Donnerstag, Mai 25, 2006

Kadavergehorsam

„Sitz, Bello, sitz!“ – und Bello sitzt brav. „Bei Fuß, Bello!“ – und Bello läuft brav neben uns her. Nein, das ist kein Kadavergehorsam, das ist soziales Verhalten; denn Bello ist Mitglied eines Rudels, in dem jeder seine Aufgabe hat. Blinder Gehorsam ist das nicht.

Kadavergehorsam scheint etwas sehr Menschliches zu sein, allerdings nichts, worüber wir uns freuen könnten. Zuallererst fallen einem da wahrscheinlich der Bolschwismus, der Kommunismus, der Faschismus, der Nationalsozialismus ein. An die Kirche denkt man da zuletzt.

Vielleicht sollten wir zuallererst daran denken. Den Opus-Mitgliedern wird absoluter Gehorsam abverlangt. „Gehorcht, wie ein Werkzeug in der Hand des Künstlers gehorcht, das nicht danach fragt, warum es dies oder jenes tut“, schärfte Escriva ein (Gründer des Opus Dei Werk Gottes, 1928). Papst Johannes Paul II. war damit offenbar recht einverstanden, der jetzige Papst Benedikt XVI. wohl weniger, was man aber nicht so genau weiß.

Hin und her: Nicht fragen nach Recht und Unrecht, gehorchen, gehorchen, gehorchen! Alle, die die Welt verbessern wollten, haben sie schlechter gemacht, siehe Bolschewismus, Kommunismus, Faschismus, Nationalsozialismus. (Quelle: „Elitetruppen des Papstes“ – DIE WELT, Seite 29, 17. Mai 2006.

Der kleinste gemeinsame Nenner

In der Bruchrechnung steht der Nenner unter dem Strich und der Zähler darüber. Das nur zur Erinnerung für alle, die den Algebraunterricht schon lange hinter sich oder nicht aufgepasst haben.

Ich komme auf das Thema „Kleinster gemeinsamer Nenner“ durch den Leserbrief von Reimund Kalff aus Hamburg ans Hamburger Abendblatt, irgendwann im Mai dieses Jahres.

Reimund Kalff schreibt: „Der kleinste gemeinsame Nenner (gemeint ist schlechter Kompromiss) ist falsch, denn je kleiner der Nenner, desto größer der Wert 1/1 ist größer als 1/2 ist größer als 1/4 “.

Wenn wir also wieder von einem Poliitiker den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ vorgesetzt bekommen, dann sollten wir wissen dass wieder einmal ein fauler Kompromiss geschlossen wurde. Das sollten wir nicht so ohne weiteres hinnehmen; denn die Zeche zahlen wir.

Einfach ist nicht immer einfach

„Man soll die Dinge einfach machen, aber nicht zu einfach“ – so Albert Einstein. Daran hat sich offenbar das TREND® Büro mit seiner „Erfindung“: „Simplexity – die neue effiziente Klugheit“ orientiert, zur Sprache gebracht auf dem
11. Deutschen Trendtag im Curiohaus in Hamburg.

Da geht das TREND® Büro mutig und großmäulig zur Sache und verkündet neue Erkenntnisse, die gar nicht neu sind. Gefühl und Vernunft seien in Simplexity vereint, und daraus entstünden dann „effektives Handeln in komplexen Situationen mit simplen Mitteln“ und „smartes und schnelles Entscheiden zur Steigerung der Handlungsoptionen“. Wenn das nichts ist!

„Konsumenten verhalten sich zunehmend ‚simplex’ und entwickeln eine eigene gefühlte Alltagslogik.“ – so eine Behauptung. Das ist Quatsch, Marketing- und Kommunikationsquatsch, wie er uns seit langem begleitet. Wieder mal ein „Konzept“, hinter dem viele atemlos hinterherrennen, so lange, bis ein neues angeboten wird. Das dauert erfahrungsgemäß nicht lange. So bleibt man ständig in Bewegung – wie in einem Fitness-Studio, in dem man rennt und rennt, nur nicht vorwärts kommt.

Erstens: Konsumenten verhalten sich nicht zunehmend ‚simplex’; sie haben sich schon immer so verhalten. Sie haben sich aus den vielen Informationen das herausgepickt, was ihnen wichtig erschien – aus welchen Gründen auch immer – und haben dann ganz einfach (‚simplex’) entschieden. Da spielten und spielen so einfache Dinge eine Rolle wie das Vertrauen in die Marke Miele oder in die Marke Nivea, um zwei Beispiele zu nennen. So einfach ging und geht das.

Was macht diese beiden und andere erfolgreiche Marken so stark, so überzeugend, so erfolgreich? Sie benehmen sich sehr menschlich, setzen nicht nur auf den Verstand, sondern auch auf das Gefühl. Wo ist da das Neue von „Simplexity“?

Zweitens: Eine „gefühlte Alltagslogik“ ist eine Erfindung von TREND® Büro. Soll das eine Logik sein, die nach Meinung von TREND® Büro gar keine richtige Logik ist, nur eine vermeintliche, eine nicht wirkliche, eine virtuelle vielleicht? Die Logik, mit der jeder Mensch – Konsument hin und her – an die Sache herangeht, war immer eine Mischung aus Verstand und Gefühl, aus Erfahrung und Neugier, aus Versuch und Irrtum. Das ist auch heute noch so.

