen, die nebeneinander saßen, waren ausgesprochen albern und völlig uninteressiert. Sie wollten nicht einmal am Vorlesen von Zeitzeugenberichten teilnehmen.

Ja, von Hitler hatten sie schon mal gehört. Sonst wussten sie so gut wie nichts. Sie waren überrascht, dass der zweite Weltkrieg nicht nur in Deutschland stattgefunden hat.

Ich fürchte, ich habe da tauben Ohren gepredigt.

Die Diakonin, die mich eingeladen hatte, scheint die Dinge richtig zu sehen. Die Konfirmation? Da gibt es Geschenke! Ein guter Grund, sich konfirmieren zu lassen. Der Unterricht dauert ja auch nur ein Dreivierteljahr. Das kann man investiren.

Von den Familien kommt keine Unterstützung. Die halten ja selbst nichts vom christlichen Glauben. Klar. Das muss man ja auch nicht. Aber warum dann die Konfirmation? Ach ja, wegen der Geschenke.

Wenn die Kinder nicht im christlichen Glauben erzogen werden, steht die Kirche auf verlorenem Posten. Sie kann nicht das schaffen, was die Eltern versäumt haben, was ihnen gleichgültig war oder was sie einfach nicht wollten.

Nun kann man über Sinn und Unsinn von Religionen denken, was man will, der Konsumerismus, der Tanz ums Goldene Kalb, ist sicherlich die fragwürdigste Religion, aber sie scheint die vorherrschende zu sein.

In vergleichbarer Weise steht auch die Schule auf verlorenem Posten. Was von den Eltern nicht geleistet wird – Erziehung zu Anstand, zu respektvollem Zusammenleben, zu Verständnis, zu Pflichtbewusstsein – alles das wird auf die Schule abgeladen. Dabei hätte die Schule genug zu tun, um die Fähigkeiten Lesen, Schreiben, Rechnen zu vermitteln. Dazu kommt sie immer weniger.

(„Theater ist auf der Basis der deutschen Grammatik und des gesunden Menschenverstandes zu bewältigen“. Gustav Gründgens. Das gilt nicht nur für das Theater.)

Small is beautyful

Sonntag, Juni 07, 2009

Die Schule als Erziehungsanstalt

„Ein Lehrer aus Nordrhein-Westfalen hat sieben Monate lang den Alltag an seiner Schule protokolliert“ (STERN Nr. 23 von 28. 05. 2009). Ein geradezu unglaublicher Bericht.

Warum sind die Kinder so? So gewaltbereit, gewalttätig, respektlos, dumm – und offenbar noch stolz auf ihre Dummheit? Nein, die Schule ist nicht schuld daran. Sie ist keine Erziehungsanstalt.

Dieses altertümliche Wort wurde auf Schulen angewendet – zu Kaisers Zeiten, in dr Weimarer Republik und auch noch später – als das gar nicht zutraf. Seinerzeit wurde an den Schulen unterrichtet, wurde Wissen vermittelt. Die Strenge, mit der das oft geschah, hat die Bezeichnung Erziehungsanstalt wohl nahe gelegt. In Wirklichkeit wurden Kinder zu Hause erzogen.

Sie wurden zu Folgsamkeit erzogen, auch gegenüber den Lehrern sowie allen Erwachsenen, zu Höflichkeit, Aufmerksamkeit gegenüber älteren Menschen, ( in der Straßenbahn aufstehen und seinen Sitzplatz anzubieten) – kurzum, die Eltern bemühten sich, ihren Kindern den friedlichen Umgang mit anderen Menschen zu vermitteln. Dabei ging es nicht um Duckmäuserei, auch Selbstbewusstsein und sich nicht alles gefallen zu lassen, wurde vermittelt.

Natürlich gelang das nicht immer, und gewiss gab es auch Eltern, die von dieser Art Erziehung nichts hielten. Aber das war nicht die Regel.

Und heute? Unerzogene, nicht erzogene Kinder, zur Erziehung unfähige Eltern, sind auch heute sicherlich nicht die Mehrheit. Aber es gibt zu viele davon. Woran liegt das?

Ein einfältig erscheinendes Sprichwort sagt es: „Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen.“

Wir leben im Überfluss. Gut zu leben, kostet uns wenig. Unsere Wünsche und Ansprüche sind größer als das, was wir für ihre Erfüllung bereit sind, zu tun. Gegebenenfalls fliegen wir auf Pump in den Urlaub. Das ist es, was viele Papas und Mamas ihren Kindern vorleben. Der Tanz ums Goldene Kalb.

Was die kulturelle Blutleere im Gehirn angeht: Es muss ja nicht unbedingt Goethe sein, auch nicht Schiller, nicht Böll, Grass und Lenz – schaden würde es nicht. Da könnte man richtig „richtiges Deutsch kennen lernen, vielleicht sogar lernen. Aber immer nur „Deutschland sucht den Superstar“, „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ und „Festival der Volksmusik“ (die keine ist)?

Ergebnis: „Ilia, 14, versteht nicht, warum sie „Kind“ groß schreiben muss; sie kann das Wort nicht der Gruppe der Lebewesen zuordnen.“ (Zitat STERN 23/2009, Seite 224 „Kampfplatz Hauptschule“).

Fortsetzung aus STERN „23/2009, Seite 126: „Wunsch und Wirklichkeit“. Arbeitsbedingungen in Kindergärten und Kitas – Vergleich Finnland / Deutschland.

Frau Rippert für Deutschland: „Die Arbeitsbelastung ist immens gestiegen. Wir haben nicht nur mit der wachsenden Kinderarmut und Vernachlässigung zu kämpfen. Da sind die vielen Trennungsfamilien und Migrantenkinder, die unsicheren Eltern. Und nicht zuletzt das Fernsehen: Wenn die Kinder montagmorgens zu uns kommen, sind sie wie durchgedreht. Hinzu kommt – typisch deutsch – die wachsende Bürokratie.“

(Forderung nach frühkindlicher Bildung), Frau Rippert: „Ja. Zusätzlich zum „normalen“ Betrieb solle wir jetzt noch anspruchsvolle Bildungspläne umsetzen, Beobachtungsbögen ausfüllen und für jedes Kind einen Entwicklungsplan erstellen – das alles, ohne auch nur eine Erzieherin mehr bekommen zu haben. Das macht klar: In die Bildung und Entwicklung unserer Kleinsten wird nicht genügend investiert…“

„Der finnische Staat gibt 6,3 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für Bildung aus, der deutsche nur 4,5 Prozent.“

Fazit: Die Armut der Zukunft kommt von der pauvreté heute. Armes Deutschland!