Montag, Juni 30, 2008

Deutsch - gründlich designt

Andreas Eichelsdörfer, Chefredakteur von Business & IT, hat die aktuellen mobilen Navigationsgeräte zum Titelthema der Ausgabe 7/2008 gemacht. Der Beitrag ist lesenswert, man bekommt einen guten Überblick über das Angebot. So weit, so gut.

Nur mit der Sprache, da hapert es. Da wird ein Navi mit "handlich, kompakt und stilvoll designt beschrieben. Designt? Im Deutschen gibt es dieses Wort nicht. Im Englischen schreibt es sich designed. Das ist wohl gemeint. Also beispielsweise: "Es ist handlich, kompakt und hat Stil." (Geht vielleicht noch besser; jeder kann es versuchen.)

Wollen wir die Sache mal auf die Spitze treiben, indem wir vom Schreiben auf's Hören, vom Visuellen auf's Akustische wechseln? Bitte schön!

Designt (designed) = diseint oder auch disaint. Wenn man das so hört, kann man es auch so schreiben.

Und wenn wir das jetzt mal ins Mundartliche verlagern? Ins Bayerische etwa? Da liest es sich dann so: Die sein... - Ja, was sein sie denn? Etwa deppert?

In den Lokus mit dem Fokus!

Ja, ich weiß: eine derbe Überschrift. Aber irgendwann platzt jedem mal der Kragen, auch mir. Der dümmliche Gebrauch des Wörtchens Fokus nimmt überhand. Im Branchenblatt ONE to ONE, Ausgabe 07/08, Juni 2008 liest sich das in einem einzigen Beitrag so:

"...stehe die Weiterentwicklung des Distanzhandels... im Fokus" - "Ab Februar kommenden Jahres soll ein ausschließlich auf den Service fokussierter Vorstand..." -
"... Ist der Fokus hier vor allem auf Mittel- und Osteuropa gerichtet...". Na, das reicht erst mal.

Es ist noch gar nicht so lange her, da hat man sich auf etwas konzentriert, hat etwas in den Mittelpunkt gestellt, hat einer Sache besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Es gibt so viele Möglichkeiten, sich treffend auszudrücken.

Heute zieht man es vor, alles auf das Wörtchen Fokus einzuschrumpfen. Warum? Vor allem dürfte es Faulheit sein, Gedankenlosigkeit auch.

Woran mich das erinnert? An das Vernichten von Regenwäldern mit ihrem Reichtum an Leben in unendlicher Vielfalt und ihren Ersatz durch Monokulturen. Das alles wird uns wirklich noch sprachlos machen.

PS: Zu diesen verdammten Bequemlichkeits- und Armutswörtern gehört auch "generieren", was ebenfalls in dem erwähnten Beitrag vorkommt: "Zwar generiere Otto auch in Deutschland bereits Gelder aus diesem Geschäftsbereich...". Erzielt, erlöst... es geht doch auch so.

Samstag, Juni 28, 2008

Triumph der deutschen Tugenden

Es geht um Fußball. Das mit "Ecke", "Elfmeter" und "Abseits" habe ich egriffen. So gut wie alles andere ist mir fremd geblieben. Macht aber nichts; denn ich finde Fußball unheimlich fesselnd. Ich staune immer wieder, wie zehn Mann sich den Ball so zuspielen, dass die gegnerische Mannschaft möglichst nicht an den Ball kommt, der dafür aber ins Tor der anderen Mannschaft befördert wird. Wie sich die Jungs da verständigen, bleibt mir ein Rätsel, aber ich finde das fabelhaft. Dass es auch viele Missverständnisse gibt, liegt in der Natur der Sache.: Zehn Mann können nicht immer und schon gar nicht 90 Minuten lang einer Meinung sein.

Jetzt wird jeder begriffen haben, dass ich der geborene Fußballfan bin, der keine Ahnung hat. Aber eine Meinung habe ich schon. So sehe ich mir trotz meiner Begeisterung grundsätzlich keine Bundesligaspiele an. Der Grund dafür ist einfach: Bayern München ist so wenig Bayern wie der HSV Hamburg ist. Die Vereinsnamen sind nichts als Verpackung. Was drauf steht, steckt nicht drin. Auf Legionärskämpfe habe ich keinen Bock.

Also kucke ich nicht Fußball? Doch, ich kucke. Gelegentlich. Da gibt es immer wieder mal Spiele zwischen den Riesen und den Zwergen, zwischen den Bundesligisten und den Dorfdeppen. Das finde ich spannend, und ich drücke immer den Deppen die Daumen. Und tatsächlich: Manchmal gewinnen die auch, die vom Dorf. Dann freue ich mich. (Ich komme doch nicht darauf, wie dieser Wettbewerb heißt.) Macht nichts. Die Profis wissen, worüber ich spreche.