Empfehlung: Weniger reden und schreiben. Mehr denken und fühlen. Und wenn das verlernt sein sollte: Noch mal von vorn anfangen. So simpel ist das Ganze.

PS: Nach Wahrig ist „Simplex“ ein einfaches, nicht zusammengesetztes Wort,

Mittwoch, Mai 24, 2006

"Behämmert"

24. 05. 2006

„Das ist ja der Hammer!“ – eindeutig Umgangssprache, wenn nicht gar Vulgärsprache. Gemeint ist „Das ist ja ein starkes Stück!“ oder „Das ist ja unglaublich!“ „Das kann doch nicht wahr sein!“

Wie aber verhält es sich mit dem „Wendehammer“? Mit was? Na, mit dem Begriff aus der Kategorie Verkehrsbauwerk, vermutlich erfunden von einem besonders sprachbegabten Beamten oder Angestellten des öffentlichen Dienstes, jedenfalls von niemandem aus dem Handwerk und niemandem, der eine Ahnung von Geometrie hat.

Wikipeda, die freie Enzyklopädie, schreibt dazu: „Ein Wendehammer ist eine rechteckige, trapezförmige oder runde Verbreiterung am Ende einer Stichstraße oder Sackgasse für das Wenden von Fahrzeugen. Je nach Charakteristik kann der Wendehammer unterschiedlich ausfallen. Es gibt sieben Grundformen von Wendehämmern.“

Dann zeigt Wikipeda 8 Wendehammer-Skizzen. Keine davon hat auch nur die geringste Ähnlichkeit mit einem Hammer. In einem Fall könnte man an einen Trichter denken, in einem anderen an einen Kochlöffel. Eine andere Skizze sieht eher wie das Seitenleitwerk eines Flugzeugs aus, und eine andere erinnert fatal an eine Panzerfaust.

Das bedeutet natürlich nicht, dass wir jetzt den Begriff „Wendehammer“ durch „Wendelöffel, „Wendetrichter“ oder „Wendepanzerfaust“ ersetzen sollten. „Wendeplatz“ würde ja genügen.

Einen richtigen Wendehammer aber gibt es. Der wurde geschwungen am 9. Novemer 1989, als DDR-Bürger die Wende von der Diktatur zur Demokratie herbeiführten. Das war wirklich „der Hammer“, das ganz und gar Unglaubliche, ein starkes Stück.

Nach dem Wendehammer zu einigen anderen Hämmern, zunächst zur Sprache:

Da schreibt Sven Felix Kellerhoff in der WELT vom 13. 05. 06 „Die Expertenkommission des Kulturstaatsministers will von der Täter- zur Opferperspektive wechseln…“. Das ist fein formuliert und ganz gemein feige. Der Schreiber hat sich gescheut, die Dinge beim Namen zu nennen. „Die Experten sind im Begriff, die Täter zu Opfern zu machen…“ Na gut, ein Hämmerchen. Aber wenn man sich damit auf den Daumen haut, tut’s auch weh.

Unser Bundespräsident sagt auf dem DGB-Kongress in Berlin neben anderen Unverbindlichkeiten (Hamburger Abendblatt, 23. 05. 06, Titelseite): „Die Führungspersönlichkeiten der Wirtschaft sollten gerade jetzt eine ‚besondere Kultur der Mäßigung und Verantwortung’ zeigen.“ Eine Kultur? Sie sollen sich mäßigen, bescheidener werden, Verantwortung zeigen. Ist das zu deutlich gesagt? Mit dem Wörtchen Kultur wird alles, worauf es ankommt, verniedlicht, undeutlich gemacht und unverbindlich. Wir leben in einer Konsensmilchgesellschaft!

Das sind nur „Sprachhämmer“? Ja, natürlich, aber die Sprache ist eine der gefährlichsten Waffen.

Jetzt zu einem wirklich starken Hammer, der mehr platt machen kann, als man auf den ersten Blick sieht:

„Gemeinden in Niedersachsen schicken Bürger auf Streife“ (DIE WELT, 23. Mai 2006) „53 Kommunen wollen freiwilligen Ordnungsdienst – Ehrenamtliche melden Vergehen an die Polizei – Mehr gefühlte Sicherheit.“ So weit Überschrift und Unterzeile.

Zunächst bin ich nur über das Wörtchen „gefühlte“ („gefühlte Sicherheit“) gestolpert weil ja heute so gut wie alles „gefühlt“ ist und nicht mehr wirklich. Aber dann gingen mir die Augen auf.

Schünemann (CDU), Innenminister von Niedersachsen, zu dem, worum es geht: „… mehr Präsenz zu zeigen und Ansprechpartner zu sein…“, „subjektives Sicherheitsgefühl“ stärken, „Wir wollen kein Denunziatentum haben“ usw. usw.

