Donnerstag, Februar 28, 2008

Stiften gehen. Liecht(enstein) am Ende des Tunnels

Wenn es uns, als wir kleine Jungs waren, zu mulmig wurde, wenn wir auf einmal Schiss hatten, dann sind wir "stiften gegangen", haben uns aus dem Staub, haben uns dünne gemacht, haben versucht, schnell noch die Kurve zu kriegen.

Das ist heute noch genau so, ganz besonders dann, wenn die "kleinen Jungs" "reiche Knöpfe" sind. Die hauen auch heute ab, ergreifen die Flucht, die Steuerflucht. Liecht(enstein) am Ende des Tunnels!

Alles wie gehabt? Nein. Es hat sich etwas geändert - zum Bösen. Mit dem Wort Stiften, Stiftung, ist Schindluder betrieben worden.

Im deutschen Sprachgebrauch ist die Stiftung etwas Ehrenvolles. Geldwertes Vermögen wird einem guten Zweck zugeführt. Dass damit auf den Namen des Stifters ein ihn hervorhebendes Licht fällt, ist gut und richtig. Eitelkeiten tun einer Stiftung keinen Abbruch.

Wie wir kürzlich erfahren haben, können Stiftungen auch etwas ganz anderes sein, sofern sie in Liechtenstein gestiftet werden. Da kommen wir wieder zum Anfang zurück: stiften gehen, abhauen, flüchten, steuerflüchten.

Deutsch geht im Fernsehen KO

Die beiden Öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten senden seit einiger Zeit recht häufig Übertragungen von Boxkämpfen. Eine davon schlägt die deutsche Sprache dabei regelmäßig KO.

Und das geht so:



Es wird berichtet, wie viele Kämpfe die Boxer schon bestritten haben, wie viele sie gewonnen, wie viele davon durch KO und wie viele sie verloren haben, alles das wird einem erzählt. Siege und Niederlagen werden gegenübergestellt, die unentschiedenen Kämpfe erwähnt, und so ergibt sich aus dem Gegenüber von Sieg und Niederlage eine Bilanz. Genau das sagt auch der eine Sender.



Der andere spricht von Kampfrekord. Dabei kann von Rekord nicht die Rede sein. Ist es auch nicht. Gemeint ist record. Dieses kleine englische Wörtchen wird aber korrekterweise nicht wie Rekord (Bestleistung) ausgesprochen, sondern - ja eben: wie record.



Das hat der eine Fernsehsender bis heute nicht begriffen und schickt unsere Sprache jedes Mal auf die Bretter.

Dienstag, Februar 26, 2008

Gedruckt oder geflimmert

Gedruckt oder geflimmert - das ist hier die Frage.

BILD, BILD am SONNTAG, WELT am SONNTAG, die Sonntagszeitung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, STERN, SPIEGEL, FOCUS usw. usw. - Millionen werden lesen, und doch gibt es den Verdacht, dass diese Millionen die Minderheit sind. Die Mehrheit - sitzt sie nicht vor dem Fernseher, gemeinhin Glotze genannt?

Ich gehe mal davon aus, dass mehr Menschen fernsehen als lesen. Und was sehen sie da fern? Einen Bruchteil dessen, was die Presse veröffentlicht.

Alles ist so flüchtig. Kaum gesehen, schon verschwunden. Nachlesen, pardon, nachsehen kann man nicht, anders als in der Zeitung. Zum Nachdenken bleibt keine Zeit. Wie will man da urteilen?

Natürlich gäbe es da eine Möglichkeit. Die beiden Öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten brauchten sich nur darum zu kümmern. Müssten nur alles Wichige zur Sprache bringen. Nicht "neutral", sondern kritisch. Auf Kritik haben wir Anspruch. Aber der wird uns verwehrt.

Die beiden Öffentlich-Rechtlichen" werden von einem Kuddelmuddel geführt, der vielleicht gut gedacht, aber inzwischen missbraucht und schlecht gemacht ist. Da treffen in den "Gremien" die unterschiedlichsten Interessen, Absichten und Meinungen aufeinander. Dann sucht man - wie sollte es anders sein? - den Kompromiss.