Dann gibt es die große Ausnahme: die Länderspiele. Da spielen dann türkische Fußballer gegen englische, italienische gegen griechische usw. usw. Keine Legionäre! Das finde ich in Ordnung. Das gefällt mir. Deshalb sehe ich mir auch Fußball-Welt- oder auch Europa-Meisterschaften an.

In der Europameisterschaft stecken wir ja nun mitten drin. Deutschland im Finale gegen Spanien! Das ist natürlich Quatsch. Es sind ja nur die zwei mal elf Jungs, die wenigstens ein Tor mehr als die anderen schießen möchten. Aber gut. Das wird nun mal hochgejubelt, nicht nur bei uns.

Das liest sich dann so: "Triumph der deutschen Tugenden" (Hamburger Abendblatt, 20. Juni 2008). Es ging um das Spiel der deutschen Elf gegen Portugals Elf. Ich habe da schnell mal ein paar Leute angerufen und sie nach den "deutschen Tugenden" gefragt. Was da rausgekommen ist? "Dispziplin, Fleiß, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, Strebsamkeit, Sauberkeit, Zuverlässigkeit, Genauigkeit, Verlässlichkeit". Das ist ja eine ganze Menge. Aber war das das Geheimnis des Erfolgs?

Wenn ich mich richtig erinnere, hat das deutsche Team recht undeutsch gespielt: Spritzig, überraschend, mit leichten Füßen - die Mannschaft: ein Herz und eine Seele. Sie konnten nicht nur Fußball, sie konnten mit dem Ball spielen. Vom Triumph der deutschen Tugenden sollten wir trotzdem nicht länger reden. Wer alles noch einmal auf die Goldwage legen will, sollte sich an diese Spiele erinnern: Polen, Kroatien, Österreich, Türkei. Bei den Spielen gegen Kroatien und Österreich war von den deutschen Tugenden wenig zu sehen, aber die haben mit dem Fußballspielen ja auch wenig zu tun.

Zum Schluss: Was mich ärgert, ist Deutschland gegen Polen, Portugal, Türkei. Wir sind ja nicht im Krieg!

Was mich freut, sind die vielen Fähnchen an den Autos - nicht nur die deutschen, sondern auch die anderen. Was mich freut: Das 3:2 der deutschen gegen die türkische Elf hat nicht zum Krach geführt. Unsere Türken waren sehr fair. Ob wir das auch gewesen wären, wenn es 2:3 ausgeganen wäre? Die vielen Fähnchen an den Autos sprechen dafür.

Mittwoch, Juni 18, 2008

Redensunarten

Frau Angela Merkel spricht davon, dass sie mit Monsieur Szarkosy „einen sehr gemeinsamen Weg“ gehen wird. Wie sollen wir uns das vorstellen? Einen gemeinsameren Weg als einen gemeinsamen gibt es nicht. Die Dame hat wohl gemeint, dass sich die beiden über den einzuschlagenden Weg so gut wie einig sind. Aber so einfach zu sprechen, scheint schwierig zu sein.

„Der hat Sichtkontakt gehabt“, mault ein Fernsehreporter, als ein Fußballspieler nicht so spielt, wie der Reporter es sich vorgestellt hat. „Der hat ihn doch gesehen.“ Das wäre einfacher gewesen. Kleinkrämerei? Ich glaube nicht.

Ich sehe eine Fliege an der Wand. Das könnte ich auch so sagen. Aber ich sage:

Ich habe Blickkontakt mit einer Fliege an der Wand. Alles klar? Unsere Sprache ist doch kein Luftballon, den wir aufblasen müssen.

Ob mir da jemand vehement widersprechen wird? Vielleicht gibt es auch nur einen heftigen Widerspruch. Was ist hier das Geheimnis? Fremdwörter schmücken offenbar ungemein; sie zeigen, was man kann, was man weiß, dass man mehr kann und weiß. „Die Causa“ ist so ein Beispiel, das zur Zeit in Mode kommt. „Der Fall“

täte es auch.

So wird unsere Sprache missbraucht. Manchmal allerdings lädt sie auch dazu ein. Wir sind Weltmeister in der Erfindung von Wortungetümen (Wortmonstern). Eines davon heißt „Missbrauchbarkeit“(DIE ZEIT ,15. Mai 2008, Feuilleton 51). Der Satz, in dem dieses Wortmonster vorkommt, heißt: „Sind Sie sich der Missbrauchbarkeit Ihrer Kritik bewusst?“ „Wissen Sie, dass Ihre Kritik missbraucht werden kann?“ wäre doch einfacher und besser.