Es komme darauf an, „die Richtigen“ für den Dienst zu finden und nennt gleich ein paar Voraussetzungen: Infrage kommt, wer deutsch spricht, mindestens 18 Jahre alt ist und einen Schulabschluß oder eine Berufsausbildung hat. (Das Strafregister würde abgefragt.) Polizeibeamte sollen den Freiwilligen in 30 bis 35 Stunden ihre Rechte und Zuständigkeiten erklären. Das erinnert an die Ernennung von Hilfs-Sheriffs in Wildwestfilmen, und das ist noch ein harmloser Vergleich. (In Bayern dürfen Bürgerstreifen – die gibt es nach diesem Beitrag schon – Platzverweise aussprechen und sich Personalausweise zeigen lassen.)

Alles das erinnert mich an den Hauswart und den Blockwart im Dritten Reich. So soll sich also offizielles Spitzeltum bei uns einschleichen?! Das ist ein Hammer!

Fraglos haben wir ein Problem, das täglich größer wird: Gewalt überall, Bedrohung und darum das Gefühl, sich auf den Straßen, nachts sowieso, aber auch tagsüber, nicht mal zu Hause, sicher zu fühlen.

Dieses Problem lässt sich ganz einfach lösen: Polizisten fahren nicht Streife, sondern gehen Streife. Polizisten erhalten ein Revier, für das sie zuständig sind, das sie kennen – vor allem dessen Bewohner. Sie gehen ihr Revier ab, sie sprechen mit den Menschen und geben ihnen so nicht nur das Gefühl von Sicherheit. Sie geben ihnen Sicherheit; denn wo die Polizei ihr Revier kennt, hat es Kriminalität schwer. In diesem Sinne einmal zu Recht zurück zu Kaiser’s Zeiten.

Nun zu Parteihämmern (im Zusammenhang mit der Großen Koalition):

Da verkündet Hubertus Heil, SPD-Generalsekretär, nach einer Präsidiumssitzung seiner Partei, was er stets verkündet, „seit der Wähler Sozial- und Christdemokraten zu einem Bündnis auf Bundesebene gezwungen hat…“ (DIE WELT,13. Mai 2006, „Alles Labbadia oder was…“).

Einspruch, Euer Ehren! Der Wähler hat keine Partei zu irgendetwas gezwungen. Dieser sogenannte Zwang zu einer Großen Koalition ist eine Erfindung der Parteifunktionäre, die um jeden Preis an der Macht bleiben wollten. Die Höhe des Preises interessierte sie nicht; sie müssen die Zeche ja nicht bezahlen. Dafür ist „der Wähler“ da. Wenn das kein Hammer ist!

„Die große Koalition ist ein Bündnis ohne wirkliche Legitimation durch die Wähler, denn sie stand am 18. September nicht zur Wahl“. (Spreng: „Der 22. Mai hat viel verändert – aber wenig geändert“ – Hamburger Abendblatt, 22. Mai 2006, Seite 2). Nein, diesmal kein Hammer, sondern eine ganz schlichte Feststellung.

Aber nun kommt der wirkliche „Hammer“. Kein anderer schwingt ihn, als Roland Koch, derzeit Ministerpräsident von Hessen. „Wir sind aus eigenem Interesse in die große Koalition mit den Sozialdemokraten gegangen…“ (DIE WELT, Seite 5, 22. Mai 2006). Da haben wir’s. Es ging und geht um die Interessen einer Partei, nicht um uns, nicht um den Wähler, nicht um den Souverän, nicht um das Stimmvieh und schon gar nicht um das, was wir alle zusammen sind: Deutschland. Es ging und geht um Roland Koch & Co.

Wenn ich lese, was Helmut Schmidt zum 100. Geburtstag von Gerd Bucerius gesagt hat, kommen mir die Tränen: „Wenn wir denn endlich verstehen lernen, dass eine Demokratie nicht die Erfüllung unserer persönlichen Wohlfahrt bedeuten kann, sondern dass Demokratie vielmehr Beteiligung des Einzelnen an Entscheidung und an Verantwortung verlangt…“

Helmut Schmidt hat, als er das sagte, gewiss nicht an Roland Koch gedacht, aber Roland Koch ist damit gemeint; denn er hatte und hat ja nur das Wohl seiner Partei und damit sein Wohl im Auge.

Sonntag, Mai 21, 2006

Martin Sabrow kann nicht deutsch

Martin Sabrow ist 52, ist Professor und leitet seit Mai 2005 eine Kommission, die "Empfehlungen für eine Neuordnung des DDR-Gedenkens" entwickelt hat. Leider kann er nicht deutsch; ich zitiere:

"Aber als Historiker weiß ich natürlich auch, daß der Begriff 'Täter' zugleich ein Maß an Handlungs- und auch Wertebildungsautonomie unterstellt, die in der Zwangsnormalität einer repressiven Gesellschaft gar nicht immer und überall gegeben sein mußte - im Dritten Reich übrigens ebenso wie in der DDR."

Das ist nicht deutsch. Das ist Unsprache. Das ist auf Stelzen gegangen, wo man locker, frisch und fröhlich laufen , der Sprache ihren Lauf lassen sollte.

Spannender als ein Kreuzworträtsel zu enträtseln ist, herauszufinden, was der Professor gemeint hat. Wahrscheinlich dies:

"Unter einem Täter verstehen wir einen Menschen, der aus eigenem Antrieb und wegen persönlicher Ansichten aktiv geworden ist. Das ist aber in einer Gesellschaft, die den einzelnen unter Druck setzt, nicht immer und überall der Fall. Da wird 'von oben' die Tat erwartet und psychologisch erzwungen. Das war im Dritten Reich genauso wie in der DDR."