So sehen die ARD- und ZDF-Sendungen aus: Meinungslos, richtungslos, ohne Kritik - keine Hilfe, sich in der Politik zurecht zu finden.

Ach ja, die Quote? Die muss die "Öffentlich-Rechtlichen" doch gar nicht interessieren; ihr Geld bekommen sie durch die Gebühreneinzugszentrale doch ohnehin.

So bleibt nur eins zu wünschen. Lieber gedruckt als geflimmert. Leute, lest!

Fahrrinnenanpassung à la Jörg Haider

An Wien fließt die Donau vorbei, an Hamburg die Elbe. Die beiden Flüsse haben also wenig geographisches gemeinsam. Die Politiker rund um Donau und Elbe sprechen jedoch ein und dieselbe Sprache.

Jörg Haider, Kärntens Landeshauptmann, lässt einen Moscheebau verbieten. Aber das macht er nicht so direkt. Er hat eine Ortsbildpflege-Sonderkommission vorgeschrieben, die eingeschaltet werden muss, wenn Bauvorhaben "sowohl im Bauvolumen als auch in Bauhöhe der ortsüblichen Bautradition" widersprechen.

Diese Kommissionen werden gehalten sein, in Fällen eindeutiger ideologisch-religiöser Ausrichtng solcher Pläne besonders zurückhaltend zu agieren. Sollte eine Gemeinde ein solches Vorhaben trotzdem genehmigen, behält sich die Landesregierung Einspruch beim Verwaltungsgerichtshof vor. Was also unverfänglich klingt, ist ein Anti-Moscheen-Sondergesetz.
(Michael Frank, Süddeutsche Zeitung 16./17. Februar 2008)

Schwindel mit Wörtern wird hier betrieben. Genauso geht es in Hamburg. Senat und auch die Hamburger SPD wollen wider alle Vernunft die Elbe auf 14,50 Meter tief ausbaggern lassen.
Elbvertiefung also. Weil Elbvertiefung die Menschen hier aber nicht nur auf die berühmte Palme bringt, sonder auf die Deiche, ist man auf das Wort Fahrrinnenanpassung verfallen. Das sagt alles und nichts und führt die Menschen an der Nase herum.

Lug und Trug. Die Sprache macht's möglich. Deshalb: Augen und Ohren auf und fragen, fragen, fragen, was wirklich gemeint ist.

Ich muss ganz deutlich sagen

„Ich muss ganz deutlich sagen…“

Es ist nicht schwierig zu erraten, wer da etwas ganz deutlich sagen will. Es ist entweder ein Politiker, ein Manager oder ein Funktionär. Denen genügt es nicht, etwas zu sagen, sie müssen es ganz deutlich sagen. Und so wie sie sich selbst aufblasen, blasen sie auch unsere Sprache auf. Selbst das Bedeutungslose klingt da sehr bedeutend. Das ist Absicht, aber die, die etwas ganz deutlich sagen, merken es gar nicht mehr, so eingeübt ist diese Unsitte.

Schlimm genug. Aber es kommt noch schlimmer. Alle möglichen Begriffe werden ständig missbraucht, falsch oder missverständlich angewendet. Mal geschieht es Dummheit, mal aus Bequemlichkeit, mal aus Berechnung.

Qualität zum Beispiel. Auch wenn unter Qualität Beschaffenheit zu verstehen ist, im alltäglichen Sprachgebrauch meint man etwas Besonderes, etwas besonders Gutes. Alles und jedes hat heute nicht nur eine Qualität, sondern eine neue Qualität – die islamistische Propaganda ebenso wie die Großstadtkriminalität, die Steuerhinterziehung, die Verschwendungssucht – einfach alles.

Vor allem dürfte die Bequemlichkeit der Grund sein für diese Schludrigkeit. Man greift ins Sprachregal, holt sich eine Sprachkonserve heraus und muss selbst keine eigenen Worte finden.