Wie hieß es gerade in den ZDF Nachrichten? Bundespräsident Horst Köhler wolle sich nicht verorten lassen. Verorten? Er will sich nicht festlegen lassen. Wer kommt nur auf so unsinnige Wörter wie verorten?

Von einem schwankenden Zeitkorridor war vor einiger Zeit schon die Rede. Aber es gibt noch mehr merkwürdige Korridore. Volker Stern, Finanzwissenschaftler beim Karl-Bräuer-Institut,spricht von einem „Belastungskorridor“. Er meint damit die Spannweite der finanziellen Belastungen, unter denen einige Bevölkerungsschichten leiden. (SPIEGEL Nr. 25 / 16. 6. 08, Seite 70)

Die Fantasie kennt offensichtlich keine Grenzen. Genau das zeichnet sie aus. Die Politiker beweisen es täglich mit den „unmöglichsten“ Formulierungen. Da sagt zum Beispiel Elma Brok, CDU-Europaabgeordneter: „Die Inhalte des Reform-Vertrags von Lissabon dürfen nicht neu aufgeschnürt werden.“ Ob neu aufgeschnürt oder nicht: Wie will Herr Brok Inhalte aufschnüren? (Hamburger Abendblatt 14./15. 06. 08, Seite 2)

Das Kleine einmaleins – vom großen sei gar nicht erst die Rede – beherrschen heute nur noch wenige: Kopfrechnen schwach! Und mit dem ABC steht es auch nicht besser. Können die Schreiber nicht mehr richtig lesen? Bringen sie alles durchein-ander? Keine Ahnung!

Jedenfalls ist im Hamburger Abendblatt vom 14./15. Juni 2008 auf Seire 4 die Rede von einem fahlen Beigeschmack (im Zusammenhang mit dem aktuellen Datenmissbrauch führender deutscher Unternehmen). Einen fahlen Beigeschmack gibt es ebenso wenig wie einen fahlen Geschmack. Einen faden Geschmack gibt es allerdings. Da schmeckt etwas so gut wie nach nichts, ist also fade, aber nicht fahl.

Fahl ist nicht fade, sondern bleich, blass, vielleicht sogar leichenblass.

Erledigt. Hamburge Abendblatt-Redakteure erledigen ihre Aufgaben immer öfter ungenügend. Manchmal ist das ganz grausig. Da wird in einer Reportage zum Thema „Kleine Fluchten“ geschrieben, dass in einem Staatsforst in der Göhrde „das Wild für die kaiserlicher Hofjagd in eingezäunen Gebieten zu Massen zusammengetrieben und zum Ruhme des Kaisers in wenigen Stunden erledigt wurde.“ Statt erledigt

war erlegt gemeint, oder sollte der Schreiber tief nachgedacht haben? Hat er vielleicht gemeint, dass „erledigen“ die Tatsache genauer bezeichnet hätte als „erlegen“?

Kostenlos. Noch einmal das Hamburger Abendblatt vom 14./15. Juni 2008, Reise und Touristik: „Der ‚Pass Nantes’ gewährt für 14 Euro 24 Stunden kostenlosen Eintritt in Museen, Benutzung von Bus und Bahn ilm Großraum Nantes sowie Rabatte in Geschäften.“ Also was bitte: 14 Euro sind nicht kostenlos.

Punktuell. Da wollen irgendwelche Politiker punktuell entscheiden. Das heißt: Sie wollen von Fall zu Fall entscheiden. Das ist verständlich und in Ordnung, sie wollen nicht alles über einen Kamm scheren. Aber warum sagen sie „punktuell“? So sprechen wir doch nicht.

Kommt gut. „Dass hier auch ein Familienurlaub gut kommt, wissen aber nur die wenigsten.“ schreibt das Hamburger Abendblatt in seiner Ausgabe vom 14. /15. Juni 2008. Was ist das für ein Stammel-/Stummeldeutsch?

Mit „kommt gut“ dürfte hier gemeint sein: „schön, großartig, wunderbar.“ Das ist ja noch schlimmer als das schrecklich „Hallo“ statt Guten Morgen, Guten Tag, Guten Abend“. Wir verlottern unsere Sprache.

Transparenz. Immer wieder fordern Politiker Transparenz, meist mehr Transparenz. Was wir wollen, ist Klarheit und nicht Transparenz, die gar nicht so

transparent, so durchsichtig und einleuchtende ist, wie es notwendig wäre.