Ob dies nun die Täter freispricht , die sich zur Tat gedrängt fühlten oder wirklich gezwungen wurden, sei dahingestellt. Das aber ist ein anderes Thema.

Mir geht es im Augenblick nur darum, dass eine deutliche Sprache gesprochen wird, die jeder versteht. Gott schütze uns vor den Studenten des Professors Martin Sabrow; denn sie werden so sprechen und schreiben wie er: unverständlich.

gez. Bullerjahn

Freitag, Mai 19, 2006

"Er ist die Mutter aller Maßstäbe"*

Mensch, Wilfried Minks, ausgerechnet Du – ausgerechnet Du musst das sagen, einer der besten Bühnenbildner und Regisseure! Ich hoffe, es war nur ein Ausrutscher, weil Du einfach drauflos gratuliert hast zum achtzigsten Geburtstag von Peter Zadek.

Der Peter Zadek eine Mutter? Das kannst Du doch nicht ernst gemeint haben. Vater aller Maßstäbe wäre ja noch gegangen. Aber auch das wäre missratene Sprache. Maßstäbe haben keine Väter.
Ich habe den Verdacht, auch Du bist Opfer einer unglückseligen Entwicklung. Wir verlernen zunehmend das sprechen und beherrschen das Plappern umso besser.

Das mit „der Mutter von diesem und jenem“ begegnet uns immer häufiger. Meist geht es um „Ursprung“, aber das klingt so dröge, nicht wahr?

Das mit dem Nachplappern ist zur Seuche geworden. „Pferdeflüsterer“ ist ohne Frage ein originelles Wort, eine originelle Bezeichnung von Monty Roberts, der sich auf Pferde so gut wie wohl kaum ein Mensch versteht. Inzwischen gibt es alle möglichen Flüsterer. Will hoffen, dass sie uns zumindest in der Politik keinen Unsinn einflüstern.

„Der mit dem Wolf tanzt“, der Film mit Kevin Kostner. Seitdem tanzen alle möglichen Leute mit allem möglichen.

„Nicht ohne meine Tochter“, Betty Mahmoodis Bestseller. Seitdem ist „Nicht ohne…“ unerträglich geworden – nicht ohne dies und das und jenes.

Was steckt hinter diesem um sich greifenden Unsinn? Denkfaulheit. Der Hang zum Fast-Food-Deutsch. Mit billiger Wortmünze zahlen.

Dieser Sprachmissbrauch hat offenbar jetzt auch die Anspruchsvollen wie Wilfried Minks erreicht. Es ist zum verzweifeln.

Wilfried, komm zu Dir!

Es grüßt Bullerjahn

* DIE WELT, 19. 05. 2006 – Gratulation zu Peter Zadeks 80. Geburtstag

Mittwoch, Mai 17, 2006

Herr Bullerjahn und Frau Nettchen

Die Sprach-Los-Redaktion hat heute einen Mitarbeiter und eine Mitarbeiterin eingestellt: Herrn Bullerjahn und Frau Nettchen.

Der Grund dafür: Es gibt so viel zu be-reden und so viel zu be-schreiben, dass ein Kopf und zwei Hände nicht ausreichen. Nun hat die Redaktion drei Köpfe und und sechs Hände. Sie wird mehr schaffen, aber nicht alles. Das aber soll nicht entmutigen.

Die Namen sprechen für sich. Herr Bullerjahn ist ein Polterer; er bullert immer gleich drauflos. Ein Hitzkopf. Immer Feuer und Flamme. Bullert wie das lichterlohe
Feuer im Ofen. Da kennt er nix.

Frau Nettchen ist nicht immer so nett, wie es ihr Name vermuten lässt. Wenn sie anderer Meinung als Herr Bullerjahn ist, dann sagt sie ihm und uns das, und nimmt kein Blatt vor den Mund. Sie ist nur nicht so hitzköpfig wie Herr Bullerjahn.

Heute werden wir von beiden noch nichts lesen, da sie erst einmal ihre Schreibtische und Notebooks einrichten müssen. Vielleicht wollen sie sich auch noch über die Spielregeln verständigen, damit nicht allzu viel Blut fließt, wenn Meinung gegen Auffassung kämpft und umgekehrt. Fassen wir uns in Geduld.

Dienstag, Mai 16, 2006

Widerspenstige Sprachen

Jede Sprache hat ihre eigene Art und lässt nicht alles mit sich machen. Nicht jedes Wort lässt sich in eine andere Sprache übertragen. Für „Kindergarten“ fand sich in der englischen und amerikanischen Sprache kein passendes Wort. So hat „Kindergarten“ im Englischen wie im Amerikanischen seinen Platz gefunden.

Jetzt scheint etwas Ähnliches in unserer Sprache stattzufinden. Dabei dreht es sich um das Wort „Stalker“. Das taucht erst seit einen Wochen oder Monaten auf. Damit gemeint sind Menschen, die andere Menschen mit ihrer Besessenheit verfolgen und sie drangsalieren, sie ständig beobachten, anrufen, ihnen in den Weg treten, sie verrückt machen.