Zu sensibel wird besonders gern und oft gegriffen. Da gibt es sensible Waren, gelegentlich gesteigert zu hochsensiblen Waren. Da ist von sensiblen Themen die Rede und auch von Sensibilisieren. Alles, was heikel ist, worüber lieber nicht gesprochen werden sollte, alles, was peinlich werden könnte, käme es ans Tageslicht, alles das ist sensibel – nein, wird sensibel genannt. Gemeint ist immer: Darüber sollten wir nicht reden. Das muss unter der Decke bleiben. Bloß keine Einzelheiten nennen. Nichts zugeben, alles verschweigen.

Und was das Sensibilisieren angeht: Worum geht es da? Eigentlich nur darum, Gefühl und Verständnis für ein Thema zu vermitteln. Oft steckt dahinter der Gedanke, andere Menschen für unsere Ideen zu gewinnen. Das ist ja nicht falsch und nicht verwerflich. Warum wird es nicht gesagt? Warum diese gedankenlose Fast-Food-Sprache? Ist es so schwierig, eigene Worte zu finden?

(Sensibilität = Feinfühligkeit – sensibel = feinfühlig, empfindsam – sensibililsieren = für etwas empfänglich machen, Verständnis wecken.)

Pragmatisch. Da wird einem Politiker zugestanden, er sei pragmatisch. Verstehe, wer das will. Nicht mal Abiturienten kommen damit so ohne Weiteres zurecht. Ins Alltagsdeutsch übersetzt heißt das nicht anderes als: Er ist sachlich, er hat Erfahrung, er weiß, wovon er redet, und eine pragmatische Lösung ist eine, die auf Erfahrung beruht, eine Lösung, auf die man sich verlassen kann. Wenn das nicht pragmatisch ist!

Belastbar, ein unscheinbares, in letzter Zeit immer häufiger – absichtsvoll? – verwendetes Wort.

Es ist noch gar nicht so lange her, da sagte man beispielsweise: „der So-und-so“ ist belastbar. Gemeint war: Den schmeißt so leicht nichts um. Der steht das durch.

Heute ist etwas anderes gemeint. Da ist von nicht belastbaren Zahlen, von nicht belastbaren Informationen die Rede, was nichts anderes bedeutet: Auf die Zahlen kann man sich nicht verlassen, die Informationen sind nicht verlässlich. Aber das wäre ja die „brutalstmögliche“ Deutlichkeit. Das wollen wir doch lieber nicht. Da benehmen wir uns doch lieber „politically correct“.

Was hätten wir da noch? Da wäre das Rating. Nach der Frankfurter Allgemeinen Zeitung dieser Tage bekommen „Zertifikate ein Rating“. Das halte ich für einen schlechten Witz; denn die Ratings, sprich Bewertungen der Rating-Gurus, haben – wohl nicht nur in letzter Zeit – deutlich daneben gelegen. Die Sub-Prime-Katastrophe haben die Gurus nicht gesehen oder – schlimmer noch – verschwiegen.

Nun kommen wir zu den leichteren Übungen. Was bisher eine Vorschau war, ist heute eine Preview. Aus einer Spielemesse wird jetzt eine Games Con (Games Convention). Gut, das ist Europas größte Messe für Video- und Computerspiele – aber spricht Europa Englisch? Da sei Sarco davor.

Wenn man ins Hamburger Abendblatt schaut, hat man durchaus das Gefühl. Unter dem Titel „Was macht eigentlich ein Shiftleader?“ wird erklärt, dass es sich hier um einen Schichtleiter handelt, um den Vormann also oder die Vorfrau. Erinnert das nicht an den Viewpoint im Hamburger Hafen oder die Hamburger Port Authority, die Hafenverwaltung? Ach ja, der Viewpoint ist nichts weiter als ein Aussichtspunkt.

Schlimmer als das, weil an Betrug grenzend, ist das Wort Fahrrinnenanpassung, das für Elbvertiefung ins Gefecht geführt wird. Fahrrinnenanpassung kann alles Mögliche sein, klingt auf jeden Fall harmlos. Und darum geht es.