Sensibel. Der Allerweltsbegriff für alles Mögliche: kritisch, problematisch, schwierig, heikel. Alle diese Wörter sagen genauer, was gemeint ist. Aber sensibel lässt das im Ungewissen, was man lieber nicht sagen möchte.

Kultur. Ja, auch das muss noch sein, wenn auch schon oft zur Sprache gebracht.

„Es fehlt in Deutschland an einer Kultur des Unternehmertums, die auch eine Kultur des möglichen Scheiterns einschließt“, sagt Peter Englisch, Partner bei Ernst & Young. Was meint Herr Englisch? Vielleicht dies:

In Deutschland fehlt der Mut, etwas zu unternehmen. Es fehlt der Mut, etwas zu riskieren.

Sonntag, Juni 08, 2008

Dialog zur Fußball-Europameisternschaft 2008

Sonntag, 7. Juni 2008. Heute spielen die Fußball-Nationalmannschaften von Deutschland und Polen gegeneinander - kurz gesagt: Deutschland gegen Polen.

Ein Radfahrer fährt an ein paar parkenden Autos vorbei. Ein BMW mit ihm Fahrtwind flatternder Nationalflagge muss hinter ihm bleiben und drängelt so, dass der Radfahrer vor Schreck ein bißchen ins Wackel kommt.

Als der BMW "endlich" vorbei kann, brüllt der Radfahrer hinter ihm her: "Ich zeige Sie an, ich zeige Sie an wegen Trunkenheit am Steuer."

Der BMW-Fahrer hört das, weil er wegen der Hitze bei offenen Fenstern fährt. Er bremst, sodass der Radfahrer gleich wieder neben ihm ist und sagt erbost: "Ich habe nichts getrunken!"

Der Radfahrer: "So wie Sie fahren - kaum zu glauben. Außerdem haben Sie eine Fahne."

Der BMW-Fahrer: "Quatsch!" Der Radfahrer: "Kein Quatsch! Ich sehe doch Ihre Fahne, rechts hintern flattert sie."

Da gibt er BMW-Fahrer ordentlich Gas und ist weg.

Montag, Juni 02, 2008

Angela will Kettensägen stoppen

Wieder so ein Politschauspiel: "Angela Merkel will Kettensägen stoppen" - so das Hamburger Abendblatt auf Seite 4 der Ausgabe vom 29. Mai 2008.

Da wird sich Herr Stiehl freuen, Inhaber des größten Kettenserienimperiums. Aber das ist ein Ding, das die beiden unter sich austragen müssen. Es geht um entwas anderes, es geht um mehr.

"Kanzlerin spendiert 500 Millionen Euro zusätzlich für Tropenwälder" (wieder Hamburger Abendblatt vom 29. Mai 2008).

Das klingt ja zunächst mal richtig gut. Ein leichtes Geschmäckle hat jedoch das Wörtchen "spendiert". Wenn jemand die "Spendierhosen" anhat, dann nimmt er es nicht so genau, dann schmeißt er schon mal mit dem Geld um sich. Das sollte eine Bundeskanzlerin aber nicht tun, zumal sie ja nicht ihr eigenes Geld verpulvert, sondern - na ja, unser Geld.

Nun sind 500 Millionen Euro zum Erhalt der Regenwälder in Südamerika und auch irgendwo in Afrika etwas Vernünftiges, etwas Notwendiges, und wir sollten mit dieser Ausgabe eigentlich zufrieden, vielleicht sogar ein bißchen stolz darauf sein - aber eben nur eigentlich.

Wären die 500 Millionen Euro nicht genau so gut, vielleicht sogar besser, hier in Deutschland angelegt? Da kämpfen die verschiedensten NGOs wie BUND, NABU, GREENPEACE, ROBINWOOD und die Heinz Sielmann-Stiftung um jeden Cent, um jeden Quadratmeter, jeden Tropfen Wasser, um die kleinste Kleinigkeit - nur um uns - ja uns - am Leben zu erhalten.

So ein Quatsch, könnte man jetzt sagen. Am Leben erhalten uns die Autobahnen, mit denen wir Kartoffeln aus Deutschland nach Italien zum Waschen schicken, damit sie dann bei uns zu Kartoffelklößen, zu Kartoffelpüree in Tüten verarbeitet werden - Fast Food, Convenience Food, na alles das, was uns wirklich wichtig ist. Oder?

So ein Quatsch, könnte man jetzt sagen. Wenn die da unten ihre Regenwälder behalten, können wir hier ja wirtschaften wie bisher. Also sind die 50o Millionen doch gut angelegt. Oder?

Um es kurz zu machen. Wir sollten vor unserer Haustür kehren, den Schmutz beseitigen, den wir angehäuft haben.