Wirklich, ich bin kein Feind von „Fremdwörtern“, wenn sie etwas genauer aussagen, als ein vergleichbares deutsches Wort. Trotzdem habe ich nach einem passenden deutschen Wort für „Stalker“ gesucht. Man weiß ja nie. Ich habe keins gefunden. Es scheint keins zu geben.

Dann machen wir es so wie die Engländer und Amerikaner: Wir gemeinden das fremde Wort ein, machen es zu unserem Wort. (Bleibt nur noch ein kleines Problem: Wie sprechen wir „Stalker“ aus?

Montag, Mai 15, 2006

Gesimst und gefühlt

Früher, als die Welt noch in Ordnung war*, wurden wir in den Telefonzellen mit der Aufforderung zur Ordnung gerufen: „Fasse dich kurz!“. Diese auch heute noch vernünftig erscheinende Aufforderung – Telefonminuten sind teuer – wird mit Verachtung gestraft. Telefongespräche zeichnen sich dadurch aus, dass sie kein Ende zu finden scheinen – drei, vier, fünf mal scheint das Gespräch beendet zu sein, um dann doch wieder fortgesetzt zu werden.

Ganz anders sieht es bei der modernen Variante der Kommunikation aus, der SMS, die über das Handy, Telefonino, Mobile Phone läuft. Da kann es gar nicht kurz genug sein. Mit ein paar Buchstaben ist alles gesagt: „ILD“ – ich liebe dich. „IHD“ – ich hasse dich, oder ich habe Durst? Die Empfänger werden es wissen.

Also wirklich: Kürzer geht es kaum. Herr Morse würde gelb vor Neid, und die Stolze Schrey, diese wunderbar kurze Stenoschrift wäre nun wirklich zu lang.

Nun steht hinter dieser modernen Kürze, die vielen Telefongesprächen gut täte, nicht der Aufruf „Fasse dich kurz!“, sondern die Primitivität der Handy-Tastatur. Für manchen Buchstaben muss eine Taste – ein Tästchen – dreimal gedrückt werden. Das ist umständlich und zeitraubend. Die Folge: „DWN“, sprich: das will niemand.

Und noch etwas, bevor ich zu meinem eigentlichen Thema komme: „Schicken Sie doch einfach eine SMS“, heißt es. Aber was heißt das wirklich? Nichts anderes – genau genommen – als „Schicken Sie doch einfach eine SHORT MESSAGE SERVICE“. Ziemlich blöd, nicht wahr, und grammatikalisch völlig daneben. Aber heute nehmen wir es ja nicht mehr so genau mit unserer Sprache.

Im Sprechgebrauch, ja, im Sprech- und nicht Sprachgebrauch wird es dann wieder ganz lustig. Da heißt es nämlich nicht „Ich EssEmEsse“, sondern „Ich simse“. Sim-sala-bim, so geht es heute in unserer Welt.

Jetzt aber endlich zu dem, was ich schon die ganze Zeit los werden möchte: Der SMS-Jargon macht sich überall in unserer Sprache breit. Es kann gar nicht kurz und knapp genug zugehen, auch wenn die Klarheit damit manchmal zum Teufel geht.

Ganz besonders geeignet scheint hierfür das Wörtchen „gefühlt“ zu sein. Wenn da eine Journalistin von einer „gefühlt zentnerschweren Tür“ schreibt, meint sie nichts anderes als dass die Tür den Eindruck machte, Zentner zu wiegen und entsprechend schwer zu öffnen war.

In Wirklichkeit steckt hinter der „gefühlt zentnerschweren Tür“ aber etwas anderes: eine Mode. Ganz plötzlich, sozusagen über Nacht, ist „gefühlt“ das Wort der Wörter.

Plötzlich ist alles „gefühlt“ – die soziale Kälte, die Streitkultur, die Bedrohung und weiß der Himmel was sonst noch. Eine Mode, eine Marotte, etwas, das sich hoffentlich bald wieder aus unserem Sprachgebrauch verabschiedet. Dabei ist die Sache ursprünglich gar nicht verkehrt.

Das Thermometer – ganz gleich, ob es nach Celsius oder Fahrenheit misst –, zeigt sozusagen objektive Werte, zum Beispiel fünf Grad minus, fünf Grad also unter dem Gefrierpunkt (nach Celsius). Das ist kalt. Aber wir empfinden das nicht immer als kalt. Drei Grad plus bei heftigem Wind empfinden wir möglicherweise als viel kälter.

Wirklichkeit und Gefühl können sich also ganz deutlich unterscheiden. Die gefühlte Kälte ist eine ganz andere als die tatsächliche Kälte.

Das ist doch aber kein Grund, nun alles nach „gefühlt“ und „tatsächlich“ zu unterscheiden. Soziale Gerechtigkeit, zum Beispiel – was immer das sein mag – ist, ob gefühlt oder nicht gefühlt, nichts, womit wir etwas anfangen können. Weder die gefühlte noch die andere gibt es.