Ganz schnell noch zu eínem hoffnungslos erscheinenden Fall: Nordgate. Da haben sich ein paar Bürgermeister einiger Städtchen nördlich von Hamburg zusammen- getan, um etwas Bedeutendes in die Welt zu setzen.

Sie wollten das Tor zum Norden zimmern und brachten nichts anderes zuwege als das Nordgate. Auf Northtor ist niemand gekommen, hätte doch aber genau so gut gepasst. Oder vielleicht Northgate? Aber heute werden Kinder genannt wie man lustig ist, manchmal sogar nach einer Stadt: Paris (Hilton).

Donnerstag, Februar 21, 2008

Der Schlussstrich

Irgendwann will man irgendetwas auf irgendeine Weise zu irgendeinem Ende bringen.
Was macht man da? Man zieht einen Schlussstrich. Das klingt vernünftig, ist es aber nicht.

Schlussstriche ziehen wir, um uns unangenehmen Themen den Weg abzuschneiden. Schluss aus, kein Wort mehr! Darüber sprechen wir nicht!

Nicht mehr daran denken. Nicht mehr darüber reden (was immer es ist). Den Mund halten also.
Und dann wundern wir uns, wenn mit unserem Schlussstrich immer noch nicht Schluss ist. Wenn da immer noch ein paar Leute ihr Maul aufreißen. Die können gar nicht laut genug schreien. Alles müsste noch lauter zur Sprache gebracht werden.

Unter den Nationalsozialismus darf kein Schlussstrich gezogen werden. Bei 60 Millionen Toten(Zweiter Weltkrieg) können wir keinen kurzen Prozess machen, keinen Schlussstrich ziehen. Das gilt auch für vieles Andere.

Das heißt: Die Ohren spitzen, um alles zu hören. Die Augen weit aufmachen, um nichts zu übersehen. Und den Mund aufmachen, damit jeder erfährt, worum es geht.

Mittwoch, Februar 20, 2008

Es ist höchste Zeit

Alle Welt regt sich über die neonazistischen Glatzköpfe auf. Das ist richtig, aber die sind bei uns, in Deutschland, nicht das Problem. Viel schlimmer, viel gefährlicher ist, dass sich kaum jemand erregt, wenn es um Folgendes geht:

Die hohen Gehälter steigen in den Himmel, die niedrigen sausen in den Keller. Das wird eine Wut schaffen, von deren Wirkung wir noch keine Vorstelllung haben. Das hat mit Links und Rechts nichts zu tun. Da geht es um satt sein und Hunger haben.

"Die Reichen" gehen stiften, das heißt: Sie machen sich davon. Nach Liechtenstein und sonst wohin. Die weniger Reichen kommen nicht ganz so weit. Und die Dummen werden geschröpft. So könnte man das skizzieren. Sprengstoff! Mal sehen, wann was in die Luft fliegt. Möglicherweise sind wir das selbst.

Das Gemeinste von allem ist die Irreführung.Mit falschen Wörtern werden wir in die Irre , an der Nase herum geführt.

"Interoperationalität" und "Kooperationsfähigkeit" - wer kann sich darunter etwas vorstellen? Niemand natürlich, und das ist auch die Absicht. Es geht darum, dass unsere Bundesregierung
das Verbot von Streubomben nicht ohne Ausnahmen hinnehmen will. Was der deutschen Rüstungsindustrie nützt, soll weiterhin erlaubt sein. (Schließlich geht es um Arbeitsplätze.)
So legt man seinen Kopf in die Schlinge.

Und so geht es weiter. Immer wieder neue Begriffe werden erfunden, um das, was wir sehen wollen, was wir wissen müssen, im Nebel der Irreführung verschwinden zu lassen. Das begann mit der "vorläufigen Endlagerung" von Atommüll und hat noch kein Ende gefunden.

Es ist höchste Zeit, diesem Unsinn, diesem Schwachsinn, diesem Wahnsinn ein Ende zu machen. Auf die Frage, wie das gehen soll, wird sich auch noch eine Antwort finden lassen.