* Auch früher war die Welt nicht in Ordnung. Das sollten wir nicht vergessen. Vor allem sollten wir nicht versuchen, sie in Ordnung zu bringen. Das bringt nur Unglück. Beispiele dafür gibt es genug. (Hitler, Stalin, Mao Tse tung, Pol Plot, Ceausescu usw. usw.

Freitag, Mai 12, 2006

Schindlucherliches und Luderliches

Mit jemandem Schindluder zu treiben ist gemein. Man behandelt ihn schändlich, holt alles aus ihm heraus, bis er ein Nichts ist – kein Mensch, kein Tier, eben ein Schindluder, ein geschundenes Ludes, ein Stück Aas, ein Stück Dreck.

Alles dies gibt es auch in nicht ganz so grässlicher Form, aber doch mit den ein und denselben Folgen. Man kann auch mit Unternehmen Schindluder treiben. Man kann ein gesundes Unternehmen ausnehmen wie eine Weihnachtsgans und so mit allen Werten, die dieses Unternehmen darstellt, Schindluder treiben.

Vielleicht ist die Beschäftigung mit dem Wörtchen Luder nicht ganz so niederdrückend. Sieht ganz so aus. Ein Luder ist laut Wörterbuch ein Gauner, ein Spitzbube, also jemand, den man durchaus sympathisch empfinden kann, wenn er einen nicht gerade selbst an der Nase herumführt und ausnimmt.

Nun gibt es allerdings mehrere Arten von Ludern. Zuallerst fallen einem da die leichtfertigen, die gewissenlosen Mädchen ein, die um die Kerle herumscharwenzeln, sie verrückt machen und die ganze Welt zwischen Männern und Frauen in Unordnung bringen. Wenn das Luder den Ehemann zwischen die Beine gekriegt hat, lacht es ihn aus und sieht gespannt zu, wie er die Sache mit seiner Frau wieder in Ordnung bringt.

Neuerdings gibt es auch Boxenluder. Das sind die Mädchen, die in einer so engen Pelle wie ein Wiener Würstchen bei den Formel-!-Boxen auftauchen. Sie lassen sich gern von den Pistenhelden verspeisen, und stellen keine anderen Ansprüche, als verschlungen zu werden. Oder machen sie sich Hoffnungen? Hoffnungen auf was?

Wer mit über 300 Stundenkilometern pro Stunde anderthalb Stunden im Kreis herumfährt, muss kein guter Liebhaber sein. Aber das wissen die Boxenluder nicht, oder sie wollen es nicht wissen.

Ob es außer Boxenludern auch noch andere Luder gibt? Es ist anzunehmen; denn die „Wissenschaft“ entdeckt täglich etwas Neues. Es wird wohl nicht lange dauern, bis auch von Politikludern die Rede ist. Der eine oder andere Name fiele mir da schon ein. Aber ich werde keinen verraten.

Halt! oder halt - ein sprachgeographischer Ausflug

Die drei Buchstaben h-a-l-t können in dieser Zusammensetzung die unterschiedlichste Bedeutung haben. „Halt!“ ist der Befehl, anzuhalten,
„halt“, wie es vor allem in Gesprächen bis zum Unerträglichen oft gesprochen wird, ist nichts anderes als ein Füllwort. „Das sagt man halt so.“ „Das war früher halt so.“
„Das habe ich mir halt gedacht.“ usw. usw. Das geht durch ganz Deutschland, von Ost nach West, von Süd nach Nord.

Dieses von „Süd nach Nord“ hat mich nachdenklich gemacht. Bevor mir jemand Parteilichkeit vorwirft, möchte ich erwähnen, dass meine Geburtsstadt Leipzig ist, dass ich in Dessau, Wiesbaden, Magdeburg, Berlin, in Ostpreussen und in Mecklenburg großgezogen worden bin, auch ein Jahr Wien ist dabei, und nach weiteren Stationen bin ich in Hamburg gestrandet.

Ich bin also überall zu Hause. Meine Vorurteile richten sich demnach gegen alle und jeden oder gegen niemanden – sofern ich Vorurteile habe. Aber ich habe gar keine.
Ich habe nur Fragen.

So frage ich mich, warum das Füllwort „halt“, das aus Süddeutschland stammt, heute auch von Flensburgern so häufig benutzt wird. Reicht Bayern inzwischen bis zur dänischen Grenze? Es schein so zu sein, denn anders ist der Verlust des „norddeutschen“ Füllworts „eben „ gar nicht zu erklären.

„Das sagt man eben so.“ „Das war früher eben so.“ „Das habe ich mir eben gedacht.“ Sagt heute so gut wie niemand.

Zufall oder nicht, mit dem Wochentag vor dem Sonntag verhält es sich genauso.
Was im Norden Deutschlands der Sonnabend war, im Süden aber Samstag, ist heute – mit wenigen Ausnahmen – republikweit „Samstag“.

Natürlich kann man mit diesem Eroberungsfeldzug des Süddeutschen leben, auch wenn es einem nicht gefällt. Aber wie kommt es dazu? Woran liegt das. Warum hat das Wörtchen „halt“ das Wörtchen „eben“ aufgefressen?

Ich behaupte: Uns hat Jahrzehnte die Hauptstadt gefehlt – Berlin. (Bonn war keine).
Die echten Berliner kamen aus Schlesien, aus Ostpreußen, aus Hessen, Bayern, von überall her, sogar aus Russland. Daraus entstand dann erst mal das Berlinerische und dann das Hochdeutsche. Wenn es ginge, sollten wir mal Tucholsky fragen.

Rubin-rote Dummheit

Die Deutsche Wirtschaft – nein, das ist zu allgemein - , viele Unternehmer und Personalleiter beklagen die mangelhaften Kenntnisse und Fähigkeiten von Schulabgängern, die sich bei ihnen bewerben. „Sie können weder richtig lesen, noch schreiben, noch rechnen..“

Dies muss für bare Münze genommen werden, auf jeden Fall spricht vieles dafür. Es ist ja allenthalben die Rede davon, dass es durchaus freie Arbeitsplätze gibt, die jedoch nicht besetzt werden können, weil die Bewerber die notwendigen Fähigkeiten nicht mitbringen.

Schuldige an dieser Misere, an diesem unmöglichen Zustand, lassen sich zuhauf finden. Die Schule, die Eltern, die Politiker, ach, überhaupt alle und alles, jeder ist Schuld daran, nicht zu vergessen die Schüler selbst, die sich offenbar entschlossen haben, dumm zu bleiben.

Sollte da vielleicht noch jemand fehlen? Vielleicht die Unternehmer, die Personalchefs? Die Unternehmen? Die Wirtschaft also? Es sieht so aus, und als Beweis soll eine Promotion, eine Verkaufsförderungsmaßnahme, der Eckes-Granini Deutschland GmbH dienen.

Eckes-Granini lässt im Einzelhandel Kostproben von „Roter Multivitamin“ verteilen, verbunden mit „Großem Gewinnspiel“.

„Rot und wertvoll wie ein Rubin!“ wird das neue Getränk (der neue Drink) ausgelobt. Daran schließt sich die Frage an, ob die neue Sorte von hohes C
smaragd-grün, rubin-rot oder diamant-klar ist.

Diese Frage gewinnbringend zu beantworten, ist eigentlich nicht schwierig, aber Eckes-Granini Deutschland GmbH scheint da anderer Meinung zu sein. Oder wollte man sich dem Niveau der heutigen Schulabgänger, einschließlich Abiturienten, anpassen und niemandem die Chance auf ein Papa-, Mama-, Kinder-Wochenende an der Ostsee versauen?

Zusammengefasst: Eckes-Granini GmbH bewegt sich mit diesem „großen Preisausschreiben“ auf dem Niveau von Sonderschülern, nein, eigentlich noch darunter.

Ist nicht so schlimm? Machen doch alle, wenigstens aber viele. Da müssen wir uns nicht wundern. Aber abfinden? Müssen wir uns damit abfinden, überall eine Bruchlandung hinzulegen?

Nee, eigentlich nicht. Deshalb habe ich das geschrieben.

Montag, Mai 08, 2006

"Gefühlt" - ein Wort spielt sich auf

Trotz des schulmeisterlichen Rohrstocks unserer 16 bundesländlichen Kulturministerinnen und Kulturminister: Unsere Sprache bleibt widerspenstig.

Sie lebt im Zweifelsfall an den Damen und Herren Ministern vorbei. Die haben dann das Nachsehen und wissen im ersten Augenblick nicht, was sie sagen sollen. Mit Hilfe ihrer Referenten fällt ihnen aber bestimmt wieder etwas ein. So weit, so gut; das Spiel kennen wir.

Manchmal aber gerät der Sprachgebrauch wirklich außer Rand und Band, und das sollte dann doch einmal zur Sprache kommen.

Ganz plötzlich steht da ein Wort im Rampenlicht, das uns bisher nicht aufgefallen ist, das wir nicht wahrgenommen haben – ein Wortkomparse sozusagen: „Gefühlt“.

Da ist von gefühlter Kälte die Rede, und dann purzelt es nur so. So gut wie alles ist plötzlich „gefühlt“: die Stimmung, der wirtschaftliche Aufschwung, die soziale Sicherheit (was immer das sein mag), die Gerechtigkeit, auch soziale Kälte wird gefühlt.

So ganz abwegig ist das ja nicht, wenn wir ans Fühlen denken; wir sind ja schließlich kein Thermometer. Mal empfinden wir 2 Grad plus als kalt, weil ein scharfer Ostwind weht, ein anderes Mal machen uns 5 Grad minus nichts aus, weil Windstillle ist und die (leider nicht wärmende) Wintersonne scheint. Es geht doch nichts über Gefühle!

Aber dann fliegt unser kleines, so harmloses Wort aus der Kurve. Plötzlich ist alles „gefühlt“. Nichts ist mehr wirklich. Celsius und Fahrenheit – vergessen, PS und Drehmoment – nur noch gefühlt, nicht gemessen. Tschernobyl und alles und alles nur noch gefühlt, das Gemessene zählt nicht oder wird in Gefühltes umgewandelt.
Zugegeben, das alles ist vielleicht zu hoch gegriffen. In Wirklichkeit geht es beim heutigen Gebrauch des Wörtchens „gefühlt“ um etwas ganz anderes. Es geht darum, dass das, was da gesagt wurde, eigentlich gar nicht stimmt.

Die gefühlten 2 Grad minus waren ja keine 2 Grad minus, sondern 1 Grad plus. Das Thermometer ist da unbestechlich; das Gefühl allerdings auch. Und wenn ich – rein gefühlsmäßig – friere, dann friere ich und fühle mich nicht wohl – Thermometer hin oder her.

Was mit „gefühlt“ gesagt werden soll, ist dies:

Eigentlich ist alles gar nicht so schlimm.

Na, hören Sie mal, vielleicht ist alles noch viel schlimmer. Wahrscheinlich. Dann sollten wir etwas dagegen tun.

Weshalb, glauben Sie, habe ich das alles geschrieben?!

Hopp, hopp, hopp, Sprache, lauf Galopp!

Nein, eigentlich geht es ja ganz anders, nämlich so: "Hopp, hopp, hopp, Pferdchen, lauf Galopp.
Laufe über Stock und Steine, aber brich dir nicht die Beine. Hopp, hopp, hopp, Pferdchen, lauf Galopp."

Was früher das Pferdchen war, ist heute die Sprache. Wir jagen sie im Galopp durch unser Reden und Schreiben. Dabei kommt es zu manchem Beinbruch.

Wir simsen (ich simse, du simst, er, sie, es simst usw.) Das heißt: Wir verschicken mit Hilfe unserer Handys (telefoninos / mobile phones) SMS-Nachrichten = short message system-Nachrichten. Da ist mit ein paar Fingertips eine ganz neue Art und Weise (ich will nicht sagen Kultur) der Übermittlung von Nachrichten entstanden - Liebeserklärungen inbegriffen: Alles zusammengepresst, auf das Äußerste verkürzt, Stenografie ist nichts dagegen. Gut, das ist eine Welt für sich, und wir werden sehen, was aus ihr wird.

Mit weniger Gelassenheit sollten wir die Komprimierungssucht betrachten, von der vor allem Politiker heimgesucht werden. Die führen eine Art sms-Komprimierung in unsere Sprache ein nicht um Worte zu sparen, sondern um das, was sie sagen, nicht allzu genau zu sagen.

Eines dieser sms-Wörter ist "zielführend", meist in Verbindung mit dem Wörtchen "nicht" verbunden. Da ist eine Diskussion nicht zielführend, ein anderes Mal ist ein Vorschlag nicht zielführend, und so geht es munter weiter.

"Diese Diskussion, dieser Vorschlag führt nicht zum Ziel", wäre deutlicher, aber schon diese kleine Klarheit wird gescheut. Häufig aber verbirgt sich hinter "nicht zielführend" die Ansicht: das ist Quatsch, davon halten wir nichts, das wollen wir nicht, bei dem Unfug machen wir nicht mit.

"Zielführend" als Versuch höflich und verbindlich zu sein? So könnten wir es sehen. Aber das dürfte dann doch zu blauäugig sein.

Sind das nicht Sprachkrümeleien, die hier zusammengefegt werden? Schließlich gibt es auch "irreführend". Warum soll es nicht aus "zielführend" geben? Wenn eine irreführende Information uns in die Irre führt, warum soll uns dann eine zielführende Information nicht zum Ziel führen?

Wer löst das Rätsel, bevor es zu weiteren sprachlichen Beinbrüchen kommt? u.A.w.g.

Dienstag, Mai 02, 2006

Unsere Hauptwörter legen uns lahm

Hauptwörter sind Substantiva - so hieß es gelegentlich in der Schule, im Grammatikunterricht. Sie sind etwas Substantielles, haben Substanz, Inhalt und Gewicht. Gewicht vor allem wie wir sehen werden - und die damit verbundene Unbeweglichkeit.

Dann haben wir - es gibt noch ganz andere Wortsorten - die Verben, die Tätigkeitswörter. Da tut sich was. Da geht es nicht um Gewicht, sondern um Kraft, um Beweglichkeit.

Aus dieser Mischung von Gewicht und Beweglichkeit, von Schwere und Leichtigkeit bezieht unsere Sprache ihre Kraft und das, was wir sagen und schreiben, seine Überzeugungskraft.

Versuchen wir, uns das ein paar Beispielen klar zu machen:

"Da gibt es noch Handlungsbedarf." = "Da muss noch was getan werden."
"Nach meinem Kenntnisstand..." = "So weit ich weiß..."
"Im Portfolio haben" = anbieten können"

Drei Beispiele von hundert und aberhundert anderen.

Die Aneinanderreihung von Hauptwörtern macht unsere Sprache unbeweglich, schwer und schwerfällig und - undeutlich, unverbindlich und oft genug auch ein wenig oder sogar ein wenig mehr verlogen.

Das Wort Verantwortungsträger will uns weismachen, dass es sich hier um besonders bedeutende Personen handelt. Kann sein. Häufig genug sind es Menschen, die der Verantwortung liebend gern aus dem Weg gehen.

Anders gesagt: "Ich trage dafür die Verantwortung" klingt sehr bedeutend. "Ich verantworte das, ich stehe dafür gerade" macht nicht so viel her, ist aber geradeheraus und unmissverständlich. Das allerdings will offenbar oft genug vermieden werden.